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Sturm 9.03a - Rache

von Gabi

Kapitel 1

Er drehte den Datenchip in seinen Fingern, während er aus dem Fenster des bajoranischen Transporters blickte. In seiner momentanen Gemütslage bereitete ihm nicht einmal die kalte Unendlichkeit des Alls die Sorgen, die er sich normalerweise auf einem Raumflug machte.

In Kürze würde das Shuttle an der Raumstation Deep Space Nine andocken, um so wie jeden Tag die Fülle an bajoranischen Händlern, Urlaubsrückkehrern, Besuchern und Transitreisenden in die metallgrauen Korridore auszuspucken.

Dieses Mal jedoch würde es auch einen Killer bringen.

„Ich gebe dir einen halben Tag Vorsprung, Edon, dann muss ich die Information an die zuständigen Behörden weiterleiten.“

Shakaar hoffte, dass ein halber Tag alles war, was er benötigte.

Der Umstand, dass er einer derjenigen Kommandanten des Widerstands gewesen war, den die Cardassianer nie hatten aufbringen können, wog bei manchen Bajoranern immer noch weitaus schwerer als seine Rolle als Premierminister. So hatte es ihn nicht einmal verwundert, als sich heute Morgen ein ehemaliger Mitstreiter bei ihm gemeldet hatte, der nun in der Transitabteilung in Tozhat arbeitete. Einer der Männer, die Serina überfallen hatten, befand sich ohne Zweifel auf der Raumstation, wo er einen Weiterflug nach Prophet’s Landing gebucht hatte. Er würde bis zum Abend auf der Station weilen.

Shakaar war fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass er seine Buchung niemals wahrnahm.

Die cardassianische Station, die wie ein Seestern im All hing, kam auf seiner Seite des Transporters in Sicht. Doch obwohl die Augen des Bajoraners auf den filigran anmutenden Auslegern ruhten, nahm er diese nicht wirklich wahr. Seine Gedanken waren bei seiner cardassianischen Ehefrau, die ihr erstes gemeinsames Kind erwartete.

Seit der versuchten Vergewaltigung vor etwa einem Monat hatte sich Serina noch weiter zurückgezogen, als sie es das ohnehin bereits seit dem gewaltsamen Tod ihres ersten Mannes getan hatte. Sie verrichtete ihre Arbeit nach wie vor gewissenhaft, doch sie ging nicht mehr aus, wenn Shakaar nicht bei ihr war. In Katalyas Nähe verhielt sie sich wie immer, aber ihm gegenüber war sie zurückhaltender geworden. Zwar suchte sie immer noch bei jeder Gelegenheit seine körperliche Nähe, doch sie bestand darauf, dass es beim Streicheln und Kuscheln blieb. Shakaar hatte ihre Angst vor dem sexuellen Akt begriffen. Die aristokratische Cardassianerin war lange nicht so hart im Nehmen wie viele der bajoranischen Frauen. Er hatte sich verständig gezeigt, versucht stets für sie da zu sein. Doch es war eine Fassade, die er für Serina aufrecht erhielt. Innerlich war er aufgewühlt und sehnte sich nach dem sexuellen Kontakt, der ihm sein Leben lang so wichtig war. Seine behutsamen Vorstöße, sie zu therapeutischen Sitzungen zu überreden, waren bei der Cardassianerin auf eine unüberwindbare Mauer der Abwehr geprallt.

Nachts, wenn er sie in den Armen hielt und ihrem Atem lauschte, bis dieser gleichmäßig und ruhig wurde, fand er noch lange keinen Schlaf. Der Zorn auf diejenigen, die ihr das angetan hatten, brodelte, genährt von seinen Fantasien, und nahm jeden Tag, an dem sie sich ihm auf ihre scheue, subtile Art verweigerte, zu, bis er das Gefühl hatte, explodieren zu müssen.

Wenn die zuständigen Behörden der Täter habhaft wurden, drohte ihnen ein Prozess mit einem fragwürdigen Ausgang. Es würde lediglich auf einen Überfall hinauslaufen, die Strafe würde in jedem Fall zu gering ausfallen. Shakaar bezweifelte, dass der emotionale Zustand einer Cardassianerin zu einer großen Veränderung der juristischen Sachlage führte. Die Abgrenzung zwischen Vergewaltigung und versuchter Vergewaltigung war eine körperliche, keine seelische.

Er hatte sich vorgenommen, dass die Männer, diejenige Strafe erhielten, die sie verdienten.

