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Sturm 9.05 - Sorglosigkeit und schlechte Planung

von Gabi

Eine verlockende Entdeckung

„Adventure is the result of carelessness and poor planning“ (C.L. Bennett: DTI - Watching the Clock)










Nur noch zwei Verriegelungen.

Die Finger des Mannes zitterten bereits vor Anstrengung und Anspannung. Er hatte seine Handschuhe ausgezogen, weil er kein Gefühl mehr damit hatte. Der Schweiß, der ihm über die Stirn ran, hatte auch seine Finger mit einem Film überzogen, was ihn am vorletzten Riegel abrutschen ließ. Voller Furcht hielt er den Atem an und lauschte in die Dunkelheit. Die schwache Lampe seines Stirnsets spendete lediglich der vor ihm liegenden Arbeit genügend Licht.

Er hatte das Gefühl für Zeit verloren. Wie lange arbeitete er sich nun bereits durch dieses Felsenlabyrinth vor: Stunden, Tage? Er konnte es nicht mit Sicherheit sagen.

Die anfängliche Euphorie über die Entdeckung der hebitianischen Grabanlage hatte allmählich der nüchternen Realisation Platz gemacht, dass ausgerechnet dieses Exemplar auf diesem verlassenen Felsbrocken im All, mit mehr Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet war als jedes andere bisher inventarisierte Grab aus dieser Ära der cardassianischen Vorgeschichte.

Die politische und gesellschaftliche Situation auf Cardassia war dieser Tage so schlecht, dass Planeten und Planetoiden im äußeren Bereich des cardassianischen Reiches Glücksrittern wie ihm zugänglich wurden. Es gab keine Grenzposten mehr, lediglich die Sternenflotte patrouillierte mit ihren Schiffen, um einen Übergriff auf das verletzliche System zu verhindern. Doch deren Augenmerk lag auf Kriegsschiffen möglicher opportunistischer Parteien, nicht auf kleinen Maschinen.

Als die Lage dieses Grabs in den entsprechenden zwielichtigen Kreisen durchgesickert war – was stets wesentlich rascher von statten ging, als die Information der ernsthaften archäologischen Institute – war es wie ein Triple over beim Dabo gewesen. Es hatte nur gegolten, wer als erstes die wie stets kryptisch-poetisch gehaltene hebitianische Beschreibung entziffern konnte.

Er war der Glückliche gewesen. Oder besser gesagt, hatte er sich bis vor ein paar Stunden noch für den Glücklichen gehalten. Nun, mit blutendem Bein, einem nutzlosen linken Arm und einer angestauten Nervosität, die ihn selbst bei einfachsten Handhabungen zittern ließ, verfluchte er sich für die Sorglosigkeit, mit welcher er das Grab betreten hatte. Die Fallen, denen er bisher nur knapp entkommen war, waren so vielfältig und teilweise noch so gut erhalten, dass der gesunde Verstand ihm zu einer Umkehr hätte raten müssen.

Doch er war so weit gekommen, er würde noch weiter kommen, er wollte jetzt nicht aufgeben. Allmählich ließ er die angehaltene Luft wieder ausströmen, als sich auf den vermeintlichen Fehlgriff seines Fingers nichts weiter regte. Aufgeregt wischte er sich die Finger an der dreckigen Hose trocken, um zu einem nächsten Versuch anzusetzen. Dabei verlagerte er sein Gewicht weiter auf das rechte Bein, um eine bessere Standfestigkeit zu erhalten.

Das leise Klicken, das dadurch ausgelöst wurde, war das Letzte, was er in diesem Leben wahrnahm.

* * *

„Okay, meine Herren, ich denke, für heute haben Sie Feierabend.“ Lieutenant Sito Jaxa, Stationssicherheit, stand mit an die Hüften gelegten Händen breitbeinig im Durchgang des Hinterzimmers in Quarks Bar. Ihr Phaser ruhte noch an ihrer Seite, doch sie ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie ihn jederzeit ziehen konnte.

