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Ein netter Besuch

von Gabi

Kapitel 1

Die Geschwindigkeit, mit welcher der junge Mann Ops durchquerte und auf die Treppenstufen zu seinem Büro zu steuerte, erweckte in Commander Sisko den Verdacht, dass der Arzt unweigerlich gegen die Türen prallen würde, wenn sie nicht rasch genug geöffnet wurden. Also lehnte er sich auf seinem Tisch vor, um den Öffnungsmechanismus zu betätigen. Kaum hatte sich ein Spalt gebildet, der breit genug war, um den Offizier hindurchzulassen - was in Bashirs Fall nicht sonderlich breit war -, stand der Mediziner auch schon vor dem Schreibtisch des Commanders.

Siskos ruhige Miene verriet nichts von der Belustigung, die er beim Anblick des erregten und außer Atem geratenen Mediziners verspürte. Bashir hatte die Angewohnheit, Neuigkeiten, Beschwerden und anderes meist in Person zu überliefern statt den Kommunikator zu benutzen. Der Commander war noch nicht völlig dahinter gekommen, warum der junge Mann das tat. Er konnte sich jedoch mehrere Gründe dafür vorstellen. Einmal war die von dem Mediziner so geschätzte Selbstdarstellung über Kommunikatoren nur schwer möglich; dann lag es vielleicht daran, dass das wöchentliche Racketball-Spiel mit dem Chief nicht ausreichte, um Bashirs überschüssige Energie abzubauen oder - was Sisko am stärksten vermutete - der Arzt hielt es nicht aus, lange vom vermeintlichen Zentrum des Geschehens, OPS, verbannt zu sein. Was auch immer der Fall war, Bashir stand nun vor ihm mit einem Ausdruck im Gesicht, den der Commander als alles andere als glücklich bezeichnen würde. Er hatte auch schon eine relativ exakte Vorstellung, was der Grund dafür war.

„Commander“, sprudelte Bashir hervor. „Es ist nicht zum Aushalten! Haben Sie eine Ahnung, wie es in der Krankenstation zugeht? Ich kann nicht einmal die Routineaufgaben ungestört erledigen, ich...“

Sisko hob die Hände, um den Offizier zum Schweigen zu bringen. Wider Erwarten funktionierte es. Der Commander sinnierte, dass der Arzt noch zu sehr außer Atem war, um an einem Stück durchzureden.

„Setzen Sie sich, Doktor“, bot er den Stuhl vor seinem Schreibtisch an.

Bashir schien erst einen Augenblick zu überlegen, ob er sein Anliegen auch im Sitzen überzeugend würde vorbringen können, ließ sich dann aber doch nieder.

„Ich weiß, was Sie mir sagen wollen“, bemerkte Sisko. Seine rechte Hand strich dabei unwillkürlich über den Baseball. Dieser einfache, abgegrenzte, runde, fassbare Gegenstand gab ihm eine irrationale Ruhe und einen Anker im Chaos mancher Tage. Dieser Tag war sicherlich einer der chaotischeren. „Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich etwas deswegen unternehmen kann. Sie haben keinen Notfall auf der Station?“

Bashir schüttelte den Kopf. „Keinen medizinischen...“

„Wenn wir ihr den Zugang zu einer momentan nicht belegten Krankenstation verwehren, werde ich mir wahrscheinlich den Rest des Tages Beschwerden anhören dürfen...“

„Mit Verlaub, Commander“, unterbrach ihn der Arzt. „Die Krankenstation gehört nicht zu den Bereichen, die im Normalfall den Besuchern der Station zugänglich sind. Ganz gleich, ob sie belegt ist oder nicht.“

„Ich weiß das, Doktor.“ Sisko seufzte. „Tun Sie es für die Diplomatie und für mich. Ich verspüre nicht die geringste Lust, schon wieder mit Dukat aneinander zu geraten.... Sobald sich ein Notfall ereignet, und sei er noch so klein, haben Sie meine Erlaubnis, die Frau hinauszuwerfen.“

Bashir erhob sich wieder. „Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, irgendeinen Passanten auf der Promenade bewusstlos zu schlagen, um diesen Fall herbeizuführen...“ Er wandte sich wieder zur Tür. Bevor er das Büro verlassen konnte, rief der Commander ihn noch einmal zurück.

„Doktor!“

Bashir wandte sich fragend um.

„Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie dieses Vorhaben nicht in die Tat umsetzen würden.“

Der Arzt förderte ein schwaches Grinsen auf seine Züge und verließ dann endgültig das Büro. Entgegen seiner sonstigen Art, ließ er dieses Mal den Blick nicht über die Kommandozentrale wandern, um nach Lieutenant Dax Ausschau zu halten. Seine Gedanken beschäftigten sich vollständig mit dem ungebetenen Gast in seiner Krankenstation. Er hoffte, seine medizinische Assistentin hatte es ihm nicht übel genommen, dass er sie vorhin mit der Frau alleine gelassen hatte...

„Julian!“ Dax’ Stimme erreichte unerwartet sein Ohr, als er schon beinahe den Lift betreten hatte. Bashir wandte sich überrascht um.

Lieutenant Dax hatte ihre Station verlassen und stand nun hinter ihm. Die fragende Mischung aus Verwunderung und Neugierde auf ihrem Gesicht veranlasste ihn zu einem Grinsen. Der junge Arzt war sich sehr wohl bewusst, dass die Trill es sich zum Sport gemacht hatte, mit seinen Gefühlen zu spielen und jede Annäherung seinerseits mit einer lakonischen Bemerkung abzutun. Aber dennoch genoss sie seine Aufmerksamkeit. Ihr fragender Gesichtsausdruck war nun sicherlich nur zur Hälfte damit beschäftigt, welche Probleme der Arzt haben könnte - die andere Hälfte bestand aus geknicktem Selbstwertgefühl, weil er sie nicht beachtet hatte, dessen war sich Bashir ziemlich sicher.

