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Tod im Eis

von Oriane

Kapitel 2

Kapitel 2


Die Kälte kroch unbarmherzig unter Maurizios Jacke und er wünschte sich plötzlich, nicht darauf bestanden zu haben, mitzukommen. Die Antarktis hatte er nie vorher besucht und dass es auf der Erde möglich war, eine solch abartige Kälte zu erzeugen, war ihm ebenfalls neu. Kalter, böiger Wind rauschte an seinen Ohren vorbei und brachte Pulverschnee mit sich, der auf seiner Haut ein Prickeln wie von Nadelstichen hinterließ. Landschaftlich war der Kontinent natürlich ein Traum. Der Vulkan Mont Erebus, der südlichste aktive Vulkan der Erde, ragten majestätisch hinter der breiten weißen Ebene in den blauen Himmel und das einzige, was sich aus ihr hervorhob, war ein Iglu. Jemand verwechselte hier eindeutig die beiden Pole miteinander, aber als Mikael sein Team näher heranführte, entpuppte sich das Iglu nur als Eingang zu einer Unterirdischen Basis. Aus der Öffnung des Eishäusschens lugte jemand hervor, den Kopf durch eine dicke Fellkapuze geschützt und dadurch schwer zu erkennen. Eine Hand tastete sich nach draußen und wenig später richtete sich eine kleine Gestalt auf, die auf das Team zu hielt.
Lynna hatte zwar eine Jacke mitgenommen, ließ sie jedoch offen und Maurizio fuhr ein Schauder nach dem anderen durch den ganzen Körper, wenn er sie ansah, also versuchte er tunlichst, den Blick von ihr abzwenden. Es war grauenvoll mit anzusehen, wie sie bei minus 30 Grad kein bisschen fror.
„Sie müssen die Ermittler sein, habe ich recht?“, fragte die Gestalt mit der Fellkapuze und reichte Mikael eine behandschuhte Hand. Der Angesprochene nickte unter seiner schweren Mütze. „Kommen Sie herein, hier draußen wird es langsam ungemütlich.“ Die Gestalt kletterte wieder in ihr Iglu. Darin führte eine Treppe nach unten, tief unter die Schneedecke und nach einem dunklen Abstieg fand sich das Team in einer unterirdischen Basis oder ähnlichem wieder. Zum Glück hatte man hier unten die Heizung eingeschaltet, aber noch wagte Maurizio nicht, seine Jacke auch nur ein kleines Stückchen zu öffnen.
„Führen Sie hier unten ein Museum?“, fragte Lynna interessiert, als sie einen Empfangstresen und die Garderobe bemerkte.
„So etwas in der Art, ja. Ein Eismuseum, wenn Sie so wollen. Natürlich würde jede Formation hier unten schmelzen, also sind es nur Holoprogramme, die wir mithilfe ihrer realen Abbilder unten am Mont Erebus erstellt haben. So können Besucher sich das ganze erst einmal bei humanen Temperaturen ansehen, bevor es richtig losgeht.“ Mit einer fließenden Bewegung hatte ihre Führerin die Kapuze vom Kopf gezogen und enthüllte einen wirren, braunen Haarschopf und ganz eindeutig Ansätze von andorianischen Zügen. Ich bin Cusa Barick, ich leite die Führungen in die Eishöhlen.“
„Waren Sie dabei, als die beiden Teilnehmer in der Höhle eingeschlossen wurden?“, fragte Mikael. Cusa nickte und legte den Kopf schief. „Ja, ich war dabei. Aber kommen Sie herein. Wir haben die Leiche hier unten. Auch die anderen Expeditionsteilnehmer sind noch hier. Ihr Transport wurde verhindert.“
„Das haben wir veranlasst“, erklärte Mikael und folgte Cusa durch einen Verbindungsgang. „Sie werden diese Basis erst verlassen, wenn wir alle befragt haben und sicher sind, dass niemand von ihnen etwas mit dem Fall zu tun hat. Wo ist die Zeugin?“
Mittlerweile waren sie an einem Schott angekommen, dass von Cusa fachmännisch geöffnet wurde. Wohlige Wärme empfing das Team im dem großen Raum, in dem jemand ein paar schmucklose Tische sowie Bänke aufgestellt hatte. Einige Türen führten in andere Räume; Mikael vermutete dort die Holodecks. Nur schwach drang das Licht einiger Neonleuchten in die dunklen Ecken. Es schien fast, als dämpfe das Eis um sie herum nicht nur den Schall, sondern auch das Licht. Eine handvoll Personen saß an einem der Tische und sah neugierig auf, als das Team hereinkam. Ihre leisen Gespräche verstummten, als Cusa sich zu ihnen umwandte und die Neuankömmlinge vorstellte.
