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Gesichter des Krieges

von Martina Bernsdorf

Kapitel 1

Sonnenlicht stach in seine Augen. Benjamin Sisko schloss sie gepeinigt, begrüßte die Finsternis hinter seinen Augenlidern und wollte zurück in den Schlaf gleiten. Vielleicht sollte er dem Computer befehlen, das Lichtniveau zu senken, vielleicht ... Sisko riss die Augen auf. Er war nicht in seinem Quartier auf Deep Space Nine.

Mit Mühe entlockte er seinem schmerzenden Schädel die Erinnerungen an die jüngsten Vorkommnisse.

Er erinnerte sich daran, wie die Defiant von dem angreifenden Jem´Hadar-Kreuzer beschossen worden war, wie ein Disruptorstrahl sich quer durch die Brücke gefressen hatte. Wie Explosionen, Schreie und Rauch plötzlich seine Welt beherrscht hatten.

Er erinnerte sich daran, dass er den Befehl ausgesprochen hatte, die Defiant zu verlassen, ehe die Jem`Hadar sie entern konnten. Und er erinnerte sich an das Blut, das ihm in die Augen geflossen war und ihn blendete. An Hände, die ihn ergriffen hatten und mit sich zogen, an jemanden, der ihn in eine der Fluchtkapseln gezerrt hatte und dann selbst zurückblieb, um zu kämpfen oder um anderen zu helfen.

Sisko wünschte sich, er wüsste wenigstens noch, wem dieses rauch- und blutverschmierte Gesicht gehört hatte, das in seiner Erinnerung aufzuckte. Wem er sein Leben verdankte.

Benjamin Sisko stemmte sich auf die Ellenbogen, ihm wurde schwindelig, und die Umgebung, sonnenbeschienene Felsen und ein paar mit Tarnnetzen bedeckte Zelte dazwischen, verschwammen vor seinen Augen.

Ehe er von der harten Feldliege kippen konnte, fühlte er den festen Griff einer Hand, die ihn stützte und sanft, aber mit Nachdruck, wieder zurück in eine liegende Position drückte.

„Vorsichtig, Captain Sisko. Sie haben eine Gehirnerschütterung und mehrere tiefe Schnittwunden im Gesicht davongetragen. Mit dem Geweberegenerator, der uns zur Verfügung steht, konnten wir zwar die Schnittwunden behandeln, nicht aber die Gehirnerschütterung.“

Die Stimme klang nah an seinem Ohr, eine klare, helle Stimme mit einer Spur eines fremdartigen Akzentes darin. Sisko blinzelte, kniff die Augen zusammen und versuchte den Schleier vor seinen Augen zu vertreiben, sein Blick klärte sich wieder, und er starrte die Frau an, die ihn davor bewahrt hatte, von der Liege zu stürzen.

Die gepolsterten Schulterteile der grauschwarzen Uniform schienen sie fast zu erdrücken, sie wirkte zart und klein in dieser Uniform mit dem strengen Schnitt, und doch kündeten die Rangabzeichen davon, dass sie nicht so zerbrechlich war, wie sie aussah.

Das schwarze Haar lag glatt am Kopf an und war zumindest eine Spur länger, als Sisko es allgemein von den Soldaten ihrer Rasse gewohnt war. Die langen, spitzen Ohren lagen frei, und die erhöhten Stirnbögen, Merkmal ihrer Rasse, waren weniger ausgeprägt als üblich.

Eine geschwungene Augenbraue hob sich fragend und dunkle Augen musterten ihn aufmerksam.

„Es heißt allgemein, dass Menschen einen harten Schädel haben, aber ich bin mir dessen nicht so sicher.“

Sie tippte sanft mit dem Zeigefinger gegen Siskos Stirn. „Darunter sind auch nur Knochen, und wenn ich auch nie gut in Exobiologie war, glaube ich mich daran zu erinnern, dass sie weicher sind als die von Romulanern.“

„Es ist nur ein Sprichwort, das man nicht allzu ernst nehmen darf, Subcommander ...“ Sisko blickte sie fragend an.

„Valxis.“ Die Romulanerin blickte ihn forschend an und hob erneut die Augenbrauen.

