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Wege zum Ruhm

von Martina Strobelt

Kapitel 1

Ruhm ist ein Sonnenstrahl, der sich in Tränen bricht.
(Bajoranische Weisheit)


Die Strahlen der untergehenden Sonne tauchten die zerklüfteten Felsen in blutrotes Licht und fielen auf das Gesicht des Mannes, der allein am Rand der Anhöhe stand und hinab auf das weite Land sah. Etwas abseits saßen zwei Bajoraner, die ihn beobachteten. Der eine von ihnen hatte bereits graue Schläfen, doch der Junge neben ihm war nicht viel älter als fünfzehn oder sechzehn.
„Er ist ein Held.“ Seine Stimme klang bewundernd.
„Natürlich ist er das, Kerim.“ Der ältere Bajoraner lächelte. „Aber ich fürchte, er hört es nicht gerne, wenn man ihn so bezeichnet.“
„Aber warum?“
„Das wissen nur die Propheten. Keiner von uns kann verstehen, warum unserem Anführer nichts an dem Ruhm liegt, den er wahrhaftig verdient hat. Dabei sind allein sein Mut und seine Taten dafür verantwortlich, dass sein Name auf ganz Bajor bekannt ist.“
„Und die Cardassianer ihn fürchten, nicht wahr, Haron?“ Kerims Augen glänzten.
„Ja, das tun sie“, bekräftigte sein väterlicher Freund voll Stolz. „Welcher Bajoraner kann schon von sich behaupten, einen mächtigen Gul im Zweikampf besiegt zu haben - und dann noch diesen gemeinen Mörder, diesen Schlächter, Gul Zarale, da ...“
„Ich hatte dich doch gebeten, diese Geschichte nicht mehr zu erzählen!“ Unbemerkt hatte ihr Anführer seinen Platz am Rand der Anhöhe verlassen und war zu ihnen getreten.
„Was stört dich nur daran, wenn andere davon erfahren, Nalas?“ Haron schüttelte voller Unverständnis den Kopf.
„Ich will es einfach nicht, das ist alles!“, sagte Li Nalas schärfer als beabsichtigt. „Alle hier im Widerstand sind tapfer“, fuhr er versöhnlich fort, als er den verletzten Ausdruck in Harons Augen bemerkte. „Hier gibt es nur Helden! -- Du bist noch nicht lange bei uns“, wandte Li sich nun an Kerim, der ihn so ehrfurchtsvoll ansah, dass er im Stillen seufzte.
Bei den Propheten, wie sehr er das Gefühl verabscheute, von jedem seiner Gefährten auf einen Sockel gestellt zu werden. Dabei hatte er nichts, absolut nichts getan, was ihre Verehrung gerechtfertigt hätte. Er war kein Held, weder genial noch verwegen, aber es hatte keinen Sinn, ihnen das klarmachen zu wollen. Seine Leute und so ziemlich jeder andere Bajoraner waren eifrig dabei, ihn mit einem Glorienschein zu umgeben, den er überhaupt nicht verdiente. Ihn, den Bezwinger von Gul Zarale. Dabei hatte er nur Glück gehabt. Einen unbewaffneten Cardassianer in Unterhosen zu erschießen, was war daran so tapfer? Warum blieben alle nur so hartnäckig dabei, seinen überragenden Mut zu preisen, seine Brillanz? Warum wollten sie nicht akzeptieren, dass es nichts weiter als eine günstige Gelegenheit, ja genaugenommen lediglich ein Zufall gewesen war, der es ihm ermöglicht hatte, Gul Zarale zu töten. Er war nicht brillant und er hatte nie nach dem Ruhm gestrebt, der ihm seitdem vorauseilte, ihn überallhin verfolgte. Es gefiel ihm nicht, wenn man seine angeblich so großen Taten pries, schlimmer noch, ihm sogar solche zuschrieb, die er gar nicht vollbracht hatte. Himmel, wenn ihn sogar jemand in Harons Alter und mit seiner Erfahrung so offen verehrte, war es wirklich nicht verwunderlich, dass halbe Kinder, wie dieser Junge da, ihn wie einen Gott anbeteten ...
„Du heißt, warte ...“
„Ker .. Kerim“, stammelte der Junge, offensichtlich überwältigt davon, dass sein Anführer, dass der berühmte Li Nalas ihn ansprach.
„Und du hältst mich also für einen Helden?“
„Ja.“
Die Überzeugung, mit der Kerim geantwortet hatte, verriet Li, dass sämtliche Versuche, dem Jungen das auszureden vergeblich sein würden. „Du irrst dich“, widersprach er trotzdem. „Wenn ich wirklich der Held wäre, für den du mich hältst, dann wäre ich schon lange tot.“
Haron und Kerim musterten ihren Anführer, wie er langsam zurück zum Rand der Anhöhe ging und seinen Blick wieder auf das Tal zu seinen Füßen richtete.
„Ist ... er immer so?“ Der Junge sah den alten Mann neben sich unsicher an.
„Manchmal ... Wie ich bereits sagte, er mag es nicht, wenn man ihn als Helden bezeichnet. Wahrscheinlich ist er einfach nur zu bescheiden und im Moment macht er sich außerdem auch noch Sorgen wegen der Aktion heute Nacht.“
„Wieso denn? Ich meine, was soll denn dabei schiefgehen? Schließlich ist es nicht irgendwer, sondern Li Nalas, der uns führen wird.“
„So denken wir, Kerim, aber er ... die Propheten allein wissen, wie er darüber denkt.“

