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Die Flamme der Hoffnung

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Major Kira Nerys konnte an Jadzia Dax´ Gesicht ablesen, wieviel Erfolg sie gehabt hatte - keinen. Die Trill begegnete ihrem Blick, und die Trauer, die seit zwei Tagen die Station beherrschte, spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. Sie trat zu Kira an die taktische Station und rieb sich mit einer müden Geste über die Augen, vielleicht auch, um die Tränen zu verreiben, die sich in ihren Augenwinkeln gefangen hatten. Sie stützte sich schwer auf die Konsole. Kira streckte ihre Hand aus und berührte sanft Dax´ kalte Hand. Die Trill sah auf, und ein leises, trauriges Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Sie ließ ihre Hand in Kiras gleiten und erwiderte den leichten Druck, der wortlos so viel übermittelte.
Kira wusste, wie nahe Dax Sisko stand, wusste, dass Jake für sie fast wie ein Patensohn war. Curzon hatte ihn als Baby auf den Knien geschaukelt, Jadzia hatte ihm als jungem Mann mit dem Rat von sieben Leben zur Seite gestanden.
„Und?“ Kira wusste, dass sie die Frage eigentlich nicht stellen musste, das Ergebnis der Unterhaltung mit Sisko stand der Trill ins Gesicht geschrieben. Dax warf einen Blick zu der leeren Konsole, an der sonst Worf stand. Sie hätte sich gewünscht, ihn jetzt zu sehen, in seinen Augen die stille Kraft des Kriegers zu lesen, um daraus Stärke für sich selbst zu ziehen. Aber Worf untersuchte zusammen mit O´Brien die Überreste der Ganges, die das Wurmloch ausgespien hatte - viel war es nicht.
„Sein Entschluss steht fest, Nerys.“ Dax schauderte sichtlich. „Er will zur Erde zurückkehren. Ich glaube, er hat allen Mut zum Leben verloren.“
Kira runzelte die Stirn. „Nein, nicht den Mut, Jadzia, den Glauben.“
Die Trill blickte sie müde an. „Glaube? Woran soll er noch glauben, Nerys? Erst hat er Jennifer verloren, doch es gab Jake, Jake, den er beschützen musste, für den er stark sein musste, für den er weiterleben musste, und nun ist er tot. Sag mir, woran soll er denn noch glauben?“
Dax konnte sehen, wie Kiras Blick unwillkürlich zum Sichtschirm schweifte, dorthin, wo man das Wurmloch sehen konnte, wenn es sich öffnete. Momentan sah man jedoch nur die Dunkelheit des Alls.
Die Trill schüttelte den Kopf. „Wo sind deine Propheten, wenn man sie braucht, Nerys? Waren sie je da, wenn du sie brauchtest?“
Kira drückte Dax´ Hand ein wenig fester und blickte sie eindringlich an. „Sie haben immer an mich geglaubt, Jadzia, selbst als ich meinen Glauben an mich selbst zu verlieren drohte. Sie waren immer da, sind immer da, man muss nur die Augen haben, um sie zu sehen.“
„Es ist nur eine fremdartige Spezies, nichts weiter, und es ist nur ein Wurmloch, kein Himmelstempel!“ Dax bereute ihre heftigen Worte, noch während sie sie wütend aussprach. Es war nicht Kiras Schuld.
„Wo du das Wurmloch siehst, Jadzia, sehe ich den Himmelstempel, wo du von einer Spezies redest, gebe ich ihr den Namen Propheten. Wer von uns hat Recht? Du glaubst an die Wissenschaft, und dadurch wird sie für dich zur Wirklichkeit. Vielleicht, Jadzia, ist Wissenschaft der Glaube für die Ungläubigen.“ Sie ließ die Hand der Trill mit einem letzten, freundschaftlichen Druck los und ging die Stufen zu Siskos Büro hinauf.
Dax sah ihr nach. Sie bezweifelte, dass Kira mehr Erfolg hatte als sie. Sisko hatte jeden logischen Einwand abgeschmettert und jede Bitte. Sein Entschluss stand fest, er wollte die Station verlassen, wollte alles hinter sich lassen, auch wenn er der Trauer nie entkommen würde. Sie konnte es sogar verstehen. Er hatte hier wieder zu sich gefunden nach Jennifers Tod und hatte sich nun wieder verloren. Hatten sie überhaupt ein Recht, ihn aufhalten zu wollen, hatte er nicht schon genug gegeben?