Sisko räusperte sich. „Ich muss mich wohl nicht mehr vorstellen, Sie kennen meinen Namen ohnehin, wie Sie bewiesen haben, Subcommander.“

Valxis nickte. „Jeder Romulaner kennt Ihren Namen, Captain Sisko. Es ist gut, seine Feinde mit Namen zu kennen.“ Sie stockte kurz und, ein Lächeln umzuckte ihre vollen Lippen. „Und die seiner Verbündeten ebenso.“

Sisko richtete sich wieder auf, diesmal langsamer und vorsichtiger. Er sah, wie Valxis ihre Hand hob, um ihn, wenn nötig, zu stützen. Eine Geste, die Sisko seltsam rührte. Wieder wurde ihm schwindlig, doch diesmal konnte er das Gefühl bekämpfen. Langsam klärte sich seine Sicht, und sein Gleichgewichtssinn gewann den Kampf um seinen Körper.

Er blickte sich aufmerksam um. Sie befanden sich auf einem Hügel, zwischen Felsen. Eine Gefechtsstellung, wie Sisko anhand der Bodengeschütze feststellte. Mit einiger Mühe konnte er auch erkennen, dass die Romulaner Gräben ausgehoben hatten und dort in Stellung gegangen waren. Er drehte vorsichtig den Kopf.

Neben ihm reihten sich noch mehr Feldliegen auf, manche waren von grünen Flecken besprengt, auf vielen davon lagen Romulaner, die meisten, wie Sisko mit einem Blick erkannte, waren schwer verletzt. Eine müde aussehende Romulanerin ging mit schleppendem Schritt durch die Bettreihen und deutete hin und wieder auf eines der Betten, worauf ihre zwei Begleiter die stummen Gestalten von den Liegen hoben und nach draußen trugen.

„Wo bin ich?“

Valxis ließ diesmal ein dünnes, zynisches Lächeln aufblitzen. „Die Menschen sagen Hölle dazu, wir Romulaner nennen es Xen´talar, ein Ort verlorener Seelen.“ Sie lachte leise, als sie Siskos Gesichtsausdruck sah. „Weniger prosaisch ausgedrückt, dies ist der Außenposten T´lar 3. Wir kämpfen hier seit unserer Invasion vor zwei Wochen um jeden Fußbreit Boden dieses winzigen, nutzlosen Felsblocks im Weltall. Es ist nicht mal ein Klasse M-Planet.“

Valxis schüttelte den Kopf. „Aber natürlich ist der Planet wichtig, sonst wären wir nicht hier, um zu kämpfen.“

Sie machte eine ausholende Bewegung, die das gesamte Lazarett einschloss. „Sonst würden wir nicht dafür sterben, so dumm sind wir doch nicht, Captain.“

Sisko wich dem intensiven Blick von Valxis aus. Er fragte sich dumpf, ob sie ihm wirklich eine Frage gestellt hatte.

„Wissen Sie, was aus der USS Defiant wurde? Es ist mein Schiff, wir wurden getroffen und ...“ Sisko brach ab, er wusste nicht, was nach dem „und“ geschehen war.

Valxis schüttelte den Kopf. „Wir haben Sie in einer Rettungskapsel gefunden, die unweit von unserem Lager aufgeschlagen ist. Sie hatten Glück, wir waren ein wenig schneller als die Jem`Hadar. Der Kontakt zu unseren Schiffen ist schon lange unterbrochen, wir vermuten, dass die Jem´Hadar Störtechnik einsetzen. Es sind noch mehr Fluchtkapseln beobachtet worden.“ Valxis sah das hoffnungsvolle Aufleuchten in Siskos Augen und schüttelte den Kopf. „Sie sind alle zu weit von unserem Stützpunkt runtergegangen. Irgendwo da draußen, im Niemandsland zwischen den Geschützgräben unserer verstreuten Stellungen. Vielleicht haben andere Romulaner sie gefunden oder die Jem´Hadar.“

Sisko schauderte. Was war mit seiner Mannschaft? Waren sie in die Gefangenschaft der Jem`Hadar gefallen, oder kämpften sie in diesem Moment noch um ihr Leben? Waren sie, wie er, von Romulanern gefunden worden, oder lagen sie mit blicklos starrenden Augen tot zwischen den Schlachtfeldern? Valxis Stimme war so kalt gewesen, so unbarmherzig, er fragte sich, warum sie überhaupt das Risiko eingegangen waren, ihn zu retten.