Quark blickte erschrocken auf. Er und sein Partner waren gerade in einer recht heiklen Phase ihres Deals, in welcher es extrem schwer war auf ich habe von nichts gewusst zu plädieren. Während der größte Teil des Ferengi-Gehirns damit beschäftigt war, sich völlig plausible Erklärungen für ihr heimliches Beisammensein einfallen zu lassen, registrierte ein kleiner Bereich – nicht zum ersten Mal -, dass die junge Bajoranerin an all den Stellen gut gepolstert war, wo Frauen seiner Meinung nach gut gepolstert zu sein hatten, und dass dies in der engen, senfgelben Uniform des bajoranischen Sicherheitsdienstes fantastisch zur Geltung kam. Er hatte schon einmal mit dem Gedanken gespielt, Sito Jaxa eine Stelle als Dabo-Mädchen anzubieten. Doch er war sich ziemlich sicher, wie die Antwort ausfiele. „Lieutenant Sito, wir können doch sicherlich …“, setzte er an, doch die Schande seiner Familie schob sich an der streng blickenden Bajoranerin vorbei und baute sich nun vor den beiden Männern am Tisch auf. Sternenflotten-Lieutenant Nog, Chef der Stationssicherheit, war zwar nicht sehr viel größer als die zierliche Bajoranerin, doch sein Anblick war Quark ungleich unangenehmer.

„Onkel! Ich hätte gedacht, du seist mittlerweile so vernünftig geworden, dich nicht erwischen zu lassen“, ließ der jüngere Ferengi immerhin noch ein wenig der kostbaren Logik seiner Rasse durchscheinen.

„Ich hatte abgeschlos…“

„Und Sie“, wandte sich der Sicherheitschef an Quarks Partner, dessen Erschrecken über die Entdeckung noch um einiges größer zu sein schien als dasjenige des Barbesitzers, „sollten sich etwas schämen! Colonel Kira wird nicht begeistert davon sein, wenn sie davon hört.“

Beide Männer stöhnten unisono bei der Nennung des Namens der Stationskommandantin auf. Nein, Colonel Kira würde überhaupt nicht begeistert sein.

* * *

„Was hast du dir eigentlich dabei gedacht?!“ Kira durchmaß den Vorraum der Arrestzellen mit langen, nahezu gehetzten Schritten, hin und her – hin und her. Wie ein Raubtier, ein Raubtier mit einem Babybauch.

Quark beglückwünschte sich insgeheim, dass er – wenn er sich schon hatte erwischen lassen müssen – das wenigstens im Beisein derjenigen Person getan hatte, die Kiras gesamte Entrüstung auf sich zog und ihn elegant aus der Schusslinie brachte.

Bareil Antos, Liebhaber der Kommandantin und Grund des Babybauches, hatte sich unbewusst auf die äußerste Kante der Zellenpritsche zurückgezogen. Im Augenblick war er ganz froh darum, dass ihn ein Energiefeld von der Frau seiner Träume trennte.

„Ich wusste nicht, dass der Handel mit Berlucran-Kristallen hier verboten ist“, verteidigte er sich lahm.

„Das ist er auch nicht.“ Kira hielt für einen Moment inne, um den dunkelhaarigen Mann mit ihren Blicken zu fixieren. Wenigstens besaß er den Anstand, den Kopf einzuziehen. „Doch es ist überraschenderweise illegal, sie zu stehlen!“

„Ich wusste nicht, dass er gestohlen …“, setzte er erneut an, wagte aber nicht, den Satz zu beenden.

„Lüg mich nicht an!“, polterte Kira los, so dass Quark sich in der Nachbarzelle die empfindlichen Ohren zuhielt. „Die Besitzerin wurde auf derjenigen Station bestohlen, auf welcher die Xhosa auf ihrem letzten Flug Zwischenhalt gemacht hat. Und du hast nicht das Geld dafür, so einen Kristall einem Zwischenhändler abzukaufen. Versuch also erst gar nicht, mir irgendwelchen Mist zu erzählen, das macht mich nur noch wütender, Antos! Dieser Kristall war registriert.“

Quark sprang ohne nachzudenken von seiner Pritsche auf und rief voller Empörung: „Sie haben mir einen registrierten Kristall versucht anzudrehen?“

Bareil rollte die Augen. „Vielen Dank auch für die Hilfe“, murmelte er.