* * *

Die Wachtürme ragten drohend in den sternenklaren Nachthimmel, einer stummen Warnung gleich. Die Cardassianer verstanden es, ihre Munitionsdepots zu schützen. Rund um die hohen Mauern gab es noch einen breiten, mit Wasser gefüllten Graben.
Die Bajoraner kauerten in der Deckung einiger Bäume und warteten, bis der Mond für kurze Zeit hinter einer Wolke verschwand, dann ließen sie sich einer nach dem anderen vorsichtig in die dunklen Fluten gleiten. Kerims Herz klopfte so stark, dass er befürchtete, jeder könne das Geräusch hören, ja sogar die Wachen oben auf den Zinnen. Ursprünglich hatte ihn Li Nalas nicht mitnehmen wollen, sich aber von den Bitten des Jungens umstimmen lassen, durch Harons Argument, dass man kämpfen müsse, um zu lernen, wie man überlebte und am Ende siegte. Nun paddelte Kerim hinter seinem Anführer, bemüht, sein altes Lasergewehr mit einer Hand über dem Wasser zu halten und sich gleichzeitig möglichst schnell und lautlos vorwärts zu bewegen.
Li Nalas achtete darauf, gleichmäßig zu schwimmen, um das Wasser nicht mehr als nötig aufzuwirbeln. Im Geist ging er noch einmal den Plan durch. Das Depot war ein wichtiger Versorgungsposten der cardassianischen Truppen, die sich hier seit sechs Monaten einen erbitterten Kampf mit ihm und seiner Widerstandsgruppe lieferten. Bald würde Winter sein und sie wären gezwungen, ihr Lager in den Bergen aufzugeben und es irgendwo unterhalb der Schneegrenze wieder aufzuschlagen. In den Wäldern aber hatten sie nur eine Chance, wenn die Cardassianer nicht mehr über unbegrenzten Nachschub an Waffen und Munition und vor allem nicht mehr über diese sichere Rückzugsbasis hier verfügten. Deshalb wollte er nun versuchen, das Depot zu zerstören. Li Nalas verdrängte die Überlegung, wie viele Leben dieser Angriff kosten würde. Es gab keine Alternative.
‘Und hinterher werde ich um eine Heldentat reicher sein’, dachte er in einem Anflug von Bitterkeit. Jemand hatte mal gesagt, dass einer der Wege zum Ruhm über das Schlachtfeld führen würde. Doch wer immer das auch gewesen war, war vermutlich nie selbst auf einem gewesen, hatte niemals die Angst seiner Gefährten und Freunde gespürt, während er verzweifelt darum kämpfte, die eigene zu unterdrücken. Nein, im Krieg konnte man keinen Ruhm erringen, auch wenn das viele vielleicht glaubten. Es gab keine Helden, nur Überlebende, solche, die mehr Glück gehabt hatten als andere ...
Seine Hand berührte den rauen Fels der Mauer. Li Nalas riss sich gewaltsam aus diesen trüben Gedanken und konzentrierte sich auf die vor ihnen liegende Aufgabe. Langsam ließ er das mitgebrachte Seil durch die Finger gleiten, dann holte er weit aus und warf den daran angebrachten Haken nach oben. Die metallenen Spitzen kratzten über die Steine, ohne einen Halt zu finden. In letzter Sekunde fing der Bajoraner den herabfallenden Haken auf, bevor er mit einem lauten, verräterischen Laut ins Wasser fallen konnte. Es bedurfte noch drei weiterer Anläufe, bis der Haken endlich zwischen zwei Zinnen hängenblieb. Li zog probeweise am Seil, dann begann er, gefolgt von seinen Leuten, ebenso hastig wie geschickt hinaufzuklettern. Er hoffte, dass die unter seiner Jacke wasserdicht verpackten Sprengladungen ausreichen würden, um das Depot zu zerstören.