„Es hat keinen Sinn, sich über jene Gedanken zu machen, die man nicht retten kann, Captain. Das werden Sie auch noch begreifen, wenn Sie erstmal eine Weile hier sind.“ Valxis schien seine Gedanken erraten zu haben. Die Romulanerin erhob sich und warf einen Blick in den Himmel. Noch stand die Sonne hoch. „Ruhen Sie sich aus, Captain Sisko. Meist beginnt nachts das Sperrfeuer, und dann findet niemand mehr Schlaf.“

„Wer ist der kommandierende Offizier dieser Stellung?“ Sisko hoffte, dass der Commander womöglich Kommunikationsmöglichkeiten besaß, von denen sein Erster Offizier vielleicht nichts ahnte. In der Kommandostruktur der Romulaner war Vertrauen eine Seltenheit und die Suche nach dem eigenen Vorteil weit verbreitet. Um so jung Subcommander zu werden wie Valxis, musste auch sie über einige Leichen gegangen sein.

Valxis hob wieder eine Augenbraue und blickte sich dann suchend um. Sie deutete auf ein von grünem Blut besudeltes Bett, aus dem eben zwei Romulaner eine stille Gestalt hoben, deren Körper mit Phaserbrandwunden übersät war.

„Das war unser Commander, ich denke, damit bin ich zur Verantwortlichen aufgerückt.“ Sie klang nicht so, als freue sie sich um diesen Aufstieg. Valxis drehte sich um und ging.

Sisko blickte zu dem toten Commander, der aus dem Lazarett geschleppt wurde, und starrte dann wieder zum Himmel auf. Er fragte sich, ob oben irgendwo noch sein Schiff trieb oder ...

* * * * *

... ob die Defiant in einem Schwall destruktiver Energie zerplatzt war?

Kira Nerys verscheuchte diese Gedanken, im Moment waren sie nicht nützlich. Sie durfte nicht darüber nachdenken, was mit ihren Freunden geschehen war, ob es noch weitere Überlebende gab. Die letzten Minuten auf der Defiant waren ein Alptraum aus Blut, Rauch und Jem´Hadar gewesen, die sich überall auf dem Schiff materialisierten.

Auf dem Weg zu den Fluchtkapseln waren sie in Feuergefechte und Einzelkämpfe verwickelt worden. Kira wusste nicht, ob es außer ihr noch jemand geschafft hatte, bis zu den Kapseln zu gelangen, oder ob die anderen in Gefangenschaft geraten waren oder vielleicht schon tot waren.

Kira zog sich vorsichtig in eine sitzende Position. Schweiß rann über ihre Stirn und sie zitterte am ganzen Körper, als sie es endlich geschafft hatte. Die Fluchtkapsel war unsanft gelandet, sehr unsanft.

Kira lehnte mit dem Rücken gegen die geborstene Außenhülle der Kapsel, die auf den Felsen dieser Gebirgslandschaft zerschellt war. Eigentlich, wenn man dieses zerbeulte Wrack von außen betrachtete, war es ein Wunder, dass sie noch lebte und nur ihr rechtes Bein gebrochen war.

Mit einiger Mühe hatte sie, nachdem sie aus ihrer Besinnungslosigkeit erwacht war, ihr Bein notdürftig geschient, so dass sie sich zumindest hinkend kleine Strecken fortbewegen konnte.

Die Bajoranerin ließ ihren Blick über die Umgebung schweifen und fröstelte nicht nur wegen des kalten Windes, der zwischen den Gipfeln toste. Es war ein trostloser Ort, so weit das Auge reichte, Hügelketten an Hügelketten, Talschluchten und Gebirge. Unglücklicherweise war die Fluchtkapsel nicht in einem der Täler niedergegangen, sondern gegen einen Berghang geprallt, weiter nach unten gerutscht und auf einem Hochplateau schließlich zum Liegen gekommen. Mit Mühe hatte Kira sich bis zum Rand des Plateaus geschleppt, nur um zu sehen, dass ein Abstieg unmöglich war, selbst wenn ihr Bein nicht gebrochen gewesen wäre.

Sie saß hier fest, die Frage war, ob der automatische Notfallsender den Aufprall überstanden hatte und ob sie solange überleben konnte, bis Rettung kam.

