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Kiss the Rain

von Susan

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"Kaffee?!"

Neelix sah seinen Captain nervös an. "Nun, Captain, bisher ist es mir leider nicht gelungen, aus den mir zur Verfügung stehenden Mitteln einen akzeptablen Ersatz für Kaffee zu kreieren. Und Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sind Sie heute morgen nicht gerade in der Stimmung, eines meiner Experimente zu probieren..."

"Nein, Neelix. Was ich will, ist Kaffee!" *Und ein Liebesleben!*, erwiderte Kathryn Janeway ungehalten. "Lassen Sie es gut sein. Ich werde meine Replikatorrationen nutzen." Sie wandte sich ab, um das Kasino Richtung Bereitschaftsraum zu verlassen. Ihre Schicht würde ohnehin in 30 Minuten beginnen.

"Moment, Captain!", hielt Neelix sie auf. Sie sah ihn an. "Setzen Sie sich. Ihr Kaffee geht heute Morgen auf mich. Betrachten Sie sich als eingeladen!"

Kathryn lächelte den Talaxianer dankbar an. "Das ist sehr nett von Ihnen!"

"Ich weiß!" Damit war Neelix schon auf dem Weg zum Replikator.

Kathryn sah sich im Speiseraum der Voyager um. Er war wie immer gut besucht. Die Frühschicht würde bald anfangen und die Crew nahm die Gelegenheit für eines von Neelix' exotischen Frühstücken wahr. Kathryn bemerkte Chakotay an einem Tisch. Sie überlegte kurz und ging auf ihn zu. "Darf ich mich zu dir setzen?", fragte sie müde.

Chakotay blickte von seinem PADD auf. "Natürlich!" Er lächelte auf diese spezielle, verständnisvolle Weise. "Schlecht geschlafen?"

*Oh ja, weil ich jedes Mal vor lauter Unzufriedenheit und Sehnsucht nach dir in diesem einsamen, kalten Bett nicht einschlafen kann. Weil mich immer wieder dieselben Fragen quälen. Warum musste ich mich in dich verlieben? Warum nur musst du so verdammt clever, verständnisvoll und gut aussehend sein? Warum zum Teufel, schläfst du nicht mit mir?*

Laut sagte sie nur: "Ja, seit einiger Zeit schon nicht mehr!" *Seit ungefähr 5 Jahren!*, fügte sie in Gedanken verbittert hinzu.

"Nun, wahrscheinlich liegt es am Stress. Du arbeitest zuviel - wie der Rest der Crew auch", war Chakotays Antwort.

"So, und hier ist Ihr Kaffee, Captain!" Chakotay und Janeway unterbrachen ihr Gespräch kurz, als der Talaxianer die große, dampfende Tasse direkt vor Kathryn auf dem Tisch platzierte und dann wieder verschwand, nachdem sie ihm noch ein aus tiefstem Herzen kommendes 'Danke!' hinterher gerufen hatte. Sie umfasste die Tasse und genoss es die Hitze zu spüren, während sie die Augen schloss und den Duft der Flüssigkeit einsog, die sie regelmäßig davor bewahrte zusammenzubrechen oder durchzudrehen. "Kaffee", murmelte sie hingebungsvoll.

Chakotay betrachtete sie lächelnd, als er feststellte: „Es wird definitiv Zeit für Urlaub!“

