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Traumschatten

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Nerys rannte, sie war unvorsichtig gewesen, die cardassanische Patrouille war ihr dicht auf den Fersen. In den letzten Monaten waren die Sicherheitsvorkehrungen in der Stadt schärfer geworden, nachdem die Diebstähle sich gehäuft hatten.

Shakaar hatte es immer gesagt, man durfte nicht zu oft sein Glück herausfordern, indem man an den selben Ort zum Stehlen zurückkehrte, aber das Waisenhaus hatte sie immer wieder angezogen.

Sie hatte die Cardassianerin beobachtet die dieses Haus führte, eifrig hatte sie danach Ausschau gehalten, in welcher Weise sie die Kinder missbrauchte und je weniger sie fündig wurde, desto begieriger wurde sie darauf herauszufinden, das die Frau verdorben und boshaft war.

Es konnte keine Cardassianerin geben, die bajoranische Waisenkinder mit Liebe versorgte, es konnte keinen Feind geben, der sich umsonst und ohne einen Vorteil daraus zu ziehen, mit solch einer Arbeit zufriedengab.

Doch sie sah nur eine Frau, die sich liebevoll und aufopfernd um die Kinder kümmerte und das stellte alles in Frage an das sie inzwischen glaubte, es stellte ihren Hass in Frage und den brauchte sie um zu überleben.

Er war der einzige Freund kalter Nacht, er war der einzige der sie rennen ließ, auch wenn ihr Körper nicht mehr konnte, er war der einzige, der sie überleben ließ, wo andere starben.

Weil sie hasste, alle Cardassianer hasste, und sie wollte keine Ausnahmen machen.

Hin und wieder saß sie im Apfelbaum, der im wilden Garten wuchs und beobachtete aus ihren Blätterversteck hervor Renon, wie er spielte, vor allem ein Halbblut teilte sein Spiel und kümmerte sich um ihn.

Ihr Name war Xeja, soviel hatte Nerys in ihren Baum gehört, aber auch mit ihr sprach Renon nie mehr als die Aufforderung zum Spiel.

Nun schien es, dass sie ihre Bindung an Renon, an dieses Waisenhaus, sie in tödliche Gefahr brachte.

Nerys ignorierte das Brennen in ihren Beinen, der kurze, scharfe Krampf der durch ihre Waden schoss und ihr Hirn zermarterte sich auf der Suche nach einem Versteck, nach einem Entkommen.

Sie wusste was mit ihr passieren würde, wenn man sie erwischte, man würde versuchen sie zum Sprechen zu bringen und sie wusste, dass sich die Cardassianer rühmten jeden zum Sprechen bringen zu können.

Das Waisenhaus - Nerys beschleunigte ihren Schritt, bisher hatte sie es immer vermieden dorthin zugehen, wenn die Cardassanerin da war. Sie kannte die Zeiten wo sie sich in der Stadt aufhielt.
Es war schon dämmrig, sie würde sich im Garten verstecken, bis die Patrouille vorbei war, im Schutz der Nacht würde man sie nicht finden.

Nerys schwang sich über die Mauer, der raue, verwitterte Stein schürfte ihre Hände auf, lose Steinchen prallten auf dem Boden und die Steinplatten die zum Landhaus führten.

Sie war zu sehr in Eile, zu sehr außer Atem, als dass sie sehr leise und aufmerksam gewesen wäre.

Ihre Hand umklammerte den Phaser, so als sei dies der einzige Halt, der einzige Freund in dieser Welt.
Schweiß hatte sich in ihren Augenbrauen gefangen und brannte jetzt in den Augen.

»Kann ich dir helfen, mein Kind?« Die sanfte Stimme entlockte Nerys ein erschrockenes Aufkeuchen, sie wirbelte auf dem Stiefelabsatz herum. Im Schatten des Hauses stand die Cardassianerin, in ihrer Hand hielt sie einen dunklen Gegenstand.

