TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Voyagers: Die Rückkehr der Pioniere

von VGer

Trügerische Idyllen (Teil 2)


Die Türen zischten auf und dahinter kam Tom Paris zum Vorschein, mit einem charakteristisch breiten Grinsen das von einem Ohr zum anderen reichte.

„Na, ihr zwei Hübschen!“, rief er fröhlich aus, als er seine alten Freunde und Schiffskameraden begrüßte, dann fiel sein Blick auf den Lieutenant, den sie im Schlepptau hatten und er fügte höflich hinzu, „Barclay. Schön, dass ihr da seid, kommt nur rein und macht es euch bequem! Der Captain hat schon begonnen seine berühmten Gin Tonics zu mischen, also ...“

Harry Kim und Seven of Nine wechselten einen vielsagenden Blick und ein unterdrücktes Seufzen. Ihnen beiden war nicht entgangen wie müde Tom aussah, obwohl er sich wirklich bemühte seine joviale Fassade aufrecht zu erhalten. Er war nicht mehr der Tom, den sie kannten, und das lag nicht an seiner Zivilkleidung sondern hauptsächlich an seinem teigigen, blassen Gesicht und dem überschwänglichen Enthusiasmus in seiner Stimme. Nicht umsonst hatten sie sich stark dafür eingesetzt, dass sie ausgerechnet hier und heute dabei sein konnten, sie hatten dafür viel Überzeugungsarbeit bei ihrem Captain leisten müssen, aber jetzt wussten sie auch warum. Seit sie auf der Enterprise waren und der Rest ihrer alten Mannschaft entweder auf der Erde (manche freiwillig, die meisten jedoch unfreiwillig), auf dem Mars oder in alle Sektoren des Quadranten verstreut hatten sie nur mehr wenig mitbekommen obwohl sich viel ereignet hatte. Sie alle hatten so viel zu tun damit, sich in ihren respektiven neuen Leben zurecht zu finden; sie hatten unregelmäßig aber oft über Subraum gesprochen, doch manches konnte oder wollte man einfach nicht über Subraum erzählen, und jetzt standen sie sich zum ersten Mal seit einem Dreivierteljahr wieder in Fleisch und Blut gegenüber. Sie waren vielleicht etwas überarbeitet und müde, weil sie erst vor kaum einer Stunde in den utopianischen Werften angelegt hatten, und die ungewohnt geringe marsianische Schwerkraft dröhnte in ihren Gleichgewichtsorganen, doch die Freude überwog eindeutig und die anfängliche Beklemmung würde hoffentlich bald verfliegen, sobald sie sich an die neuen Umstände gewöhnt hatten.

„Brauchst du eine gesonderte Einladung, Lieutenant?“, fragte Tom verschmitzt und gestikulierte weitausholend in Richtung des großen Salons.

Harry Kim entkam ein strahlendes Grinsen. Lieutenant. Dieses eine Wort von Tom zu hören verlieh dem eine ganz andere Bedeutung. Als sie noch auf der Voyager waren hatte er fast angenommen, dass er ohne Aufstiegschancen für immer im Rang eines Fähnrichs feststecken würde, und manchmal hatte er sich gefragt ob die anderen Führungsoffiziere überhaupt wussten, dass sein Vorname Harry und nicht Fähnrich war. Doch gleich nach der Rückkehr der Voyager war er befördert worden, man hatte ihm einen zweiten Pin an den Kragen und eine Tapferkeitsmedaille an die Brust geheftet, und obwohl ihn jeder auf der Enterprise täglich hundertmal Lieutenant Kim nannte hatte er es bis gerade eben noch immer nicht ganz realisiert.

„Ganz und gar nicht, Commander.“, antwortete Harry süffisant und umarmte seinen besten Freund kurz, bevor er an ihm vorbei auf das Buffet zustürzte und sich ein Glas schnappte.
„Schön dich wieder zu sehen, Harry.“, sagte Tom hölzern, und als ihm auch ein Glas in die Hand gedrückt wurde nahm er gleich einen großen Schluck. „Was macht die Liebe und das Leben?“
„Ach ...“, machte Harry unbestimmt und begann zu formulieren.