„Sie sehen nicht besonders glücklich aus“, unterbrach Dax seine Gedankengänge.

„In der Tat, das bin ich auch nicht.“ Der Arzt versuchte an ihrem Gesichtsausdruck abzuschätzen, ob es sich lohnte, ihr sein Problem zu schildern, oder ob er sich damit nur eine erneute schlaue Bemerkung einhandeln würde.

Dax schien seine Gedanken zu erraten. Mit einem gewinnenden Lächeln legte sie ihm die Hand auf die Schulter. „Was ist passiert? Ärger mit dem Commander?“

Er seufzte und folgte der Trill an ihre Station zurück, bevor die junge Frau den vermuteten Ärger wegen Verlassen des Arbeitsplatzes selbst auf sich hinab beschwor.

„Jadzia, Sie haben doch mitbekommen, dass Gul Dukat diese Station schon wieder heimgesucht hat.“

Dax nickte, während sie eine allgemeine Sensorabtastung einleitete. „Ja, Benjamin hat sich heute Morgen schon darüber beschwert, dass der Gul vor hat, hier ein paar Tage Urlaub zu machen, und dass er ihn nicht daran hindern kann.“ Sie sah von ihren Instrumenten wieder zu dem Arzt auf. „Der Mann ist mir ein Rätsel, Julian. Wenn ich der ehemalige Präfekt dieser Station wäre, würde ich nicht laufend hier aufkreuzen. Es gibt so viele Bajoraner, die ihm sicherlich nach dem Leben trachten. Das scheint ihn nur noch mehr anzuspornen.“ Sie schüttelte den Kopf.

„Ein Anschlag auf sein Leben wäre das kleinere Problem“, murmelte Bashir. „Aber diesmal ist er nicht alleine gekommen...“ Er machte eine theatralische Pause, um die Tragweite des Umstandes zu unterstreichen. „Er hat seine Frau mitgebracht - und die ist ausgerechnet Ärztin!“

* * *


Wie zu erwarten gewesen war, hatte Dax ein Grinsen nicht unterdrücken können, aber immerhin hatte sie es geschafft, den Mund zu halten. Als sich Bashir nun wieder der Krankenstation näherte, musste der Arzt selbst den Kopf schütteln. Es klang wahrscheinlich auch zu seltsam, wenn er mit einer Frau nicht zu Recht kam. Aber die Cardassianerin besaß genau die gleiche selbstsicher arrogante Art, die ihr Mann immer an den Tag legte. Eine Art, die so ziemlich jede andere Person eine Stufe niedriger stellte. Diese Ehe musste wirklich im Himmel geschlossen worden sein, nein - er verbesserte seine Gedanken - in der Hölle. Wahrscheinlich sollte er sich glücklich schätzen, dass sie ihre sieben Kinder auf Cardassia gelassen hatten. Sieben Kinder! Bashir seufzte. Dukat hatte gründlich dafür gesorgt, dass die Nachwelt nicht auf seinen Zynismus verzichten musste.

Rechtzeitig bevor er die Krankenstation betrat, schaltete der Arzt seine Gesichtszüge wieder auf das geduldige Lächeln um, das er die letzte Stunde mit der Cardassianerin gezeigt hatte. Wahrscheinlich würde er heute Abend einen Krampf in den entsprechenden Muskeln haben, aber er war sich sicher, dass der Commander ihm eigenhändig die Haut abziehen würde, wenn er sich mit der Frau anlegte. Einen flüchtigen Moment fragte er sich, wer eigentlich das Kommando über Deep Space Nine hatte - dann befand er sich in der Krankenstation.

Die beiden Frauen wandten sich zu ihm um. Er hatte seine bajoranische Assistentin noch nie so erfreut über seinen Anblick gesehen. Im Rücken der Cardassianerin stehend schnitt sie eine Reihe eindeutiger Grimassen, die sich alle auf die sich vor ihr befindende Frau bezogen. Bashir versuchte, sich nicht zu sehr von den Gesten seiner Assistentin ablenken zu lassen.

„Athra Dukat, ich hoffe, Eldin hat Ihnen alles zeigen können, was Sie interessiert. Ich bin leider bei Commander Sisko noch etwas aufgehalten worden“, entschuldigte er seine Abwesenheit.

Die Cardassianerin hob ihre Augenwülste ein wenig. „Für eine Bajoranerin ist sie sehr gebildet“, bemerkte sie gnädig.

Bashir konnte sehen, wie seine Assistentin mit einem Laserskalpell spielte. Für einen irrationalen Augenblick glaubte er, sie könne es aktivieren, um die Cardassianerin damit zu verletzen. Aber der Augenblick ging vorüber, und Eldin hielt das Instrument immer noch deaktiviert in den Händen. Der Arzt trat vor und geleitete Athra Dukat sicherheitshalber aus der Reichweite der Bajoranerin. Erleichtert bemerkte seine Assistentin, dass sie nun nicht mehr für die aufdringliche Besucherin verantwortlich war, und ergriff die Gelegenheit sofort, um im angrenzenden Raum und damit aus dem Einflussbereich Bashirs zu verschwinden.