Das Lächeln konnte nur falsch sein, die Sanftheit konnte nur Lüge sein, der Gegenstand konnte nur ein Phaser sein - sie war eine Cardassianerin, sie würde sie töten oder schlimmer noch, gefangen nehmen.

Diese Gedanken brauchten nicht einmal den Bruchteil einer Sekunde um durch Nerys Bewusstsein zu brodeln, dann drückte sie bereits ab.

Der Phaserstrahl traf die Frau mitten in die Brust, in ihren Augen leuchtete Überraschung, als sie gegen die Hauswand prallte und dann leblos daran herab rutschte.

Ihre Augen trübten sich im milchigen Glanz des Todes, aus ihrer Hand glitt der Gegenstand den Nerys für einen Phaser gehalten hatte.

Er rollte bis vor ihre Beine, es war kein Phaser, es war keine Waffe, sondern ein Spielzeugraumschiff aus Holz.

»Mutter«! Der Schrei katapultierte Nerys zurück in die Wirklichkeit, das Halbblut stand auf der Schwelle des Hauses, hinter ihr drängten sich andere Kinder, die nun angesichts des Blutes und der leblosen Cardassianerin begannen zu jammern und zu weinen.

Xeja, Nerys erinnerte sich an den Namen des Halbblutmädchens, war es wirklich ihre Mutter gewesen?

Aber machte das überhaupt einen Unterschied, sie hatte für sie empfunden wie für eine Mutter, Nerys kannte den Blick mit dem Xeja sie betrachtete, so hatte sie jeden Cardassianer angesehen, seit sie geflohen war - mit Hass.

»Warum hast du das getan!« Xeja mochte in Renons Alter sein, der sich nun an ihre Seite drängte, zum ersten Mal seit dem Singha-Lager sah sie Renon wieder weinen.

Er kauerte schluchzend neben der toten Frau und wiegte sich vor und zurück in seinem Schmerz.

Nerys wich einen Schritt zurück, draußen war irgendwo die Patrouille, draußen war der Tod, aber hier, mitten unter den Kindern, die um ihre tote Fürsorgerin weinten, konnte sie nicht bleiben.

»Begreifst du nicht, das du uns alle damit getötet hast?« Xeja ballte die Fäuste. »Wie sollen wir überleben? Nicht einmal die Bajoraner wollen Mischlinge, Krüppel und seelisch zerbrochene, selbst dann nicht, wenn es ihre eigenen Kinder sind!«

Nerys wich noch einen Schritt zurück, der Stein der Mauer drückte bereits gegen ihre Schultern.

Egal ob draußen ihr Tod oder Schlimmeres lauerte, sie schwang sich über die Mauer und rannte, rannte so schnell wie sie nur konnte. Nicht aus Furcht vor der Patrouille, sondern aus Furcht vor der Konsequenz ihres Irrtums.


***

Kiras Fingerspitzen glitten über die Buchstaben auf den Grab, Reja Talmor. Sie hatte nie gesagt, dass es ihr leid tat, denn diese Worte reichten nicht aus um ein Leben zu rechtfertigen.

Viele Monate hatte sie nach diesem Vorfall die Stadt und das Waisenhaus gemieden, aus Scham und aus Angst, was wenn sie hierher kehrte und sah das alles verlassen war?

Das sie wirklich die Schuld daran hatte, das diesen Kindern das einzige Zuhause, die einzige Zuflucht genommen worden war?

Aber sie war zurückgekehrt und hatte gesehen das Xeja den Platz ihrer Mutter übernommen hatte und jeden Tag ihren Kampf focht, nicht gegen Cardassianer, nicht gegen Bajoraner, sondern gegen die Kälte, den Hunger und die Geldnot.

So oft sie konnte war sie über die Mauer gestiegen und hatte Dinge zurückgelassen, einen roten Ball für Renon, Latinum geraubt aus den Taschen toter Cardassianer, was immer sie fand.

