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Es ist nicht leicht ein Held zu sein

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Dax blickte zum Turbolift. Kiras Gesichtsausdruck ließ die Trill zu dem Schluss kommen, dass Siskos Befehl, sich in seinem Büro zu melden, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt gekommen war.

O´Brien hob leicht die Augenbrauen, als Kira mit einem Blick, der Leute vor Schreck zu Stein erstarren lassen konnte, die paar Stufen zu Siskos Büro erklomm. Kiras kurz geschnittenes Haar war hoffnungslos zerwühlt und ihre Uniform wies einige Knitterstellen auf. Sie verschwand in Siskos Raum, doch selbst durch die schallisolierte Türe konnte man ihre wütende Stimme vernehmen.

O´Brien wechselte einen Blick mit der süffisant grinsenden Dax.

„Sie scheint nicht sehr erfreut über die Störung gewesen zu sein.“ Der Cheftechniker fragte sich, ob er je jemanden erlebt hatte, dessen Verhalten so sehr an Insubordination grenzte, wie das Kiras. Er kam zu dem Schluss, dass die Bajoranerin unangefochten den Spitzenplatz einnahm.

Die Trill musterte den Iren. „Wie erfreut wären Sie, Chief, wenn Sie nach Wochen der Trennung endlich ihre Frau wiedersehen und dann gestört werden?“

O´Brien nickte langsam, er begriff, wobei Sisko Kira vermutlich gestört hatte. „Ich hoffe nur Sisko hatte einen guten Grund sie zu stören, sonst können wir uns einen neuen Commander suchen.“

Sisko kam zu dem gleichen Schluss wie O´Brien als Kira sein Büro betrat. Ihre dunklen Augen sprühten Blitze, sie musterte die zwei Geheimdienstler mit einem Blick, der zumindest einen der beiden zusammenzucken ließ.

Sisko konnte sich ein leichtes Lächeln nicht verkneifen, Kiras Temperament wirkte scheinbar auch auf diese stoische Geheimdienstler.

„Setzen Sie sich bitte, Major Kira.“ Sisko deutete zu einem Sessel, aber Kira schüttelte den Kopf, während sie begann auf den Stiefelabsätzen auf und ab zu wippen.

„Ich ziehe es vor zu stehen.“

Sisko hob leicht die Schultern an, in einer resignierenden Geste, er ahnte, dass dieses Gespräch ihm wenig gefallen würde. Der Commander wandte sich nun an den Geheimdienstler.

„Sie wollten erklären, um was es geht, Mister?“ Siskos Stimme machte deutlich, dass er gerne die Namen der Männer erfahren wollte.

„Namen sind nicht notwendig, aber wenn Sie einen brauchen, dann können Sie mich Mr. Eins nennen und meinen Partner Mr. Zwei.“

Sisko bemerkte aus dem Augenwinkel, wie Kira irritiert die Augenbrauen hob. Dieses ganze Gebaren der Geheimdienstmänner wirkte schon auf ihn befremdlich, wie musste sich erst Kira fühlen?

„Wir sind hier, um einen äußerst heiklen Auftrag auszuführen, wobei die bajoranische Regierung uns uneingeschränkte Unterstützung zugesagt hat.“ Wenn Mr. Eins damit vorgehabt hatte, Kira auf seine Seite zu ziehen, hatte er sich getäuscht, ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich nach Nennung ihrer Regierung womöglich noch mehr.

„Das cardassianische Reich steht vor einer Hungersnot, ihre Wirtschaft hat unter den vielen Jahren des Krieges gelitten und produziert bei weitem nicht mehr genug um ihr Volk zu ernähren. Ein Umstand, der dem Frieden in diesem Quadranten zu Gute kommen könnte.“ Der Geheimdienstler blickte Kira an, die aber auf diese Worte keine Reaktion zeigte.

„Wir haben die einmalige Chance einen Friedensvertrag mit Cardassia zu schließen, doch wir wollen diesen Vertrag und die damit zugesicherte humanitäre Hilfe, nicht ohne gewisse Gegenleistungen erbringen“.

