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Eine Muh, eine Mäh...

von Gunni Dreher

Kapitel 1

Arie Corestid ließ seinen Blick kopfschüttelnd über die grell glitzernde Pracht wandern.
„Was gibt das eigentlich?“ wollte er wissen. „Eine Halloween-Party fürs Christkind? Oder ist hier drin ein Weihnachtsmarkt für Farbenblinde explodiert?“
Isabel Wilkinson bemühte sich gerade, ein auffälliges rentierförmiges Etwas ans Fenster zu hängen.
„Ein Adventszimmer für die rhazaghanischen Kinder.“ gab sie zur Antwort. „Idee von Brad, reizend, nicht? Du kannst dir übrigens schon mal ein paar Überraschungen für den Kalender ausdenken.“
Der Tresquodocer zuckte ratlos die Schultern. „Überraschungen? Keine Ahnung! Gehackter Fisch? Hundekuchen? Wie wär´s mit ein paar schönen Mistkäfern?“
„Arie!“
„Komm schon, Isabel, du kennst doch allmählich die Kinder hier! Schokolade spucken die wieder aus, und von Nelken oder Zimt müssen sie niesen. Ist die ganze Sache überhaupt mit Pittoni abgesprochen?“
Brad Rowland drängelte sich mit einem riesigen Karton vorbei. „Noch nicht, aber ich garantierte dir, sie wird begeistert sein. Verdirb uns nicht die Stimmung, Arie, du bist immer noch ein unverbesserlicher Weihnachtsmuffel.“
„Und du bist verrückt. Du weißt genau, daß der Captain Anweisung gegeben hat Energie zu sparen, weil unsere Ebene den höchsten Verbrauch im Habitat aufweist. Für dieses Zeug hier dürftest du das Replikatorkontingent von einem halben Jahr verbraucht haben. Und dabei gehe ich jede Wette ein, daß das Ganze eine Riesenpleite wird.“
„Kein Problem, wenn du unbedingt verlieren willst...“ Brad streckte die Hand aus. „Um wieviel?“
„Mein Replikatorkontingent von diesem Monat.“ Der Tresquodocer schlug ohne Zögern ein. „Und was macht dich so sicher, daß die hiesigen Kleinen auf deine Weihnachtsartikelmesse abfahren?“
Brad hielt ihm den Karton unter die Nase und beugte sich zu ihm hinüber. „Das Schmuckstück, das ich hier drin habe.“ antwortete er vertraulich. „Ein echter Klassiker, dem kann kein Kind widerstehen. Ich habe eine herrliche alte ‘Krokodil’ von Märklin repliziert, kannst mir gleich beim Aufbauen helfen... - Hey, was ist das?“
Della Escobedo zerrte mühsam etwas Hellgrünes mit langen Wedeln durch die Tür. „Wofür würdest du es denn halten?“ keuchte sie „Du wolltest doch einen Weihnachtsbaum, oder?“
„Weihnachtsbaum? Diese Mißgeburt? Das kann doch wohl nicht dein Ernst sein!“
„Worauf du Gift nehmen kannst! Damit du Bescheid weißt, ich kämpfe mich nicht noch einmal durch das Dickicht da draußen.“
„Das Ding sieht aus wie ein verdammter größenwahnsinniger Farn!“
„Na und? Dafür hat es einen unbestreitbaren Vorteil: Es läuft nicht herum wie dein Prachtexemplar vom letzten Jahr.“ Sie warf einen Blick in den Raum und blinzelte irritiert. „Sagt mal, müssen die Rentiere wirklich lila sein?“