Als heute Morgen die Nachricht kam, war er nicht mehr imstande gewesen, sie von einer ruhigen, neutralen Warte aus zu betrachten. Ohne Nachzudenken hatte er den nächsten Flug nach DS9 gebucht, Serina vorgelogen, dass er einen wichtigen Termin hätte, und war aufgebrochen. Nicht um Gerechtigkeit zu bringen, sondern Rache.





Es dauerte nicht lange, bis Shakaar von einem der öffentlich zugänglichen Terminals auf der Promenade mit Hilfe der auf dem Chip gespeicherten Daten, die Bewegungen des Gesuchten auf der Station grob verfolgt hatte. Ein Quartier hatte der Bajoraner, der sich hier unter dem falschen Namen Lunor Era eingecheckt hatte, nicht gebucht, da sein Weiterflug für heute Abend 1930 Stationszeit vorgesehen war. Shakaar checkte die Zeit: Es war 1546. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr, bevor diejenige Datei, die er bereits in Händen hielt, an die zuständigen Behörden übergeben wurde.

Es gab nicht viele Möglichkeiten, wo sich ein Kerl, der sich nicht zu schade war, gegen Bezahlung eine Cardassianerin zu missbrauchen, herumtreiben würde, wenn er Zeit totzuschlagen hatte.

Ohne weiter darüber nachzudenken, lenkte er seine Schritte in Richtung Quark’s. Ein Punkt, der ihm Kopfzerbrechen bereitete, war sein Aussehen. Ein halbwegs an Politik interessierter Bajoraner würde ihn erkennen. Viel Zeit für eine Maskerade war ihm nicht geblieben. An Bord des Transporters hatte er sich in der Nasszelle das Haar dunkel gefärbt und streng nachhinten frisiert. Auf einen Kapuzenmantel hatte er verzichtet, da er damit so auffällig unauffällig wirkte, dass er jedermanns Aufmerksamkeit auf sich gezogen hätte. Er baute darauf, dass der gedungene Handlanger gar nicht wusste, wer die Frau war, die er vergewaltigen sollte. Eine Cardassianerin sah für die meisten Bajoraner aus wie die andere. Wenn Serinas Vermutung stimmte, war der Auftraggeber ebenfalls ein Cardassianer gewesen, und auf Shakaars Bestreben hin, war von dem Fall auch nichts im Nachhinein an die Öffentlichkeit gedrungen.

Im Eingang zur Bar blieb er stehen. Er lehnte sich an die Türstrebe zurück, um den Zugang für Besucher nicht zu versperren. Das Etablissement begann sich allmählich zu füllen. Eine spätere Stunde wäre ihm lieber gewesen, wenn aufgrund des Hauptbetriebs ohnehin niemand mehr auf den anderen achtete. Doch die Zeit hatte er nicht. Jede Minute, die er zögerte, konnte bedeuten, dass der Fahndungsaufruf der bajoranischen Behörden bereits auf der Station eintraf.

Es verwunderte ihn nicht weiter, als er den Gesuchten schließlich am Dabo-Rad fand. Das Gesicht aus der Personalakte hatte er sich in den letzten Stunden so unauslöschlich eingeprägt, dass er die verhassten Züge in jeder Humanoiden-Menge erkannt hätte. Shakaar stieß sich vom Türrahmen ab und ging zu den Spieltischen hinüber. Einen Moment beobachtete er das Wirbeln der Farben und Lichter auf dem bunten Drehtisch. Er war während der Besatzungszeit nie auf der Station gewesen. Aufgrund seiner Weltraumphobie hatte er wo möglich immer einen seiner Leute geschickt, wenn es hier etwas zu erledigen gab. In seiner Zeit als Premierminister hatte er zwar nicht mehr andere vorschicken können, doch ein Freizeit-Besuch der Bar hatte nie auf seiner Agenda gestanden. Das Prinzip des Glücksspiels war jedoch denkbar einfach, wie er rasch bemerkte.

In der Tasche seines Jacketts klimperten ein paar Streifen Latinum, die er sich an einem der Bank-Terminals auf der Promenade hatte auszahlen lassen. Es ärgerte ihn ein wenig, auf diese sinnlose Weise sein Geld zu verschwenden, doch er mutmaßte, dass es der leichteste Weg war, um an sein Opfer heran zu kommen.