Haron hangelte sich unmittelbar hinter seinem Anführer nach oben, wobei er sich gegen seinen Willen eingestehen musste, dass er für derartige Aktionen langsam zu alt wurde. So viele Jahre kämpfte er nun schon gegen die Cardassianer. Fast hatte er schon den Glauben aufgegeben gehabt, die Befreiung seiner Heimat jemals zu erleben. Doch dann war Li Nalas gekommen und mit ihm die Hoffnung, dass der Tag, an dem sie siegen würden, vielleicht doch nicht mehr in weiter Ferne lag. Er war das Vorbild, dem sie alle nacheiferten. Auch wenn er sich hartnäckig weigerte, es zuzugeben, war es sein Mut, der sie antrieb, ihnen allen den nötigen Ansporn verlieh durchzuhalten, weiterzumachen, bis sie die verdammten Cardassianer vertrieben hatten.
Li Nalas ahnte nichts von den Gedanken seines Gefährten, und wenn, dann hätte er diesen energisch widersprochen. Er war gegen seinen Willen zum Anführer dieser Gruppe gewählt worden, und nun blieb ihm nichts anderes übrig, als diese Position nach besten Kräften auszufüllen. Für seine Leute war diese Aktion ein neuer Beweis seiner Tapferkeit, für ihn jedoch nichts weiter als ein Akt der Verzweiflung. Seine Finger berührten die Kanten einer Zinne. Er schickte ein stummes Gebet zu den Propheten, dass die Wachen gerade in eine andere Richtung sahen, dann schwang er sich über den Rand des Walles und hielt unwillkürlich den Atem an.
Einige Meter von ihm entfernt lehnten zwei cardassianische Soldaten an der Mauer. Sie unterhielten sich, weshalb sie wohl auch versäumt hatten, auf ihre Umgebung zu achten. Eine Nachlässigkeit, die sie nun teuer bezahlten.
Li zog sein Messer. Haron, der gerade ebenso leise wie er über die Zinnen gestiegen war, tat es ihm gleich. Ein Nicken des jüngeren Bajoraners, dann stürzten sich beide gleichzeitig auf die Soldaten. Li Nalas hatte schon viele cardassianische Kehlen durchgeschnitten, doch anders als die meisten seiner Gefährten konnte er sich nicht daran gewöhnen, fremdes Leben auszulöschen. Mochte es auch ein Feind sein, er empfand keine Genugtuung dabei, seine Klinge in diesen schuppigen Hals zu bohren. Der Soldat gab ein Gurgeln von sich. Li streckte seine freie Hand aus, presste sie dem Cardassianer auf den Mund und erstickte dessen Warnruf, vielleicht auch nur den letzten qualvollen Aufschrei eines Sterbenden, darüber wollte er weder jetzt noch später nachdenken. Er spürte, wie der Soldat in seinem Griff erschlaffte. Vorsichtig ließ er den Toten zu Boden gleiten, dann beugte er sich über den Rand der Mauer und bedeutete seinen Leuten, dass für den Moment keine Gefahr bestand.
Einer nach dem anderen kletterten die übrigen Freiheitskämpfer über die Zinnen, um dann sofort in deren Schatten in Deckung zu gehen. Kerim kauerte neben seinem Anführer, seine Hand umklammerte das Lasergewehr, und er fühlte sich so stolz wie nie zuvor. Er war in einem Flüchtlingslager aufgewachsen. Seine Eltern hatte er nie kennengelernt. Sie waren kurz nach seiner Geburt bei einem Fluchtversuch erschossen worden. Kurz nach seinem fünfzehnten Geburtstag war es ihm gelungen aus dem Lager zu entkommen. Wochenlang war er danach durch das Land gewandert. Denn er hatte sich nicht irgendeiner Widerstandsgruppe anschließen wollen, sondern der des berühmten Li Nalas, und als er schließlich die Provinz erreicht hatte, in der sein Held Anschläge gegen die Cardassianer unternahm, war er zum ersten Mal in seinem Leben wirklich glücklich gewesen. Hier und jetzt wurden seine Träume wahr, er kämpfte Seite an Seite mit dem großen Li Nalas gegen die verhassten Besatzer. Wie hatte er vorhin im Wasser nur so ängstlich sein können? Ihr Anführer war Li Nalas, der Bezwinger von Gul Zarale, der Held des bajoranischen Volkes. Nein, mit so einem Mann an ihrer Spitze konnten sie gar nicht verlieren.