Kira warf dem Ferengi einen vernichtenden Blick zu. Dieser trollte sich rasch wieder auf seine Pritsche, als ihm klar wurde, dass es besser war, nicht die Aufmerksamkeit der Kommandantin auf sich zu lenken.

Die wütenden Augen der Bajoranerin funkelten abermals ihren Liebhaber an.

„Ich muss doch in Übung bleiben“, startete dieser einen weiteren ungeschickten Versuch in Sachen Schadensbegrenzung.

„In Übung für was?“ Kira gab ihr Herumwandern auf und baute sich direkt vor der Energiebarriere auf, welche seine Zelle sicherte. Dies hatte den unangenehmen Nachteil, dass Bareil sich nun in der Daueraufmerksamkeit der zornigen Frau befand. Er seufzte. In ihrer Wut sah sie so hinreißend aus. Es war nur ein wenig ungeschickt, dass er das Objekt ihres Ausbruchs war.

„Hat das hier denn gar nichts zu bedeuten?“ Anklagend zeigte sie auf ihren Bauch.

Mist, jetzt kam die persönliche Ebene, da konnte er nur verlieren.

„Aber natürlich, Nerys.“ Er richtete sich ein wenig auf, so dass er – wie er hoffte – seriöser wirkte. Den Kopf leicht gesenkt, blickte er sie direkt unter seinen dichten dunklen Strähnen hervor an. Er wusste, dass diese Haltung seine attraktiven Augen noch größer erscheinen ließ. „Ich liebe dich. Ich kann nicht ohne dich leben – ich will nicht ohne dich leben. Und ich freue mich so sehr auf unsere Tochter.“ Er bemühte sich, seiner Stimme einen ehrlichen Ton zu verleihen. Irgendwann im Lauf der vielen Jahre an Betrug und Verstellung hatte er verlernt, einfach nur er selbst zu sein, also versuchte er eine möglichst gute Kopie davon zu erstellen.

„Ach ja?“ Kira wirkte nicht beeindruckt, „und was soll ich unserer Tochter sagen, wenn sie nach ihrem Vater fragt? Entschuldige, Liebes, er kann nicht zum Abendessen kommen, ER SITZT MAL WIEDER IM GEFÄNGNIS?

Bareil zuckte zusammen. „Ich werde mich ändern, ehrlich … ich werde vorsichtiger sein …“

Ich werde …? …“ Kira seufzte auf. Er meinte es wahrscheinlich sogar ehrlich. Konnte sie von diesem Mann, der sicherlich dreißig Jahre seines Lebens damit zugebracht hatte, seinen Unterhalt durch Diebstahl zu bestreiten, erwarten, dass er nur in ein paar Monaten sein Leben komplett umkrempelte? Sie sah ihn an, diesen Bajoraner, der genau so sexy wie unzuverlässig war, und dessen Gegenwart in ihrem Bett sie in vollen Zügen genoss … Ja! Sie konnte es!

„Du sollst nicht vorsichtiger sein, du sollst deine Gaunereien vollständig unterlassen!“ Sie begann wieder damit, hin und her zu gehen, doch dieses Mal nur die kurze Strecke vor seiner Zelle, so dass er keine Möglichkeit zur Entspannung bekam. „Es mag deiner Ich-bezogenen Aufmerksamkeit entgangen sein, aber ich kommandiere eine Raumstation, ich bin eine hochrangige Offizierin des bajoranischen Militärs und in letzter Instanz dafür zuständig, dass hier alles reibungslos und ehrlich zugeht.“

„Ich …“

„Dein Lebenswandel passt nicht zu meinem.“

„Nerys, aber …“

„Wenn ich dich noch einmal erwische, wie du hier Hehlerei betreibst, kannst du deine Sachen packen, und deine Tochter kannst du dann ebenfalls vergessen!“