„Diese Leute sind ein Team der Federation Security. Ich muss euch bitten, euch noch etwas zu gedulden, da ihr alle zu den Vorfällen befragt werden müsst. Keine Sorge, niemandem von euch wird irgendetwas vorgeworfen, aber wir sind uns sicher alle einig, dass diese Sache der Aufklärung bedarf.“
Betretene und misstrauische Gesichter empfingen Mikael und sein Team, als er Cusa beiseite zog. „Wo ist die Leiche?“
Sie deutete auf eine Tür, direkt rechts neben dem Eingangsschott. „Dort. Kommen Sie mit.“
„Ich habe eine Holoversion meines Autopsieraums dabei“, schaltete sich Luzia ein. „Sie sagten, es gäbe die Möglichkeit den Computer damit zu füttern, dann könnte ich ihn direkt vor Ort untersuchen.“
Die Frau nickte und deutete auf eine Konsole an der Wand. „Versuchen Sie es damit. Allerdings kann ich nicht garantieren, dass es funktioniert. Wir hatten des öfteren Probleme mit dem Computer in letzter Zeit.“
Luzia nickte und machte sich an der Konsole zu schaffen, Barim, der betazoidische Assistent von ihr, der einen Koffer mit Ausrüstung trug – nur für den Fall – stand hinter ihr. Nach mehreren Versuchen, in denen das Programm sich geweigert hatte zu laden, öffneten sich schließlich zischend die Holodecktüren und eine sonnenbeschienene Holografische Version von Luzias Autopsieraum kam dahinter zum Vorschein, die so unwirklich wirkte im Vergleich zu dem dunklen Aufenthaltsraum. Der Andorianer lag auf dem Boden, noch eingewickelt in eine vergleichsweise dünne Jacke, die jedoch teilweise zerrissen war und auf der sich Blutflecken verteilt hatten. Geschäftig machte Luzia sich an die Arbeit und Mikael schloss die Tür hinter ihr. Weder er wollte sehen, was sie genau mit der Leiche anstellte, noch sahen die Expeditionsteilnehmer so aus, als wollten sie es genauer wissen.
An einem Tisch, etwas abseits von den anderen saß eine Frau in Gesellschaft eines älteren Mannes, der ihr schützend die Hand auf den Rücken gelegt hatte und misstrauisch zu dem Ermittlerteam hinüber schielte. Baqh erkannte sie von dem Foto wieder, allerdings hatte sie nun die Kapuze aufgesetzt und verbarg ihr Gesicht halb in dem angebrachten Pelzkragen. Cusa war zu ihr hinüber gegangen und redete sanft auf sie ein. Der Mann widersprach heftig, allerdings zu leise, als das der Bolianer es hätte verstehen können. Dann erhob sich die Frau, ließ die Hände in die Jackentaschen gleiten und folgte Cusa, die auf Mikael zuhielt.
„Kommen Sie, Sie können das Holodeck neben dem ihrer Kollegin nutzen. Was brauchen Sie an Ausstattung?“
„Ein einfacher Tisch und Stühle würden genügen“, antwortete Mikael und musterte Bea Watrous. Als Cusa fertig war, führte er sie in den Raum und winkte Maurizio mit sich. „Der Rest nimmt sich die anderen Expeditionsteilnehmer vor. Lynna, du befragst unsere reizende Eishöhlen-Führerin.“

Bea Watrous stellte sich als äußerst schüchtern heraus. Sie zog ihre Jacke nicht aus und nahm nur auf Mikaels ausdrücklichen Wunsch die Kapuze herunter. Verschreckt wirkte sie, wie ein junges Mädchen, dass bei jeder Bewegung zusammenzuckte, dabei war sie bereits mitte dreißig und konnte längst nicht so schreckhaft sein, wenn sie eine derart altmodische Expedition in eine Eishöhle am Fuße des südlichsten aktiven Vulkans der Erde buchte.