Shakaar trat neben den Bajoraner, der nur Augen für das wirbelnde Rad hatte und für das hübsche Deltaner-Mädchen, welches am Spieltisch drehte.

Wortlos setzte er eine kleine Menge Latinum auf eines der Felder. Lunor blickte kurz zu ihm auf, hakte seine Erscheinung jedoch unter irrelevant ab und widmete sich wieder dem Spiel. Eine Weile spielte Shakaar schweigend und überließ das Jubeln oder Stöhnen dem überenthusiastischen Dabo-Mädchen. Während er nicht darauf achtete, was er verlor, überlegte er angestrengt, wie er mit dem verhassten Mann neben ihm ins Gespräch kommen konnte. Er musste ihn aus der Bar heraus in einen verlasseneren Bereich der Station locken. Der Zufall kam ihm zu Hilfe, als zwei cardassianische Zivilisten das Etablissement betraten.

„Ist man vor diesen Typen denn nirgends sicher“, raunte er in verächtlichem Tonfall und hasste sich selbst für diese Bemerkung.

Wie erhofft hob Lunor den Kopf. Der junge Mann sah auf, folgte Shakaars Blick und realisierte die beiden neuen Besucher. „Löffelköpfe“, nickte er, „man sollte meinen, jetzt, wo Cardassia das bekommen hat, was es verdient, hätten sie was anderes zu tun, als unsere Luft zu verpesten.“

Shakaars Hand zuckte, doch seine Miene verriet ihn nicht. Er schaffte es, möglichst neutral zu bemerken: „Ah, Sie mögen unsere geschuppten Freunde auch nicht.“

„Welcher Bajoraner mag die schon?“, zuckte Lunor mit den Schultern.

Shakaar wollte auf die Zustimmung der Bevölkerung zum Hilfsprogramm hinweisen, doch er fürchtete, dass er den anderen dann zu sehr in die Richtung seiner wahren Identität lenkte. Stattdessen nickte er nur und erklärte gepresst: „Man sollte ihnen eine Lektion erteilen.“ Die Worte schmeckten bitter auf seiner Zunge und er hoffte inständig, dass Serina niemals davon erfahren würde.

Das wissende Funkeln in den Augen des jungen Mannes, ließ Shakaars Temperament beinahe überkochen. Er bemerkte, dass er den Rand des Dabo-Tischs so verkrampft hielt, dass die Knöchel weiß hervortraten. Seine Handflächen klebten vor Schweiß und zuckten vor Verlangen, seinem Gegenüber ins Gesicht zu fahren. Die nächsten Worte wollte ihm schier nicht über die Lippen kommen: „Die Weiber sollten mal erleben, was unsere Frauen durchmachen mussten …“ Er musste sich kurzzeitig abwenden, weil er sein eigenes Gesicht in den Augen des anderen gespiegelt nicht ertragen konnte.

Lunor versicherte sich mit hastigen Blicken, dass auch niemand in ihrer Nähe stand – das Dabo-Mädchen schien er als irrelevant abzutun. Dann zischte er mit Verschwörermiene: „Erst letztens hab ich’s einer von ihnen besorgt …. Alles okay,Kumpel?“, fügte er irritiert hinzu, als Shakaars Hand krampfartig gegen den Tisch schlug.

„Alles in Ordnung“, versicherte Shakaar gepresst. Erhoffte, dass seine Zeit in der Politik ihn gelehrt hatte, ein besserer Lügner zu sein. Er wollte sich auf dieses selbstgefällige Stück Bajoraner schmeißen und ihn ohne Narkose kastrieren. Er wandte den Kopf zu einem der leeren Tische, um das Zucken seines Kiefers zu verbergen. „Ich lade Sie auf einen Drink ein.“

Lunor warf dem Dabo-Mädchen einen nachdenklichen Blick zu, dann entschied er sich jedoch dafür, dass ein freier Drink und jemand, vor dem er ein wenig aufschneiden konnte, die bessere Wahl waren als ständig das Geld beim Glücksspiel zu verlieren.

Shakaar ließ sich gegenüber dem anderen Mann nieder und war froh, dass bald die Gläser kamen, so dass er etwas zum Festhalten hatte, um seine zitternden Hand zu beschäftigen. Er hatte es aus dem Mund des Mannes selbst hören wollen, dass er den Richtigen gefunden hatte. Doch nun wünschte er sich, er wäre nicht so weit gegangen. Es war schwer zu ertragen, demjenigen gegenüber zu sitzen, der seine wertlosen Finger an seiner scheuen, hübschen Frau gehabt hatte.