„Nerys, ich …“ Bareil stockte, da er erwartete abermals von ihr unterbrochen zu werden. Der entsetzte Ausdruck in seinen Augen war einigermaßen ehrlich. Er murmelte: „Ich kann nicht ohne dich leben.“

„Das Gefühl habe ich nicht.“

In der Nachbarzelle regte sich Quark wieder. Ein wenig tat ihm der Bajoraner leid. Er war eigentlich ein guter Kerl mit der rechten Einstellung zu Moral. Vielleicht war es doch an der Zeit, ihm ein wenig Unterstützung zu gewähren …

„Colonel. Quälen Sie den armen Mann doch nicht so“, bemerkte er großzügig, „Sie können doch sehen, wie er Sie vergöttert.“

Bareil nickte heftig seine Zustimmung, während Kira zu dem Ferengi herumwirbelte. Die wütenden Blicke, die sich im Angesicht der offensichtlichen Zerknirschtheit des dunkelhaarigen Bajoraners ein wenig abgemildert hatten, fanden in dem Barbesitzer augenblicklich ein lohnendes Ziel.

Quark bereute seinen ungewöhnlichen Ausflug in die sumpfigen Tiefen des Mitgefühls.

„Wenn ich mit Ihnen Beziehungsproblem erörtern möchte, lasse ich es Sie wissen“, fauchte die Kommandantin.

Der Ferengi hob schützend die Arme und verzog sich wieder in die Ecke seiner Zelle.

„Und du …“, Kira nutzte den neu entfachten Zorn, um ihn direkt auf Bareil anzuwenden, „… du …“ Die dunklen Augen sahen sie mitleidheischend an. Sie seufzte. Sie war sich recht sicher, dass er es nicht böse meinte. Er konnte nur nicht aus seiner Haut heraus. Kira wies das diensthabende Sicherheitspersonal an, das Energiefeld zu deaktivieren.

Bareil richtete sich mit argwöhnischem Blick auf das kommende Donnerwetter ein, als sie die Schwelle seiner Zelle überschritt. Sie baute sich vor ihm auf, packte seine weit offene Tunika zu beiden Seiten seiner Brust und zog ihn von der Pritsche in die Höhe. Als ob sein attraktives Aussehen noch nicht genug wäre, benutzte Bareil gemeinerweise auch noch ein recht sinnliches After Shave.

Sie stützte sich mit einem Knie auf der Pritsche ab, während sie den Mann an die Wand drückte. Ihr Babybauch schmiegte sich an seinen Körper, als sie ihn hart küsste.

„Ich will dich nicht von der Station jagen müssen“, hauchte sie gegen sein Ohr.

„Und ich will nicht fort gehen“, erwiderte er reumütig.

„Keine krummen Sachen mehr auf meiner Station…“, sie küsste ihn erneut, „… nicht mehr im gesamten bajoranischen Raumsektor.“

Bareil nickte ergeben. Was immer sie wollte, wenn nur diese Lippen auf immer sein blieben.

„Was ist mit den angrenzenden Gebieten?“, versuchte er sein Glück.

Kira seufzte erneut. Wenn sie ehrlich vor sich selbst war, wollte sie ihn nicht aus ihrem Leben werfen – zumindest noch nicht jetzt. Wenn das hieß einen Kompromiss eingehen, dann war das ein geringer Preis dafür. „Was du außerhalb des bajoranischen Hoheitsbereichs tust, fällt nicht mehr in meinen Zuständigkeitsbereich“, gewährte sie.

„Mit dieser Vereinbarung kann ich leben“, nickte er entschlossen.

Kira hoffte, dass sie das auch konnte.

Nach einem weiteren harten Kuss ließ sie von ihm ab und ging zur Zelle hinaus. Bareil wollte ihr folgen, doch auf ein Nicken der Kommandantin aktivierte sich die Energiebarriere wieder vor ihm.

