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Der Jäger ist die Beute

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Das Erste, was Kira sah, war Blut. Der Boden war mit Blutspritzern übersät. Kira schloss die Augen wieder. Diese Blutmenge ließ darauf schließen, dass sie gerade dabei war zu sterben. Es war nicht nötig, dabei einem Cardassianer in die Augen zu sehen.

Vielleicht war es besser zu beten und die Propheten für all das Blut, das sie selbst vergossen hatte, um Verzeihung zu bitten? Wie oft hatte sie die Propheten mit in den Kampf genommen, in ihrem Herzen?

Wie oft gebetet, sie mögen sie beschützen, ihr helfen, den Feind zu töten, auch wenn sie wusste, dass die Propheten nichts von Rache und Gewalt hielten? Ob man ihr verzeihen würde?

„Du kannst die Augen ruhig wieder aufmachen, Bajoranerin, ich weiß, dass Du wach bist.“ Die Stimme des Cardassianers klang amüsiert. Kira schlug die Augen auf, ihr Schädel schmerzte, aber das schien nicht ausreichend für den Tod. Sie setzte sich vorsichtig auf und tastete über die Beule an ihrer rechten Schläfenseite.

Der Cardassianer stand mit dem Rücken zu ihr und hantierte an dem Tisch, der diesen Raum beherrschte und unter dem so viel Blut schwamm. Der Geruch in diesem gut geheizten Zimmer war fast erschlagend in seinem Blutdunst, Kira spürte, wie Übelkeit ihre Magenwände kitzelte. An den Wänden, an Fleischerhaken, hingen die Überreste von vielen bajoranischen Wildtierarten. Das prächtige Geweih eines Berghirsches lag wie vergessen neben dem weißen Fell eines abgezogenen Windläufers.

Tränen traten in Kiras Augen, diese schnellen, grazilen Tiere waren sehr selten. Kein Bajoraner hätte je einen Windläufer gejagt, schon gar keinen mit einem weißen Fell. In den alten Legenden waren sie die Boten der Propheten, und selbst heute war noch genug von diesem Glauben in den Seelen der Bajoraner verwurzelt, um die Windläufer heilig zu halten.

Kira blickte auf ihre nackten Beine. Auf einem Stuhl war fein säuberlich ihre Kleidung gestapelt, nur die Jacke fehlte. Sie schnappte erschrocken nach Luft, was den Cardassianer dazu veranlasste, sich umzudrehen.

Seine Hände waren blutbesudelt und in einer davon hielt er das abgezogene schwarze Fell mit den hellen Streifen des Nachtwolfes. Er verengte die Augen ein wenig, als er den Schrecken in Kiras Augen las. Mit einer Geste deutete er auf die Kleidung. „Du kannst Dich wieder anziehen.“

Kira packte mit zitternden Händen ihre Kleidung und zog sich hastig an. Während sich ihr Verstand wie eine überlastete Stahlfeder kurz vor dem Zerspringen mit den Dingen, die der Cardassianer vielleicht während ihrer Bewusstlosigkeit getan hatte, beschäftigte.

Die grauen, hellen Augen des Cardassianers ließen sie dabei keine Sekunde lang aus den Augen. „Ich musste mich vergewissern, dass Du nicht noch mehr Waffen versteckt hast.“ Kira schluckte den bitteren Geschmack der Furcht hinunter, ihre Nervenenden flatterten so, dass sie sich nicht sicher war, ob er die Wahrheit sprach.

In den Augen des cardassianischen Offiziers war ein Interesse, das Kira fast den Magen herumdrehte. Er war nicht als Widerstandskämpferin an ihr interessiert, aber es war auch nicht direkt sexuelles Interesse. „Ich kann jede Bajoranerin in diesem Dorf bekommen oder in jedem anderen, welches ich zu inspizieren habe.“ Sein Tonfall weckte Kiras Zorn, der ohnehin nur momentan von Furcht verdrängt worden war.

„Da bin ich sicher“, sie spuckte die Worte aufsässig heraus, was dem Cardassianer jedoch nur ein Lächeln entlockte. „Für einige Nahrungsmittel sind sogar Väter bereit, mir ihre Töchter anzubieten. Falls nicht meine bloße Anwesenheit ausreicht, um jeden meiner Wünsche in diesem Punkt voll zu befriedigen - das kann ich jeden Tag haben.“ Er klang verächtlich, fast so, als bereite es mehr Verdruss als Freude. „Keine Beute, die es zu jagen lohnt.“

Kira fuhr sich mit der Zungenspitze nachdenklich über die Lippe. Der Cardassianer hatte seinen Phaser im Gürtel stecken, und auf dem Tisch lagen mehrere Messer, mit denen er den Wolf gehäutet hatte. Ob sie schnell genug war, eines dieser Messer zu packen?