Kira konnte sich kaum ein höhnisches Lachen verkneifen, wogegen Sisko unmerklich den Kopf schüttelte. Humanitäre Hilfe und Gegenleistung, das waren Worte, die der Commander selten zuvor in ein und demselben Satz gehört hatte.

„Die Föderation ist demnach nicht so uneigennützig wie sie sich gerne gibt? Für uns Bajoraner ist das nichts Neues. Man hat sich mit der ersten Direktive davor gedrückt uns zu helfen, nur weil wir nicht Mitglieder der Föderation waren. Es muss sehr bequem für das Sternenflottenkommando sein, diese erste Direktive zu haben.“ Sie bemerkte den verletzten Ausdruck, der sich kurz in Siskos Augen schlich, bedauerte ihre Worte jedoch nicht. Sisko war eine Ausnahme, er war der Abgesandte, für sie war er weniger ein Mitglied der Föderation, als ein spiritueller Führer, selbst wenn er diese Rolle bisher noch nicht angenommen hatte.

„Hier geht es ebenso um bajoranische Interessen, wie um die der Föderation. Ein Friedensvertrag zwischen der Föderation und Cardassia schützt auch bajoranischen Raum und bringt dringend benötigte Stabilität in diesen Sektor.“ Mr. Eins ließ sich nicht so leicht entmutigen.

„Wenn dies alles so einfach ist, warum sind Sie dann hier?“ Sisko hatte den Eindruck, als sollte Kira und ihm etwas mit vielen Worten schmackhaft gemacht werden.

„Eine Bedingung der Föderation für diesen Vertrag und die damit verbundene Hilfe, ist die Auflösung aller cardassianischer Gefangenenlager.“

Kira konnte das Aufblitzen von Erstaunen nicht aus ihren Augen bannen, mit so einer Offerte hatte sie nicht gerechnet.

„Die Cardassianer behaupten allerdings, dass es keine Gefangenenlager in ihrem Reich gibt“. Mr. Eins richtete seine Aufmerksamkeit einzig auf Kira. Sisko hatte den Eindruck, dass er für die Geheimdienstler ohnehin nur ein Störfaktor war, er war nur ein Strohmann. Sie wollten Kira, die Frage war nur, für was für einen Auftrag?

„Die Cardassianer behaupten vieles, es gibt Listen von verschollenen Bajoranern, mit denen sich dieses Büro füllen ließe.“ Kiras Stimme war kalt.

Mr. Eins nickte und wie ein Echo auch sein Partner. Sisko hatte den unangenehmen Eindruck, dass die zwei Männer nun das Gebaren von Fischern an den Tag legten, die wussten, dass ihr Köder zu schmackhaft für den Fisch war um zu widerstehen.

„Den Cardassianern ist nicht zu trauen, niemand weiß dies besser als Sie, Major. Es muss Gefangenenlager geben, wo hauptsächlich bajoranische Gefangene zu Tode geschunden werden, aber auch die Sternenflotte vermisst noch etliche Angehörige.“

„Ebenso wie der Geheimdienst?“ Sisko konnte sich diese Spitze nicht verkneifen. Er ahnte auf was dieses Spiel hinauslief, und es gefiel im zunehmend weniger.

Mr. Eins musterte ihn kühl. „Ja, auch der Geheimdienst vermisst Mitarbeiter, doch darum geht es nicht.“

„Worum geht es dann?“ Sisko hatte genug von dem Spiel. Einem Spiel, von dem er ahnte, dass es ihn womöglich seinen ersten Offizier kosten konnte.

„An Bord der Ambassador befindet sich ein experimenteller Gleiter. Dieser Prototyp besitzt keine Waffen, aber ein neu entwickeltes Tarnsystem. Wir sind sicher, dass es im Hydra-System, mitten im cardassianischen Raum, ein großes Gefangenenlager gibt. Da es vor allem um bajoranische Gefangene geht, haben wir uns an Ihre Regierung gewandt, Major Kira. Für diesen Auftrag benötigen wir einen ausgezeichneten Piloten, man hat Sie für die Mission empfohlen.“

Ein Schatten huschte über Kiras Gesicht und Sisko fragte sich unwillkürlich, was seiner Stellvertreterin durch den Kopf ging. Doch sie schien nicht gewillt sein, jemanden an ihrem Gedankengang teilnehmen zu lassen. Nachdem sie zuvor noch abgelehnt hatte, sich zu setzen, nahm sie nun doch Platz.