„Nerys“, rief er entgeistert. „Ich dachte, wir hätten einen Kompromiss gefunden?“

Sie wandte sich um. Ihr Lächeln bestach eindeutig durch eine leicht hinterhältige Note. „Das haben wir. Das heißt jedoch nicht, dass du deine Zeit nicht absitzen musst. Diebstahl ist Diebstahl. Morgen früh wird Lieutenant Nog dich wieder raus lassen und dir die Höhe deiner Geldstrafe mitteilen.“

Bareil stand verdattert auf der falschen Seite des Sicherheitsfeldes. „Das kannst du doch nicht machen, Nerys.“

„Und ob ich das kann. Das Recht steht eindeutig auf meiner Seite.“ Dieses Mal hatte sie nicht vor, sich von den dunklen Augen erweichen zu lassen.

„Und wer wärmt dich heute Nacht?“

Sie musterte ihn von unten bis oben. Bareil fühlte sich auf das Level einer Schabe reduziert. „Ich werde Lieutenant Gaheris fragen, er hat eine Vorliebe für bajoranische Themen.“ Damit wandte sie sich ab, und schickte sich an, die Arresteinheit zu verlassen.

„Das ist nicht dein Ernst!“, rief er ihr hinterher. Das verdammte Energiefeld sandte unangenehme Ladungen durch die Fingerspitzen seiner ausgestreckten Hand.

„Versuch, mich davon abzuhalten“, gab sie über die Schulter zurück.

Der Hüftschwung, mit dem sie den Durchgang zum Büro des Sicherheitschefs durchquerte, ähnelte fatal demjenigen der Intendantin.

„Das macht sie mit Absicht!“, hauchte Quark fasziniert.

„Natürlich macht sie das mit Absicht“, stöhnte Bareil. Diese Nacht würde eine der schlimmsten seines Lebens werden.

* * *

Elim Garak ließ seinen Blick zum wiederholten Mal über die Nachricht gleiten, die er soeben erhalten hatte. Er hatte sie bereits beim ersten Mal Lesen vollends erfasst, doch die repetitive Aktivität seiner Augen half ihm beim Nachdenken. Der Cardassianer saß in dem kleinen, unscheinbar möblierten Raum, den er sich in dem Gebäude, welches sich Regierungssitz schimpfte, eingerichtet hatte. Natima Lang hatte veranlasst, dass diejenige öffentliche Einrichtung, welche in Cardassia City den wenigsten Schaden aufzuweisen hatte, die Räume der provisorischen zivilen Regierung stellen sollte. Vor dem Krieg hatten diese Mauern ein Museum beherbergt. Die noch intakten Exponate waren vor der Umbestimmung der Räume in den weiträumigen Keller verbracht worden.

Einziges Schmuckstück in Garaks spartanischem Büro war eine kleine Statue aus Jevonit, von der man hätte annehmen können, dass sie zum ursprünglichen Inventar des Gebäudes gehörte. Doch tatsächlich war ihm diese hebitianische Kostbarkeit einst von Tora Ziyal geschenkt worden und stellte für ihn das einzige Erinnerungsstück an die junge Tochter Dukats dar, für welche er, für niemanden verblüffender als sich selbst, zärtliche Gefühle gehegt hatte. Ihr Tod war nur eine weitere Kerbe in der langen Reihe der Verluste, welche sein Leben definierten.