„Denk nicht daran, ich will Dein Leben nur ungern so vergeuden.“ In der Stimme des Cardassianers schwang etwas mit, das tatsächlich einer Bitte glich. Kira schauderte, weil er ihre Gedankengänge so leicht erraten hatte. „Was willst Du von mir, Cardassianer?“

In den Augen des Offiziers leuchtete ein Feuer, welches Kira unheimlich vorkam. Ob er vollkommen verrückt war? „Ich will, dass Du Dich satt isst“, er deutete zu einem niederen Tisch, wo mehr Essen stand, als die meisten Leute in diesem Dorf und beim Widerstand in einer Woche zu sehen bekamen.

Kira kniff misstrauisch die Augen zusammen, es war sehr gefährlich, wenn Cardassianer so kamen. Er hatte ja schon gesagt, was man sich mit Nahrungsmitteln alles erkaufen konnte. „Du sollst nur essen und schlafen, das ist alles, was ich will. Du sollst morgen früh ausgeruht sein.“ In seiner Stimme schwang deutlich Vorfreude und Erregung mit.

„Was ist morgen? Holt man mich dann ab, um mich zum Verhören zu schleppen? Oder willst erst Du dieses Vergnügen haben?“ Der Cardassianer lachte laut und warf ihr das abgezogene Wolffell zu. Kira fing es unwillkürlich auf und starrte den Cardassianer an. „Ich will eine Jagd, eine spannende Jagd. Du hast mich um ein gutes Fell gebracht.“ Er deutete auf die Stelle im Fell des Nachtwolfes, welche vom Phaser versengt war.

„Eine Jagd?“ Kira war sich jetzt ziemlich sicher, dass der Cardassianer verrückt war, aber das machte ihn nur noch gefährlicher. „Ja, wenn ich Dich fange, dann wirst Du mir alles über den Widerstand verraten. Du wirst jedes Wort schreien, das kann ich Dir versprechen.“

Kira erlaubte sich einen Funken der Hoffnung. „Ich könnte entkommen.“

Der Cardassianer verzog leicht die Lippen. „Ein kleiner Rebell weniger. Im Grunde ist Dein Wissen uninteressant - dies ist ein langweiliges Leben. Umgeben von feigem Pack, keine Herausforderungen - und so weit weg von all den herrlichen Jagdgründen meiner Heimat“, in seiner Stimme war beinahe Schmerz. „Doch Du wirst nicht entkommen, kleine Bajoranerin, mir ist noch keine Beute entwischt.“ Der Cardassianer sammelte seine Messer ein und verließ den Raum, hörbar rastete das Schloss an der Türe ein. Kira blickte sich um, er hatte keine Waffe zurückgelassen, und das einzige Fenster war mit Brettern vernagelt.

Sie schlich suchend durch den Raum, der Cardassianer war verrückt, aber das war ihre Chance. Sie beschnupperte das Essen, es roch köstlich, aber vielleicht war es mit Drogen versetzt? Mit einem Schulterzucken biss sie in eine Pastete, die zwar schon ein wenig kalt aber köstlicher war als alles, was sie in diesem endlos langen Winter zu essen bekommen hatte. Es war seltsam, aber sie glaubte dem Cardassianer, er wollte seine Jagd, das war anscheinend alles, was ihn interessierte, und er wollte eine Jagdbeute, die bei Kräften war.

Kira bediente sich eifrig an den Nahrungsmitteln, aber sie zwang sich aufzuhören, bevor sie richtig satt war. Ihre Fingerspitzen huschten leicht bedauernd über die Reste des Bratens, doch es war besser, ein klein wenig hungrig zu bleiben. Mit vollem Magen rannte es sich schlecht, und Kira war sicher, dass ihr Leben von ihren körperlichen Fähigkeiten abhängen würde - mit solch einem Jäger auf den Fersen.

Sie rollte sich am Boden zusammen. Eine der Fähigkeiten, die sie schon in jungen Jahren erlernt hatte, war in jeder Lage in den Schlaf fallen zu können. Man lernte schnell, jede Ruhepause auszunutzen, um neue Kräfte zu sammeln und für einige wenige Minuten vielleicht der rauen, kalten Wirklichkeit zu entfliehen - in einen schönen Traum.