„Was soll ein unbewaffneter Gleiter herausfinden?“ Kira fixierte den Geheimdienstler mit einem düsteren Blick.

Mr. Eins´ Lippen zuckten kurz, fast hätte er gelächelt, er hatte seinen Köder ausgeworfen und wusste, dass er angenommen worden war. Nun musste er nur noch den Fisch an Land ziehen. „Es geht uns nur darum, die genaue Lage des Gefangenenlagers ausfindig zu machen. Wir brauchen Daten aus denen klar hervorgeht, dass es so ein Lager gibt. Sobald wir diese Beweismittel in der Hand haben, steht eine kleine Flotte Sternenflottenkampfschiffe bereit, um das Lager zu befreien.“

Sisko konnte es kaum glauben, was er hier hörte, stand im krassen Widerspruch zu allem, das er bisher über die Sternenflotte gedacht hatte. „Eine Tarnschild? Wir haben einen Vertrag mit den Romulanern, der die Entwicklung einer Tarnvorrichtung verbietet!“ Das schien die Geheimdienstmänner nicht zu stören, Sisko kam sich naiv vor, vermutlich kümmerten sich Geheimdienste nicht um Verträge.

„Wenn Sie mit einer Flotte in cardassianischen Raum eindringen, riskieren sie einen Krieg.“ Sisko hoffte, dass wenigstens dieses Argument etwas zählte. Mr. Eins schüttelte jedoch nur den Kopf.

„Nein, die Cardassianer haben geschworen, dass es keine solchen Lager mehr gibt. Mit einem Gegenbeweis haben wir ein Druckmittel, das nicht zu unterschätzen ist. Es wird keinen Krieg geben, wenn wir die Daten in Händen halten.“

Kira machte sich keine Illusionen über die Motive, die hinter diesem Auftrag standen. „Es geht Ihnen doch gar nicht um die Gefangenen. Sie wollen nur eine bessere Verhandlungsposition gegenüber Cardassia.“

Mr. Eins lächelte kalt. „Es geht darum den Cardassianern die Bedingungen dieses Vertrages aufzudiktieren. Ein Vertrag, der nicht nur für die Föderation von Nutzen sein wird, sondern auch für Bajor.“ Er blickte Kira fast mit einer Spur von Wohlwollen an. „Im Endeffekt ist es doch nicht wichtig, warum und wieso die Mission stattfindet, alles was zählt, ist, dass die Gefangenen befreit werden.“

Kira musterte den Mann, er wusste genau wie sie, das es manchmal unwichtig war, mit welchen Mitteln man einen Krieg gewann, wie man überlebte, und dass es Dinge gab, auf die man vielleicht nicht stolz war, aber die zu einem gehörten. Vergangenheit, Anschläge die höheren Zielen dienten und doch unschuldige Leben verschlangen. Kira fragte sich unwillkürlich, was sie eigentlich von diesen zwei Geheimdienstmännern unterschied, vielleicht nur die Wahl, denn sie hatte keine Wahl gehabt einen anderen Weg zu gehen.



Sisko räusperte sich um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken, er fühlte sich wie ein überflüssiger Statist in einem Drama, das er nicht würde verhindern können. „Warum Major Kira? Diesen Auftrag könnte auch einer Ihrer Leute ausführen.“

Mr. Eins legte geziert die Hände übereinander. „Genau dort liegt das Problem, es darf nicht bekannt werden, dass die Sternenflotte in diese Sache verwickelt ist. Sollte etwas schiefgehen, haben die Cardassianer nur einen experimentellen Gleiter, den man nicht mit der Sternenflotte in Verbindung bringen kann.“

Sisko nickte bitter, er wusste genau, worauf es hinauslief. „Und eine Bajoranerin“, vollendete er den unausgesprochenen Teil des Satzes.

