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First Day

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Odo hatte die beiden Bajoraner schon eine Weile beobachtet. Seit die Cardassianer Terok Nor verlassen hatten, war das Chaos auf der Station ausgebrochen.

Der Gestaltenwandler verstand die sinnlose Zerstörungswut der Cardassianer ebenso wenig, wie die beiden Bajoraner, die versuchten, einander zu bestehlen.

Soweit er es nachvollziehen konnte, stritten sie um Wertgegenstände, die sie aus den teilweise zerstörten Läden geplündert hatten.

Er hatte in den vergangenen zwei Tagen versucht, die Ordnung aufrecht zu erhalten und solche Dinge zu verhindern, doch selbst ein Gestaltenwandler konnte nicht überall sein.

Die ganze Welt schien aus den Fugen zu geraten und Odo überlegte, wo er hingehörte. Diese Station war in den letzten Jahren so etwas wie sein Zuhause gewesen.

Gul Dukat, der Präfekt von Terok Nor hatte ihm spöttisch angeboten, mit nach Cardassia zu gehen. Selbst ohne den verletzenden Spott hätte Odo dies abgelehnt. Was wäre er auf Cardassia gewesen?

Ein Gestaltenwandler, ohne Rechte und vermutlich wäre das Labor, in das die Cardassianer ihn gesteckt hätten, noch weniger erträglich gewesen als das von Dr. Mora.

Was würden die Bajoraner mit ihm machen? Ihn zurück in das Labor bringen, aus dem er sich vor Jahren geschlichen hatte? Zurück zu Tests und erniedrigenden Verwandlungen? Selbst wenn er annahm, dass Mora vieles auf Weisung der Cardassianer getan hatte, saßen der Schmerz und die Demütigung zu tief in seinem Herzen.

Was ging ihn der Streit der beiden Plünderer an? War seine Aufgabe auf Terok Nor nicht beendet? Odo beobachtet, wie einer der Männer einen cardassanischen Phaser aus der Tasche seiner Jacke zog.

Ein Teil von ihm, den er nicht ganz ergründen konnte, griff unwillkürlich ein. Der Gestaltenwandler glitt aus dem Gefüge der Wand, in das er sich integriert hatte.

"Waffen sind auf der Promenade verboten!" Der erschrockene Bajoraner, für den der Gestaltenwandler so plötzlich aus dem Nichts erschienen war, kam gar nicht zu einer Gegenwehr.

Odo entriss ihm den Phaser und registrierte aus dem Augenwinkel eine rotgekleidete Gestalt, die seine Aktion beobachtet hatte. Er drehte sich um und blickte die junge Frau, in der roten Uniform des bajoranischen Militärs und den Abzeichen eines Majors, erstaunt an.

Ihre Hand lag leicht auf dem Phaser, aber anscheinend nicht um die Waffe gegen ihn zu richten. Ihr rötliches Haar schwang in einem anmutigen Bogen auf Kinnhöhe, in ihren nachtschwarzen Augen glomm fast ein Hauch von Belustigung, was Odo nicht nachvollziehen konnte.

"Gilt dies auch für mich, Constable?" Odo blinzelte, es war eine Reaktion, die er unbewusst von den Humanoiden angenommen hatte. Dieser, in seinen Ohren so seltsame Spitzname, verband diesen ranghohen Offizier mit einer jungen Frau, die einst mit Todesangst in den so faszinierenden Augen, in seinem Sicherheitsbüro gesessen war.

Einer sehr begründeten Angst, er erinnerte sich an Gul Dukats Hand um ihren Oberarm, der fragte, ob sie die Schuldige sein. Und für Dukat gab es nur eine Strafe für schuldige Bajoraner - den Tod.

Odo erinnerte sich an ihre bitteren Worte, daran, dass er eine Seite würde wählen müssen - was er immer für sich verneint hatte. Für ihn gab es keine Seite, nur die der Gerechtigkeit.

"Major Kira Nerys", er registrierte die beiden bajoranischen Soldaten hinter ihr und kam zu dem Schluss, dass Bajor sich nun offiziell um diese Station kümmern wollte.

"Ich nehme an, Sie sind nun der kommandierende Offizier dieser Station und deshalb steht es Ihnen zu, eine Waffe zu tragen. Zumal meine Aufgabe vielleicht ohnehin beendet ist."

"Und ob, Kollaborateur." Der Bajoraner, dessen Waffe Odo noch immer in der Hand hielt, spuckte dem Gestaltenwandler vor die Füße.

Kira trat eine Schritt vor, Zorn fand seinen Niederschlag in ihren Augen, doch Odo registrierte überrascht, dass diese Wut nicht ihm galt.

Ihre Hand zuckte, so als wolle sie den Bajoraner schlagen, der einige Schritte zurückwich und sie mit fassungslosem Erstaunen anstarrte.

"Was geht hier vor, Constable?" Odo verabscheute diese Anrede, doch irgendwie klang es aus dem Mund dieser Frau nicht beleidigend, sondern fast schon anerkennend.