Der junge Arzt lächelte der Cardassianerin aufmunternd zu. „Wenn Sie dann hier alles gesehen haben, würde ich mich freuen, Ihnen den Replimat zu zeigen, wo sie etwas essen können...“

„Ich habe bei Weitem noch nicht alles gesehen“, teilte sie ihm mit und bemerkte mit Genugtuung, wie das Lächeln des Offiziers gefror. „Bevor Sie die Station fluchtartig verlassen haben, waren Sie dabei, mir zu erklären, warum Sie es als notwendig erachtet haben, das Cardassianische Kranken-Überwachungssystem gegen eines von Starfleet auszuwechseln. Da mir der Sinn immer noch nicht einleuchtet, wäre ich Ihnen verbunden, wenn Sie an dieser Stelle fortfahren könnten. Außerdem hat mir Ihre Assistentin ein paar Analytik-Programme gezeigt, die mir äußerst ineffizient erscheinen. Diese würde ich ebenfalls gerne mit Ihnen diskutieren...“

Ohne dass es sich auf seinen Zügen gezeigt hätte, stieß Bashir innerlich einen Verzweiflungsschrei aus. Frustriert wandte er sich dem Computer zu und aktivierte die entsprechenden Programme. Es war vollkommen zwecklos, diese Diskussion fortzuführen. Athra Dukat würde es niemals einsehen, warum überhaupt irgendein cardassianisches Programm hatte ausgetauscht werden müssen.

* * *


Major Kira war sogar für die Türen des Büros zu schnell. Sisko hatte sie zwar aus dem Lift stürmen sehen, aber noch ehe er den Öffnungsmechanismus aktivieren konnte, stand die Bajoranerin schon ungeduldig vor seinem Büro. Wenn Bashir die Station in einem Sturm durchquerte, dann tat es die junge Bajoranerin in einem Tornado.

Noch bevor sie völlig durch die Tür getreten war, legte sie los: „Commander. Es reicht!...“

„Major“, beschwichtigte Sisko. „Erzählen Sie mir nicht, dass Sie der Aufgabe nicht gewachsen sind, unseren Gast auf der Station zu begleiten.“

Kira klappte ihren Mund wieder zu und beäugte den Commander misstrauisch. Er schaffte es jedes Mal, seine Worte so zu wählen, dass er an ihrer Offiziersehre kratzte. Nach einer kurzen Pause zum Luftholen fuhr sie etwas ruhiger fort - was bei ihr aber immer noch einige Stufen über dem normalen Tonfall lag. „Oh, ICH bin dieser Aufgabe gewachsen, Commander“, versicherte sie zynisch. „Fragen Sie mal, ob ER ihr gewachsen ist! Er benimmt sich so, als ob die Station ihm gehört. Überall erklärt ER MIR die Funktionen, lässt mich wissen, wie viel effizienter dies und das unter seinem Kommando gewesen sei - und alle paar Minuten lässt er einen Seitenhieb auf Bajor los. Ich habe mich bisher ruhig verhalten, Commander, aber ich kann Ihnen nicht versichern, wie lange ich mich noch zurückhalten kann, ihn zu erwürgen...“

„Nun, das würde dann Dr. Bashirs Problem lösen“, bemerkte Sisko belustigt.

Kira stoppte in ihrem Redeschwall. „Wie bitte?“

„Nun“, der Commander lehnte sich in seinem Sessel zurück. „Der gute Doktor hat im Augenblick die gleichsam undankbare Aufgabe, Dukats Frau die Krankenstation zu zeigen... Sie haben vielleicht mitbekommen, dass sie ebenfalls Ärztin ist.“

Kira nickte knapp.

„Ein medizinischer Notfall, wie zum Beispiel Dukats verengte Luftröhre, gäbe ihm die Möglichkeit, sie aus der Krankenstation zu komplimentieren“, fuhr Sisko lächelnd fort.

Die Bajoranerin starrte ihn an. Es gab Augenblicke, in denen sie nicht sicher sagen konnte, ob ihr kommandierender Offizier es ernst meinte oder nicht. „Sir?“

Sisko winkte ab. „Im Ernst, Major. Ich weiß, dass diese Aufgabe an Ihren Nerven zehrt. Aber ich fühle mich wohler, wenn ich weiß, dass Dukat nicht alleine auf Deep Space Nine herumläuft. Odos Sicherheit kann ich nicht mit seiner Überwachung beauftragen, da der Gul es mit Garantie schafft, daraus wieder eine Ungerechtigkeit der Föderation gegenüber dem cardassianischen Volk zu inszenieren. Und als Erster Offizier ist es unter anderem Ihre Aufgabe, mir die Leute vom Hals zu halten, Major.“

Sie verzog das Gesicht zu einem sarkastischen Lächeln, sagte aber nichts.

Die Züge des Commanders wurden wieder etwas weicher. „Glauben Sie mir, dass ich auch des Öfteren gute Lust verspüre, den Gul aus der nächsten Luftschleuse zu befördern. Aber das alles fördert nicht das Verhältnis zwischen unseren Regierungen. Solange Dukat seinen perversen Spaß daran hat, uns mit seiner Gegenwart zu beehren, müssen wir wohl oder übel mitspielen. Je weniger wir uns reizen lassen, desto größer ist die Chance, dass er die Lust an diesen Spielchen verliert. Verstanden, Major?“

Sie nickte wieder. „Ich werde auf stur schalten.“

„Genau das“, bestätigte Sisko. „Wo ist er jetzt?“

Kira seufzte. „In seinem Quartier. Er bestand darauf, im Replimat zu Abend zu essen. Ich soll ihn dazu in einer Viertelstunde abholen...“, sie schüttelte den Kopf. „ich FREUE mich schon sehr darauf.“

„Die richtige Einstellung, Major“, lächelte Sisko. Er blickte der jungen Frau nach, wie sie sein Büro wieder verließ. Natürlich war es für die Bajoranerin eine besonders unangenehme Aufgabe, den Mann zu betreuen, der ein Sinnbild cardassianischer Macht über Bajor darstellte. Aber es gehörte zu ihrem Aufgabenbereich, ob es ihr gefiel oder nicht.

Der Commander verschränkte seine Arme. Auch wenn er manchmal diesen Job hier hasste und sich wünschte, wieder als einfacher Lieutenant auf einem unbedeutenden Schiff zu dienen, brachte die Kommandostellung einen nicht zu verachtenden Vorteil mit sich: er konnte unangenehme Aufgaben delegieren.