Mr. Eins nickte, er war gar nicht bemüht diesen Punkt zu verschleiern. Er blickte die Bajoranerin an, er wusste, dass sie besser als ihr Commander verstand um was es ging. Er kannte ihre Akte, wusste welche Wege sie im Kampf gegen die Cardassianer gegangen war, wusste sogar weit mehr als die offiziellen Akten preisgaben.

„Sie wären auf sich gestellt, Major. Sollten Sie versagen, wird niemand Sie retten. Wir können uns nicht erlauben, dass die Cardassianer mit einem Trumpf im Ärmel bei den Verhandlungen anrücken. Es darf keine Verbindung zur Sternenflotte geben.“

Sisko schüttelte den Kopf. „Ich werde Ihnen meine Stellvertreterin keinesfalls für einen derartigen Auftrag überlassen. Suchen Sie sich jemand anderen für diese Mission.“ Der Commander wusste, dass er gefährliches Territorium betrat. Er bemerkte den Blick, den Kira ihn zuwarf, konnte ihn aber nicht interpretieren. Es war nicht klug über Kiras Kopf hinweg zu bestimmen, die Bajoranerin war sehr eigen, was ihre Freiheit anging.

Mr. Eins ignorierte Sisko völlig, seine Aufmerksamkeit galt allein Kira. „Es kann Ihnen niemand befehlen an dieser Mission teilzunehmen.“ Der Geheimdienstmann warf nun doch einen Blick zu Sisko. „Genausowenig wie Ihnen jemand verbieten kann an ihr teilzunehmen.“ Er blickte Kira wieder an. „Nach allem was ich weiß, wären Sie eine geeignete Person für diese Art von Auftrag. Sie haben Ihr ganzes Leben lang gegen die Cardassianer gekämpft. Sie waren dabei als Gallitep fiel. Niemand kann besser wissen wie es in einem Gefangenenlager zugeht als Sie.“

Kiras Wangenmuskeln traten hervor, als sie fest die Zähne zusammen biss und ihre starken Emotionen unterdrückte, die bei der bloßen Erwähnung von Gallitep in ihr brodelten. Sie blickte in die fahlblauen Augen des Geheimdienstlers. Es war eine stumme Zwiesprache zwischen zwei Lebewesen, die beide mit allen Mitteln für ihre Ziele gekämpft hatten und noch kämpften. Kira zweifelte nicht, dass der Mann mehr über sie wusste als ihr Commander je erfahren würde. Dinge, die man nicht in offizielle Akten schrieb. Dinge, die im Krieg passierten und die man später versuchte zu vergessen. Dinge, die einen nachts um den Schlaf brachten.

Sisko konnte nur mühsam seinen Zorn beherrschen, die Manipulation, die der Geheimdienstler bei Kira einsetzte, war brutal und sehr gefährlich. Mr. Eins schien genau zu wissen, wie man die Bajoranerin für den Auftrag gewinnen konnte.

„Major, denken Sie in Ruhe darüber nach.“ Sisko hoffte, das er in einem privaten Gespräch mit Kira mehr erreichen konnte.

Kira bedachte Sisko mit einem Blick der sowohl Dankbarkeit ausdrückte, als auch eine Spur von Verdrossenheit. Sie wusste, dass der Commander sie schützen wollte und dafür war sie dankbar, bewies es doch, dass seine Freundschaft nicht auf leere Worte gebaut war, doch gleichzeitig fühlte sie, dass er sie niemals wirklich verstehen würde. Er wusste nur sehr wenig von den Dingen, die sie im Widerstand getan hatte und er würde auch nie alles davon erfahren. Mr. Eins wusste hingegen von diesen Dingen, er billigte sie und Kira fand gerade das erschreckend. Ihre Vergangenheit lastete in diesem Augenblick schwerer als ohnehin auf ihr.

„Sie haben eine Pilotin, Mr. Eins.“ Kiras Stimme war emotionslos.

Zum ersten Mal schlich ein eindeutiges Lächeln auf die Lippen des Mannes, etwas das bei Sisko eine Gänsehaut erzeugte.

Die Geheimdienstmänner erhoben sich gleichzeitig, wie auf ein geheimes Kommando. „Wir treffen uns in zwei Stunden an Bord der Ambassador, um Ihnen den Gleiter zu zeigen.“ Ohne weitere Worte verließen die beiden Männer Siskos Büro.