Manchmal hatte sie Xeja beobachte, von ihrem sicheren Platz im Apfelbaum aus, sie hatte gesehen wie sie an ihrer Aufgabe reifte, wie sie manchmal an ihr verzweifelte und wie sie kämpfte und war zu dem Schluss gekommen, dass diese junge Frau, deren Haar schwarz war wie das aller Cardassianer, aber deren Nasenrücken von bajoranischen Kerben gezeichnet war, viel mutiger war, als sie es je sein konnte.

Es war einfacher zu kämpfen und zu töten, als zu Erdulden und um jedes Stück Brot zu betteln, nicht für sich, sondern für andere.

Kira schloss die Augen, warum hatte sie zu spät kommen müssen? Es hätten nur ein paar Minuten gereicht und sie hatte sich oft gefragt wo sie diese Minuten damals verloren hatte, an dem Tag, der eigentlich das größte Freudenfest für jeden Bajoraner war, an dem Tag an dem sie das letzte Mal hier gewesen war, um erneut einen Fehler zu begehen, indem sie zu spät kam.

***

Lachen hallte durch die Straßen, überall wurde gefeiert und Nerys hatte sich willig in diesem Freudentaumel fallen lassen.

Die Cardassianer waren geflohen, nach all den Jahren des Kampfes, der Entbehrung und des Krieges, nach all dem Blut und Schmerz, war Bajor endlich frei und Nerys gab sich der Illusion hin, nun auch endlich frei zu sein.

Frei von Kampf, frei von Tod und Gewalt, dies alles sollte nun nur noch ein Teil ihrer Vergangenheit sein, diesen Traum träumte sie.

Inmitten der Freude kam ihr der Gedanke an Renon, jetzt da die Cardassianer fort waren konnte sie sich frei in der Stadt bewegen, ohne Angst in die Hände einer cardassianischen Patrouille zu fallen…

Vielleicht würde Renon aus seiner seltsamen Welt finden, wenn sie ihm klarmachen konnte, dass die Cardassianer fort waren - für immer!

Vielleicht konnte sie sogar Xeja erklären, dass sie ihre Mutter nicht hatte töten wollen, dass alles so schnell gegangen war und im fahlen Licht der Dämmerung das Spielzeug wie eine Waffe ausgesehen hatte.

Nerys blieb an der Mauer stehen und fuhr verträumt mit den Händen über den verwitterten, moosbewachsenen Stein. Wie oft hatte sie sich über diese Mauer geschwungen um Renon zu sehen?

Wie oft um die Kleinigkeiten die sie gestohlen hatte, neben dem Grab der Cardassianerin liegen zu lassen?

Und wie oft hatte sie sich erbärmlich dabei gefühlt, weil sie wusste, dass nichts das sie tat, nichts das sie brachte, den Verlust dieses einen Lebens aufwiegen konnte.

Sie hätte dieses Mal durch das Tor gehen können, jetzt da Bajor frei war, aber sie war nicht frei von der Erinnerung, deshalb schwang sie sich auf die Mauer und verharrte darauf - etwas stimmte nicht!

Viele Kinder saßen verstört und ängstlich hinter Hecken und Büschen bei dem Versuch sich zu verstecken.

Aber es gab keine Cardassianer mehr auf Bajor, wovor hatten sie Angst? Überall war Lachen auf der Straße, warum feierte man hier nicht mit?

Nerys sprang von der Mauer und landete auf dem weichen Rasen, Renon saß unweit von ihr entfernt im Gras, er versteckte sich nicht, er weinte auch nicht, aber an seiner Nase glänzte Blut, bildete einen Tropfen, fiel zu Boden und versickerte schließlich im Erdreich.

Aber er weinte nicht, er schien es nicht einmal zu bemerken, sein Interesse war einzig auf den roten Ball in seinen Händen gerichtet.

»Renon.« Nerys begriff, dass es nichts ändern würde, dass die Cardassianer fort waren, dass sie für Renon schon lange nicht mehr Teil seiner Welt waren und dass er wohl nie die Sicherheit aufgeben würde, die er gefunden hatte.