"Plünderer, die sich über die Beute streiten, Major." Odo spürte wie diese Auskunft ihre Wut noch schürte, sie drehte sich zu ihren Begleitern um.

"Stecken Sie diese beiden Männer in das nächsten Shuttle nach Bajor und stellen Sie sicher, dass man sie unter Arrest wegen Diebstahl nimmt." Kira bezweifelte, dass man den Männern einen Prozess machen würde. Bajor steckte in tieferen Schwierigkeiten als sich um Plünderer Sorgen zu machen.

Schwierigkeiten, von denen Kira bislang nichts geahnt hatte - nicht solange der Kampf gegen die Cardassianer alle geeint hatte.

Der Unteroffizier richtete einen fragenden Blick auf Odo, als er zu entscheiden versuchte, ob er seinen kommandierenden Offizier mit diesem Sicherheitsoffizier, der bereits unter den Cardassianern gedient hatte, allein lassen konnte. Ein Blick in Major Kiras Augen ließ ihn zu dem Schluss kommen, diese Frage besser nicht zu formulieren.

* * *

Das Sicherheitsbüro war von den schlimmsten Verwüstungen verschont geblieben, aber die Monitore waren schwarz. Wie auf der ganzen Station machten sich die Systemschäden und Unterbrechungen in der Energieversorgung bemerkbar.

Kira folgte Odo und blickte sich um, seltsam, dieser Raum war ihr viel größer und bedrohlicher vorgekommen, als sie ihn das letzte Mal betreten hatte.

Ihre Fingerspitzen wanderten über den Sessel, auf dem sie gesessen und in die grauen Augen des Gestaltenwandlers geblickt hatte, von dessen Worten damals ihr Leben abhing. Ein Leben, das ohnehin immer an einem seidenen Faden gehangen hatte.

Sie bemerkte den aufmerksamen Blick des Gestaltenwandlers und blickte ihn direkt an. Sein glattes Gesicht, dem es an mimischen Falten und Ausdruck mangelte, ließ auch jetzt nichts von seinen Gedanken erahnen.

"Warum haben Sie mich damals gerettet?" Diese Frage hatte Kira nie gänzlich losgelassen. Hin und wieder hatte sie auf Bajor ihren Blick in den Himmel gerichtet und an den Gestaltenwandler gedacht.

Odo konnte diese Frage leicht beantworten. "Sie waren an dem Verbrechen unschuldig, in dem ich ermittelt habe." Er sprach dies mit aller Überzeugung aus.

Kira drehte leicht den Kopf, es war dämmrig im Sicherheitsbüro und so bemerkte Odo den Schatten, der über Kiras Gesicht huschte, nicht.

Ein Schatten von Schmerz und trotziger Rechtfertigung vor sich selbst. Es war notwendig gewesen zu lügen und warum hätte sie den Preis der Cardassianer auch bezahlen sollen? Dafür einen bajoranischen Kollaborateur, einen Verräter, gerichtet zu haben? Kira richtete ihren Blick wieder auf den Gestaltenwandler, sie fragte sich, ob er es verstehen würde. "Für die Cardassianer war ich schuldig genug - Sie wussten, was ich war, ein Saboteur und Widerstandskämpfer."

Odos Hand wanderte über die glatte Kante seiner Konsole, er würde diesen Ort vermissen. "Für mich war es nicht von Belang, was Sie waren."

"Dukat hätte das sicher anders gesehen, er hat Ihnen diesen Job gegeben." Ein Hauch von Anklage schwang in ihren Worten mit. Unverständnis, dass dieser Mann, dem sie ihr Leben verdankte, wenn auch nur dank einer geschickten Lüge - für die Cardassianer gearbeitet hatte.
"Ich schuldete Gul Dukat nichts, ich bin nur der Gerechtigkeit verpflichtet!"

Kira knallte die flache Hand auf den Schreibtisch. "Auf der Seite der Cardassianer gab es keine Gerechtigkeit!" Odo runzelte ein wenig die Stirn, zu mehr mimischem Ausdruck seiner Verwirrung war er nicht fähig.

Was wollte sie von ihm hören? Was warf sie ihm vor? Und warum bedeutete es ihm überhaupt etwas, was diese Frau von ihm dachte? "Ich habe es Ihnen schon einmal gesagt, Kira Nerys, ich kenne keine Seiten."

Kira schnaubte verächtlich durch die Nasenlöcher. "Einmal muss man wählen, Constable Odo. Sie glauben vielleicht, keine Wahl getroffen zu haben, aber Sie waren auf der Seite der Cardassianer".

Odo schüttelte leise und bedauernd den Kopf. "Es ist wohl besser, ich nehme das nächste Shuttle, das nach Bajor aufbricht." In seiner Stimme schwang sein Bedauern hörbar mit. Kira straffte die Schultern, warum konnte er nicht zugeben, auf der falschen Seite gestanden zu haben?

