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Guter Mensch

von Oriane

Guter Mensch

Guter Mensch


„Alzey, was hast du getan?“ Jiddin Bernstein verdrehte die Augen, als der Turbolift mit einem Ruck und einem Knirschen stehen blieb und plötzlich die Beleuchtung ausfiel.
„Ich habe nichts getan, Jiddin“, wehrte er ab.
„Sicher.“ Ihre Stimme triefte vor Ironie.
„Diesmal war ich es wirklich nicht!“, protestierte er und lehnte sich gegen die Wandverkleidung des Lifts, die Arme vor der Brust verschränkt. Jiddins Lockenkopf fuhr herum und sie fixierte ihn, nachdem sie in Windeseile die Kontrollen des Turbolifts inspiziert hatte. „Seit du auf diesem Schiff aufgetaucht bist, bis du an allem Schuld gewesen, was irgendwie schief gelaufen ist. Du bist auf keinen Fall zufällig hier und dass du gerade mit mir zusammen im Turbolift stecken bleibst, ist auch kein Zufall. Ich will endlich wissen, hinter wem oder was du diesmal her bist!“
Alzey ließ sie sich aufregen und über ihn wettern, doch er reagierte nicht, sondern lächelte nur leise. Er wusste, dass sie das nur noch mehr auf die Palme bringen würde und er musste zugeben, dass er ihre wütende Ausstrahlung auf eine Weise liebte, die er nicht erklären konnte. Zu kompliziert hatte sich ihre Beziehung herausgestellt.
„Alzey Crowd, ich will wissen, was du im Schilde führst!“
Jiddin befand sich bereits seit zwei Wochen auf dem der U.S.S. Chicago. Über einen von Sloans inoffiziellen Wegen war sie als Crewman eingeschleust worden, er hielt das für die beste Möglichkeit, an den Mann heranzukommen, dessen Arretierung Jiddin so glorreich verbockt hatte. Das lag nun vier Jahre zurück. Vier Jahre, in denen sie nichts anderes versucht hatte, als ihren Fehler zu korrigieren, als sich vor Sloan zu behaupten und ihr Leben dabei zu vergessen. Sie konnte nur spekulieren, warum Luther Sloan sie nicht längst suspendiert und ihr Schweigepflicht unter Androhung irgendwelcher Grausamkeiten verordnet hatte. Sie machte nicht den Fehler zu glauben, dass er sie über die Entfernung nicht überwachte und mit Alzey war ein Problem aufgetaucht, das sie lieber löste, bevor Sloan überhaupt erfuhr, dass das Problem existierte. Diese merkwürdige zweite Chance, die sie von einem Mann erhalten hatte, von dem sie es am wenigsten erwartet hatte, durfte sie nicht fallen lassen.
„Kleine, ich führe nichts im Schilde.“ Sanft hob Alzey den Kopf und sah sie an.
„Nenn' mich nicht so“, knurrte Jiddin, aber sie spürte, wie bereits ein Teil ihres Ärgers und Misstrauens verflog. Natürlich wusste sie, welchen Einfluss dieser Mann auf sie hatte, zu präsent schwirrten die Bilder ihres letzten Einsatzes vor ihrem inneren Augen herum. Wütend stemmte sie sich innerlich gegen diese Gefühle.
„Jiddin, um ehrlich zu sein bin ich hier, um dich zu sehen“, begann Alzey und stieß sich von der Wand ab, um einen Schritt auf sie zuzumachen, aber sie drehte sich weg.
„Hast du nicht verstanden, was passiert ist? Ich stehe auf der anderen Seite, Alzey, ich war der Maulwurf in Diensten deines Auftraggebers. Du bringst dich und mich in Gefahr, indem du hier auftauchst.“
Es war einer ihrer ersten Aufträge gewesen, nachdem Sloan mitten in der Nacht bei ihr aufgetaucht war. Er hatte sie bei der Verbrecherorganisation eingeschleust, dessen Oberhaupt sich durch die Welt bewegte wie Rauch – er infiltrierte mit Leichtigkeit jede Ritze und ließ sich nicht fassen. Anscheinend hielt Sloan sie wegen ihrer Vergangenheit bei der Federation Security für geeignet – wie sehr hatte er sich getäuscht.
