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Temporales Inoprovalin

von VGer

Kapitel 25

Augenblicke später waren Annika, Kate, Maggie, und Harry schon in Dimasq, der zentralen Stadt der Region Syria Planum auf dem Tharsis-Plateau, angekommen. Während über Utopia Planitia schon längst die Nacht hereingebrochen war, schien hier noch eine fahle, blaue Abendsonne auf die Kuppeln.
Dimasq unterschied sich stark von Utopia, es hatte einen gänzlich anderen Charakter; das merkte man nicht an der Architektur, die dank der althergebrachten Koloniestrukturen planetenweit ziemlich einheitlich war, sondern am Lebensgefühl. Dimasq war ruhig, denn die wenigsten Touristen verirrten sich hierher und auch die Präsenz der Sternenflotte war kaum spürbar, und vor allem war es grün. Man nannte den Mars zwar gemeinhin den ‚roten Planeten‘ und das Sonnenlicht war silbern und dunkelblau, doch die Stadt war umgeben von den hydroponischen Gärten und Wasseraufbereitungsanlagen, die nicht nur Syria sondern beinahe den halben Planeten mit Lebenserhaltung versorgten. Die Kuppeln von Dimasq waren umgeben von riesigen Reservoiren und durchzogen von einem Labyrinth an Kanälen, und während Utopia nach steriler recycelter Luft und kaltem Warpplasma roch, lag hier der Duft von blühenden Pflanzen in der Luft.
„Wahnsinn.“, murmelte Harry anerkennend, als er sich umsah. „Hätte nicht gedacht, dass es so idyllische Flecken auf dem Mars gibt.“
„Typisch Sternenflotte! Glauben immer, dass der Planet Mars nur ein Kollateralschaden der Werft sei, nicht umgekehrt.“, kommentierte Kate, der patriotischste Marsmensch von allen, dann fügte sie errötend hinzu, „Nichts für ungut, Sir.“
„Schon in Ordnung, Kate. Wir haben doch Urlaub. Kannst du vielleicht die Tatsache, dass ich dein Captain bin, ignorieren bis wir wieder an Bord der Kirk sind und den Marsorbit verlassen haben?“, bat Harry.
„Selbstverständlich, Sir.“
Kate nickte ernsthaft und Harry lachte schallend.
„Was hast du bitte gemacht, seit wir hier angedockt haben?“, wollte Maggie wissen. „Zehn Tage auf dem Mars, und kein einziges Mal in Syria gewesen, obwohl Erholung auf dem Programm steht? Das gibt’s doch nicht!“
„Ich nehme an, er hat die Flottenwerft nur verlassen um die Erde zu besuchen … oder den Cat Club.“, kommentierte Annika sardonisch und Harry machte sofort ein Gesicht wie ein ertappter Schulbub.
Der Cat Club war das berühmt-berüchtigte Unterhaltungsetablissement in Utopia Planitia , bekannt bis weit über die Sektorengrenzen hinaus. Er bewarb sich selbst recht stolz als das größte und vielseitigste im Sol-System, wurde von einer geheimnisvollen Orionerin geführt, deren angebliche Verbindungen zur interstellaren Mafia nur noch mehr zum aufregend verruchten Ruf des Clubs beitrugen. Tatsächlich konnte man dort Tage verbringen ohne sich zu langweilen, je nachdem worauf man eben aus war … Maggie rollte wissend mit den Augen. Zwar hatte sie auch schon einige vergnügliche Nächte im Cat Club verbracht, wie fast alle jungen Marsbewohner hatte sie auf den Tag hingefiebert, an dem sie endlich alt genug war um hineingelassen zu werden, doch als es so weit war hatte es sehr schnell an Reiz verloren. Die meisten Einheimischen mieden dieses Etablissement wie einen Warpkernbruch, weil es voll von gelangweilten Sternenflottenoffizieren auf Landurlaub und abenteuerhungrigen Kadetten und Touristen im Allgemeinen war. Doch es war genau Harrys Kragenweite, so viel war sicher. Kate rollte ebenfalls mit den Augen, denn das war wieder etwas, was sie sich lieber nicht vorstellen wollte, wenn es ihren Captain betraf.
„Kommt schon!“, rief Annika und wies ihnen den Weg, weg von der geschäftigen Transporterstation.