Warum wollte sie das unbedingt hören? Weil es ihre eigene Seite und die Taten, die sie begangen hatte, rechtfertigen würde? Kira konnte sich diesen Fragen nicht stellen, sie drehte sich auf dem Stiefelabsatz um und verließ das Sicherheitsbüro, ohne den Gestaltenwandler nochmals anzublicken.

* * *

Kira starrte auf das Datendisplay vor sich, doch die Zahlen und Buchstaben verschwammen vor ihren Augen. Sie war seit fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen und alles, was sie hier tat, kam ihr zunehmend sinnloser vor.

Zwei Männer ihres Einsatztrupps waren bei dem Versuch, Energieleitungen zu überbrücken ums Leben gekommen. Die Cardassianer hatten alle Computer mit Codes verschlüsselt und selbst die einfachsten Befehle wurden nicht anerkannt.

Die Notenergie würde in Kürze aufgebraucht sein und eine weitere Energieüberbrückung zu versuchen, konnte sie nicht verantworten. Sie fragte sich, wie es Starfleet gefallen würde, eine funktionsuntüchtige Station zu übernehmen - in der nicht einmal die Lebenserhaltung funktionierte?

Der Gedanke hatte direkt etwas Erheiterndes, nur wäre es ihr Versagen und genau das störte sie daran. Sie rieb leicht über ihre Stirn, so als könne sie damit Kopfschmerzen und finstere Gedanken gleichermaßen vertreiben.

Zwei ihrer Leute waren tot, gestorben, weil sie die cardassianischen Computercodes nicht entschlüsseln konnte. Wie sollte sie das erklären?

Der Tod war ein stetiger Begleiter der Widerstandskämpfer und Soldaten gewesen, nur war der Krieg vorbei und am ersten Tag der Freiheit zu sterben, war einfach nicht fair.
Kira lachte bitter in dem leeren Büro des Präfekten auf, wann war etwas in ihrem Leben je fair gewesen?

Über die Treppe, die zu diesem erhöhten Büro führte, erschien die fast schon vertraute Gestalt des Gestaltenwandlers. Kira fragte sich, was er noch auf der Station tat, aber sie war seltsamerweise froh ihn zu sehen.

"Mr. Odo." Kira kam sich auf dem Sessel des Präfekten etwas deplatziert vor, obwohl es ein perfides Vergnügen bereitete, den Platz einzunehmen, von dem aus Dukat geherrscht hatte.

Der Gestaltwandler hob die Schultern, er schien ein wenig unsicher. "Ich habe von dem Unfall beim Überbrücken der Energiesysteme gehört." Odo fragte sich, was er hier eigentlich tat? Er sollte bereits auf dem Weg nach Bajor sein, dies war nicht länger sein Zuhause.

"Sie haben nicht zufällig einen cardassanischen Codeschlüssel der Kommandoebene?" Kiras Stimme ließ eine Müdigkeit erahnen, die nicht nur mit mangelndem Schlaf zu tun hatte.

Odo wünschte sich, es gäbe etwas, um sie aufzuheitern und er war sehr erstaunt über dieses Gefühl.

Kira sah, wie ein Ausdruck von Mitgefühl in seinen grauen Augen zu erahnen war, ehe etwas, das ein Lächeln sein konnte, über seine dünnen Lippen huschte.

"Ich habe leider keinen Codeschlüssel, aber wenn es einen auf der Station gibt, dann hat ihn Quark."

Kira hob die Augenbrauen. "Diese kleine, schleimige Ferengikröte von einem Barkeeper?" Sie konnte sich noch genau an den Ferengi erinnern und es waren keine sonderlich angenehmen Gedanken.

Odo blickte sie fast mit einem Ausdruck von Bewunderung an. Es gefiel ihm, wie sie Quark bezeichnete, entsprach es doch genau seinen Gefühlen in Bezug auf den Ferengi. "Genau der - nur wird es nicht so einfach, Quark dazu zu überreden, ihn uns zu überlassen."

Kira ballte die Fäuste. "Wir werden ihn schon zum Reden bringen."

Odo blickte sie fast ein wenig erschrocken an. "Ich kann nicht zulassen, dass Sie ihm Schmerzen zufügen."

Kira klappte der Kiefer herab, für was hielt der Gestaltenwandler sie eigentlich? "Die Cardassianer haben Schmerz dazu benutzt, Informationen zu erhalten, nicht die Bajoraner!"

Odo bemerkte das Flackern in ihren nachtschwarzen Augen.



Er wußte genau, dass sie sich an Situationen erinnerte, in denen sie Informationen aus Cardassianern geholt hatte, mit denselben brutalen Methoden, die sie so hasste und verachtete.

"Wir werden ihn überlisten, denn Ferengis können sehr schweigsam werden, wenn es um ihre kleinen Diebesutensilien geht." Kira nickte zustimmend und hörte aufmerksam zu, während der Gestaltenwandler sie in seinen Plan einweihte.
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