Lunor schien ihn nun zum ersten Mal richtig zu betrachten. Seine Stirn legte sich ein wenig in Falten. „Ich kenn Sie doch irgendwo her?“, bemerkte er dann mit einem Anflug von Misstrauen.

Shakaar senkte den Blick auf sein Glas. „Sicher aus den Holos. Ich bin Nachrichtensprecher bei Tozhats freier Stimme“, improvisierte er.

Lunor nickte. „Ja, das wird es sein.“ Shakaar hatte den rechtspopulistischen Sender gewählt, um dem Mann noch mehr Munition zu geben. Es funktionierte. „Dann sind Sie ja ganz auf meiner Wellenlänge“, feixte der junge Mann.

In hundert Jahren nicht!, doch Shakaar nickte nur. Er dachte fieberhaft darüber nach, wie er den Kerl aus der Bar herauslocken konnte.

„Das Irre an der Sache war, dass mir ein Cardie den Tipp mit der Schlampe gegeben hat“, ließ sich Lunor nun nicht mehr stoppen. „War wohl seine Alte, die fremd gegangen war. Ich sollte sicherstellen, dass sie keinen Bastard austrägt. Die haben doch alle was an der Schüssel, die … Hey, Mann! Da müssen Sie aufpassen. Die Gläser sind nicht so stabil!“

Shakaar starrte auf seine Hand hinunter, ein Splitter steckte noch im Ballen, während der Rest des Glases sowie der Inhalt auf dem Tisch verteilt war. Ein dicker Blutstropfen bildete sich an der Schnittstelle, folgte der Schwerkraft und vermischte sich mit dem gleichfarbigen Wein. Sein Blick folgte fasziniert der roten Farbe. Sie wirkte auf ihn weitaus echter als das Gespräch der letzten Minuten.

Einer der Ferengi-Kellner eilte heran, um dem Gast beizustehen, doch Shakaar winkte nur ab, und drückte das angebotene Tuch auf seine Wunde. „Ich war nur ungeschickt.“ Er erhob sich, er musste hier heraus, weil er sich nicht mehr sicher sein konnte, dass er sein Gegenüber nicht in einer Explosion von angewidertem Zorn vor aller Augen umbringen würde. Immerhin hatte der Kerl ihm gerade eben Serinas Theorie über ihren ersten Mann bestätigt. Shakaar hatte es bis zuletzt nicht wirklich glauben wollen.

Mit dem letzten Bisschen Fassung, das er noch aufbringen konnte, beugte er sich zu Lunor hinunter und flüsterte: „Erkundigen Sie sich beim Terminal nach Frachtraum B12. Ich warte dort auf Sie. Ich hab einen lukrativen Auftrag für einen Mann Ihres Kalibers.“ Irgendwie brachte er es noch fertig, ihm verschwörerisch zuzuzwinkern, dann verließ er die Bar.

Er hoffte, dass sich in den letzten beiden Jahren nicht allzu viel an der Logistik auf der Station geändert hatte. In seiner gemeinsamen Zeit mit Kira hatte er viele Interna über Deep Space Nine erfahren. Es gab für die damalige Erste Offizierin keinen Grund, warum sie mit dem bajoranischen Premierminister nicht über sicherheitsrelevante Fragen der bajoranischen Station sprechen sollte. Ein unwesentlicher Punkt dabei war die Information gewesen, dass Frachtraum B12 ein unbedeutender, ungesicherter Lagerbereich war, der so gut wie nie genutzt wurde. Ein wesentlich riskanterer Punkt war der Umstand, dass Shakaar Kiras damalige Sicherheitscodes für die Waffenschränke kannte. Er hoffte, dass diese bisher nicht geändert worden waren – und noch mehr hoffte er, dass er die Waffe, mit welcher er vorhatte, seine Tat zu begehen, zurücklegen konnte, bevor Lunor entdeckt wurde. Kiras Vertrauen zu missbrauchen, behagte ihm überhaupt nicht.

* * *


Commander Benteen genoss die Zeiten, in denen sie die OPS für sich alleine hatte. Nicht alleine im Sinn von alleine natürlich, sondern im Sinn von Colonel Kira weilte auf Bajor. Wenn die resolute Bajoranerin abwesend war, fühlte Benteen sich wesentlich behaglicher in der Kommandostruktur. Dann konnte sie sich kurzzeitig der Vorstellung hingeben, eine Raumstation zu befehligen, die einzig und alleine den Statuten der Sternenflotte unterlag.