Sie bestiegen eins der breiten Förderbänder, die den Fußgängerverkehr überall auf dem Mars regelten, und ließen sich durch den Stadtkern von Dimasq fahren. Kate zeigte auf die eine oder andere Sehenswürdigkeit, dann begann der hydroponische Stadtwald und schließlich fuhren sie noch einige hundert Meter an der Wasserlinie entlang, bis wieder einige Gebäude auftauchten. Das markanteste davon war zwar nur fünfstöckig, was ungewöhnlich war auf einem Planeten der fast nur aus uniformen Hochhaustürmen unter den engen Begrenzungen der Kuppeln bestand, aber dafür war es enorm weitläufig und es schien in das Reservoir hinein zu ragen. Als sie näher kamen, wurde sichtbar, dass es eine riesige Glasfront besaß und sich davor eine Terrasse befand, die auf Stelzen über der spiegelglatten Wasseroberfläche gebaut war. Leise Musik und Stimmen strömten herüber, umso deutlicher je näher sie kamen, und das monotone Surren des Förderbands wurde bald davon übertönt.
„Das Grand Damaskus Hotel!“, rief Maggie freudig aus, als sie endlich erkannte wo sie waren. „Phänomenal! War das deine Idee, Annie?“
„Ein sehr geschichtsträchtiger Ort. Hier wurde die Marsunabhängigkeit ausverhandelt.“, erklärte Kate, die sich als Touristenführerin für Harry hervorgetan hatte. „Damaskus ist eine Stadt auf der Erde, in alten Zeiten war das die Hauptstadt eines Nationalstaats namens Syrien. Die ersten Kolonisten haben Dimasq danach benannt, weil Fadil el-Bashir, der Erste Offizier von Ares-IX, dort geboren wurde und weil die Region hier ja Syria Planum heißt. Die Separatisten wollten die Stadt zuerst umbenennen, als wir keine Kolonie der Erde mehr waren, aber der Name hat sich gehalten.“
„Mein liebes Kind, du vergisst immer das Wichtigste. Hier gibt es hier den besten Gin Tonic auf diesem Planeten, sogar in diesem Sektor. Nach den Ereignissen der letzten Tage haben wir uns etwas Entspannung verdient. Wir haben zwar schon gegessen, aber Drinks mit Blick übers Reservoir sind genau das Richtige, wenn ihr mich fragt.“, sagte Annika und stieg bei der Haltestelle behände vom Förderband.
Maggie und Kate folgten ihr mit einem großen Schritt und dann noch einem; nur bei Harry, der anders als jeder normale Marsmensch an die Fortbewegung auf Förderbändern nicht gewohnt war, sah es etwas weniger elegant aus.
Sie betraten das vornehme Gebäude; eine fröhliche Bolianerin führte sie durch einen großen Saal hinaus auf die Terrasse. Kurz bevor sie ihren Tisch erreichten, wurden sie von einem Ruf unterbrochen. Sie sahen sich um, und dann sahen sie das Winken von zwei Menschenfrauen, die an einem nahegelegenen kleinen Tisch saßen.
„Meg! Mac!“, rief Harry erfreut aus. „Was macht ihr denn hier?“
„Wir wohnen hier, das weißt du doch!“, antwortete die Blonde und erhob sich, um Harry und alle anderen freudig auf die Wangen zu küssen.
„Also, nicht hier im Hotel, aber hier in Dimasq, drei Kuppeln weiter stadtauswärts. Mac ist sogar hier aufgewachsen.“, fügte die Dunkelhaarige grinsend hinzu. „Wollt ihr euch nicht zu uns setzen, wenn ihr schon mal da seid?“
„Wir wollen euch wirklich nicht stören.“, sagte Annika eilig.
„Keine Sorge, das ist kein romantisches Rendezvous. Wir waren nur beide lang unterwegs und wollten etwas an der frischen Luft sein um dem Raumschiffkoller entkommen.“, lachte die Blonde mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Später kommen noch Jenny und Justin und die Kleinen, dann ist an traute Zweisamkeit sowieso nicht mehr zu denken.“
„Wenn Sie alle zusammen sitzen möchten, folgen Sie mir doch bitte. Sie haben Glück, ich habe einen größeren Tisch für Sie, ganz draußen am Wasser sogar.“, informierte die bolianische Kellnerin höflich.
„Klingt gut.“, nickte Harry, dann wandte er sich an die drei Frauen in seiner Begleitung. „Ich weiß ja nicht was ihr vor hattet, aber ich würde mich freuen etwas mit Meg und Mac zu plaudern. Ich hab‘ euch ja schon ewig nicht mehr gesehen!“
„Durchaus akzeptabel.“, bestätigte Annika lächelnd.