* * *


„Wer ist da?“, ertönte die Stimme aus dem Sprechgerät an der Tür.

„Major Kira. Sind Sie bereit?“

Die Tür glitt auf und Dukat lehnte sich mit einem Lächeln in den Rahmen. „Für Sie immer.“

Sie seufzte. Das war der andere Punkt, den sie nicht unbedingt vor Sisko hatte erwähnen wollen. Dukat hatte es den gesamten Nachmittag schon darauf angelegt, sie mit kleinen Anspielungen und Höflichkeiten aus der Fassung zu bringen. Kira wünschte sich, seine Frau wäre hier, aber das schien nicht der Fall zu sein.

„Was ist mit Ihrer Frau?“, fragte sie dennoch sicherheitshalber. „Möchte sie nicht mitkommen?“

„Oh“, Dukat dehnte die Silbe vieldeutig. „Major, Sie werden genügend Gelegenheit bekommen, Athra kennenzulernen. Sie und Doktor... Doktor...“ er suchte sichtlich nach dem richtigen Namen.

„Doktor Bashir“, half Kira ungeduldig nach.

„Genau“, nickte der Cardassianer, „Doktor Bashir. Sie und der Doktor werden uns Gesellschaft leisten“, ein spöttisches Grinsen huschte über seine raubvogelartigen Züge. „Es wird sicherlich ein äußerst unterhaltsamer Abend werden.“

„Daran zweifle ich nicht“, knurrte Kira durch zusammengebissene Zähne, während sie auf dem Absatz umkehrte, um dem Gul voraus zu gehen. Sie hörte nichts in ihrem Rücken, aber sie konnte sich lebhaft vorstellen, dass Dukat lautlos lachte. ‘Es ist die Pflicht des Ersten Offiziers’, klangen ihr Siskos Worte im Bewusstsein. Pflicht oder nicht, sie war unerschütterlich davon überzeugt, dass dies hier eine von Siskos subtilen Strafaktionen gegen sie war. Der Commander konnte einen äußerst unangenehmen Sinn für Humor entwickeln, darin stand er seinem ‘alten Freund’ Dax in nichts nach. Während die Bajoranerin mit langen Schritten den Korridor, der die Gästequartiere mit der Promenade verband, entlang eilte, fragte sie sich, was wohl Bashirs Verbrechen gewesen war, das ihm diese ‘Pflicht’ eingehandelt hatte.

* * *


Die Stimme war schon außerhalb des Replimaten zu hören. Nicht, dass sie besonders laut gewesen wäre, aber sie besaß diesen befehlsgewohnten Unterton, der auch ohne Lautstärke trug. „Sie haben die meisten cardassianischen Gerichte aus den Speichern gelöscht?“

Die Stimme, die ihr darauf antwortete, war weit weniger gefasst - um der Wahrheit Genüge zu tun, klang sie eher so, als wünschte sich der Besitzer auf die andere Seite des Wurmloches und hielte seine Höflichkeit mit ein paar wenigen Seidenfäden zusammen. „Madame, die Replikatoren haben nur einen begrenzten Speicherraum...“

„...den Sie mit Föderationspampe ausfüllen mussten?“

Bashir reagierte auf den Hauch einer Bewegung, den er im Augenwinkel an ihrem Tisch wahrnahm. Froh darüber, jede Unterbrechung, ganz gleich welcher Art sie auch sein möge, wahrzunehmen, wandte er seinen Kopf den Gestalten zu, die an den Tisch herangetreten waren. Und blickte in Dukats amüsiertes Gesicht.

„Wie ich sehe, unterhalten Sie sich glänzend, Doktor Bashir“, bemerkte der ehemalige Befehlshaber der Station.

Bashirs Haltung sackte sichtlich zusammen. Die hinter dem Gul stehende Kira gestikulierte resigniert mit den Händen.

„Oh, Gul Dukat“, brachte der junge Arzt müde hervor. „Wollen Sie sich nicht zu uns setzen?“

Mit einer Energie, die weder Bashir noch Kira zu dieser Abendstunde mehr verspürten, ergriff der Cardassianer die Lehne eines freien Stuhles und schwang sich darauf. „Genau das hatte ich vor, mein lieber Doktor.“ Er neigte sich zu seiner Frau hinüber, um seine Stirn kurzzeitig an die ihre zu legen, dann lehnte er sich wieder zurück und zeigte auf Kira. „Meine Liebe, das ist Major Kira. Sie besitzt die Freundlichkeit, mir wie ein Schatten überall hin zu folgen.“

Kira nickte einigermaßen höflich, während sie selbst Platz nahm. „Nur zu Ihrer eigenen Sicherheit, Dukat“, bemerkte sie. „Persönlich kenne ich alleine sicherlich mindestens drei Personen, die jede Gelegenheit wahrnehmen würden, Ihnen etwas anzutun... und die Dunkelziffer liegt sicherlich noch weitaus höher“, fügte sie zynisch hinzu...

* * *


„Sie macht es mit Absicht!“ Bashir umschloss seine Tasse mit beiden Händen, um seine Worte zu unterstreichen. Er und Major Kira saßen nun alleine am Tisch, nachdem die Dukats nach einem Abend, dessen Scherze völlig auf Kosten der Offiziere gegangen waren, sich in ihr Quartier zurückgezogen hatten.

„Natürlich macht sie es mit Absicht“, seufzte Kira. „Die beiden spielen sicherlich das Spiel, wer seine Begleitperson als erstes in die Verzweiflung treiben kann! Ich bin wirklich nahe davor, Dukat Eine zu kleben!“

„Wenn Sie das kräftig genug machen könnten, dass er stationär behandelt werden müsste...?“ fragte Bashir hoffnungsvoll.

