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Eine Frage der Symbolik

von Gunni Dreher

Kapitel 1

„Geschafft!“ Lieutenant Rowland schob das mannshohe schrankähnliche Gebilde noch ein wenig dichter an die Wand und drückte dann ächzend den Rücken durch. „Im vorletzten Jahr ein Weihnachtsbaum, der kleine Geschenke in allen Ecken verteilt; im letzten eine Spielzeuglok, die als Jagdobjekt für kleine Rhazaghaner herhalten muß. Aber in diesem Jahr geht alles glatt. Wir haben sogar einen Nadelbaum bekommen.“
Fähnrich Arie Corestid gähnte hingebungsvoll und wandte sich von der hübsch bemalten Vorderseite ab, auf der die Zahlen Eins bis Vierundzwanzig auf rhazaghanisch prangten.
„Über sechzig Stunden Tischlerei im Akkord!“ brummte er. „Marathonbacken nach exotischen Rezepten! Künstlerisches Kuchenverzieren bis in die Nacht! Sag bitte nächstes Mal eher Bescheid, wenn du ein Großprojekt für die hiesigen Kinderchen planst. Della dürfte selbst noch im Schlaf einen unsichtbaren Pinsel schwingen.“
„Mag sein, aber sie hat erstklassige Arbeit geleistet.“ Rowland warf ihrem gemeinsamen Werk einen zärtlichen Blick zu. „Macht sich doch gut hier in der Vorhalle, nicht? Jeder, der die Habitatstreppe rauf oder runter kommt...“
„Schon recht!“ Arie winkte müde, um deutlich zu machen, daß er nun endlich ins Bett wollte. „Es ist drei Uhr morgens, also sei ein guter Junge, gib ihm noch einen Gutenachtkuß und leg dich dann in die Falle. Wir haben den ersten Dezember, den wirst du ja wohl nicht verpassen wollen.“
„Bestimmt nicht!“ Rowland reckte sich glücklich. „Das wird ein Ereignis, ich versprech´s dir. Zumal ich hier überall erklärt habe, was es mit einem Adventskalender auf sich hat.“

Noch vor dem Morgengrauen dockte die Narhamak im Hangar an. Wenig später machte sich Clanführer Tarkin auf den Weg zu seinem Quartier in der achtundzwanzigsten, blieb aber überrascht stehen, als er die erste Föderationsebene erreichte. Im Dämmer der Nachtbeleuchtung erkannte er ein hohes und breites Möbelstück, das vor einigen Tagen noch nicht dagewesen war. Er näherte sich neugierig, betrachtete die sorgfältig bemalte Front und begann zu lächeln. Kein Zweifel, das Bild stellte das Vari-Habitat in winterlicher Umgebung dar, die Fassade verschneit, alle Fenster erleuchtet. Zwar war es außerhalb der Wohnstätte gerade erst Herbst geworden, aber das Bild gefiel Tarkin trotzdem.
Ein Duft nach rhazaghanischem Trockenfischgebäck ging von dem Schrank aus und hatte seinen Ursprung wohl hinter den vierundzwanzig numerierten Türen, die Teil der Front waren. Offenbar handelte es sich um eine weitere Winterfestaktion von Lieutenant Rowland und seinen Freunden. Man mußte zugeben, daß sie sich dieses Jahr ganz besondere Mühe gegeben hatten.
Der Vari musterte noch einmal zufrieden das weiß überzuckerte Habitat, dann drehte er sich um und schritt zu seiner Unterkunft hinauf.