Kurz darauf hatten sie ihren Platz an einem riesigen Tisch am äußersten Ende der Terrasse gefunden. Die Bolianerin hatte sie mit Drinks und Knabbereien versorgt und die Abendsonne glänzte über dem Reservoir, während das Gespräch immer lockerer und angeregter wurde. Die Beklemmung, die sie beim Abendessen mit dem Admiral verspürt hatten, schien wie verflogen. Nur Maggie saß uncharakteristisch still da, nippte an ihrem Gin Tonic und beteiligte sich nicht weiter, sie schaute lieber auf das Wasser hinaus. Es gab zu viel, worüber sie noch nachdenken musste, denn zu viel war passiert um einfach zur Normalität übergehen zu können. Sie bewunderte Kate, die das ganz offensichtlich mühelos konnte, und sinnierte weiter vor sich hin.
„Wir haben zusammen gewohnt, als wir noch Kadetten waren, ich kann mich noch genau erinnern wie Maggie drauf war als sie Navtech absolvieren musste. Aber das war nichts dagegen, du hättest ihren Gesichtsausdruck sehen müssen!“
Maggie schreckte hoch, als sie Kate ihren Namen sagen hörte. Sie blinzelte kurz, um wieder aufmerksam zu werden, und schaute in die Gesichter der fröhlichen Runde am Tisch, während sie die Worte, die sie nur am Rande mitbekommen hatte, in ihrem Kopf so zusammensetzte, auf dass sie auch Sinn ergaben.
„So schlimm, ja? Erzählt mir mehr davon!“, verlangte Meghan Delaney schadenfroh. „Wir alle kannten dich, als du noch ein Fähnrich warst, Mac … Aber eine McKenzie Jenkins, die kaum weiß wie man ein Schiff geradeaus fliegt, das kann und will ich mir einfach nicht vorstellen!“
„Ganz und gar nicht!“, bestätigte Harry. „Damals, als wir auf der Voyager gemeinsam Nachtschichten geschoben haben, war ich ein schlechter Kommandant, aber du warst immer eine gute Pilotin, Mac. Du bist nur zu lange in Toms Schatten gestanden. Das war unvermeidlich, damals. Aber danach …“
„Und ich hatte schon befürchtet, dass du mir jetzt dieses eine Mal vorhältst, als ich die Enterprise beinahe geschrottet hätte.“, knurrte Mac widerwillig.
„Die Mission in der Typhon-Ausdehnung?“, grinste Harry. Er erinnerte sich nur zu genau, schließlich hatten sie nach der Rückkehr in den Alphaquadranten nochmals fast sieben Jahre miteinander gedient. „Das war Nogs Schuld, eigentlich, und an dem Tag ist alles schiefgegangen was schiefgehen konnte. Reden wir nicht mehr darüber. Also, Maggie, sag schon, wie war das jetzt mit der anderen Mac Jenkins?“
„Oberste Temporale Direktive.“, versuchte Maggie sich zu verteidigen, hauptsächlich weil sie immer noch nicht wusste worum es genau ging, und sie wurde dabei so rot wie die Oberfläche ihres Heimatplaneten aus dem Orbit aussah.
„Irrelevant.“, kommentierte Annika. „Jene Zeitlinie wurde ausgelöscht, als die Voyager heimgekehrt ist, und hier sind wir. Alles, was passieren musste, ist schon passiert. Du kannst also davon erzählen ohne die Zeitlinien zu kompromittieren.“
„Also wirklich, Mama … Das hast du auch schon gesagt, als wir im Museum die Voyager besichtigt haben und den Admiral und dich über die Rückkehr ausgefragt haben.“, grinste Kate frech. „Wie alt waren wir da? Neun vielleicht, oder zehn? Keinesfalls älter, Daddy war da noch dabei, das weiß ich genau.“
„Damals wussten wir noch nicht was wir heute wissen, und ihr wart noch Kinder.“ Annika schmunzelte wieder kryptisch, dann schwieg sie beredt.
„Das war fast so als sei ich im falschen Holoroman gelandet.“, platzte Maggie schließlich heraus, und als rundherum geschwiegen wurde und sie die Reaktionen nicht genau einordnen konnte fügte sie eilig hinzu, „Ich möchte nicht respektlos klingen, Ma’am, aber so war es.“
„Ach, lass doch die Formalitäten. Wir sind beide nicht in Uniform, haben einen Drink in der Hand, und du bist auch keine meiner Flugschülerinnen mehr.“ Captain Mac Jenkins schenkte Maggie ein aufmunterndes Lächeln während sie ihr Glas erhob.