Kira grinste schief. „So kenne ich Sie ja gar nicht, Julian.“

Er starrte müde in seine Tasse. „Ich habe zwar einen Eid geleistet, Leben zu schützen, aber ich glaube, in diesem Fall kann ich eine Ausnahme machen.“

Beide sinnierten eine Zeit lang schweigend vor sich hin. Schließlich raffte Bashir sich dazu auf, seine Tasse zu heben und einen Schluck zu trinken. Der Inhalt hatte schon längst die angenehme Temperatur unterschritten, so dass der Arzt angewidert das Gesicht verzog.

„Aber wenn wir so reagieren, dann spielen wir ihnen praktisch in die Hände“, meinte er schließlich, als sich der unangenehme Geschmack etwas gelegt hatte. „Je mehr wir uns aufregen, desto besser wird deren Laune! Wir sollten völlig ruhig bleiben, und die Sache an uns abprallen lassen...“, er schenkte der Bajoranerin einen schrägen Blick. „Aber dafür sind wir wohl beide nicht unbedingt die richtigen Personen. Warum konnte der Commander diese Aufgabe nicht Jadzia und Odo zuteilen?“

Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin immer noch der Meinung, dass Sisko es als ‘Lehrstück’ für uns sieht...“ Sie trank nun ebenfalls, ihr Getränk hatte aber den Vorteil, dass es nicht mehr kalt werden konnte. Als sie das Glas wieder absetzte, huschte ein Grinsen über ihr Gesicht, so als hätte sie am Grund ihres Drinks die Erleuchtung gefunden.

„Wir zahlen es ihnen mit gleicher Münze heim!“, stellte sie unternehmungslustig fest.

„Und wie das?“ Bashir blieb skeptisch.

„Sie beginnen damit, Athra Dukat den Hof zu machen...“

„Was? Ich?“

„Sie können ja wohl nicht verantworten, dass ich das bei Dukat mache, oder?“

„Nein, natürlich nicht, ich meine...“

„Ich könnte wetten, der Gul wird wahnsinnig, wenn er bemerkt, dass ein anderer Mann sich für seine Frau interessiert - und im besten Fall, sie sich für einen anderen Mann. Das dürfte an seiner Ehre ganz schön kratzen. Was meinen Sie, Julian?“

„Ähem“, er räusperte sich, „im Prinzip sicher, aber ich weiß nicht, wie und ob...“

Kira ließ ihre Hand mit Nachdruck auf die Tischplatte fallen. „Kommen Sie, seit wann haben Sie Probleme im Umgang mit Frauen?“

„Das ist keine Frau, das ist ein Ungeheuer!“, konterte Bashir.

„Ach kommen Sie, Sie finden doch sicher den einen oder anderen sympathischen Punkt an ihr, oder nicht? Ihre Figur ist doch gar nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass sie sieben Kinder hat...“

„Können Sie etwas Attraktives an Dukat finden?“ wollte der Arzt wissen.

„DAS ist ein völlig anderer Punkt.“

„Okay, okay!“ Bashir hob die Hände in Resignation. „Ich werde mich opfern.“

Kira schenkte ihm ihr strahlendstes Lächeln, was den jungen Arzt tatsächlich ein wenig entschädigte. „Wenn das funktioniert, schulde ich Ihnen etwas.“

„Darauf werde ich zurückkommen, Nerys.“

Die Bajoranerin erhob sich vom Tisch. „Ich werde mich hinhauen, um dem Monster morgen gewachsen zu sein... Dukat wird sich ärgern, jede Wette!“

Bashir blickte ihr mit einem unguten Gefühl hinterher. Schließlich wusste er, woher dieses Gefühl stammte.

„Einen Moment, Nerys,...“

Kira wandte sich um.

„Was ist, wenn Dukat seinen Ärger dann an mir auslässt?“

Sie grinste ihm aufmunternd zu. „Darauf müssen wir es eben ankommen lassen.“

* * *


Den nächsten Morgen begann Bashir mit gemischten Gefühlen. Das sarkastische Lachen, welches er von seiner medizinischen Assistentin nach Erläuterung des Vorhabens erhalten hatte, trug nicht unbedingt zu seiner Erheiterung bei. Eldin hatte sich mit einigen Gewebeproben in eine Ecke der Krankenstation verzogen, und Bashir hörte nur von Zeit zu Zeit ein unterdrücktes Glucksen, während die Bajoranerin arbeitete. Der junge Arzt warf ihrem Rücken einen wütenden Blick zu.

Die Tür glitt auf.

„Guten Morgen, Doktor Bashir.“ Athra Dukat sah nicht halb so müde aus, wie Bashir sich fühlte. Er mutmaßte, dass Cardassianer ein geringeres Schlafbedürfnis besaßen als Menschen. ‘Auf in den Kampf!’

„Ma’am, wie schön, Sie heute Morgen wieder zu sehen. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Nacht.“

Die Eröffnung ließ die Cardassianerin für einen Moment stutzen, was Bashir als Punkt für sich wertete. In seinem Rücken unterdrückte Eldin mit aller Macht ein erneutes Aufglucksen.

„Danke...“, erwiderte Athra Dukat argwöhnisch, „da Sie es sich glücklicherweise verkneifen konnten, die cardassianische Einrichtung aus den Gästequartieren zu entfernen, war es tatsächlich eine angenehme Nacht.“

„Das freut mich.“ Bashir drehte sich zu einem Terminal um, um sein Dauergrinsen für ein paar Sekunden entspannen zu können. „Mit was kann ich Ihnen heute eine Freude bereiten?“

Er bemerkte in den Augenwinkeln, wie die Cardassianerin um ihn herum trat, um sein Gesicht zu sehen. Er war sich sicher, dass sie irgendeinen Plot witterte. Kira Nerys würde ihm einiges schulden!