***

Der Schirm, der Brücke, zeigte das Gesicht eines außerirdischen Fremden. Seine Haut hatte einen beigefarbenen Schimmer. Das lange, graue Haar, das bis auf seine Schultern fiel und das kantige Gesicht umrahmte, ließ auf ein hohes Alter schließen - aber vielleicht war dies auch normal bei den Premori. Seine riesigen schwarzen Augen strahlten jedenfalls jugendlich. Kathryn betrachtete ihn eingehend. *Eigenartig. Keine Stirnwülste!* Er erschien ihr sympathisch. "Die Premori sind für ihre Gastfreundschaft im ganzen Sektor bekannt. Deshalb würden wir uns freuen Sie für einige Tage auf unserem wundervollen Planeten willkommen zu heißen. Für heute Abend ist ein großes Fest in der Hauptstadt geplant. Bitte, nehmen Sie sich die Freiheit und gönnen Sie sich und Ihrer Crew ein paar Tage außerhalb Ihres Schiffes. Wir freuen uns darauf die Geschichten Ihrer bisherigen Reise zu hören!" Der Premierminister der Premori setzte ein vertrauenswürdiges Lächeln auf.

"Vielen Dank, Premierminister. Wir nehmen Ihre Einladung gern an." Ka'Rel nickte gutmütig und sein Bild verschwand vom Schirm. Zufrieden wandte sich Kathryn an ihren Ersten Offizier. "Geben Sie der Crew Bescheid, dass wir drei Tage im Orbit bleiben und erstellen Sie einen Schichtplan für unseren Urlaub!" Sie lächelte und durchquerte die Brücke in Richtung Bereitschaftsraum. "Sie haben die Brücke, Commander. Ach, und noch etwas. Ich erwarte die gesamten Führungsoffiziere heute Abend beim Bankett zu sehen." Damit verschwand sie - wie so oft - in ihrem Bereitschaftsraum.

***

Das Fest fand unter freiem Himmel statt. Es war eine warme, sternenklare Sommernacht, wie Kathryn sie so oft in Indiana erlebt hatte. Harmonische Klänge, erzeugt von eigenartigen Musikinstrumenten, lagen in der Luft. Viele Offiziere der Voyager waren der Einladung, der Premori gefolgt. Tom stand, mit einem auffallenden Hawaii-Hemd bekleidet, bei einigen Premoridamen (deren Haar dunkel war, also musste Kathryn Recht gehabt haben, was die Haarfarbe und das Alter Ka'Rels anging) und erzählte in einer sehr blumigen Art und Weise von den Zusammentreffen mit den Hirogen, während ihm B'Elanna von der gegenüberliegenden Seite des Platzes böse Blicke zuwarf. Kathryn stand in leichter Freizeitkleidung bei Chakotay und Ka'Rel, ihr Gastgeber schien sehr an der Geschichte der Voyager interessiert zu sein.

"Ein Schiff, das völlig auf sich allein gestellt quer durch einen fast immer feindlich gesinnten Teil des Weltraums reist, auf der Suche nach einem Weg nach Hause, um zu Freunden und Familie zurückzukehren - allen Gefahren des Alls zum Trotz. Verzeihen Sie mir meinen Enthusiasmus. Aber wenn ich an ein derartiges ... Generationenschiff denke ... es klingt unglaublich aufregend! Sie müssen eine wirklich erstaunliche Crew haben, Captain Kathryn Janeway", sagte Ka'Rel anerkennend.

"Oh ja, die habe ich", erwiderte Kathryn. "Doch so viel wir auch erleben. Es gibt auch langweilige Zeiten. Allerdings sind die mir immer noch lieber als Begegnungen mit den Borg!" Kathryn lachte.

Ka'Rel stellte sich das alles sehr abenteuerlich vor. Von den Millionen Problemen und aussichtslosen Situationen, denen die Voyager immer wieder gegenüberstand, hatte er keine Vorstellung. Sie tauschte einen Blick mit Chakotay aus. Er schien dasselbe zu denken. Sie betrachtete ihren Ersten Offizier nachdenklich. *Am schlimmsten ist die Einsamkeit!* Sie blinzelte verlegen, als sie bemerkte, dass sie ihn angestarrt hatte. Chakotay war der Moment nicht entgangen. Und er ertappte sich dabei, wie wiederholt der Drang in ihm aufstieg, sie zu umarmen, ihr zu zeigen, dass er für sie da war.