Eine knappe Stunde später betraten zwei junge rhazaghanische Jäger die Wohnstätte. Es waren Tarkins ehemaliger Schüler Laraskir und der Numa Brispin, die sich vergeblich nach Tirsten umgesehen hatten. Beim Anblick des unbekannten Möbelstücks machten beide verblüfft Halt, doch dann besann sich der Vari.
„Ich weiß, was das ist.“ sagte er und nickte. „Ein Zeitmesser für das terranische Wintersonnenwendfest.“
Brispin runzelte die Stirn. „Wintersonnenwende? Aber es ist doch keine...“
„Auf Terra schon.“ erklärte Laraskir ernsthaft. „Jedes Jahr um diese Zeit feiern sie dort die Geburt der Schöpfung in Gestalt eines kleinen Kindes. Und anschließend lassen sie sich von ihm Geschenke bringen.“
Der Numa starrte ihn an. „Was?“ platzte er heraus. „Geschenke? Von einem winzigen, neugeborenen Nestling?“ Er begann zu lachen. „Nein, tut mir leid, Laraskir, aber ich glaube, du hast da etwas gründlich mißverstanden.“
Der Vari ärgerte sich. Es stimmte, daß Brispin der Ältere von ihnen beiden war, aber Brispin war ein Numa und hatte hier nicht zu behaupten, daß Laraskir sich nicht mit Terranern auskannte.
„Das Ganze ist symbolisch gemeint.“ wehrte er sich. „Wie eine Geschichte! Außerdem...“ Er versuchte sich hastig zu erinnern. „...außerdem wächst es innerhalb von vierundzwanzig Tagen zu einem Mann heran. Zu einem dicken roten Mann mit weißem Haar im Gesicht, jawohl!“
Brispin betrachtete ihn mißtrauisch. „Innerhalb von vierundzwanzig Tagen? Und das soll...“
„Ja natürlich, er symbolisiert die Lebenskraft der Schöpfung, verstehst du? Nach Ablauf dieser vierundzwanzig Tage macht er sich mit einem Zugschlitten und acht gehörnten Zerliks auf, um die Terraner zu beschenken.“
Brispin dachte nach. „Für die Vorratshaltung meinst du? Acht männliche Zerliks auf einem Schlitten - das wäre natürlich ein üppiges Geschenk!“
„Und das ist noch nicht alles!“ trumpfte Laraskir auf. „Am meisten beschenkt er die Kinder, aber das ist natürlich auch Symbolik. In Wahrheit stammen die Gaben vom Clan. Trotzdem freut sich der Nachwuchs unvergleichlich auf diesen Tag, und darum haben die Terraner Zeitmesser wie diesen ersonnen. Schau hin, vierundzwanzig Türen! Jeden Tag wird eine geöffnet, und dahinter steckt eine Leckerei. Die Kinder sollen ohne Schwierigkeiten erkennen können, wie lange sie noch warten müssen.“
„Ah!“ begann Brispin zu begreifen. „Eine Art Countdown!“
„Jetzt hast du verstanden. Das Fischgebäck in diesem Schrank ist übrigens für die jüngste Nestlingsgruppe gedacht. Eine Aufmerksamkeit von Lieutenant Rowland und seinen Kameraden. Er hat es mir vorgestern erzählt.“
„Hm...“ Brispin runzelte die Stirn und horchte in die oberen Etagen hinauf. „Wissen sie es?“
„Wie?“
„Die Nestlinge! Wissen sie Bescheid?“
„Was? Äh... ich glaube schon!“
„Die Sonne geht auf, ein Wunder, daß sie noch nicht hier unten sind.“ murmelte der Numa. „Kannst du dir vorstellen, welche Tür sie öffnen, wenn sie dies hier finden?“
Sie schauten sich an. „Alle auf einmal!“ sagten sie dann wie aus einem Mund.
Brispin nickte. „Eben! Und deswegen wird es besser sein, wenn wir ihnen ihr Gebäck hinaufbringen und die Sache noch einmal sorgfältig erklären. Lieutenant Rowland wäre sicher sehr enttäuscht, wenn etwas schiefginge.“
„Das stimmt!“ gab Laraskir ihm recht, suchte auf dem Bild, um sofort die richtige Tür zu finden. Gleich darauf betrachteten sie tief beeindruckt den Inhalt. Der Kuchen roch köstlich, war größer als ein Suppenteller und glich einem herrlichen Stern. Laraskir nahm ihn behutsam in die Hände und lächelte. „Gehen wir!“ forderte er seinen Freund auf.
Brispin war gerade dabei, die bemalte Front noch einmal zu begutachten. „Sag mal,“ erkundigte er sich, „warum ist eigentlich die erste Tür die allergrößte von allen?“
Etwas unruhig blickte Laraskir über die Schulter, doch es war alles in Ordnung. Auf der gerade geöffneten Tür stand es klar und deutlich geschrieben: Es waren noch vierundzwanzig Tage.
„Das versteht sich ganz klar von selbst:“ erwiderte er und wandte sich frohgemut ab. „Es symbolisiert die tiefe Bedeutung, die in allen Anfängen steckt. Sind sehr symbolisch, die Terraner!“
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