Garak lehnte sich in dem recht unbequemen Stuhl zurück. Offiziell arbeitete er als Liaison zwischen Cardassia und der Föderation. Die recht großzügige – und in Garaks Augen auch naive – Reaktion der Vereinten Föderation auf den einstigen Kriegsgegner resultierte in vermehrten Kontakten der beiden Reiche, und da Elim Garak unbestritten derjenige Cardassianer war, der den Eigenheiten von Föderationsangehörigen am längsten ausgesetzt war und diese am ehesten einschätzen konnte, hatte Lang ihn gebeten diese Funktion zu übernehmen. Das gab Garak unter anderem einen unverdächtigen Vorwand, um an Cardassia-ferne Informationen zu gelangen, welche derjenigen Beschäftigung zu gute kamen, die er unter dem Deckmantel des harmlosen Liaison-Angestellten nährte. Mit Erlaubnis Langs hatte der ehemalige Agent des Obsidianischen Ordens damit begonnen, vielversprechende Cardassianer unter seine Fittiche zu nehmen und in dem auszubilden, was er nach wie vor am besten beherrschte. Cardassia ohne einen funktionierenden und starken Geheimdienst war für ihn kein Cardassia. In erster Linie ging es ihm darum, das Militär zu unterwandern, von welchem in seinen Augen momentan die größte Bedrohung für die innere Sicherheit des sich langsam wieder auf die Füße rappelnden Cardassia Prime ausging. Doch es war ihm auch sehr daran gelegen, dass sein Volk nach den traumatisierenden Erlebnissen des Krieges wieder zu seiner alten Selbstverständlichkeit gelangte. Dazu gehörte es auch, dass er diejenigen Dinge verschwinden ließ, welche den inneren Frieden stören könnten.

Der Beschuss durch das Dominion hatte eine alte hebitianische Grabstätte geöffnet. Die erste Begeisterung über diese Tatsache war rasch verflogen, als in den inneren Kammern ein Wandgemälde gefunden wurde, welches bei böswilliger Interpretation gewisse bajoranische Riten erkennen ließ. Garak kannte interplanetare Wissenschaftler mittlerweile gut genug. Sie würden sich mit Begeisterung auf die haarsträubendsten Deutungen stürzen. Es war das Letzte, was die verwundete Seele seines Volkes in ihrer Rekonvaleszenz benötigte, dass Gerüchte laut wurden, der Vasallenplanet Bajor hätte auch nur irgendetwas mit den verehrten Hebitianern zu tun gehabt. Garak war über sieben Jahre lang gezwungen gewesen Seite an Seite mit dieser Spezies zu leben. Und auch wenn es ein paar wenige Ausnahmen wie Kira Nerys oder Sito Jaxa gab, denen er etwas anderes als milde Verachtung entgegenbrachte, empfand er diese emotional unkontrollierten, fortschrittsfremden Wesen im Allgemeinen als unter der Würde eines Cardassianers. Ein Sentiment, welches er mit fast jedem Mitglied seines eigenen Volkes teilte, gleichgültig, welcher politischen Gesinnung die entsprechende Person sein sollte.

Er hatte von Glück sagen können, dass Kunde vom Fund in der Grabstätte seine Ohren erreicht hatte, bevor sie an die Öffentlichkeit gelangt war. Die Kammer war versiegelt und die wenigen Archäologen, welche die Wand gesehen hatten, standen nun auf seiner Gehaltsliste. Es hatte nicht einmal größerer Überzeugung von Garaks Seite benötigt, um sie zum Stillschweigen zu verpflichten. Wie jedem umsichtigen Cardassianer war ihnen bewusst, dass die Öffentlichkeit solch einen Fund nicht benötigte, nicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Die Terraforming-Gruppe, welche der Wissenschaftsrat der Föderation angekündigt hatte, um das Projekt „Neue Erde“, wie es die Föderierten so euphemistisch bezeichneten, ins Rollen zu bringen, würde er an eine geeignete Stelle weitab der freigelegten Grabhöhle dirigieren. Zwar handelte es sich bei den angekündigten Wissenschaftlern um kein archäologisches Team, doch Föderierte waren per Definition neugierig.

Was ihm momentan mehr Kopfzerbrechen bereitete, war die Nachricht, welche er eben von einer seiner Verbindungen erhalten hatte. Offensichtlich war eine vage Lagebeschreibung eines hebitianischen Grabes außerhalb von Cardassia Prime aufgetaucht. Außer der Erwähnung eines unter Archäologen offensichtlich lange gesuchten mythischen Gegenstands war nicht viel bekannt. Was immer an Bedeutung oder Banalität dieses Teil besitzen mochte, es war zum jetzigen Zeitpunkt nicht gut, wenn es in nichtcardassianische Hände fiel.

In der Abgeschiedenheit seines spartanischen Arbeitszimmers gönnte Garak sich den Luxus eines Seufzens. Er hoffte, dass ein paar seiner Leute bereits so weit waren, mit einer Mission wie dieser fertig zu werden.