„Also gut, Miss Watrous“, begann Mikael ruhig. „Am besten fangen wir ganz von vorn an.“
Wo wäre denn 'ganz von vorn'?“, fragte sie, versucht, ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen und am Zittern zu hindern. Es gelang ihr nur teilweise.
„Zum Beispiel bei dem Beginn ihrer Expedition. Wie sind Sie darauf gekommen, diese Tour mitzumachen.“
„Es war ein Geschenk von meinem Vater. Er hat es mir zum Geburtstag geschenkt; zwei Tickets, für mich und für ihn. Er liebt Höhlen und schon seit ich ein Kind war, hat er mich in jede mitgenommen, die er finden konnte. Solche Touren haben wir schon öfter unternommen, auch, wenn er jetzt langsam alt wird.“
Sie lächelte, als sie ihren Vater erwähnte, was von Mikaels Warte aus betrachtet, schon ein guter Ansatz war. Sie wehrte sich nicht, seine Fragen zu beantworten.
„Und wie genau läuft so eine Expedition hier ab?“
„Zuerst wird die Höhle auf dem Holodeck erkundet, natürlich nur ein kleiner Teil, zum üben und als Gewöhnung an die wirkliche Situation dort draußen. Auch die Sicherheitsmaßnahmen werden hier besprochen, danach erst geht es zur richtigen Höhle.“
„Tykn th'Ress, der Andorianer. Kannten Sie ihn bereits?“
Bei der Erwähnung des Namens zuckte sie kurz zusammen und eine Spur des verängstigten Blicks von dem Foto kehrte in ihr Gesicht zurück. „Nein. Er war einfach ein weiterer Teilnehmer, ich habe mich nicht viel mit ihm beschäftigt.“
„Haben Sie vorher bereits mit ihm gesprochen?“
„Nur das Übliche, was man so sagt. Wir haben ein paar Worte gewechselt, aber es war nichts weltbewegendes.“
Mikael nickte und notierte sich einige Dinge auf seinem PADD. „Und dann haben Sie die echte Höhle betreten.“
„Ja.“
„Erzählen Sie mir davon. Alles, was Ihnen wichtig erscheint“, half er ihr auf die Sprünge und ermunterte sie, einfach drauf los zu reden.
„Cusa ging natürlich vor. Mein Vater und ich waren beinahe die letzten. Hinter uns lief noch Ben. Ähm...das ist der junge, sportliche Mann, den Sie vielleicht bemerkt haben. Vor uns lief Tykn. Dann kam erst mein Vater und schließlich ich.“
„Die Expeditionen laufen tageweise, nicht wahr?“
„Ja. Pro Höhle wird ein Tag eingerechnet. Man schläft entweder auf den Holodecks, oder lässt sich Abends nach Hause beamen, ganz wie man möchten. Mein Vater wollte natürlich lieber die ganzen vier Tage hier bleiben.“
„Wie lange sind Sie bereits hier?“
„Heute ist der dritte Tag. Langsam haben wir uns eingespielt in den ersten beiden Höhlen und heute sollte es in schwereres Terrain gehen.“
Langsam taute Bea auf. Im Prinzip schien sie eine Person zu sein, die sich gerne und viel mitteilte. Die verängstigte Schüchternheit war offensichtlich auf ihre Erlebnisse in der Höhle zurückzuführen und natürlich auf den Andorianer, der in der Höhle gestorben war. Allerdings hätte Mikael bei ihr niemals vermutet, dass sie Tykn erwürgt haben könnte. Er war immerhin ein nicht allzu unmuskulös, dazu noch Andorianer und hätte sich bestimmt gewehrt. Mikael bremste sich in seinen Gedankengängen. Dazu war noch genug Zeit, wenn Luzia mit der Autopsie fertig war.