„Ich hatte gestern keine Gelegenheit, Sie bei der Arbeit zu beobachten“, bemerkte sie süßlich. „Das würde ich heute gerne nachholen.“

„Aber immer.“ Bashir nahm sich fest vor, seine wahren Gefühle mit keiner Faser zu zeigen. „Hier drüben sehen Sie Gewebeproben, die wir auf Veränderung der Zellstruktur untersuchen wollen.“

Mit biestigem Vergnügen bemerkte Bashir, wie seine Assistentin vor Schreck beinahe eines der Reagenzgläser fallen gelassen hätte, als sie sich so unverhofft wieder ins Zentrum der Aufmerksamkeit der verhassten Cardassianerin gerückt sah. Damit die Bajoranerin ihre gerechte Strafe für ihre Belustigung erhielt, entschied sich Bashir, ein, zwei Sekunden zu warten, bevor er sich vorbeugte und eines der Gläser ergriff. „Beginnen wir doch einfach hiermit. Ich zeige Ihnen die Apparate.“

Die Schultern der Bajoranerin entspannten sich langsam wieder, als sich Bashir und Mrs. Dukat - und damit das drohende Unheil - von ihr abwandten.

Bashir stellte das Reagenzglas in eine dafür vorgesehene Halterung und deutete auf die Sensor-Tasten. „Bedienen Sie sich, Ma’am. So können Sie am besten die Systeme unserer beiden Spezies vergleichen.“

Während Athra Dukat das Programm mit einer Miene aktivierte, welche klar machte, dass die Föderations-Technik so oder so unterliegen würde, beschloss Bashir anzugreifen. Eine weitere ungerechtfertigte Beleidigung seiner geliebten Stationseinrichtung würde er vielleicht nicht mehr ruhig durchstehen.

„Das dauert viel zu...“, wollte die Cardassianerin eben ansetzen, als Bashir ihr das Wort abschnitt.

„Sie handhaben die Bedienungsfelder mit unglaublicher Eleganz, Ma’am. Ich bin beeindruckt.“

Athra Dukat verschluckte den Rest ihres Satzes. „Wie bitte?“ Ein kalter Blick bohrte sich in den jungen Arzt.

Bashir schluckte trocken. „Ich meine, Ihre Hände...“, er zögerte, suchte verzweifelt nach einer netten Unverfänglichkeit, „... wirken äußerst, ähem... attraktiv...“

Das Glucksen in der hinteren Ecke der Station setzte wieder ein.

Die Cardassianerin nahm ihre Finger von den Sensoren und stützte sie drohend auf ihren Oberschenkeln auf. „Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Doktor? Ich warne Sie...“

„Nein, nicht im Entferntesten!“, beeilte Bashir sich zu versichern. „Es tut mir leid, wenn Sie ein Kompliment so auffassen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie davon wenig erhalten sollten...“

„Von was?“ wollte sie misstrauisch wissen.

„Von Komplimenten, meine ich.“ Der Arzt hoffte, ein äußerst offenes und ehrliches Gesicht an den Tag zu legen. So unattraktiv war die Cardassianerin wirklich nicht. Wenn er erst einmal die Vorstellung überwunden haben sollte, dass hier Dukats Frau vor ihm saß, würde sich die Sache vielleicht gar nicht als so kompliziert erweisen. „Bei Ihrem Aussehen...“

„Komplimente sind nichts als Zeichen der Schwäche“, stellte die Frau fest. „Man bedient sich ihrer, wenn man keine Argumente mehr hat.“ Sie wandte sich wieder dem Terminal zu. „Was dieses Programm hier betrifft...“

„Wie machen Sie das mit ihrer Figur? Dass sie nach sieben Kindern noch in so guter Form ist. Treiben Sie viel Sport?“

Die Cardassianerin konnte nicht verhindern, dass ihr Blick kurzzeitig an ihrem Körper hinab huschte, bevor sie ihn verärgert dem Doktor zuwandte.

‘Erwischt!’ Bashir strahlte sie charmant an. „Ich frage natürlich aus rein medizinischem Interesse.“

„Natürlich!“ Athra Dukat blitzte den Arzt noch ein paar Sekunden an, um ihm zu zeigen, dass sie für Komplimente nicht zugänglich war, dann erwiderte sie im Namen des medizinischen Interesses: „Ja, ich treibe viel Sport. Mein Mann und ich spielen oft Kasnak und...“

„Kasnak? Wird das nicht mit Schläger und Ball gespielt? Ähnlich wie unser Squash?“

„Ich weiß nicht, ob es ähnlich ist, mir sagt ‘Squash’ nichts...“

„Doch, doch, bestimmt“, versicherte Bashir. „Ich habe darüber gelesen. Nun, zufällig bin ich ein recht guter Squash-Spieler und ich habe hier auf der Station wenig Gelegenheit dazu, da es mir an ebenbürtigen Gegnern fehlt... Ich dachte mir, ob Sie...“

Die Cardassianerin stand mit einem siegessicheren Lächeln auf. „Sie zeigen mir das Spielfeld und ich bin in zehn Minuten bei ihnen, um Sie vernichtend zu schlagen.“

„Das nenn’ ich ein Wort!“ Bashir beglückwünschte sich innerlich zu dieser Wendung der Dinge. Als er seinen Gast zur Tür begleitete, wandte er sich noch einmal zu Eldin um, seine Finger bildeten das Siegeszeichen. Die Bajoranerin schüttelte nur den Kopf.

* * *


In einem anderen Teil der Station versuchte Kira verzweifelt, nicht loszuschreien.

„Vergessen Sie es!“, fauchte sie den Gul an, der sie mit einem anzüglichen Lächeln bedachte. „Wenn Sie eines von Quarks Holoprogrammen ausprobieren wollen, dann machen Sie das verdammt noch mal alleine!“

„Ist es nicht Ihre von Commander Sisko auferlegte Aufgabe, mich nicht aus den Augen zu lassen?“ Dukat lehnte am Geländer der Galerie, welche im zweiten Stock von Quark’s an den Holosuiten entlanglief.