* * *

Bareil Antos drehte den Drink in seiner Hand in kleinen Kreisen, während seine Augen im Automatismus durch die Bar huschten und die anderen Gäste taxierten. Auch das war eine Angewohnheit, welche er schwer ablegen konnte. Genaues Beobachten war eine wichtige Tugend in seiner Profession. Wenn er einen Raum betrat scannte er sofort nach potentiellen Opfern.

Die Sache mit Quark und dem verwünschten Kristall – wer kam schon auf die Idee, Kristalle zu registrieren? Davon hatte er in seinem Universum noch nie etwas gehört – lag ihm noch schwer im Magen. Auch wenn ihm klar war, dass Kiras Drohung wegen Lieutenant Gaheris nur dazu gedacht war, ihn zu reizen, hatte er die Nacht kaum geschlafen. Die Pritsche war zu unbequem, der Blick des diensthabenden Wachmanns zu spöttisch, und das stets freundliche Lachen von Gaheris zu prominent in seinen Gedanken gewesen. Die Standpauke, die er sich nach dieser wenig erholsamen Nacht von Lieutenant Nog hatte anhören müssen und der Umstand, dass sein Gehalt des nächsten Monats gepfändet war, hatten in keinster Weise zu seinem Wohlbefinden beigetragen. So kam es, dass er seine Sondierung der anderen Gäste nur mit halbem Herzen durchführte, der Rest von ihm schmollte über die Ungerechtigkeit der Welt.

An der Bar stand eine Terranerin mit aufgestecktem kastanienbraunen Haar. Ihre gesamte Haltung warnte den aufmerksamen Beobachter davor, sie übers Ohr hauen zu wollen. Dennoch hätte sie Bareil in seiner Vor-Nerys-Phase aus ganz anderen Gründen interessiert. Ähnliches dachte wohl auch ein einsamer cardassianischer Gast, der sich bereits geraume Zeit am einen Ende der Theke an seinem Glas Kanar festhielt und immer wieder neugierig-inquisitorische Blicke zu der Terranerin hinüberwarf. Der Rest der Gäste bestach vor allem durch nichtiges Geplauder.

Jetzt nahm die Terranerin ihren Drink entgegen, blickte sich ebenfalls kurz in der Bar um und hielt dann auf Bareils Tisch zu. Das gewinnende Lächeln, welches sie dabei zur Schau stellte, machte deutlich, dass ihre Richtung nicht zufällig gewählt war.

„Mr. Bareil, genau der Mann, den ich brauche.“ Die schlanke Brünette balancierte ihren randvollen Drink durch die sich allmählich füllende Bar. Sie besaß eine dieser Figuren, die ganz wunderbar in das grünblau gemusterte Etuikleid passten, welches sie trug. Die Beine nicht zu dünn und nicht zu lang, der Bauch flach ohne dass sie ihn laufend einziehen musste. Ihr Gesicht war nicht schön, jedoch attraktiv, helle intelligente Augen blitzten über der klassisch geformten Nase.

Bareil lächelte, als sie sich an seinen Tisch setzte. „Ich fürchte, da muss ich Sie enttäuschen, Lady. Ich bin meiner Freundin treu, da ändert auch eine gute Bezahlung nichts daran.“

Das gewinnende Lächeln im Gesicht der Frau erstarrte. Verblüffung macht sich in ihren Augen breit. „Sie …?“

Bareil lachte auf, erfreut darüber sie kalt erwischt zu haben. „Entschuldigung“, immer noch grinsend prostete er ihr mit seinem eigenen Drink zu, „manches Mal kann ich nicht aus meiner Haut. Ja, ich bin Bareil Antos, und wer sind Sie?“

„Vash.“ Sie hob ihr Glas ebenfalls, jedoch nicht, ohne ihm einen rügenden Blick für sein kindisches Verhalten zuzuwerfen, „sind Sie mir hier noch nie begegnet?“

„An eine so attraktive Frau würde ich mich erinnern“, machte er wieder etwas Boden wett. „Ich denke, ich habe Sie ein oder zweimal hier in der Bar gesehen.“

Sie beugte sich vor und wisperte. „Wir haben einen gemeinsamen Freund.“

Bareil hob die Augenbrauen. „Und wer sollte das sein?“

Vash nickte mit dem Kopf zum Tresen, wo Quark munter Drinks mischte und seine Kunden dabei betrog.