„Beschreiben Sie mir, was geschah, kurz bevor sie eingeschlossen wurden.“
Bea holte tief Luft und nickte nervös. „Wir waren noch nicht weit. Der Höhlenausgang war noch zu sehen, ganz schwach leuchtete noch das Tageslicht durchs Eis, da hörten wir plötzlich ein Knacken. Cusa befahl uns, sofort umzukehren und wir machten uns so schnell wir konnten auf den Rückweg. Fast standen bereits wieder draußen, doch mein Vater ist nicht mehr der schnellste, also bin ich bei ihm geblieben. Tykn blieb ebenfalls, Ben dagegen machte sich aus dem Staub. Gerade war mein Vater aus der Höhle geklettert, als das Knacken, das uns schon die ganze Zeit verfolgt hatte, stärker wurde. Tykn hat wohl geahnt, was passieren würde, jedenfalls zog er mich zurück in die Höhle, bevor einige Brocken herunterstürzten. Mein Vater konnte sich retten, aber wir waren spätestens dann eingeschlossen, als den kleineren Brocken die großen folgten.“
Nun zitterte Beas Stimme wieder, doch Mikael ahnte, dass der Einsturz des Eingangs nicht das gewesen war, was sie so verängstigt hatte.
„Wir rannten zurück, tiefer hinein in die Höhle, um nicht vom Eis erschlagen zu werden. Ich weiß nicht, wie lange wir liefen, aber irgendwann hörte das Rumpeln und Knacken auf und die Stille war zurück, die so typisch für das Eis ist. Trotzdem war sie schlimmer als alles andere.“ Den letzten Satz presste sie nur schwer hervor und biss sich dann auf die Lippe, um sie am Zittern zu hindern. Unbewusst schlang sie die Arme um den Körper und versuchte so, sich selbst festzuhalten.
„Schon gut, Sie sind in Sicherheit.“ Beruhigend redete Mikael auf sie ein. „Sie machen das gut.“
Als sie sich wieder ein klein wenig gesammelt hatte, fuhr er mit dem Verhör fort. „Was passierte, nachdem Sie eingeschlossen wurden?“
„Zuerst nicht viel. Wir sind zurück zum Eingang gelaufen, um zu sehen, ob das Eis uns einen Schlupfwinkel gelassen hatte, doch wir kamen nicht raus. Kein einziger Lichtstrahl kam durch die Geröllschicht – ein schlechtes Zeichen. Rufen war sinnlos, das Eis und Schnee dämpfen die Geräusche stark ab. Eine Weile haben wir vor dem Geröllhaufen gestanden und nicht gewusst, was wir tun sollten. Und in der Stille begann das Eis mit uns zu flüstern.“
Eindringlich bohrte sich ihr irrer Blick in Mikaels Augen. Dieses Flüstern meinte sie anscheinend sehr wörtlich und nicht als Metapher für die kalte Stille im Eis. „Es flüsterte?“, fragte Mikael. „Jemand sprach zu Ihnen?“
Heftig nickte Bea. „Zuerst war es nur ein ungewisses Flüstern. Aber nach und nach bekam es eine feste Stimme, die uns unverständlich Worte zurief. Nachdem wir ein paar Mal erfolglos geantwortet hatten, begann das Eis plötzlich in unserer Sprache zu sprechen.“
„Es war wirklich das Eis, was mit Ihnen sprach?“ Skeptisch notierte Mikael ihre Antworten.
„Glauben Sie mir, anfangs hatte ich auch meine Theorien, aber Sie haben die Stimme nicht gehört. Sie war so alt und schon so lange eingeschlossen, dass es nur das Eis sein konnte!“
Er suchte nach Anzeichen dafür, dass sie durch den Schock völlig durchgedreht war, aber jedes ihrer Worte kam absolut aufrichtig über ihre Lippen. Also beschloss er, sich zuerst auf die Geschichte einzulassen.
„Was genau sagte die Stimme zu Ihnen?“
„Zuerst berichtete es nur von sich, ohne auf uns zu reagieren. Es sei schon so lange dort eingeschlossen, abgeschnitten von jeglicher Zivilisation und wünsche sich ein bisschen Gesellschaft.