Die Welt mit dem kleinen roten Ball, die Welt in der Schmerz nur zu anderen Personen gehörte, nicht zu ihm.

Auf seine Weise war Renon dem Singha-Lager entkommen und es würde nicht reichen ihm zu erzählen, dass die Cardassianer fort waren, dass seine Welt jetzt sicher war, denn war sie das? Wer hatte ihn geschlagen?

Aus dem Haus konnte man einen unterdrückten Schrei hören und Nerys Hand zuckte zum Phaser als sie losrannte und in dem Augenblick ahnte, dass sie zu spät kommen würde.

Xeja hatte gekämpft, aber sie hatte keine Chance gehabt. Ihre Nase blutete, aber das war nur ein kleiner Teil ihrer Empfindungen. Dieses leise »trop-trop« an ihren Ohr, wenn das Blut auf den Boden traf.

Die feuchte Wärme neben ihren Ohr, dort wo sich das Blut den Weg der Schwerkraft beugte.

Nichts war von Wichtigkeit, außer dem Bajoraner der auf ihr lag, dessen Hüften sich rhythmisch bewegten und jeder neue Stoß ließ ihr Bewusstsein in Schmerz aufgehen.

Sie spürte auch dort das Blut, ihr Blut und sie wusste nun wie es geschehen konnte, dass man sich aus der »realen« Welt zurückzog in eine wo diese Dinge, der Schmerz, die Demütigung und das Grauen keinen Zutritt hatten.

Doch sie wollte nicht fliehen, sie strengte ihre Sinne an, sie hörte sein Keuchen und wollte es hören, sie fühlte jeden Stoß seiner Lenden und wollte es fühlen, sie prägte sich jedes Detail seines Gesichtes ein, denn wenn er sie leben ließ, würde sie ihn anzeigen.

Es mochte sein, dass in diesem neuen, freien Bajor kein Recht für ein Halbblut galt, aber sie würde dafür kämpfen.

Man würde sie hören, das schwor sie bei jeder Bewegung, bei jedem Keuchen des Mannes.

»Nein!« Nerys’ Schrei ließ den Mann in seinen Stößen inne halten und ihr Tritt in seine Seite katapultierte ihn von seinem Opfer.

»Nein!« Dieser Schrei entrang sich Nerys‘ Innerstem, das durfte nicht sein, solche Dinge gehörten jetzt nicht mehr zu Bajor.

Die Cardassianer waren weg, sie hatte vergessen, dass es auch Bajoraner gab, die nicht besser waren.

In diesem Augenblick, wo der Mann sie zornig musterte, wo sie das Blut in Xejas Gesicht sah und zwischen ihren Beinen, verlor sie die Illusion der Freiheit.

Der Mann zerrte seine Hose hoch. »Verdammt, was soll das?« Seine Stimme machte deutlich, dass er sich im Recht fühlte. Nerys packte ihm an Hemdkragen und zerrte ihn auf die Beine.

»Warum?« All ihr Abscheu, all ihre Wut glitzerte in ihren nachtschwarzen Augen.

Der Bajoraner wischte sich verächtlich das Blut von den Lippen. »Was interessiert es dich? Es ist nur ein Halbblut, ein Bastard dem man versäumt hat das Genick nach der Geburt zu brechen!«

Nerys Fausthieb schickte ihn erneut zu Boden. »Miststück!« Der Mann zog seinen Phaser, er hatte zu lange gekämpft um sich schlagen zu lassen. Doch er kam nicht dazu ihn abzudrücken, erstaunt starrte er auf den Dolchschaft der aus seiner Brust ragte, auf das Blut das sein Hemd durchtränkte, diesmal war es sein Blut.

Er starrte Nerys an, starrte auf die Hand, die diesen Dolch geworfen hatte und so zielsicher sein Leben beendet hatte, dann stürzte er zu Boden.