Die brünette Terranerin lehnte sich behaglich im Sessel zurück. Das musste man Deep Space Nine zugestehen, die Ausstattung des Kommandanturbüros ließ nichts zu wünschen übrig. Es wunderte sie nicht, dass sie ihre Vorgesetzte des Öfteren dabei erwischte, wie diese mit auf den Tisch gelegten Beinen ihre Berichte las. Der hohe Lehnsessel lud verführerisch zum Herumlungern ein. Benteen selbst würde niemals ihre Beine irgendwo anders als unter der Tischplatte halten. Nicht, weil sie die lässige Haltung nicht selbst als bequem empfunden hätte, sondern weil sie niemals in einer solch undisziplinierten Haltung von einem ihrer Untergebenen vorgefunden werden wollte.

Doch auch so hatte sie es sich in dem hohen Sessel angenehm gemacht. Sie war gerade dabei die heutigen Passagierlisten zu studieren und gedachte, in aller Ruhe den liegengebliebenen Papierkram aufzuarbeiten. In der leisen Hoffnung, von irgendwelchen innerbajoranischen Gesprächen verschont zu bleiben, die meist Probleme beinhalteten, welche in Commander Benteens persönlichem Ablagesystem unter „C“ abgelegt wurden: nicht wichtig und nicht dringend

Commander, Sie haben eine Nachricht von Bajor.“

Benteen war sehr froh darum, dass die Türen zum Kommandanturbüro relativ schalldicht abschlossen, so dass ihr frustriertes Aufstöhnen sich in ihrer kleinen privaten Welt auflösen konnte, bevor sie die Kommunikation bediente. „Um was geht es dieses Mal?“

Eine Nachricht der zivilen Fahndungsbehörde. Wir haben offensichtlich einen gesuchten Flüchtigen auf der Station.

„Stellen Sie durch.“

Mit unbewegter Miene hörte sich Benteen den Bericht des bajoranischen Fahnders an, über den Mann, der Shakaar Serina angegriffen hatte, ließ sich die Daten durchgeben und aktivierte nach Ende des Gesprächs die Verbindung zur Stationssicherheit. „Lieutenant Nog, ich übermittle Ihnen die Daten eines bajoranischen Mannes, der offiziell gesucht wird, weil …“, sie stockte. Während sie den Kanal noch offen hielt, fischte sie die zuletzt aufgerufene Auflistung der heutigen Passagierdaten hervor. Sie hatte sich nicht geirrt: Shakaar Edon, „… leiten Sie einen stationsweiten Scan nach dieser Person ein, aber bleiben Sie, wo Sie sind, ich komme persönlich runter.“

Sie erhob sich aus der Gemütlichkeit des Sessels und strebte zur Verbindungstür nach OPS. Dieses Problem musste sie wohl oder übel unter „A“: dringend ablegen.

* * *


Es war ein Leichtes für Shakaar gewesen, an die Waffe zu gelangen. Er hatte sichergestellt, dass sein Rücken zu jedem Zeitpunkt in Richtung der Überwachungskamera zeigte. Ebenso war Frachtraum B12 nach wie vor in der Rangliste der Lagerorte an allerletzter Stelle. So fand er Zeit, sich seinen inneren Dämonen hinzugeben, während er darauf wartete, dass Lunor Era den Weg zu ihrem Treffen fand. Nun, da er ein klares Bild eines der Männer hatte, die Serina überfallen hatten, waren seine Fantasien noch lebhafter geworden. Er malte sich aus, wie der Bajoraner über seine wunderschöne Frau hergefallen war. Wie er ihre Kleider zerrissen hatte, Stellen im Hohn berührte, die nur er, Shakaar, voller Ehrfurcht und Liebe streicheln durfte. Dann sah er wieder Serina vor sich, wie diese sich an ihn schmiegte, jedoch sofort zurück zuckte, wenn seine Hand tiefer tastete. Er sah ihre klaren, hellen Augen, den tiefen Schmerz darin über ihr Unvermögen sich so wie vorher vorbehaltlos auf ihn einzulassen. Die Verzweiflung und die Sehnsucht nach früher, und das Schweigen, weil sie alles mit sich selbst ausmachen wollte, um ihm nicht zur Last zu fallen.