* * *

Energieblitze zuckten über den Wall. Ihr Gleißen erhellte die Nacht und hüllte die flüchtenden Bajoraner und die Cardassianer, die sie verfolgten, in grelles Licht. Nachdem die Freiheitskämpfer die Soldaten auf der Mauer überwältigt hatten, war es ihnen gelungen, die Sprengladungen anzubringen ohne entdeckt zu werden. Doch beim Rückzug waren sie der Wachablösung direkt in die Arme gelaufen.
Li Nalas warf sich zu Boden und entging auf diese Weise einem Schuss, der für ihn bestimmt gewesen war. Um ihn herum gellten die Schreie jener Kameraden, die es nicht mehr geschafft hatten, den tödlichen Emissionen auszuweichen. Entschlossen rollte sich der Bajoraner herum, brachte sein Lasergewehr in Anschlag und eröffnete seinerseits das Feuer. „Lauft!“, rief er seinen Leuten zu. „Ich werde euch decken!“ In seinem Rücken begannen die anderen Bajoraner so schnell wie möglich an dem Seil, das immer noch zwischen den Zinnen hing, abwärts zu klettern. Die Zeit drängte. Die Sprengladungen waren mit automatischen Zündern versehen. In wenigen Minuten ging alles hier hoch und, wer sich dann noch innerhalb der Mauern aufhielt würde mitten ins Zentrum der Explosion geraten.
„Komm, wir müssen hier weg!“ Haron schwang sich auf die Zinne und zog Kerim neben sich.
„Aber wir können ihn doch nicht einfach zurücklassen!“ Es fehlte nicht viel und die Stimme des Jungen hätte sich vor Verzweiflung überschlagen.
„Keine Sorge, ich werde ...“
Ein Energiestrahl fauchte über Li Nalas Kopf, verfehlte Kerim und traf den älteren Bajoraner neben ihm ins Bein. Mit einem Schmerzensschrei sackte Haron zusammen und stürzte über die Zinne. Entsetzt sah der Junge ihm nach, bevor lautes Triumphgeheul seine Aufmerksamkeit auf seinen Anführer lenkte, der gerade von mehreren Cardassianern umringt wurde.
Li Nalas hatte den Lauf seines Lasergewehres gepackt und schlug wild um sich. Er verfluchte sich dafür, dass er die Energieanzeige seiner Waffe vor Beginn dieser Aktion nicht noch einmal kontrolliert hatte, aber nun war es zu spät. Von einem Moment auf den anderen hatte sich das Gewehr in seiner Hand in nutzloses Metall verwandelt. Ohne die Waffe hatte er gegen die Cardassianer kaum eine Chance. Trotzdem kämpfte er, weil er es immer getan hatte.
Er war kein Held, nicht brillanter oder gar tapferer als andere, doch es wäre ihm nie in den Sinn gekommen, einfach aufzugeben ...