Die Bajoranerin lehnte ihm gegenüber an der Wand zwischen zwei Holosuite-Türen. Sie musterte ihn mit einem Blick, der einem ignoranten Wurm klar gemacht hätte, dass auf Kiras Liste der Dinge-die-ich-gerne-machen-würde ca. zwanzigtausend Posten vor einem gemütlichen Beisammensein in einem von Quarks Holoprogrammen standen.

„Die Kabinen haben keinen zweiten Ausgang. Also genügt es meiner Pflicht vollkommen, wenn ich hier draußen auf Sie warte.“

Dukat schüttelte lachend seinen Kopf. „Sie haben es darauf angelegt, mich nicht zu mögen, Major.“

„SIE haben es darauf angelegt, MICH aus der Fassung zu bringen. Nennen Sie das vielleicht ‘mögen’?“

„Sie fordern es aber auch heraus...“

„Ich fordere ...!“ Kira schluckte den Rest des Satzes hinunter. Warum hatte sie Bashir Vorträge gehalten, wie er sich zu verhalten hatte, wenn sie sich selbst von Dukat immer wieder aus der Fassung bringen ließ? Sie hoffte, dass der Arzt schon Erfolge erzielt hatte.

„Was sagt Ihre Frau denn zu Ihrem Benehmen?“, änderte Kira ihre Strategie.

„Welches Benehmen?“ Man konnte Dukat beinahe abnehmen, dass er nicht wusste, von was Kira sprach.

„Ha! Seit zwei Tagen laufen Sie jetzt um mich herum, als hätten Sie seit einigen Jahren schon keine Frau mehr gehabt!“

Diesmal zuckte Dukat überrascht zurück. Kira gönnte sich ein zynisches Grinsen. „Macht Ihre Frau das Gleiche mit Dr. Bashir?“

Dukat öffnete den Mund zu einer Zurechtweisung, überlegte es sich dann aber anders. Bevor er etwas erwiderte, zauberte er wieder seine überlegene Mimik auf sein Gesicht. „Schmeicheln Sie sich nicht selbst, Major. Sie können sicher sein, dass weder meine Frau noch ich irgendein Interesse an Ihnen haben.“

„Ist das so?“ Kira gab sich den Eindruck, als würde sie sich etwas in Erinnerung rufen. „Bashir klang gestern Abend aber anders in dieser Hinsicht.“

Dukat ging nicht darauf ein. „Ihr guter Doktor hatte seine Hosen gestrichen voll vor meiner Frau.“

„Nun, wenn Sie das so sehen.“ Kira wandte sich wieder den Holosuite-Türen zu. „Wollen Sie das Programm jetzt ausprobieren oder nicht?“

„Nein.“ Kira bemerkte erfreut den leichten Ärger in der Stimme des Gul. Sie hoffte, dass er den gestrigen Abend noch einmal vor seinem inneren Auge Revue passieren ließ, um Anspielungen in den gefallenen Sätzen zu finden.

Wie beiläufig bemerkte sie: „Ich habe mich ohnehin schon gefragt, was man denn zwei Tage lang in der Krankenstation besichtigen kann...“

Dukat billigte sie keines weiteren Blickes, als er sich umwandte und die Wendeltreppe hinunterzusteigen begann. Kira eilte ihm rasch hinterher. Ein breites Grinsen zierte ihre hübschen Züge.

„Dukat, wo wollen Sie denn hin?“

„In die Krankenstation, Ihnen Ihre Lästerreden austreiben!“

Die Bajoranerin musste streckenweise rennen, um mit dem weit ausholenden Gul Schritt zu halten. Wie ein eifrig hüpfender, ziemlich erheiterter Schatten folgte sie ihm über die Promenade.

Als der Cardassianer polternd die Krankenstation betrat, fuhr die medizinische Assistentin erschrocken von ihrer Arbeit auf. Sie erkannte den in der Tür stehenden Gul und über dessen Schulter sah sie das Gesicht von Major Kira, die Grimassen schnitt, in der Hoffnung, der Assistentin die Situation klar zu machen. Dukat bemerkte das Fuchteln und wandte den Kopf um. Kira stand sofort perfekt still und lächelte ihn lieblich an. Dann wandte sie sich an die Bajoranerin in der Krankenstation.

„Eldin, wo sind Mrs. Dukat und der Doktor?“ Es folgten wieder ein paar Grimassen.

Eldin musste sich zusammenreißen, um einen ernsten Gesichtsausdruck zu bewahren. Hätte Bashir ihr heute Morgen nicht davon erzählt, was er vorgehabt hatte, hätte sie nun reichlich ratlos vor Kiras Pantomime gestanden. So aber antwortete sie neutral: „Die beiden haben schon vor einiger Zeit zusammen die Krankenstation verlassen.“

„Wo sind sie hingegangen?“, verlangte Dukat zu wissen.

„Sie wollten Sport treiben.“ Es gelang Eldin, das Wort ‘Sport’ derart zu betonen, dass dem Zuhörer sofort klar werden musste, was sie sich für eine Art darunter vorstellte.

„Sport? Was für Sport?“

„Nun, Sport eben.“ Und wieder diese Betonung.

Dukat macht auf dem Absatz kehrt. Bevor Kira hinter dem Gul aus der Krankenstation eilte, machte sie ein Siegeszeichen in Richtung der medizinischen Assistentin. Diesmal brach Eldin lachend über dem Analyse-Terminal zusammen, als sich die Türen geschlossen hatten

„Lokalisieren Sie Dr. Bashir“, befahl Dukat außerhalb der Türe.