Kira zog ihren Phaser und lehnte den kalten Lauf gegen ihre erhitzte Stirn, sie schloss kurz die Augen und öffnete sie dann wieder. Entschlossen schob sie den Regler des Phasers auf eine höhere, tödliche Einstellung und kämpfte sich mühsam auf die Beine. Schmerz fraß sich wie eine glühende Flamme durch ihr Bein und von dort aus durch ihren gesamten Körper. Kira keuchte auf, biss die Zähne zusammen und begann langsam auf die Rauchsäule hin zu hinken. Nur wenige hundert Meter näher an den Berghang, der sich an das Hochplateau anschloss, brannte etwas. Vielleicht eine weitere Fluchtkapsel der Defiant, oder aber die eines Feindes.

Kira fasste den Phaser fester, sie würde kein Risiko eingehen. Wenn es Jem`Hadar waren, und einer den Absturz überlebt hatte, war es besser, ihn auszuschalten, für immer. Wenn sie die Rauchsäule sehen konnte, dann bedeutete das auch, dass der Feind ihre zerplatzte Rettungskapsel sehen konnte. In ihrer Verfassung konnte sie sich nicht auf einen Kampf einlassen und auch keinen Jem`Hadar gefangennehmen. Sie drängte mit aller Macht und ihrem ganzen Willen die dunklen Schatten zurück, die sich von den Seiten ihres Gesichtsfeldes zu verdichten schienen, die drohten, ihre Welt einzunehmen.

Es konnten nur wenige hundert Meter bis zu der Rauchsäule sein. Kira hinkte einen Schritt weiter und biss sich auf die Lippen. Jeder Schritt war eine Qual, und sie befürchtete, dass diese wenigen hundert Meter eine Ewigkeit für sie werden könnten.

Das abgestürzte Shuttle entpuppte sich als eines des Feindes. Die Seite des kleinen Raumschiffes war von einem Phaserstrahl aufgeschnitten und hatte vermutlich schon gebrannt, ehe es abgestürzt war. Es war eindeutig ein Shuttle der Jem´Hadar gewesen, doch jetzt war es nur noch ein verkohltes Wrack. Kira fasste ihren Phaser fester und stieg mühsam über eine verbrannte Leiche eines Jem´Hadar. Vermutlich war er beim Aufprall aus dem Shuttle geschleudert worden. Es erschien unwahrscheinlich, dass es Überlebende gab, aber dennoch war Kira viel zu erfahren im Kampf, um ein Risiko einzugehen.

Sie nahm ein Schemen aus dem Augenwinkel wahr und ließ sich fallen, der Phaserstrahl zischte über ihre Schulter hinweg und traf nur Felsen. Steinsplitter regneten auf Kira herab, die sich auf der Schulter abrollte, im Fallen noch drehte und auf den Angreifer schoss.

Ihr Phaser traf den Jem´Hadar mitten in die Brust, schleuderte ihn gegen sein zerborstenes Raumschiff und ließ ihn an der Wand langsam zu Boden herabgleiten. Er würde sie nicht noch einmal angreifen.

Kira kämpfte gegen die dunklen Schleier an, die ihre Welt einnehmen wollten. Ihre Reaktionsschnelligkeit hatte ihr das Leben gerettet, und das Adrenalin, welches ihren Kreislauf überschüttet hatte, war ein wirksames Mittel gegen den Schmerz gewesen, doch jetzt, wo die akute Gefahr vorbei war, holte der Schmerz sie ein, und er war schnell und gnadenlos.

Schatten wogten heran, ließen sich nicht länger von ihrem Willen zurückdrängen, dabei durfte sie nicht ohnmächtig werden, nicht jetzt. Es könnte noch mehr überlebende Jem´Hadar geben, sie musste sich erst überzeugen. Kira keuchte auf, als eine neue Schmerzwelle über ihr zusammenschlug und sie unbarmherzig tiefer in die Schatten zog. Sie blinzelte die Tränen aus ihren Augen, als sie eine Bewegung mehr fühlte, als dass sie sie bewusst mit ihren Sinnen erfasste.

Inmitten der wogenden Schatten stand ein hochgewachsener Mann mit schwarzen Haaren und violetten Augen.

Kira hob ihren Phaser, obwohl sie nicht sicher war, ob sie überhaupt einen Vorta sah oder halluzinierte und ob sie ihre Waffe auch nur annähernd in seine Richtung hielt.

„Ein Schritt näher ...“
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