„Ihn würde ich nicht gerade als Freund bezeichnen“, murrte der Bajoraner. Nur weil der Ferengi die Sicherheit in seiner Bar nicht gut genug im Griff gehabt hatte, würde Bareil wahrscheinlich den guten Teil einer Woche brauchen, um sich wieder in Kiras Gunst zu reden.

„Er hat mir gesagt, welch geschickte Finger Sie besitzen, Mr. Bareil.“

Der Bajoraner schnaubte. „Und Nerys hat mir gesagt, ich solle sie gefälligst bei mir behalten.“

Sie leerte ihren Drink in einem Zug aus und stellte das Glas mit einem deutlichen Geräusch auf der Tischplatte ab. Bareil konnte nicht umhin sie bewundernd anzustarren.

„Ich habe herausbekommen, wo das Ungreal zu finden ist“, wisperte sie bedeutungsvoll.

Die erwartete Reaktion ihres Gegenübers blieb aus. Auf ihren erwartungsvollen Blick hin, hob Bareil entschuldigend die Schultern. „Das sagt mir gar nichts …“, als er sah, dass sie die Augenbrauen missbilligend zusammenzog, fügte er hinzu „… Quark hat sicherlich auch nicht vergessen zu erwähnen, dass ich nicht einmal aus diesem Universum stamme, oder?“

Sie seufzte. „Es handelt sich um ein sagenumwobenes Artefakt der alten hebitianischen Kultur. Lange war nicht klar, ob es überhaupt existiert, doch mir sind Hinweise in die Hände gefallen, die den Fundort aus dem Reich der Mythen in die Realität geholt haben.“

Er runzelte die Stirn. „Ich bin schwerlich ein Archäologe, wozu brauchen Sie mich?“

Vash neigte sich zur Seite, um in ihrer Umhängetasche etwas zu kramen. „Der Fundort ist mit zahlreichen Fallen gesichert, die ein sicheres Gespür im Umgang mit Schlössern und ähnlichem erfordern“, kam es ein wenig gedämpft von der Seite des Tischs.

„Ich habe Colonel Kira mein Ehrenwort gegeben, dass ich keine krummen Dinger mehr drehe“, gab er zu bedenken.

„Ja“, sie hob den Kopf wieder und war damit klarer zu verstehen. In der Hand hielt sie nun ein Padd. „aber wie ich gehört habe, gilt Ihre Abmachung nur für bajoranisches Hoheitsgebiet. Wir sprechen hier von einem Mond abseits der Routen im cardassianischen Reich, wo Sie Ihre Transportflüge ohnehin regelmäßig hinbringen.“

„Und wie soll ich erklären, dass ich mich dort für ein paar Tage absetze?“, wollte er misstrauisch wissen.

„Sie werden sich etwas einfallen lassen.“ Sie hatte das Padd aktiviert und schob es ihm über die Tischplatte hin.

Bareil betrachtete die Zahl, die auf dem Display aufleuchtete. Er ließ einen leisen Pfiff hören. „So viel ist das Ding wert?“

Sie lachte laut auf, was die Köpfe mehrerer Anwesender herum zucken ließ. Vash nahm das Padd wieder an sich und brachte ihr Gesicht nahe an seines. „Das, Mr. Bareil, ist Ihr Anteil.“

„Ich werde mir etwas einfallen lassen!“

Die Erwähnung der hebitianischen Wandmalerei in dem durch den Dominion-Beschuss freigelegten Grab auf Cardassia stammt aus der Kurzgeschichte "The Glories of the Hebitians" aus dem Bildband "New Worlds, new Civilizations" von M.J. Friedman
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