Welch ein lausiger Tod am ersten Tag der Freiheit, dachte Nerys bitter und wie sehr sie sich getäuscht hatte, der Tod, die Gewalt, ja selbst der Schmerz schien nicht mit den Cardassianern gegangen zu sein.

Sie blickte Xeja an, wie einst vor Jahren, als das Blut von Reja Talmor matt im aufziehenden Mondlicht glänzte und bereits gerann.

Nerys öffnete den Mund, es gab so viel das sie sagen wollte, ihre Finger zuckten, als wolle sie die Hand Xeja entgegenstrecken, doch dann wich sie zurück und rannte, rannte wie schon einmal, rannte fort vor dem was sie nicht sagen konnte, weil es nichts gab das erklären konnte, das verzeihen konnte, das Reja tot war und nun war sie zu spät gekommen um wenigstens Xeja vor dem Grauen zu retten, das auf Bajor so alltäglich geworden war, unter der Herrschaft der Cardassianer und das selbst nach ihrem Abzug wie ein langsames Gift noch in manchen Herzen wohnte.


***

Die leisen Schritte hinter Kira erstaunten sie nicht, diesmal würde sie nicht rennen, es wurde Zeit stehen zu bleiben.

»Ich habe darauf gewartet, dass du eines Tages kommen würdest« Xejas Stimme erinnerte sie an ihre Mutter, ebenso sanft.

Kiras Finger strichen nochmals über den Grabstein. »Ich wollte sie nicht töten. Ich hatte Angst, ich war auf der Flucht vor einer Patrouille, ich dachte sie hätte eine Waffe.« Kira brach ab und senkte den Kopf. »Es klingt so billig, wie ich immer befürchte!« Sie stand auf und blickte Xeja an, diesmal würde sie nicht davonlaufen.

Xeja hatte nur wenig cardassianische Merkmale in ihrem Gesicht, aber sie war deutlich genug von cardassianischem Blut. Kira bezweifelte nicht, dass sie es immer noch schwer auf Bajor hatte. Selbst jetzt, selbst nach dem Friedensvertrag mit Cardassia.

In ihren dunkelblauen Augen war kein Hass, keine Wut und das erstaunte Kira. »Ich habe lange darauf gewartet, das du dies sagst, Nerys!«

Ein Hauch von Erstaunen lag in Kiras Augen und Xeja lachte, es war ein Laut ohne Bitterkeit. »Ich kenne deinen Namen, es wurde viel über DS9 berichtet. Du bist bekannt und ich erkannte in diesem Major sofort das Mädchen, das im Apfelbaum saß und Renon beobachtete, die junge Frau, die meine Mutter tötete, die Frau die mein Leben rettete.«

Kira blickte Xeja fragend an. »Du hasst mich nicht?«

Xeja schüttelte den Kopf. »Ich habe es versucht, oh ja, und wie ich es versucht habe! Ich konnte dich hassen, bis zu dem Tag, an dem du mich gerettet hast! Bis zu dem Tag, an dem du aufgehört hast jeden Cardassianer oder Halbcardassianer zu hassen, Nerys. Es gab kein Zögern, du hast dich gegen den Mann deines Volkes gewendet, für mich, für ein Halbblut und ich sah in deinen Augen den Schmerz den er mir angetan hatte, dein Bedauern und deine Trauer darüber zu spät gekommen zu sein um mich vor der Vergewaltigung zu bewahren! Mich - ein Halbblut, jemand den du hättest hassen müssen! Du warst eine Kriegerin, jemand der durch den Hass auf alle Cardassianer überleben konnte und doch hast du mich gerettet, nicht meine Unschuld, aber mein Leben!« Xeja blickte Kira fest an. »Ich habe auf den Tag gewartet, an dem du kommen würdest damit ich dir danken kann!«

Kira starrte die Frau erstaunt an. »Danken?« Sie schüttelte den Kopf. »Wofür? Dass ich zu spät kam? Ich habe deine Mutter getötet und niemals gesagt wie leid es mir tut.«