„Das war so skurril! Ich musste wirklich die ganze Zeit an die Navtech-Prüfung denken, an den Teil mit dem Koordinatenblindflug, die Sternenkarten auf der Voyager waren ja unvollständig. Ich habe mir vorgestellt diese andere Mac Jenkins sei meine Instruktorin, die sich absichtlich blöd stellt weil das Szenario es so verlangt, anders hätte ich das nicht geschafft!“
Mac lachte schallend und alle anderen fielen mit ihr ein, und schließlich konnte auch Maggie nicht anders und musste auch lachen. Als sie sich wieder einigermaßen gefangen hatte, klatschte Mac Maggie anerkennend auf die Schulter.
„Du kannst stolz auf dich sein, Janeway. Ich hoffe doch sehr, dass deine Mutter und Annika und alle anderen dir das schon gesagt haben. Gut gemacht.“
„Danke, Ma’am … Mac.“
Ein Wort des Lobes von Captain Mac Jenkins war so selten wie ein Sauerstoffmolekül im Vakuum des Weltalls; als Kadett hatte Maggie Janeway kaum je eins zu hören bekommen, und das obwohl sie immer die Klassenbeste gewesen war. Mac schien ihre Verunsicherung zu spüren und lächelte wieder.
„Ich war streng zu dir, Janeway. Wahrscheinlich hast du mich deshalb gehasst, das kann ich dir nicht mal verübeln. Aber ich verlange das Extreme von meinen Schülern nur deshalb, weil der Dienst in der Sternenflotte uns das Extreme abverlangt öfter als uns das vielleicht lieb ist, und darauf muss die Akademie vorbereiten. Zu den wirklich guten Leuten bin ich nur deswegen härter als zu den mittelmäßigen oder gar den schlechten, weil sie später dort sein werden, wo sie besser sein müssen. Wer damit umzugehen lernt ohne sich unterkriegen zu lassen, in der Ausbildung und in der Realität, der hat meinen vollsten Respekt.“
Maggies Augen weiteten sich voll Verwunderung, als die Worte in ihr Gehirn sickerten, und dann strahlte sie wie nie zuvor.
„Es war nicht ich, die uns da hinausgeflogen hat.“, wandte sie dann ein, und sie spielte ihre Bescheidenheit nicht.
„Jedes Halbhirn kann ein Raumschiff fliegen, und ein Steuerpult allein macht keinen guten Piloten aus. Wenn du das nicht verstanden hast … dann solltest du besser nochmal nach San Francisco kommen, montags um 1330 Stunden findet im Cochrane-Saal meine Einführungsvorlesung für Angewandte Astronautik statt.“, merkte Mac sarkastisch an, doch ihre schalkhaft blitzenden blauen Augen verrieten sie sofort.
Maggie hielt die Luft an und blieb sprachlos.
„Ich weiß, wie gute Piloten ticken, Janeway. Wenn dir der Dienst auf der Kirk zu langweilig wird, kannst du dich jederzeit bei mir melden.“, fuhr Mac fort. „Ich bin immer auf der Suche nach Testpiloten, die wissen was sie tun.“
„Der Gedanke ist mir schon einmal gekommen.“ Maggie lächelte zaghaft. Natürlich war sie stolz, dass ihr erster Dienstposten nach der Akademie sie auf eins der prestigeträchtigsten Raumschiffe der Sternenflotte geführt hatte, doch hin und wieder hatte sie sich nach Nervenkitzel und Herausforderungen gesehnt, während sie die Kirk auf den gut ausgebauten interstellaren Routen entlangflog. „Aber nach diesem Testflug auf der Pioneer … ich muss ehrlich gestehen, ich freue mich schon wieder auf Routinemissionen.“
„Ich verstehe. Lass es mich wissen, wenn du deine Meinung änderst.“ Mac grinste, und dann wandte sie sich an ihren alten Freund und Kameraden, „Ich hoffe, du weißt was du an ihr hast, Captain Kim, also behandle sie gefälligst gut.“
„Das weiß ich nur zu gut.“, sagte Harry vieldeutig.
Maggie stockte wieder der Atem, sie glotzte blöd in ihren Schoß und leerte dann ihren Drink in einem Zug, weil ihr nichts besseres einfiel.