Dann begann es irgendwann, uns durch die Höhle zu lotsen.“
„Und Sie sind ihm gefolgt?“ Ungläubig sah Mikael zu Bea auf.
„Es sagte, es wüsste einen Weg hinaus und da es mittlerweile doch sehr kalt geworden war – immerhin hatte ich mich nicht bewegt – schien es uns die beste Option zu sein.“
Es verwirrte Mikael, dass sie das sagte. Sie hatte doch bereits Höhlenerfahrung und was mein beim Einsturz des Eingangs eigentlich nicht tun sollte war, tiefer in die Höhle hineinzugehen und einen anderen Ausgang zu suchen. Er selbst hatte am Einsturzort auf das Rettungsteam gewartet, sofern es dort sicher war.
„Wo lotste Sie die Stimme hin?“
„Tief in die Höhle hinein, durch kleine Gänge, teilweise so eng, dass wir durchrobben mussten, bis hin zu einer größeren Höhle. Haben Sie eine Ahnung, wie wunderschön solche Eishöhlen sein können, wenn man sie ausleuchtet? Unsere Lampen hatten wir dabei, doch ihre Reichweite war zu gering um diese riesige Höhle auszuleuchten. Riesige Eiszapfen hingen von der Decke und die schönsten Formationen wuchsen an den Wänden.“
„Die Stimme war immer noch bei Ihnen?“
„Ja. Sie wurde immer gesprächiger und fing an, mit uns zu interagieren. Sie fragte, wer wir seien und was wir hier täten. Allerdings schien sie ihr Vorhaben, uns einen Ausgang zu zeigen, endgültig vergessen zu haben, sodass wir in dieser Höhle herumsaßen und nur die Möglichkeit hatten, zurückzugehen, oder auf eigene Faust weiterzusuchen.“
„Wofür haben Sie sich entschieden?“
„Für gar nichts. Wir sind geblieben.“
„Wie ging es mit der Stimme weiter?“
Bea schluckte und holte wieder tief Luft. „Irgendwann fiel ihr wieder ein, dass sie uns einen Ausweg zeigen wollte und begann, uns wieder zu lotsen. Aber nun stellte sie merkwürdige Forderungen. Wir durften unsere Lampen nicht mehr anmachen, sonst würde sie uns nicht führen, sagte sie.“
„Und Sie haben getan, was die Stimme Ihnen befahl?“, fragte Mikael ungläubig. Diese ganze Geschichte wurde immer absurder.
„Ja. Im dunkeln gingen wir weiter, langsamer jetzt.“ Sie stockte kurz. „Auf einmal schrie Tykn vor mir erschrocken auf, schrie mich an, ich solle ihn festhalten. Das habe ich getan und als wir die Lampen anschalteten, war vor uns eine tiefe Spalte. Die Stimme hätte ihn geradewegs in den Tod geschickt, wenn er nicht aufmerksam einen Fuß vor den anderen gesetzt hätte.“
„Sie sind doch dann hoffentlich umgekehrt!“, warf Maurizio ein, der bis jetzt still zugehört hatte und nicht glauben konnte, was diese Frau erzählte. Eine spukende Eishöhle, die versuchte, ihre Besucher umzubringen war genau das, was er am 24. Dezember nicht gebrauchen konnte.
„Nein, wir überwanden den Abgrund. Er war nur etwa einen Meter breit und folgten der Stimme weiter.“
„Wenn ich kurz etwas fragen dürfte...“ Unsicher glitt Maurizios Blick zu Mikael, der ihm dem Ausdruck: das kommt darauf an, was du fragen willst schenkte und der junge Mann ergriff seine Chance. „Welches Verhalten würden Sie empfehlen, wenn Sie in einer Höhle eingeschlossen werden?“ Mit Bedacht stellte er die Frage, bekam allerdings eine merkwürdige Antwort. „Man sollte nahe dem Eingang bleiben, dafür sorgen, dass man halbwegs sicher vor weiteren Einstürzen ist, keine davon verursacht und sich je nachdem Wasser und Essen gut einteilt.“
„Und warum genau sind Sie dann einer merkwürdigen Geisterstimme tief in die Höhle hinein gefolgt und haben sich beinahe umbringen lassen?“
Das war zu viel für Bea. Tränen liefen ihre Wangen herunter, ein unheimlich verängstigter und verwirrter Ausdruck verzerrte ihre Züge und sie begann, hemmungslos zu schluchzen. „Ich weiß es nicht“, brachte sie hervor, dann sackte sie in sich zusammen und vergrub das Gesicht, so weit es ging, tiefer im Kragen ihrer Jacke.