„Sind Sie vollkommen verrückt, Major?“ Sisko versuchte erst gar nicht, seinen Zorn zu bemänteln. „Ich habe Sie für intelligenter gehalten als auf diese miesen Tricks hereinzufallen!“

Kira ließ Siskos Zorn erstaunlich gelassen an sich abtropfen. „Ich habe gelernt, dass es manchmal von Vorteil ist, einen Feind glauben zu lassen, er habe gewonnen, Commander.“

Sisko starrte sie völlig perplex an. „Sie werden den Auftrag nicht übernehmen?“

Kira schüttelte wehmütig den Kopf. „Ich werde fliegen, Commander, aber nicht für die Sternenflotte. Ich übernehme diese Mission für die Bajoraner, die in diesem Lager dahinvegetieren.“ Kira verstummte und fragte sich, ob das wirklich der Grund war, vielleicht tat sie es auch für sich selbst, um endlich Frieden zu finden, um zu sühnen, für die Dinge, von denen sie dachte, dass die Propheten sie ihr nie verzeihen konnten.

„Nerys.“ Siskos Stimme war sanft. „Ich kann verstehen, dass Sie Ihren Leuten helfen wollen, aber wollen Sie wirklich alles riskieren, für eine Mission, die vielleicht nicht einmal zu einem Erfolg führen wird? Niemand weiß, ob es wirklich ein Lager gibt.“

Kira schüttelte leicht den Kopf, Sisko konnte das nicht verstehen, vielleicht musste man ihre Erfahrungen haben um es zu begreifen. „Es gibt dieses Lager, Commander. Während wir hier reden sterben Bajoraner in diesem Lager, an Mangelernährung, Krankheiten und den Schlägen der Wachen. Ich hatte nicht die geringste Wahl als zu gehen.“ Mit diesen Worten erhob sich Kira und ließ ihren nachdenklichen Commander und widerwilligen Abgesandten der Propheten allein zurück.

* * * * *


Bareil musste nur einen Blick auf Kiras Gesichtsausdruck werfen, um zu wissen, dass der gemeinsame Urlaub in weite Ferne gerückt war.

Kira fand es überraschend, wie ein nackter Mann so schnell auf den sanften Vedek schlüpfen konnte, der für alles Verständnis hatte. Es war eben viel mehr als eine rote Robe nötig, um ein Vedek zu sein.

Sie setzte sich auf das Sofa und fragte sich, wie sie Bareil erklären sollte, was sie im Begriff war, zu tun. Seine Hand streichelte sanft über die ihre, aber es war die tröstende Geste eines Vedeks, nicht die eines Geliebten.

Schließlich erzählte sie ihm von dem Gespräch in Siskos Büro und ihrer Entscheidung, die Mission anzutreten. Danach schwieg Bareil eine ganze Weile, er war kein Mann, der unbedachte Worte äußerte.

„Hast du dich nicht gefragt, warum die provisorische Regierung gerade deinen Namen genannt hat?“

Es überraschte Kira ein wenig, das Bareil auf dieses Detail so schnell gestoßen war.

Der Vedek lächelte leicht. „Ich weiß, dass du eine hervorragende Pilotin bist, Nerys, aber es gibt auf Bajor Dutzende Männer und Frauen, die dir in diesen Fähigkeiten um nichts nachstehen. Weshalb haben Sie also diese Männer ausgerechnet zu dir geschickt?“

Erneut glitt ein Schatten über Kiras Gesicht, sie konnte sich denken, warum man sie genannt hatte. Sie war eine Überlebende, jemand, der mit Zähnen und Krallen um ihr Leben gekämpft hatte. Jemand, der Leben ausgelöscht hatte ohne zu Zögern, ohne zu fragen, ob es ein unschuldiges Leben war oder nicht, Hauptsache es war ein cardassianisches Leben.