Tarkin sah dem kleinen Mädchen tief in die Augen, während der Rest der Nestlingsgruppe die Vorgänge gespannt beobachtete.
„Tief durchatmen!“ wies er das Kind an. „Sehr schön! Und nun versuch dich noch einmal zu konzentrieren.“
Die Kleine hielt die Luft an und zog vor Anstrengung die Stirn kraus. Gleich darauf kniff sie die Augen zusammen und ballte verzweifelt die Fäuste, während ihr Gesicht allmählich einen tiefroten Farbton annahm. Schließlich gab sie enttäuscht auf.
„Es geht nicht.“ meinte sie traurig.
„Noch nicht.“ verbesserte Tarkin freundlich. „Du wünschst es dir im Moment zu sehr, das ist alles. Es muß ganz leicht gehen, wie von selbst, verstehst du? Paß auf, wir versuchen einmal folgendes...“
Hinter ihm erklang ein Räuspern. „Äh, Clanführer, entschuldigen Sie bitte...“
Der Rhazaghaner runzelte die Stirn, wandte sich aber nicht um. „Nicht jetzt, Mr. Rowland.“ lehnte er ab. „Wie Sie sehen, habe ich gerade eine Schulung.“
„Wissen Sie, es geht um Weihnachten...“
„Ihr Winterfest? In Ordnung, Sie haben meine Erlaubnis. Vergewissern Sie sich aber, daß es sich diesmal wirklich um einen Baum handelt.“
„...und wir haben deshalb etwas für die Kinder des Habitates vorbereitet. Wenn wir es Ihnen vielleicht einmal zeigen dürften?“
„Für die Kinder?“ Tarkin blickte überrascht über die Schulter, dann erhob er sich. „Na gut, meinetwegen, einen kurzen Augenblick kann ich wohl erübrigen. Komm, Injin,“ wandte er sich an seine kleine Schülerin, „du darfst mitkommen. Ihr anderen,“ er nickte den übrigen Kindern zu, „könnt solange spielen. Ich bin gleich wieder da, dann machen wir weiter.“

Kurz darauf führte Brad den Rhazaghaner stolz in den geschmückten Raum. „Vorsicht, Clanführer,“ warnte er dabei, „nicht auf die Schienen treten, wir haben sie im ganzen Raum verlegt. Achtung, das Schaukelpferd hinter Ihnen! Passen Sie auf, der Adventskranz! - Und? Was sagen Sie, wie finden Sie es?“
Tarkin schaute zunächst auf das fassungslos starrende Kind neben ihm, dann ließ er seinen Blick über funkelnde Sterne, lilafarbene Zerliks und dicke, rotgekleidete Terraner gleiten. Während er spürte, wie sich ihm die Nackenhaare sträubten, stieg in ihm die Frage auf, wie er seinen Eindruck wiedergeben und dabei höflich bleiben sollte.
„Nun, ich...“ fiel ihm schließlich ein.
Im nächsten Augenblick ging alles sehr schnell. Etwas Kleines, Flinkes kam über den Boden gesurrt, sauste zwischen den Beinen der beiden Rhazaghaner hindurch und schickte sich an, unter dem bunt blinkenden Weihnachtsbaum zu verschwinden. Während Tarkin verblüfft zur Seite sprang, folgte auch schon ein Blitz auf Kinderhöhe, und eine strubbelige kleine Gestalt schoß dem flüchtigen Gegenstand nach. Unmittelbar darauf geriet der Baum ins Schwanken, entschied sich nach kurzem Abwägen für den Sturz, um schließlich klirrend, engel- und sternesprühend zu Fall zu kommen. Die Lichterkette blinkte protestierend und gab den Geist auf.
Entsetzte Stille schloß sich an. Der Rhazaghaner faßte sich als erster und begann unter den Zweigen zu suchen.
„Injin?“ rief er nach dem Kind. „Ist alles in Ordnung?“
„Ich bin hier, Clanführer!“ antwortete die entzückte Stimme des Mädchens. „Und ich habe es erwischt. Es rührt sich nicht mehr.“
Eine zierliche kleine Krallenluum tauchte zwischen den Wedeln auf. Tarkin zog sie heraus und lachte.
„Großartig, Injin, das hast du gut gemacht! Wie ich dir vorhin sagte: Wenn es soweit ist, geht das Wechseln ganz von selbst, nicht wahr?“
„Clanführer,“ stotterte Isabel erschrocken, „das mit der Kleinen tut uns wirklich furchtbar leid. Wenn wir gewußt hätten...“
„Aber nein!“ Tarkin wehrte begeistert ab. „Sie haben recht, dieser Raum ist wunderbar für Kinder. Bauen Sie am besten alles wieder so auf, ich werde jetzt den Rest der Schulungsgruppe holen. Und den Jahrgang davor, wir haben da noch ein paar Nachzügler. Bis gleich!“
Arie trat an den Weihnachtsbaum heran, wo Brad gerade dabei war, die Reste der völlig zertrümmerten Lokomotive zu bergen.
„Eine ‘Krokodil’!“ brachte er fassungslos heraus. „Von Märklin. Vollkommen...“
Der Tresquodocer rieb sich das Kinn. „Tja, Brad,“ murmelte er, „scheint mir, als hättest du gewonnen. Wie es aussieht, ist die Sache ein Knüller, gerade für kleine Rhazaghaner. Mein Replikatorkontingent sei dir gegönnt. Ich habe nur den ganz dunklen Verdacht, daß du es noch dringend brauchen wirst.“


ENDE
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