Kerim legte auf den Soldaten an, dem es gerade gelungen war, dem Anführer der Bajoraner das Lasergewehr zu entreißen und betätigte den Auslöser. Mit einem gurgelnden Laut brach der Cardassianer zusammen. Li Nalas rammte einem zweiten Soldaten seinen Ellbogen in den Magen, gleichzeitig trat er einem anderen in den Unterleib, tauchte blitzschnell nach unten weg und rannte, gedeckt durch Kerims Feuer, zur Mauer. „Los, runter mit dir!“, forderte er den jungen Bajoraner auf.
„Sie zuerst!“ Kerim erschoss einen anderen Cardassianer. „Ich halte sie solange auf!“
„Niemals, du wirst sofort ...“
„Sie gehen als erster!“, schnitt der Junge ihm das Wort ab, als er aus den Augenwinkeln bemerkte, wie einer der Soldaten die Mündung seines Phasers auf den Widerstandsführer richtete und abdrückte. „Nein!“ Kerim sprang vor und warf sich schützend über seinen Anführer.
Li Nalas spürte die Wucht, als der Körper des Jungens getroffen wurde, sah, wie seine Augen sich vor Schmerz und Schock weiteten. Kerims Finger lösten sich vom Griff seines Lasergewehres, das mit einem dumpfen Knall zu Boden fiel, während die Cardassianer nun ihr Feuer einstellten. Innerhalb weniger Sekunden hatten die Soldaten die beiden Bajoraner erreicht. Einer packte den sterbenden Jungen. Doch als ein zweiter nun seine Hände nach Li Nalas ausstreckte, riss Kerim mit letzter Kraft seine Arme hoch und versetzte seinem Anführer einen heftigen Stoß. Li prallte hart gegen den Rand der Zinne, kippte nach hinten und stürzte, begleitet von den Wutschreien der Cardassianer, wie ein Stein in die Tiefe. Im Fallen veränderte er seine Position, so dass er mit dem Kopf zuerst ins Wasser eintauchte. Prustend kam er wieder hoch. „Kerim!“
Sein verzweifelter Schrei ging in dem gewaltigen Knall der Explosion unter, die das Munitionsdepot erschütterte, als die Sprengladungen zündeten. Um ihn herum prasselten Steine und Holz nieder. „Kerim! Bei den Propheten, Kerim!“ Ein Stück eines Balkens traf den Bajoraner an der Schläfe. Das Letzte, was er bewusst wahrnahm, war Harons Gesicht neben sich in den Fluten, dann wurde es schwarz um ihn. Li Nalas bekam nicht mehr mit, wie zwei seiner Gefährten, die am Rand des Grabens gewartet hatten, ins Wasser sprangen, um ihn und den alten Mann herauszuziehen.