Doch selbst dies war nicht unbedingt die Antwort auf Bareils Frage. Es gab noch genug andere ehemalige Widerstandskämpfer auf die dies ebenso zutraf. Kira wusste, dass sie Feinde innerhalb der provisorischen Regierung hatte. Sie war zu unbequem, deshalb hatte man sie auch auf die Raumstation geschickt, wo man dachte sie loszusein. Zu dem Zeitpunkt an dem man ihr die undankbare Aufgabe als Verbindungsoffizier zur Sternenflotte zu agieren zugewiesen hatte, hatte niemand ahnen können, dass der terranische Commander sich als der Abgesandte entpuppen würde.

In den neu entstandenen politischen Ränkespielen war Kira für einige Mitglieder der provisorischen Regierung ein Störfaktor. Sie wusste über manche Leute zuviel.

Sie konnte sich gut vorstellen, wie begierig manche ihren Namen genannt hatten, als Mr. Eins auf die Suche gegangen war.

„Die Leute mit denen Mr. Eins redete, wussten genau, dass ich die Mission antreten werde, wenn sie die Befreiung eines Gefangenenlagers in Aussicht stellen. Sie wussten, dass mir jedes Risiko von diesem Moment an egal sein würde. Dazu kommt noch, dass ich mir bei unserer Regierung keine Freunde gemacht habe. Ich bin die perfekte Kandidatin, sollte ich versagen, wird mir keiner eine Träne nachweinen.“

Bareil drückte ihre Hand. „Du vergisst deine Freunde und du hast mehr als du denkst, Nerys.“

Kira blickte in die sanften braunen Augen ihres Geliebten, er hatte recht, zumindest hoffte sie es. Nur eine kleine, beharrliche Stimme fragte sie in ihrem Innersten, ob diese Freunde noch immer an ihrer Seite stehen würden, wenn sie wüssten, was sie getan hatte um zu überleben. Was sie getan hatte, um Bajor zu befreien und dass jeder Kampf irgendwann an einen Punkt kam, wo das Ziel, die Freiheit, nur noch ein abstrakter Begriff wurde und nur noch das Töten zählte – das Töten und der Hass.

„Sie haben mir keine Wahl gelassen, Bareil. Ich war dabei, als man Gallitep befreite, und was ich damals sah, verfolgt mich bis zum heutigen Tag. Ich musste diese Mission annehmen.“

Bareil nickte. Kira blickte ihn an, und fragte sich, ob er wirklich wusste, warum sie es tun musste. Ahnte er, dass sie die Schatten des Hasses und der Dunkelheit von ihrer Seele bannen wollte?

Vielleicht würden die Schatten ja verblassen, wenn sie bajoranische Leben rettete und die Alpträume, die ihren Schlaf so oft begleiteten, würden ebenso verblassen, wie Nebel im Sonnenschein.

„Ich werde dich begleiten.“ Bareil Stimme machte deutlich, dass es ihm sehr ernst damit war.

Kira schüttelte den Kopf. „Nein, dies ist meine Aufgabe. Glaubst du, ich würde es zulassen, dass du dich in so eine Gefahr begibst?“

Bareil lächelte. „Aber von mir erwartest du, dass ich dich allein gehen lasse?“

Natürlich hatte Bareil recht, sie erwartete, dass er ihre Motivation verstand und sie unterstützte. Sein Angebot rührte sie, aber sie wollte nicht, dass der Mann, den sie liebte, sie bei der Mission begleitete. Bareil war ein Mann des Glaubens und sie war eine Kämpferin.

„Ja, Bareil. Ich weiß es zu schätzen, dass du mitkommen möchtest, aber ich werde allein gehen. Es ist eine Mission für eine Widerstandskämpferin.“

Der Vedek maß sie mit einem langen, beunruhigend kühlen Blick. „Ich glaube nicht, dass ich dich um Erlaubnis fragen muss, Nerys. Diese Mission ist ebenso meine Mission, sie ist im Grunde eine Mission, die jeden Bajoraner etwas angeht. Wir alle haben im Krieg sehr viel verloren, wir alle vermissen Freunde, Familienmitglieder, Bajoraner, die spurlos verschwunden sind. Du kannst mir nicht absprechen, dass ich dich begleite.“

Kira suchte nach Worten, suchte nach Argumenten um Bareil davon abzuhalten. „Der terranische Geheimdienst wird nicht zulassen, dass du mitkommst, Bareil.“

Ein Lächeln glitt über seine Lippen, so als hätte er bereits den Sieg in diesem Disput errungen und vielleicht, so dachte Kira, war dem auch so.