Damals lernte sie auch Alzey kennen, doch nach sechs Monaten flog sie auf.
„Ich hätte dir nicht zur Flucht verholfen, wenn ich nicht einen guten Grund gehabt hätte, Jiddin. Und ich kann dir ansehen, dass ich keine reine Informationsquelle für dich gewesen bin. Wovor versteckst du dich?“
„Reine Gewohnheit. Ich verstecke mich vor allem.“ Natürlich spürte ihre betazoidische Seite, dass er wirklich empfand, was er sagte, aber die menschliche Seite in ihr traute ihm nicht. „Alzey, du bist der Feind, wenn man so schwarz-weiß denken will. Wie kann ich sicher sein, dass du nicht das gleiche vorhast, wie ich damals. Ich war ein Spion, ich habe dich ausgenutzt. Warum glaubst du immer noch, dass mehr dahinter steckt?“
„Kannst du nicht“, gab er zu und zuckte mit den Schultern. „Und glaub mir, ich bin vermutlich verwirrter als du, dass ich plötzlich hier bin, aber du könntest mir in dieser einen Sache vertrauen, nämlich dass mir auf absurde Weise etwas an dir liegt, Jiddin.“
Ruckartig hob sie den Kopf. Das war so gar nicht der Alzey Crowd, den sie kennengelernt hatte. Der Mann, der ihr vor einem Jahr begegnet war, hielt sich verschlossen, wirkte beinahe scheu. Unsichtbar ging er präzise seiner Arbeit nach, egal wie diese aussehen mochte. Natürlich wusste sie, dass er nicht gerade eine weiße Weste vorzeigen konnte, aber das, was sie so fasziniert hatte, als sie ihn kennengelernt hatte, war seine Gefühlswelt. Der Naivität, dass er im Grunde seines Herzens ein guter Mensch war, gab sie sich nicht hin, aber sie war überzeugt, dass irgendwo, tief in seinem Innern etwas gutes und ehrliches steckte. Oft genug überlegte sie, ob diese Annahme nicht gefährlich war, ob sie riskieren konnte, darauf zu hoffen, dass er diese Seite im Umgang mit ihr ausspielte. Das erste, was Luther Sloan ihr eingetrichtert hatte, war niemandem zu vertrauen, außer sich selbst. Aber im Umgang mit Alzey traute sie nicht einmal mehr sich selbst. Meistens ignorierte sie die Paranoia, die sie Tag und Nacht verfolgte. Sie wollte glauben, dass in ihr noch die alte Jiddin steckte, die junge Frau, die an das Gute geglaubt hatte und dafür kämpfen wollte. Sie wurde überschattet von der neuen, kalten, misstrauischen Jiddin, die ihr, wenn sie darüber nachdachte, überhaupt nicht gefiel. Sie gab Sloan nur teilweise die Schuld, immerhin hatte sie sich bereitwillig formen lassen.
Doch jetzt, wo Alzey vor ihr stand und behauptete, dass er wegen ihr hier in den Tiefen des Weltraums mit ihr in einem defekten Turbolift stand, kam ihr der Gedanke, dass sie noch immer Herr über sich selbst war. Vielleicht war es möglich, innerhalb den von Sloan gegrabenen Wegen eigene Pfade zu gehen. Es war an der Zeit, einen Teil der alten Jiddin wieder auszugraben.
In einer fließenden Bewegung strich sie sich verirrte Locken aus der Stirn, überwand mit zwei Schritten die Distanz zu ihrem Gegenüber.