Xeja schüttelte den Kopf. »Du hast es gesagt, in all den Jahren. Ich wusste bald wer das Geld und die nützlichen Dinge neben dem Grab meiner Mutter liegenließ und am Anfang wollte ich es am liebsten wegwerfen, aber falscher Stolz und Hass sind schlechte Ratgeber, wenn man ein Haus voll hungriger Kinder hat. Deshalb nahm ich die Dinge und wir überlebten.«

Kira deutete auf die Grabreihen. »Nicht alle!«

Xeja nickte. »Nein, nicht alle! Aber sie wären vielleicht auch gestorben, wenn meine Mutter noch gelebt hätte. Sie bekam nicht viel Geld von der cardassianischen Regierung, denn sie liebte meinen Vater, einen Bajoraner. Mein Vater war kein Kollaborateur, aber auch kein Widerstandskämpfer, er wollte nur Leben, zusammen mit mir und meiner Mutter. Die Soldaten sahen das nicht gerne, man schimpfte meine Mutter eine Hure, weil sie einen Bajoraner liebte und eines Tages kehrte mein Vater nicht nach Hause zurück. Man fand ihn nahe der cardassianischen Garnison, totgeschlagen wie einen tollwütigen Hund. Meine Mutter holte ihn von dort, unter den Rufen und Pfiffen ihres Volkes. Nein, selbst wenn meine Mutter gelebt hätte, wären nicht alle durch die Winter gekommen.«

Xeja blickte Kira nachdenklich an, sie las in diesen nachtschwarzen Augen den alten Schmerz, sie hatte ihr vergeben, vor langer Zeit, aber anscheinend hatte Kira sich selbst nie vergeben.

»Im Krieg gibt es keine Unschuld, das ist das erste Opfer und es reißt einen Teil deiner Seele entzwei. Du musst sehr jung gewesen sein, als du anfingst zu kämpfen und zu töten. Jeder macht Fehler, du hattest Angst und meine Mutter musste deswegen sterben, ich habe dir schon vor Jahren vergeben! Jedes Stück das neben dem Grab meiner Mutter lag, in den letzten Jahren der Besatzung half uns zu überleben und jedes Stück war eine Entschuldigung für deinen Fehler. Du hast sehr oft gesagt - es tut mir leid - Nerys. Mit jedem Streifen Latinum, mit jedem Stück Brot, mit jeder Energiezelle.« Xeja lächelte. »Ich weiß auch genau, von wem die monatliche anonyme Spende stammt, Nerys! Und wer dafür gesorgt hat, dass wir eine staatliche Unterstützung erhalten!«

Xeja streckte die Hand aus. »Es wird Zeit, dass du durch das Tor zu uns kommst, Nerys, und dich nicht mehr über die Mauer schleichst. Renon wird sich freuen, wenn jemand mit ihm spielt!«

Kira ließ ihre Hand in die der Halbbajoranerin gleiten und gemeinsam gingen sie zu den Kindern, die jetzt im aufziehenden Licht des Tages auf die Spielwiese gingen. Renon war einer der ältesten, schon lange kein Kind mehr und doch würde er für immer hier bleiben.

»Renon.« Kira lächelte, es war nicht mehr so erschreckend wie früher, das er in diese Welt geflohen war.

Der hochgewachsene Mann lächelte, das Lächeln eines Kindes. Er streckte die Hand mit dem roten Ball aus. »Spielst du mit mir?«

Kira schloss die Hand um den Ball und Renons Hand. »Ja«, sagte sie sanft.

Der Bodennebel hatte sich in der Sonne aufgelöst und Kira wusste, dass ihre Träume vielleicht bis ans Ende ihrer Tage bei ihr sein würden, aber sie wusste auch, dass die Erinnerung an Renons Lächeln bei ihr sein würde.

Wenn sie in Zukunft aus einem Alptraum erwachen würde, dann würde diese Erinnerung die Traumschatten vertreiben, ebensoleicht wie die Sonne den Nebel auflöste.


ENDE
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