Dax´ Blick wanderte zum Sichtschirm, Finsternis lag dort, wo das Wurmloch sich verbarg.

* * * *

Es schmerzte in der Seele, Sisko in so einem Zustand anzutreffen. Kira hatte zu diesem Mann immer aufgesehen, immer mehr in ihm gefühlt als nur den Sternenflotten-Captain. Er war der Abgesandte. Ihn hatten die Propheten gewählt, eine Wahl, die sie am Anfang irritiert hatte. Ein Mensch, kein Bajoraner. Aber im Laufe der Jahre hatte sie Sisko nicht nur als Menschen und Freund schätzen gelernt, sondern hatte auch mitangesehen, wie er in die Rolle des Abgesandten hineinwuchs, sich veränderte und manchmal ein Ausdruck in seinen Augen lag, der sie daran glauben ließ, dass die Wahl der Propheten nicht besser hätte sein können.
Die Augen des Captain waren nun gerötet, und er sah um Jahre gealtert aus. „Nerys, wenn Sie die gleiche Rede wie Dax halten wollen, dann bitte ich Sie, es nicht zu tun, mein Entschluss steht fest.“
Kira fragte sich, wie sie diesen Mann noch erreichen sollte, er schien bereits Lichtjahre entfernt zu sein. Sie kannte diesen Blick, kannte Männer, deren Schultern so zusammengesunken waren. Wie oft hatte sie gesehen, wie dies mit Widerstandskämpfern passiert war, die auf ihrem langen Kampf das Wichtigste verloren hatten. Den Glauben und die Hoffnung. Es war ein Blick in die Hölle, die man sich selbst schaffen konnte, ein Blick in die Abgründe einer zerschmetterten Seele.
Sie wünschte sich, sie könnte Sisko sagen, wie nahe sie sich ihm fühlte, wie nahe in diesem Augenblick, wo sie in seinen Augen dies sah, diesen Abgrund, an dem sie selbst gestanden hatte. Nur war Sisko bereits gesprungen, und sie wusste nicht, ob sie noch die Macht hatte, seinen Fall zu bremsen.
„Ich werde sicher nicht das sagen, was Jadzia sagte, so gut ihre Worte sicherlich waren.“
Sisko beugte sich auf dem Sessel nach vorne und blickte sie mit fiebriger Eindringlichkeit an. „Lasst mich doch bitte gehen, Kira, ohne weitere Worte, ich kann nicht mehr, und ich möchte nicht mehr, kann man das nicht respektieren?“
Kira wünschte sich, ihn umarmen zu können, aber stattdessen verschränkte sie die Arme vor ihrer Brust. Trost würde Sisko nicht erreichen und ihr auch nicht erleichtern zu sagen, was gesagt werden musste. „Ich könnte es respektieren, wenn Sie nur Captain Sisko wären, wenn Sie nur mein Freund wären, aber Sie sind der Abgesandte, Sie können nicht gehen.“
Sisko schüttelte müde den Kopf. „Nerys, Sie wissen genauso gut wie ich, dass ich dies nie sein wollte.“
Kira nickte. „Aber es ist keine Frage der Wahl, zumindest nicht unserer Wahl. Die Propheten haben Sie gewählt, und das ist eine Verpflichtung, der Sie sich nicht entziehen können, auch nicht im Angesicht persönlicher Tragödien.“
Ein Funke Wut regte sich in Siskos Augen, ein Auflodern von Gefühl, das Kira Hoffnung gab. Wenn Sisko noch Wut empfinden konnte, dann war er noch nicht so weit entfernt, dass man ihn nicht mehr erreichen konnte.
„Persönliche Tragödien?“ Siskos Stimme war wie splitterndes Eis. „Mein Sohn ist gestorben, Kira, haben Sie eine Ahnung, welche Reichweite diese persönliche Tragödie hat?“
Kira wich seinem feurigen Blick nicht aus. „Ich habe nie ein eigenes Kind verloren, Benjamin, aber ich habe meine Familie verloren, meine Mutter, meinen Vater, meine Brüder, den Mann, den ich liebte. Und ich habe mehr Freunde sterben sehen, als Sie sich vorstellen können. Ich kenne Ihren Schmerz, wenn ich ihn nicht kennen würde, dann hätte ich nie gewagt, Ihnen diese Worte zu sagen, denn dann hätte ich kein Recht dazu.“
Sisko starrte sie an. Kira konnte sehen, wie das Aufflackern der Wut zu Asche verbrannte. „Es tut mir leid.“ Seine Stimme zitterte.