* * *

Von den Lagerfeuern erscholl der Klang aufgeregter Stimmen, Gelächter, sogar vereinzelt Gesänge. Die Freiheitskämpfer wussten, dass eine gewonnene Schlacht keinen gewonnenen Krieg bedeutete. Doch die Sprengung dieses Munitionsdepots hatte den Cardassianern gezeigt, wozu eine Handvoll dreckiger Bajoraner fähig war. Grund genug also, anlässlich dieses Erfolges ein Fest zu veranstalten. Und da keiner von ihnen sicher sein konnte, ob er den nächsten noch erlebte, feierten sie alle diesen Sieg so ausgelassen, als ob es ihr letzter war.
Etwas abseits saßen zwei Männer auf einem umgestürzten Baumstamm und beobachteten stumm ihre Gefährten, die in dieser Nacht so glücklich schienen, als wäre ganz Bajor befreit worden. Sie verstanden das Bedürfnis der anderen, für einige Stunden wenigstens all die Gewalt, all die Schrecken ihres Kampfes gegen die Besatzer zu vergessen. Doch sie vermochten ihre Freude nicht zu teilen. „Du trägst keine Schuld an seinem Tod“, brach Haron als erster das Schweigen. „Es war der Wille der Propheten.“
„Ich hätte ihn niemals mitnehmen dürfen! Er war viel zu unerfahren. Verdammt, ich hätte da oben auf der Zinne sterben sollen, nicht er! Er war noch so jung, er hatte noch sein ganzes Leben vor sich -- und wirft es weg, um einen Mann zu retten, den er noch keinen Monat kennt, mit dem er kaum mehr als drei Worte gesprochen hat, und warum? Weil er ihn für einen Helden hält! Kerim hat sich für mich geopfert, nun sag mir, wer von uns beiden der wahre Held ist, wer!“
„Er hat das getan, wozu wir alle hier jederzeit bereit wären. Du bist mehr als nur unser Anführer, Nalas. Du bist ein Symbol, du verkörperst unseren Traum von einem freien Bajor. Wenn du fällst, fallen unsere Hoffnungen mit dir. Kerim wusste das. Sein Tod war nicht umsonst.“
„Denkst du das wirklich?“
„Ja, und ich stehe mit dieser Meinung nicht allein. Wir alle werden seinen Namen in unserem Herzen bewahren und uns für alle Zeiten an Kerim als an denjenigen erinnern, der sein eigenes Leben gab, um Li Nalas dem bajoranischen Volk, das ihn so dringend braucht, zu erhalten.“


Epilog

Die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne tauchten die zerklüfteten Felsen in ein goldenes Licht und fielen auf das Gesicht des Mannes, der allein am Rand der Anhöhe stand und hinab auf das weite Land sah. Li Nalas dachte an Kerim, der diesen Morgen nicht mehr erleben durfte und keinen derer, die diesem folgen würden. Haron hatte gesagt, dass er nicht umsonst gestorben war und vielleicht hatte sein alter Freund recht ...
So sehr er sich auch dagegen wehrte, musste er sich wohl der bitteren Erkenntnis stellen, dass sein Leben seit jenem schicksalhaften Kampf mit Gul Zarale nicht mehr länger ihm, sondern der Legende Li Nalas gehörte. Jeder musste den Weg gehen, den die Propheten ihm bestimmt hatten. Und seiner war der, der über unzählige Schlachtfelder und die Körper derer, die sich um seinetwillen opferten, unaufhaltsam zum Ruhm führte ...
Bei diesem Gedanken spürte er, wie sich eine Träne aus seinem Augenwinkel löste und langsam über seine Wange rollte. Mechanisch wischte er sie fort. Als er nun die Hand wieder herunternahm, fiel sein Blick auf seine Finger, an denen die Träne im Sonnenlicht glänzte und in den unterschiedlichsten Farben schillerte.
In den Schriften der Propheten hieß es, Ruhm sei ein Sonnenstrahl, der sich in Tränen bricht, und hier und jetzt verstand Li Nalas den Sinn, der hinter diesen Worten lag.
Er betrachtete die Träne, bis sie auf seiner warmen Haut getrocknet war, dann richtete er seinen Blick wieder auf das Tal zu seinen Füßen.


Ende
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