Sie waren die besten Freunde gewesen, sozusagen das duo infernale der Voyager, doch jetzt standen die beiden Männer sich gegenüber und taxierten sich mit vorsichtigen Blicken. Noch bevor sie ein vernünftiges Gespräch beginnen konnten musste Tom schon wieder davonschwirren um die nächsten Gäste zu begrüßen.

„Verdammt.“, knurrte Harry in sich hinein und leerte schwungvoll sein Glas bevor er sich auf die Suche nach einer Nachfüllung machte.
„Flüche sind ineffizient.“, kommentierte Seven und zog ihr Okularimplantat kritisch in die Höhe.
„Ineffizient vielleicht, aber durchaus angebracht.“, seufzte Harry und legte die Hand beiläufig auf Sevens Unterarm.

Sie wechselten einen vielsagenden Blick, doch bevor sie aussprechen konnten was sie beschäftigte wurden sie schon unterbrochen. Allmählich füllte sich der große Raum immer mehr, ehemalige Besatzungsmitglieder der Voyager trödelten von überallher ein und das fröhliche Jauchzen des Wiedersehens erfüllte klingelnd ihre Ohren.

„Seven!“, rief Leah Brahms erfreut aus. „Oder sollte ich Kadett Hansen sagen?“
„Seven ist in Ordnung.“, kommentierte Seven trocken und erhob ihr Glas anstatt ihr zur Begrüßung die Hand entgegenzustrecken. Die beiden Frauen prosteten sich in stillem Einverständnis zu.
„Ich habe Sie nicht mehr gesehen, seit ...“, begann Leah die Unterhaltung und stockte doch, unangenehm berührt, mitten im Satz.
„Seit dem Ende der Anhörungen.“, half Seven aus.
„Wie geht es Ihnen, jetzt auf der Enterprise?“, fragte Leah unbeholfen weiter, denn das Thema der Anhörungen und ihrer unweigerlichen Konsequenzen schien immer noch ein Tabu für die Meisten zu sein.
„Es geht mir gut, Dr. Brahms, danke der Nachfrage.“, antwortete Seven kühl.

Sie war vor einem halben Jahr auf das Raumschiff Enterprise versetzt worden, doch bis dahin war es ein langer und mühsamer Weg gewesen. Aufgrund ihrer Vergangenheit im Borg-Kollektiv hatte die Sternenflotte ihr jeden Menge Ressentiments entgegengebracht, gegen die sie sich kaum wehren konnte. Schließlich jedoch hatte sie es geschafft sich zu behaupten, nicht zuletzt durch die Intervention eines Captain Jean-Luc Picard, der ebenso wie sie vorübergehend Borg gewesen war, und seit einem halben Jahr war sie . Vor einem halben Jahr hatten die letzten Prozesse geendet und schlussendlich war sie nicht nur freigesprochen worden, sie hatte auch die offizielle Erlaubnis erhalten in den Dienst der Sternenflotte einzutreten. Man hatte großzügig über ihren Makel hinweggesehen, nicht ohne ihn ständig zu thematisieren, und ihr doch Hindernisse in den Weg gelegt. Normalerweise besuchten Kadetten drei Jahre lang die Sternenflottenakademie und wurden dort in Theorie und Praxis ausgebildet. Aufgrund von Sevens besonderer Situation wurde, nicht ohne langwierige Verhandlungen, eine Sonderregelung getroffen: ihre Dienstzeit auf der Voyager wurde als Ausbildungszeit angerechnet, doch sie musste einige theoretische Prüfungen ablegen und ein Jahr als Kadett im Praktikum auf einem Raumschiff dienen, danach würde sie im Rang eines Lieutenants in den aktiven Dienst übernommen werden. Zuerst war sie erzürnt gewesen, denn die anderen Kadetten im Praktikum waren allesamt postpubertäre Humanoide von kaum zwanzig Standardjahren, die noch nie zuvor ein großes Raumschiff betreten hatten und deren Erfahrung sich auf sorgfältig von der Akademie gesteuerte Holosimulationen beschränkte. Doch dann zeigte sie sich einsichtig, vor allem nachdem Harry beharrlich auf sie eingeredet hatte. Um eine Chance auf eine Karriere und eine Zukunft zu haben musste sie sich beweisen, das verlangte man von ihr, und sie hatte sich schließlich doch bereitwillig gefügt.