Und er war ohnmächtig, konnte nichts tun, um ihr zu helfen, weil sie noch nicht bereit war, sich helfen zu lassen. Er konnte sie nur halten und ihre ängstliche Unsicherheit beobachten.

Er hatte Arbeitslager befreit, Garnisonen gesprengt und Feinden mit den bloßen Händen das Genick gebrochen – doch jetzt war er macht- und hilflos der Frau gegenüber, die er liebte.

Die Wut über seine Handlungsunfähigkeit in dieser Situation paarte sich mit dem Zorn auf den Mann, dem er die alleinige Schuld daran gab.

Als Lunor Era schließlich den Frachtraum betrat, explodierte Shakaars Hilflosigkeit in einem Faustschlag, der dem jungen Mann den Kiefer brach.

Während der Angegriffene sich versuchte aufzurappeln, noch zu geschockt, um Schmerz zu empfinden, presste Shakaar die Worte zwischen den Zähnen hervor. Jedes einzelne ein Peitschenhieb: „Sie. Ist. Meine. Frau! Ihr. Baby. Ist. Meins!“

„Oh, verd …“, Lunor spuckte Blut. Er versuchte halb krabbelnd, halb kriechend vor diesen Augen zu entfliehen. Sie waren eiskalt und sprachen deutlich davon, dass er den Raum nicht mehr lebend verlassen würde.

Shakaar hob den Phaser. Als er nun sprach, war seine Stimme tonlos: „Ich werde dafür sorgen, dass dein Gerichtsurteil nicht zu mild ausfällt. Du tust das keiner Frau mehr an.“ Er zielte …

„Lassen Sie die Waffe fallen, Shakaar!“ Die strenge, atemlose Stimme durchschnitt den roten Vorhang aus Zorn.

In Lunors in Panik aufgerissene Augen kehrte ein verloren geglaubter Hoffnungsschimmer zurück, als er die Sternenflottenoffizierin ebenfalls mit Waffe im Anschlag hinter seinem Peiniger wahrnahm.

„Helfen Sie mir“, nuschelte er mit zerstörtem Kiefer.

Shakaar wandte langsam den Kopf, der tödliche Blick, mit welchem er den Mann bedacht hatte, bohrte sich nun in Commander Benteen. Die Terranerin, der man ansah, dass sie den Weg hierher gerannt war, zuckte für einen kurzen Moment zusammen, doch ihr Phaser wankte nicht. „Lassen Sie sofort die Waffe fallen“, wiederholte sie noch einmal. „Machen Sie sich nicht unglücklich, Mann! Wenn Sie ihn töten, wird Ihre Strafe härter ausfallen als seine. Wollen Sie das Ihrer Familie antun?“

Ein knappes Lächeln huschte über seine Züge, doch es war genauso kalt wie sein Blick. „Ich hatte nicht vor, ihn zu töten, ich wollte ihn lediglich einschüchtern.“ Er wandte sich wieder um, hob den Arm …

Der Schuss zerschnitt die abgestandene Luft des Frachtraums.

Lunor schrie in Todesangst auf.

Shakaar wirbelte herum, sein Kiefer zuckte, als er seine Hand umfasste.

Benteen stand breitbeinig, den Phaser immer noch im Anschlag, auf ihrer Stirnhatten sich Schweißperlen gebildet.

Neben dem Ohr des Vergewaltigers prangte ein schwarzes Loch in der Metallwand, die Ränder zischten noch leise.

„Was haben Sie getan?“ fauchte Shakaar wütend. Er hielt sich die Hand, wo ihn Benteens Strahl getroffen hatte, seine eigene Waffe lag zu seinen Füßen.

Die Sternenflottenoffizierin ließ ganz vorsichtig ihren Phaser sinken. Ihre Muskeln schmerzten vor Anspannung. „Ich habe Ihren Arsch gerettet, Shakaar“, entgegnete sie nicht weniger angriffslustig.

„Ich hätte ihn nicht erschossen.“

„Oh, doch, das hätten Sie – und wir beide wissen das.“ Allmählich richtete Benteen sich wieder auf. „Gehen Sie. Gehen Sie zu Ihrer Frau.“

Shakaar versetzte der Waffe einen verächtlichen Tritt. Ohne Lunor noch eines Blickes zu würdigen, trat er auf Benteen zu, - und an ihr vorbei. Dieses Mal wich die Terranerin einen Schritt vor der verzweifelten Wut in den Augen des großen Mannes zurück.

„Sie“, flüsterte er, „haben nie richtig geliebt.“

Ende

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