„Wie ich an Bord des Gleiters gelange, kannst du mir überlassen, Nerys. Ich werde bei dir sein und nichts wird mich davon abhalten.“

„Auch nicht, wenn ich dich inständig bitte hier zu bleiben?“ Kira fasste nach seinen Händen und sah ihn zwingend in die Augen. „Ich bitte dich, Bareil, bleib hier zurück. Gib mir einen Grund heil zurückzukommen.“ Kira wusste, dass ihre Bitte nicht ganz fair war, doch sie würde jedes Mittel ausspielen, wenn sie Bareil nur davon abhalten konnte sich in Gefahr zu begeben.

„Ich gebe dir einen Grund besonders vorsichtig zu sein, wenn ich bei dir bin.“ Bareil blickte sie fest an und Kira wusste, das nichts, das sie sagen würde, ihn abhalten konnte.

* * * * *


Sisko musterte den hochgewachsenen Mann in der roten Robe nachdenklich.

„Vedek, ich hatte gehofft, dass Sie Kira diese Sache ausreden können und jetzt versuchen Sie mich dazu zu bringen, Sie mit ihr gehen zu lassen? Weiß Major Kira überhaupt von dieser Idee?“

Bareil legte mit einem süffisanten Lächeln die Hände übereinander. „Sagen wir so, es war nicht leicht, sie davon zu überzeugen.“

Sisko schüttelte den Kopf, er konnte sich nicht vorstellen, wie Bareil es überhaupt zu Stande gebracht hatte, dass Kira zuließ, dass er sie begleitete.

„Mr. O´Brien hat den Prototyp genauer untersucht, seiner Meinung nach sind manche Systeme alles andere als ausgereift. Dieser Auftrag könnte ein Himmelfahrtskommando sein, falls Ihnen dieser Ausdruck etwas sagt.“

Bareil nickte langsam. „Eine direkte Möglichkeit, zu den Propheten zu gelangen? Nun Commander, das Leben ist voller Risiken, es gib für nichts eine Garantie.“

Sisko schnaubte durch die Nase, es war schwer gegen einen Mann wie Vedek Bareil gute Argumente zu finden.

„Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um, das ist ein alter irdischer Spruch und es ist viel Wahres daran. Man benützt Kira nur und es missfällt mir, dass sie mit offenen Augen in ihr Unglück rennt.“

Bareil schüttelte langsam den Kopf. „Sie sollten in Betracht ziehen, dass Kira die Mission erfolgreich beendet, Commander.“ In seinen Worten war nur eine winzige Nuance Härte, aber es genügte, um Sisko zu verblüffen.

„Wenn Sie glauben, dass ich an Kiras Fähigkeiten zweifle, Vedek, dann täuschen Sie sich. Ich weiß nur, dass es ein mehr als gefährlicher Auftrag ist, in den Händen einer Organisation, der ich nicht eine Spur vertraue.“

Der Vedek hob mit einer beschwichtigenden Geste die Hände. „Wenn jemand die Beweise finden kann, dann Nerys. Es gibt nichts, was sie von dieser Mission abhalten könnte und das wissen Sie so gut wie ich, Commander. Ebenso wenig können Sie mich davon abhalten, Nerys zu begleiten. Sie hat zu viel Schreckliches erlebt und gesehen, um nicht jede Chance zu nutzen ein Gefangenenlager zu befreien. Sie war dabei, als Gallitep befreit wurde und das, was sie damals sah, liegt noch heute als Schatten auf ihrer Seele. Niemand, der bei der Befreiungsaktion dabei war, war hinterher noch der Gleiche. Es ist, als wäre dieses Lager ein Brandeisen gewesen und die Narbe auf der Seele jener, die das Grauen dort sahen, reicht tief.“

Siskos Gedanken wandten sich unwillkürlich zu der Narbe auf seiner eigenen Seele. Die Saratoga, die manövrierunfähig im Raum driftete. Das Raumschiff, auf dem er als erster Offizier gedient hatte und das die Borg zerstört hatten. In seinen Gedanken öffnete er die Türe zu seinem Quartier erneut, suchte erneut nach seiner Frau, sah sie erneut tot unter den Trümmern liegen.