„Wie oft habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie mich gerne Leah nennen können?“, fragte Leah Brahms dann mit einem ehrlichen Lächeln. „Ich bin doch keiner von diesen protokollversessenen Sternenflottenleuten vor denen man salutieren müsste ...“
„Dr. Brahms ...“, wandte Seven ein.
„Leah.“, beharrte Leah und legte den Kopf fragend schief. „Seven, wenn ich ganz ehrlich sein darf – ich weiß aus meiner eigenen Studienzeit genau wie es ist, wenn man sich ständig mit Idioten herumschlagen muss. Ich hoffe, dass Sie zumindest irgendetwas von Ihrem Praktikum auf der Enterprise profitieren können.“
Das Lächeln der ehemaligen Borg-Drohne war ein ehrliches und erleichtertes. „Commander LaForge lässt Sie grüßen, er hat mich wiederholt ermahnt Ihnen das mitzuteilen.“
Jetzt lächelte auch Leah, denn sie verstand das Ungesagte, das in Sevens respektvollem Tonfall widerhallte. „Schön. Ich dachte mir von Anfang an, dass Sie beide sich gut verstehen würden. Geordi ist eine Seele von einem Menschen und ein großartiger Ingenieur.“
„In der Tat.“, bestätigte Seven. „Mit ihm und Commander Data zu arbeiten ist ... ein adäquater Zeitvertreib.“

Leah ertränkte das aufkeimende herzliche Lachen in einem großen Schluck Champagner. Mit Geordi und Data hatte sie in ihrer Funktion als Warpfeldspezialistin und zivile Expertin im Dienste der Sternenflotte regelmäßig zusammengearbeitet und sie schätzte sie sehr. Unter der Annahme, dass Seven ihre Arbeitsweise effizient finden würde, hatte sie sich auch persönlich dafür eingesetzt, dass die beiden den ungewöhnlichen Neuzugang auf der Enterprise unter ihre Fittiche nehmen würden. Seven jedoch kannte sie kaum, auch wenn sie jede Menge über sie wusste hatten sie nur kurz – in diesen turbulenten ersten Tagen gleich nach der Rückkehr der Voyager, kurz bevor alles schief gelaufen war – persönlich miteinander zu tun gehabt, doch dieser vage erste Eindruck hatte ausgereicht. Leah war generell knausrig was ihre Sympathien anging, sie war kein soziales Wesen und schloss nicht leicht Freundschaften, doch plötzlich war das irrelevant. Bisher hatte sie Seven mit dem beinahe klinischen Interesse einer Ingenieurin betrachtet, hatte sich darüber amüsiert als Barclay unaufhörlich von ihr schwärmte, doch mit diesem trockenen Sinn für Humor hatte sie nicht gerechnet.