Kira nickte. „Ich weiß, mir tut es auch leid.“
Er sah mit schmerzerfülltem Blick zu ihr auf. „Suchen Sie sich einen anderen Abgesandten, Nerys, ich bin dazu nicht fähig, war es vielleicht nie.“
Kira schüttelte den Kopf. „Ich sagte es Ihnen, die Propheten haben Sie gewählt, nicht ich, nicht die Bajoraner. Sie haben ein Schicksal und eine Bestimmung, und wenn ich eines gelernt habe, dann, dass man seiner Bestimmung nicht entfliehen kann.“
Sisko stand auf und trat zu dem Sichtfenster. Die Finsternis des Alls konnte nicht dunkler sein als die Dunkelheit, die auf seiner Seele lag, die alles zu verschlingen drohte, was ihn ausmachte, alles, woran er glaubte.
„Sie haben nie wirklich an die Propheten geglaubt, nicht wahr?“ Kira trat dicht hinter den Captain und folgte seinem starren Blick ins All, auch wenn sie wusste, dass seine Aufmerksamkeit auf ganz andere Dinge gerichtet war. Was sah er in diesem Moment? Ein explodierendes Runabout? Jake?
Kira hatte schon selbst in diese Dunkelheit des Alls gestarrt und sie mit allen Tränen gefüllt, die sie sich verboten hatte zu weinen.
Sisko hob seinen Blick zum Wurmloch. Momentan war dort nur Dunkelheit, nichts, das auf dessen Existenz hinwies. Hatte er je an die Propheten geglaubt?
„Nein. Ich weiß es nicht. Es gab Momente, wo ich hätte glauben können, wo ich mich als Werkzeug einer Macht fühlte, wo ich mich so fühlte, als würde alles was ich tue, einen Sinn ergeben, als hätte ich eine Bestimmung, die größer ist als ich, größer als die Föderation.“
Kira legte sanft ihre Hand auf seine Schulter. „Ja, das haben Sie, eine Bestimmung, eine Bestimmung, die für mein Volk Rettung oder Untergang zu bedeuten vermag. Und das ist etwas, dem man nicht entfliehen kann.“
„Aber ...“ Siskos Stimme war ein Aufschluchzen. „Aber was soll ich für Ihr Volk bewegen, wenn ich nur noch eine ausgebrannte Hülle bin? Ich kann ohne meinen Sohn nicht weiter glauben, nicht an mein Leben, nicht daran, dass ich etwas zu beschützen vermag. Meine Hoffnungen, Träume und mein Leben sind mit ihm im All verglüht, und wie soll ich in so einem Zustand für einen einzigen Bajoraner der Abgesandte sein? Ich habe versagt und versage noch immer. Es tut mir so leid.“
Kira fühlte, wie Tränen in ihren Augen brannten, aber sie bannte sie. Dies waren nicht die richtige Zeit und der richtige Ort für ihre Tränen.
„Selbst die größten Gläubigen haben in ihren Leben gezweifelt, selbst sie haben oft in den Abgrund geschaut und den größten Kampf in sich selbst gefochten, den Glauben nicht zu verlieren. Der Glaube an sich selbst, an das Leben, an die Propheten.“ Sie rückte näher an Sisko heran, ihre Stimme war leise und nahe an seinem Ohr. „Ich möchte, dass Sie mit mir nach Bajor kommen, es gibt etwas, das ich Ihnen zeigen will.“ Kira wusste nicht genau, was dies war, sie folgte ihrem Gefühl und ihrer Eingebung, und die trieben sie dazu, Sisko nach Bajor zu bringen.
„Was für einen Sinn soll das haben, warum lassen Sie mich nicht einfach gehen?“ Sisko klang müde.
„Weil Sie mich auch nie einfach gehen lassen würden, und das wissen Sie.“ Kira rückte etwas von ihm ab und hob ihre rechte Hand. „Vertrauen Sie mir, Benjamin?“
Sisko starrte auf die Hand, die ihm angeboten wurde, sein Blick flackerte unstet. „Es wird nichts an der Leere ändern, Nerys, egal was Sie mir auch zeigen können. Und ehe ich zulasse, dass ich verrate, was die Bajoraner in mir sehen, werde ich gehen.“
Kira nickte. „Wenn Sie noch gehen möchten, wenn wir zurückkehren, dann werde ich Sie gehen lassen, das ist ein Versprechen.“
Sisko nickte und ergriff Kiras Hand.
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