„Hör zu. Ich bin fast so weit, dir zu glauben, was du sagst, aber wie stellst du dir das vor? Wir können uns nicht treffen, ohne dass wir jemals sicher sein können, dass der eine den anderen ausspioniert. Ich stecke viel zu tief in der Klemme, ich brauche jede Information, die ich kriegen kann.“
„Jiddin, du siehst dich zu sehr als Teil einer Organisation. Das was ich meine betrifft nur uns beide als Personen, als freie Bürger der Föderation.“
Fast hätte sie laut aufgelacht. Freie Bürger der Föderation, das klang so unglaublich falsch. „Eigentlich dachte ich immer, ich sei die Naive von uns beiden.“
„Du bist wirklich paranoid geworden. Wohin ist sie verschwunden? Die selbstbewusste, freie Jiddin, die ich kennengelernt habe?“
„Weißt du Alzey, ich denke nicht, dass diese Jiddin damit einverstanden wäre, was du tust“, gab sie zu, aber selbst in ihren Ohren klang es wie eine billige Ausrede. Es war nicht so, als wüsste sie nicht genau, dass auch Sektion 31 sich nicht scheute, über Leichen zu gehen. Auf einmal spürte sie, wie seine Haltung abweisend wurde und schalt sich sofort in Gedanken für ihr Argument. „Das war sie auch nicht, als sie dir begegnet ist“, fuhr sie fort. „Aber das hat sie leider nicht davon abgehalten, sich in dich...“
Sie wollte es nicht aussprechen, wollte sich selbst nicht gestehen, was sie fühlte und sie war erleichterter als nie zuvor, dass er nicht die Fähigkeit besaß, ihre Gedanken oder Gefühle zu lesen. Alles in ihr schrie danach, keinen schrecklichen Fehler zu begehen, doch dafür besaß der Fehler einfach zu viel Reiz. Als sie wieder zu ihm aufsah, spürte sie, dass er wusste, was in ihr vorging.
„Du hast recht. Es wird nicht funktionieren“, sagte er leise. Alles in ihr bäumte sich auf, um ihm zu widersprechen, aber diese Diskussion würde nie enden, wenn sie an diesem Punkt ihre eigenen Argumente widerlegte.
„Naivität muss ansteckend sein.“
Es war nicht böse gemeint. Er setzte ein resigniertes Lächeln auf und fuhr ihr mit dem Handrücken über die Wange, als der Turbolift sich plötzlich wieder in Bewegung setzte.
„Du hast etwas getan, Alzey“, beharrte Jiddin schmunzelnd.
„Nein, ehrlich nicht!“ Er machte eine abwehrende Handbewegung. „Ich würde nie etwas tun.“ Belustigt beobachtete er, wie sich Jiddins Miene zu einer gespielt vorwurfsvollen Grimasse verwandelte.
„Deck 5“, verkündete die Computerstimme und als sich die Türen zischend öffneten.
„Geh jetzt, Alzey. Es ist gefährlich, wenn du hier bist“, erklärte Jiddin sanft.
„Du wolltest nach Deck 5.“
„Du weißt, was ich meine!“ Sie verdrehte die Augen, als sie seine Belustigung spürte.
Er nickte schließlich. „Ich weiß.“
Damit drehte sie sich um und verließ den Turbolift, bevor jemand sie zusammen sehen konnte. Der Gang war glücklicherweise leer und sie erlaubte sich, sich noch einmal umzudrehen, aber obwohl die Türen des Lifts noch offen standen, war Alzey Crowd verschwunden. Und auch, wenn bei ihrem Gespräch äußerlich nicht viel herausgekommen war, so wusste sie doch, dass sie ihn wiedersehen würde, unter welchen Umständen auch immer. Jedoch würde sie ihn dann weniger als ein Mitglied einer Verbrecherorganisation sehen, sondern mehr als der Mensch der er war. Dass er ein guter Mensch war, hatte sie noch nie geglaubt, aber wer war sie schon, darüber zu urteilen?
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