„Gab’s auch eine andere Meghan Delaney?“, wollte Meg wissen, betont heiter, um das Thema zu wechseln, denn auch ihr war nicht entgangen was nicht ausgesprochen wurde.
„Wer weiß? Begegnet wäre sie uns jedenfalls nicht, und die Astrometrie der Voyager war ganz in Harrys Händen.“ Kate zuckte mit den Schultern.
„Schade, eigentlich.“, lachte Meg, und nach einem schelmischen Seitenblick auf ihren alten Freund Harry fügte sie hinzu, „Ich wüsste ja nur zu gern, ob dieser Harry Kim uns nach 23 hoffnungslosen Jahren immer noch hinterhergelaufen ist.“
„Oh, Meghan, du bist unmöglich!“ Mac lachte auf, dann wandte auch sie sich mit einem zuckersüßen Lächeln an Harry. „Harry, bitte ignoriere meine Frau einfach, wenn sie Schwachsinn redet. Für mich funktioniert das meist ganz gut …“
„Wer ist jetzt unmöglich, McKenzie?“, konterte Meghan, gespielt erbost, doch in ihren dunklen Augen funkelte es verdächtig.
„Unmöglich war wohl ich.“ Harry knirschte mit den Zähnen. „Jede von euch hat mich mehr als nur einmal abgewiesen, ich hätte den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen müssen.“
„Längst vergeben und vergessen, Harry.“, grinste Meg, dann beugte sie sich über die Ecke des Tisches demonstrativ zu Mac hinüber und küsste sie auf die Wange.
„Du hast einen guten Geschmack in Sachen Frauen, das muss man dir lassen.“, flachste Mac, während sie einen possessiven Arm um Megs Schultern legte. „Nur diese hier, die ist längst vergeben, das kannst du vergessen. Sorry.“
„Und das ist gut so. Hätte ich sonst auf eurer Hochzeit getanzt?“ Harry grinste. „Wie lang ist das jetzt her, sicher schon zehn Jahre?“
„Erst sieben … glaube ich jedenfalls.“, korrigierte Mac. „Sehen wir so alt aus?“
„Sieben.“, bestätigte Annika. „Sternzeit 72381.1, wenn du es genau wissen willst.“
„Verdammt, Annie, wieso erinnerst du dich an meinen Hochzeitstag besser als ich?“, beschwerte sich Meg.
„Versuch’s doch mal bei Annika, Harry. Was man so hört, ist sie wieder ungebunden, und du wolltest doch früher schon einmal mit ihr kopulieren.“ Mac prustete vor Lachen und kollabierte auf Megs Schulter.
Maggie zuckte peinlich berührt zusammen, einmal wieder. Keine Frage, sie war daran gewöhnt das Erbe der Voyager mit sich zu tragen, doch die alten Kameraden unbeschwert miteinander scherzen zu hören, so wie sie selbst mit ihren Freunden scherzen würde, das befremdete sie immer wieder aufs Neue. Sie erstarrte zwar nicht in Ehrfurcht vor den Veteranen der Voyager, wie es die meisten taten – sie wusste sehr genau, dass das alles nur ganz gewöhnliche Leute mit ganz gewöhnlichen und doch ziemlich außergewöhnlichen Leben waren – doch sie war viel zu involviert in das alles um davon unbeeindruckt zu bleiben.
Unter dem Tisch, sicher verborgen vor den Blicken der anderen, tastete sich eine große Hand über Maggies Knie zaghaft vor. Sie ergriff sie und ihre Finger verschränkten sich ineinander, doch bis auf ein kleines Lächeln ließen sie sich beide nichts anmerken.
„Übrigens … Harry, Annika, bevor ich’s vergesse.“ Mac griff den Faden wieder auf und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. „Ich soll euch schöne Grüße von Nog ausrichten. Ich war mit dem Explorer-Prototypen draußen auf der Deep Space 3, vor ein paar Tagen, und dort habe ich die Enterprise getroffen.“
„Ich war vor ein paar Tagen auf der Erde und habe Jake getroffen.“, antwortete Harry. „Er war ganz bedrückt, dass Nog schon wieder so lange unterwegs ist, und er hat mir auch aufgetragen, euch allen Grüße zu bestellen.“
„Und wenn wir irgendwann alle zur selben Zeit im selben Sektor sind, dann feiern wir.“, wiederholte Meg mit dem typisch alphacentaurischen kühlen Pragmatismus das, was sie alle oft genug gesagt hatten. „Fragt sich nur wann, wenn überhaupt.“
„Schaut mal wer da ist!“, rief Mac dazwischen, und die Ablenkung kam auch diesmal gerade recht.