Er fragte sich, wie er entscheiden würde, wenn jemand käme und ihn für eine Mission gegen die Borg gewinnen wollte. Eigentlich musste er sich nicht fragen, wie seine Entscheidung aussehen würde. Die Narbe in seiner Seele war tief und er würde ebenso wenig eine Wahl haben, wie Kira sie hatte. Das erste Mal, seit er an Bord der Raumstation war, das erste Mal, seit er die hitzköpfige Bajoranerin kennengelernt hatte, hatte Sisko das Gefühl, ihre Seele zu verstehen.

„Selbst wenn ich Kira gehen lassen muss, heißt das noch lange nicht, dass ich Ihren Plan billige oder gar unterstütze.“

Bareil zuckte die Schulter. „Das müssen sie auch gar nicht, Commander. Alles, um das ich Sie bitte, ist, dass Sie für mich die Sicherheitssperren so lange aufheben, wie ich brauche, um mich auf dem Gleiter zu verstecken. Der Geheimdienst würde mich nie offiziell mitgehen lassen.“

Sisko musste dieser Einschätzung zustimmen. „Sie bitten mich also darum, dass ich die Sicherheitsvorschriften und den Sternenflottengeheimdienst hintergehe?“

Der Vedek nickte. „Sie werden es tun, Commander. Weil Sie wissen, dass Kira viel weniger Risiken eingehen wird, wenn sie sich für mein Leben und meine Sicherheit verantwortlich fühlt.“

Unwillkürlich musste Sisko lächeln. Der Vedek war ein kluger Mann und zudem hatte er recht. Kira war durchaus in der Lage ihre eigene Sicherheit aus den Augen zu verlieren, sie schien manchmal mit dem Tod zu flirten. Wenn sie sich hingegen für jemanden verantwortlich fühlte, würde sie vorsichtiger agieren. Bareil war die beste Lebensversicherung, die er sich für seinen ersten Offizier vorstellen konnte.

„Der Gleiter startet in zehn Stunden, Vedek. In genau neun Stunden wird es in den Sicherheitsfeldern einige Energiefluktuationen geben, die Mr. O´Brien dazu zwingen werden, die Felder genau zwei Minuten lang zu deaktivieren. Das Sicherheitspersonal wird in dieser Zeit eine Kaffeepause machen.“

Bareil erhob sich mit einer fließenden Bewegung, mehr brauchte Sisko nicht zu sagen Er reichte dem Commander die Hand. „Ich danke Ihnen, Commander.“

Sisko schüttelte leicht den Kopf. „Ich hoffe Sie wissen, auf was Sie sich einlassen, Vedek.“

Der Vedek nickte ernsthaft, er wusste genau, auf was er sich einließ.

Er hatte in Kiras Augen diesen gequälten Ausdruck gesehen, den sie zeigte, wenn sie an ihre Vergangenheit dachte. Bareil war kein weltfremder Vedek, dessen Nase nicht über den Deckel der heiligen Bücher reichte. Er wusste, was in der Zeit der cardassianischen Besatzung vor sich gegangen war. Er wusste auch, mit welchen Mitteln der Widerstand gekämpft hatte. Und er wusste, dass so manches Leben, auch bajoranische Leben, geopfert worden waren, um Ziele zu erreichen.

Bareil wusste, dass Kira eine Gejagte war, eine Gefangene ihrer eigenen gewaltvollen Vergangenheit, mit der sie nicht abschließen konnte. Sie hatte diese Mission nicht aus Heldenmut übernommen, sondern weil sie auf irgendeine Weise Erlösung suchte, eine Absolution, die es nie geben würde.

Seit er Kira Nerys kennengelernt hatte, wusste er, dass sie auf der Suche nach innerem Frieden war. Einen Frieden, den sie nie finden würde, wenn sie nicht lernte, sich selbst zu vergeben.

Bareil hoffte, dass die Propheten ihn dazu bestimmt hatten, Kira den Weg zu zeigen.
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