Kira tat wie ihr geheißen und hoffte inbrünstig, dass Bashir - wo immer er auch sein möge - sich irgendwie in eine verfängliche Situation gebracht hatte. Weitaus wahrscheinlicher war es jedoch, dass er irgendwo saß und sich eine Standpauke von Madame Dukat anhören durfte. Nun ja, alleine, dass Dukat wenigstens jetzt ein wenig misstrauisch wurde, genügte Kira als kleine Belohnung für ihren Ärger.

„Bashir befindet sich im Replimat“, meinte sie schließlich.

Diesmal gelang es ihr, den Gul zu überholen. Sie schaffte es, vor ihm am Eingang des Replimaten zu sein, und dort einen kleinen Auflauf zu verursachen, der einen Kellner, zwei Gäste und ein großes Tablett mit Suppentellern mit einschloss.

An einem der Tische hob ein junger Arzt den Kopf wegen des Lärms, bemerkte die beiden Neuankömmlinge, bevor sie Gelegenheit hatten, ihn zu bemerken - Dukat war noch damit beschäftigt, den Kellner anzuherrschen, der sich immer noch nicht erklären konnte, über was er eben gestolpert war - und wusste, was zu tun war.

„Athra... ich darf Sie doch Athra nennen?“

Die Cardassianerin hatte dem Lärm nicht so viel Beachtung geschenkt, da sie gerade dabei gewesen war, dem Arzt zu erklären, wie sie es sich erklären konnte, dass sie nur drei der fünf Spiele gewonnen hatte, und zugab, dass er wirklich ein guter Spieler sei, wenn er sie schlagen konnte. Sie waren erst vor wenigen Minuten hierhergekommen, nachdem beide völlig außer Atem und verschwitzt beschlossen hatten, dass sie kein weiteres Match mehr durchstehen konnten.

„Ja, ich glaube, Sie dürfen sich diese Freiheit erlauben. Sie haben sich als beinahe ebenbürtig...“

Bashir wartete den Satz nicht ab, da die Zeit drängte. Dukat hatte eben den Kellner unsanft beiseite geschoben und seine Augen durchsuchten jetzt den Raum. Mit einem lautlosen Stoßseufzer ergriff der Arzt die Hände der Cardassianerin, die auf dem Tisch ruhten.

„Was?...“

In diesem Moment erscholl der Ruf „Da sind sie ja!“ viel zu enthusiastisch für Major Kiras normale Laune durch den Raum. Bashir beschloss, an den Händen vor ihm festzuhalten, als ginge es um sein Leben.

Athra Dukat blickte in Richtung des Schreis und vergaß den Arzt für einen wertvollen Augenblick, der es für Außenstehende so erscheinen ließ, als habe sie nichts gegen seine Berührung.

Dukat starrte entgeistert das Paar am Tisch an. Mittlerweile war sich seine Frau der Gegenwart Bashirs wieder bewusst geworden, und entzog ihm mit einem Ruck die Hände. Diese hastige Bewegung kombiniert mit den verschwitzten und angestrengt wirkenden Gesichtern der beiden ließ den Gul den völlig falschen Schluss ziehen. Mit zwei Schritten war er am Tisch, stieß Bashir vom Stuhl und packte seine Frau am Arm. Diese war viel zu überrascht von dem plötzlichen Ausbruch ihres Mannes, um überhaupt irgendwie zu reagieren. Widerstandslos ließ sie sich von ihm aus dem Replimaten ziehen.

Kira blieb mit einem äußerst zufriedenen Gesicht zurück. Ein Stöhnen neben dem Tisch, lenkte ihre Aufmerksamkeit von den Rücken der Cardassianer ab.

„Doktor!“ Sie kniete sich neben ihn. „Alles in Ordnung?“

Bashir verzog das Gesicht, als er sich langsam wieder am Tisch hocharbeitete. Vorsichtig richtete er den Oberkörper auf. Schließlich ließ er langsam die Luft durch die Zähne ausströmen. „Ich glaube, mein Kreuz ist noch ganz.“ Kira half ihm, sich wieder zu setzen. Ihr Grinsen hatte sich keinen Augenblick verändert. „Aber ich werde morgen den ganzen Rücken mit blauen Flecken übersät haben.“

„Sie haben es geschafft!“ Die Bajoranerin nahm ihm gegenüber am Tisch Platz. Mit einem flüchtigen Blick inspizierte sie das Getränk der Cardassianerin, entschied sich dann aber dafür, dass sie gesünder lebte, wenn sie es nicht anrührte.

Bashir zuckte leicht mit den Schultern - stärker wagte er es nicht wegen der Schmerzen. „Die werden doch sofort merken, dass das nur ein Versehen war“, erwiderte er. „Sobald sie ihm die Sache erklärt.“

„Das schon“, gab Kira ihm recht. „Aber Dukat hat sich hier vor uns dermaßen lächerlich gemacht, dass er uns garantiert in nächster Zeit nicht mehr über den Weg laufen möchte.“

Über das Gesicht des Arztes huschte ein erfreutes Grinsen. „Major, das könnte tatsächlich der Fall sein.“

* * *


Es WAR der Fall, und am nächsten Morgen standen Major Kira Nerys und Doktor Julian Bashir im Büro ihres Commanders, welcher sie beide nachdenklich musterte.

„Dukat hat seinen Besuch hier unerwartet abgekürzt. Er und seine Frau sind heute Morgen reichlich überstürzt abgeflogen.“ Sisko lehnte sich über den Tisch vor. „Sie können sich nicht zufällig erklären, was der Grund dafür ist?“

Kira und Bashir sahen sich an, dann schüttelten beide einhellig den Kopf.

„Nicht im mindesten, Commander“, versicherte der Arzt.

Und Kira fügte mit einem lieblichen Lächeln hinzu. „Wir hatten alle einen außerordentlichen Spaß.“


ENDE

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