Viele der Voyager-Veteranen hatten sich auf dem Mars niedergelassen, aber das war eher Zufall gewesen. Keiner von ihnen war ein Marsmensch gewesen, bevor sie zu Marsmenschen geworden waren und ihre Kinder als Marsmenschen geboren wurden, keiner außer Mac Jenkins, die von den ersten Siedlern abstammte. Jetzt waren sie alle Marsmenschen, manche mehr und andere weniger. Mac streckte ihre Hand nach oben und winkte. Katie und Martin rissen sich von ihren Eltern los und rannten mit begeistertem Johlen auf ihre Tanten zu; Jenny Delaney und Justin Jarvin trotteten mit dem jüngsten Familienzuwachs – ein Sohn, und sie hatten ihn Yaakov genannt, ein traditioneller marsianischer Name – auf dem Arm hinterher.
„Was für eine Überraschung!“, rief Jenny erfreut aus. „Ich hab euch reinkommen gehört, Annika, ich war im Dienst. Ich hatte heute den intrasystemischen Verkehr über, sonst hätte ich euch selbst reingeholt. Ist alles gut gegangen beim Testflug?“
„Das ist eine lange Geschichte …“ Annika Barclay lachte und erhob sich, um die Neuankömmlinge zu umarmen.
„Wir haben Zeit.“, grinste Justin und übergab seinen Sohn an seine Schwägerin, bevor er noch zwei Stühle heranschaffte.
Harry nutzte die Gelegenheit, die sich durch den Tumult der Ankunft bot, um sich unbemerkt an Maggie zu wenden. Ihr Herz begann unwillkürlich zu rasen und sie hielt die Luft an; obwohl sie die letzten paar Stunden seit ihrer Rückkehr miteinander verbracht hatten, vermisste sie ihn noch immer.
„Hast du heute Abend schon etwas vor, schöne Frau?“, wollte er wissen.
„Das kommt darauf an, was du vor hast.“, flüsterte sie schmunzelnd zurück, offenbar hatten sie dieselben Gedanken, dann¬ überlegte sie kurz und fügte hinzu, „Aber eigentlich bin ich ziemlich k.o., ich weiß nicht ob ich noch ausgehen möchte.“
„Lass uns hierbleiben … das ist doch ein Hotel, oder nicht? Ich buche uns diskret eine Suite, wir verschwinden sobald es dir zu viel wird, entspannen uns und lassen uns verwöhnen. Was hältst du davon?“
„Das klingt herrlich, Harry. Machen wir es so.“
Maggie lächelte dankbar und bemühte sich, Harrys Blick nicht mehr zu treffen, um ja nicht aufzufallen. Sie hatte ja schon mehr als genug Übung darin, diese lebensrettende Scharade aufrecht zu erhalten.

Es wurde noch viel gelacht und geredet an diesem Abend, so unbeschwert und gleichzeitig ganz ernsthaft, so wie meist wenn die Pioniere zusammensaßen. Sie erinnerten sich an alte Zeiten und schmiedeten Pläne für die Zukunft, und mittendrin stand die temporale Anomalie, die Vergangenheit und Zukunft zusammenlaufen ließ.

„Können wir bitte über etwas anderes reden?“, flehte Maggie und hob ihr gut gefülltes Glas wieder zu ihren Lippen. „Von temporalen Anomalien bekomme ich Kopfschmerzen, und temporales Inoprovalin wurde noch nicht erfunden.“
„Außerdem verträgt Inoprovalin sich nicht mit echtem Alkohol, soweit ich weiß.“, fügte Kate, hilfsbereit wie immer, hinzu.
„Ach was, Inoprovalin hilft doch für und gegen fast alles!“, wiegelte Justin ab.
„Aber ein Abend wie heute ist viel zu schön, um ihn an Synthehol zu verschwenden.“, lächelte Harry. „Das sollen uns die Kopfschmerzen doch wert sein.“
„Hört, hört!“, rief Mac amüsiert und hob ihr Glas.
Maggie lehnte sich zurück und sah sich um, und dann von einem zum anderen, während sie sich müde die Schläfen rieb. Das Unmögliche war möglich geworden. Leben auf dem Mars, es gab tatsächlich Leben auf dem Mars, und es war ihr Leben.



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