Entschuldigend sah Maurizio zu Mikael, der vorwurfsvoll und nachsichtig gleichzeitig aussah. Nur Mikael schaffte es, einen solchen Gesichtsausdruck zu fabrizieren.
„Ganz ruhig. Wir unterbrechen das Verhör für ein paar Minuten. Versuchen Sie, sich zu beruhigen.“ Bea, die nun von Weinkrämpfen geschüttelt wurde, nickte ohne ihn anzusehen. Die beiden Männer standen auf und verließen das Holodeck.
„Glauben Sie, was sie erzählt? Die gruselige Eisstimme?“, platze Maurizio heraus, kaum, dass sich die Türen hinter ihnen geschlossen hatten. Mikael ließ sich an einem der metallenen Tische nieder, der möglichst weit von den anderen besetzten Tischen entfernt war. „Ich weiß wirklich nicht, was ich davon halten soll.“
„Im Moment weiß ich das auch nicht. Abgesehen davon, dass Sie es vermasselt haben, waren wir auf einem guten Weg.“
Schuldbewusst senkte der junge Mann den Kopf. „Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass jemand, der so viel Erfahrung mit Höhlenexpeditionen hat, etwas so dummes anstellt.“
„Sie haben ja recht. Ich würde Bea gerne medizinisch untersuchen lassen. Sie wirkt auf mich nicht gerade dumm, sondern sogar sehr verantwortungsbewusst. Die Frage ist, was hat sie und offensichtlich auch Tykn dazu veranlasst, jede Sicherheitsmaßnahmen und jedes Standartverfahren außer acht zu lassen.“
„Sie glauben, dass es ein medizinisches Problem ist?“
„Ich glaube, dass die beiden irgendwie beeinflusst wurden. Ob über eine Art Kraftfeld oder ähnliches, da bin ich mir nicht sicher. Aber ich weiß, wie wir es herausfinden können.“ Grinsend drehte er sich zu Maurizio um, der ein skeptisches Gesicht machte, bereits dunkel ahnend, was Mikael vorhatte.
Lynna, die gerade mit einer Expeditionsteilnehmerin fertig war, entließ die Frau wieder zu den anderen und kam auf ihren Chef zu, als er sie zu sich winkte. Energisch schwang sie ein Bein über die Sitzbank und ließ sich rittlings darauf nieder. „Alle erzählen in etwa die gleiche Geschichte. Sie sind rein, dann knackte die Decke, alle sind wieder raus, nur Bea und Tykn blieben eingeschlossen. Das Rettungsteam kam Stunden später und fand Bea stark unterkühlt neben dem toten Andorianer. Nur die Meinungen bezüglich ihrer Schuld sind verschieden. Der ältere Mann ist offensichtlich ihr Vater und streitet natürlich alles ab. Dieser Junge dagegen, Ben, der verdächtigt sie aufs schlimmste.“
„Viel mehr ist bei Beas Verhör auch nicht herausgekommen, bis auf eine mysteriöse Eisstimme.“
„Der Eisgeist“, ergänzte Maurizio und hob vielsagend die Augenbrauen.
„Auf Andoria gibt es ein Märchen, das von einem Eisgeist erzählt“, sagte sie völlig ernst. „Aber das ist nur ein Märchen und außerdem sind wir auf der Erde.
„Ihr beide werdet mit Cusa zusammen zu der Höhle gehen. Lasst euch alles zeigen, von der Einsturzstelle bis zum Leichenfundort. Und findet diesen mysteriösen Eisgeist!“
Während Lynna nur geschäftig nickte und sich auf die Suche nach Cusa machte, schluckte Maurizio und wurde eine Spur blasser. So hatte er sich seinen Außeneinsatz wirklich nicht vorgestellt.
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