* * *


Es war ein seltsamer Traum. Kira starrte in die flackernde Flamme des Lagerfeuers. Sie wusste, dass sie träumte, ein Teil von ihr konnte den harten Boden spüren, auf dem sie lag. Dennoch war das Feuer so echt - es knisterte und kleine Glutfünkchen stoben im Wind auf.

Es roch sogar nach Feuer, harzig, nach Wald und Freiheit. Kira streckte unwillkürlich die Hand aus, träumte sie wirklich? Dieses Feuer strahlte sogar Wärme aus, konnte man sich daran verbrennen? Shakaar hatte einmal lachend bemerkt, sie würde erst dann etwas glauben, wenn sie dieser Glauben in den Hintern beißen würde - musste sie diesen Traum wirklich herausfordern?

„Ich würde es nicht tun, mein Kind.“ Die sanfte, tiefe Stimme klang unvermittelt aus dem Dunkel. Kira riss die Hand zurück und starrte den Vedek an. Die Dunkelheit gab ihn nur stückchenweise frei, sein Gesicht blieb im Schatten.

Es war fast so, als würde er die Dunkelheit dieser Traumlandschaft um sich geschlungen tragen wie einen Mantel. Seine dunkelblauen Augen blitzten kurz auf, um dann wieder in den Schatten zu verschwinden. Neben ihm bewegte sich etwas, ein Wolf mit einem Hauch Sternenlicht auf dem Rückenkamm. Die goldfarbenen Augen erinnerten Kira an den Nachtwolf, den sie sterben gesehen hatte.

„Was bist Du?“ Kira war überrascht über die Frage, die ihr ohne nachzudenken über die Lippen glitt.

Ein Lächeln war aus den Schatten und wogenden Dunkel zu erahnen. „Ich bin der Hüter und der Behütete!“

Kira konnte sich selbst in einem Traum nicht ihr verächtliches Schnauben verkneifen. „Ich habe keinen Wunsch, Rätsel zu lösen“, sie dämpfte den zornigen Tonfall und setzte sanfter hinzu, „Vedek!“ Selbst in einem Traum wollte sie nicht unbedingt respektlos gegenüber einem geistigen Führer sein.

„Das ganze Leben ist voller Rätsel, mein Kind, daran solltest Du Dich gewöhnen.“

Kira fragte sich, wie lange dieses Leben noch dauern würde - bis morgen?

„Ich war einst wie Du“, wieder war ein Lächeln mehr zu fühlen als zu sehen, „ein Krieger auf dem Weg des Krieges - dann konnte ich diesen Weg nicht mehr fortführen und versuchte, den Weg des Friedens und des Wortes zu gehen - doch meinen Frieden fand ich erst mit dem Weg des Opfers“.

Kira hob eine Augenbraue und in den flackernden orangeroten Flammen tauchte kurz das Trugbild eines Mannes auf, der von Wölfen angefallen wurde. „Die Nachtwölfe haben Dich gefressen?“ brach es leicht entsetzt über Kiras Lippen. Der Vedek hob die mit Dunkelheit umwogten Schultern. „Ich wurde ein Teil von ihnen“, erklärte er, als sei es ein Unterschied.

„Was führt Dich in meinen Traum?“ Kira versuchte, mehr von seinem Gesicht zu erkennen, doch seine Züge blieben undeutlich und verschwommen.

„Der Jäger geht seinen Weg, doch jeder Jäger kann auch zur Beute werden!“

Kira fragte sich, ob der Vedek, Geist oder nicht, Traum oder Vision, ihr helfen wollte. Bezogen sich seine Worte auf den Cardassianer?

„Wie kann ich den Jäger besiegen, oder ihm zumindest entkommen?“ Der Vedek zog sich mehr in die Dunkelheit zurück. „Es kommt darauf an, welchen Weg Du wählst, Nerys. Ein Krieger kann zum Opfer werden, er kann sogar den Weg der Beute gehen! Vergiss das nicht, mein Kind!“

Kira wollte nicht, dass er ging, sie verstand kein Wort von dem, was er sagte. Sie sprang auf, um dem Vedek zu folgen, doch sie rannte nur durch eine unwirkliche, kalte Dunkelheit, bis ein traumloser Schlaf selbst diese Finsternis vertrieb.
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