„Fünf Monate noch, dann sind Sie ein Lieutenant. Haben Sie denn schon Pläne, was Sie nach dem Abschluss der Akademie machen wollen?“, wollte Leah wissen, und die Frage kam nicht ohne Hintergedanken.
„Mehrere Optionen, aber nichts Konkretes. Vermutlich werde ich dorthin versetzt, wo die Sternenflotte meine Fähigkeiten am Effizientesten einsetzen kann.“ Seven zuckte kaum merklich mit den Schultern. „Commander LaForge würde mich gerne behalten, doch ich würde ein reines Forschungsschiff im Tiefenraum bevorzugen. Schließlich ist Astrometrie mein Spezialgebiet.“
„Und was ist mit Pioneer?“, platzte Leah hoffnungsfroh heraus. „Sie sind doch mit den Systemen der Voyager vertraut wie keine andere, wir könnten Sie gut brauchen. Momentan sind wir noch am Analysieren, aber wenn wir dann mit der Konstruktion des Prototypen beginnen, dann wird’s richtig spannend.“
Für einen kurzen Augenblick schien es so, als würden Sevens klare blaue Augen aufleuchten, doch dann wurde ihr Gesichtsausdruck wieder ganz neutral. „Wenn die Admirals Paris und Janeway der Meinung sind, dass meine Kollaboration beim Pioneer-Projekt von Vorteil ist, dann werden sie mich anfordern sobald meine formelle Ausbildung beendet ist.“
„Seven ...“ Leah seufzte, und sie war sich kurz unsicher wie offen sie sein durfte. „Sie sollten selbst die Initiative ergreifen und zuerst mit Janko oder Tom sprechen.“
„Die Protokolle der Sternenflotte sehen vor, dass die Kommandokette unter allen Umständen einzuhalten ist, wodurch die vorgesetzten Offiziere ...“ Seven begann zu rezitieren, wohl um ihre aufkeimende Unsicherheit zu verbergen, doch Leah unterbrach sie mit einem bitteren Lächeln.
„In der Theorie, schön und gut. In der Praxis ist Paris kein großer Fan der Voyagers und Janeway ist so gut wie nie da, weil das Hauptquartier ihren neuen Superstar anderweitig ordentlich einspannt.“ Leah seufzte wieder, ließ die goldblubbernde Flüssigkeit in ihrem Glas im Kreis wirbeln und dachte an die Mühsal des vergangenen Jahres, seit sie die Arbeit am Pioneer-Projekt aufgenommen hatten. „De facto leiten Janko und Tom die ganze Sache, sie haben den Überblick und ziemlich großen Spielraum in ihren Entscheidungen. Wenn Sie ins Team kommen wollen, dann sollten Sie das mit ihnen besprechen und sie werden alles Nötige in die Wege leiten.“
„Ich danke Ihnen für diese Information, Dr. ... Leah.“ Seven verbesserte sich rasch, die persönliche Anrede fiel ihr immer noch oft schwer. „Ich werde gründlich darüber nachdenken und mit Captain Brahms und Commander Paris sprechen bevor ich meine Entscheidung treffe.“

Hätte Leah Seven etwas besser gekannt, wäre ihr sofort aufgefallen, dass diese vorsichtige Wortwahl unterschwellig einem Begeisterungssturm gleichkam. Seven bedankte sich selten, und wenn dann nur für Dinge, die ihr wirklich wichtig waren. Noch bevor Seven sich nach den bisherigen Erfolgen des Pioneer-Projekts, das mit der Dekommissionierung und Weiterentwicklung der Voyager und ihrer Systeme betraut war, erkundigen konnte wurden sie von einem deutlichen Räuspern unterbrochen.

„Reg!“, rief Leah erfreut aus, als sie sich umdrehte und sah wer sich angeschlichen hatte.
„S– Störe ich?“, fragte Reginald Barclay errötend.
„Im Gegenteil, Lieutenant. Wir behandeln ein Thema, das bestimmt auch für Sie von Interesse ist: Dr. Brahms versucht mich gerade für Pioneer anzuwerben.“, kommentierte Seven mit einem süffisanten Zucken ihres Okularimplantats, bevor sie sich wieder Leah zuwandte. „Sie müssen wissen, Sie sind nicht die Erste die dahingehend Bemühungen anstellt.“
„Oh.“, machten Leah und Reg unisono.
„W– warst du erfolgreicher als ich, Leah? W– will ich doch h– hoffen.“, fragte Barclay, der zuerst seine Stimme wiederfand.
„Ich habe nie ‚Nein’ gesagt, Lieutenant.“, wandte Seven ein und erhob ihr Glas wieder; Leah und Reg taten es ihr gleich.

Als ihnen bewusst wurde, was gerade gesagt worden war, tauschten die drei ein konspiratives Grinsen aus.
Rezensionen