*Das ist lächerlich Chakotay! Sie hat die Parameter unmissverständlich definiert. Auch wenn du denkst - weißt - , dass es die falsche Entscheidung war. Es hätte schön werden können. Es hätte - Konjunktiv, unerfüllbare Bedingung...* Chakotay seufzte unmerklich und betete, dass es irgendwo ein Paralleluniversum gab, in dem sein Alter Ego ein aufregendes Liebesleben mit Kathryn Janeway führte. Ein winziger Trost für ihn, der sein Leben in dieser Realität fristen musste.

"Die Borg!", unterbrach Ka'Rel die Stille. "Wir sind ihnen schon oft begegnet. Ein bedrohliches Volk."

"Sanft ausgedrückt!", kommentierte Janeway und versuchte gar nicht erst den Hass aus ihrer Stimme zu verbannen.

"Ich habe gehört, dass Sie eine Drohne deassimilieren konnten!"

"Sie meinen Seven? Ja, der Prozess ist allerdings immer noch im Gange. Es ist sehr schwer für sie die Borgmentalität gegen die menschliche auszutauschen. Ich habe desöfteren kleine Dispute mit ihr. Sie war am Anfang gar nicht glücklich aus dem sicheren Schoß des Kollektivs gerissen zu werden. Inzwischen glaube ich allerdings, dass sie den Wert der Individualität erkennt, obwohl ich mir nicht sicher bin...", fügte Janeway Stirn runzelnd hinzu und tauschte einen wissenden Blick mit Chakotay aus.

"Inzwischen haben wir ebenfalls gelernt ihr bedingungslos zu vertrauen. Zum Beispiel musste Seven die Voyager ganz allein befehligen, als wir vor gut sechs Monaten auf einen Nebel stießen, dessen radioaktive Strahlung..."

***

Gut drei Stunden später beamten die Führungsoffiziere zurück aufs Schiff, um nach ihrer Schicht am nächsten Tag, zwei Tage Urlaub genießen zu dürfen. Chakotay hatte recht gehabt. Landurlaub war genau das, was die Crew jetzt brauchte. Nach einer zweistündigen Schiffstour für Ka'Rel, fiel Kathryn erschöpft in ihr Bett. Sie hoffte nur endlich schlafen zu können.

Eine weiter schlaflose Nacht und acht Stunden unendlicher Langeweile auf der Brücke später, materialisierte Kathryn Janeway wieder auf Premor. Ka'Rel hatte angeboten ihr den Planeten zu zeigen - per Premori eigenem Transporterstrahl.

Ka'Rel hatte nicht übertrieben. Seine Heimatwelt war wirklich wunderschön. Es war angenehm warm, der Himmel hatte einen orangefarbenen Touch, die Landschaft war wundervoll. Sie wirkte so Natur belassen.

"Das ist sie auch!", reagierte Ka'Rel auf ihre Frage. Wir sind sehr stolz darauf, dass die Industrie auf unserem Planeten nicht die Oberhand gewann. Wir wussten schon immer den Wert der Natur zu schätzen. Sie und die Familie sind das wichtigste für uns."

"Das klingt sehr... utopisch. Mein Volk hat lange gebraucht, um diese Weisheit zu erlangen. Ich denke Ihre Grundsätze werden meinem Ersten Offizier ganz besonders gefallen - seine Vorfahren befolgten ganz ähnliche Prinzipien." Kathryn lachte und betrachtete den großen See, an den Ka'Rel sie geführt hatte, nachdenklich. Es war wunderschön hier. Der See lag direkt auf der Lichtung eines kleinen Wäldchens, das den See einschloss. Die orangefarbene Sonne strahlte hell über diesem Platz und spiegelte sich auf der Wasseroberfläche. Das Wasser selbst musste herrlich sein. Noch dazu war weit und breit niemand anderes in der Nähe. Dieser abgelegene Ort strahlte in Kathryns Augen unglaubliche Ruhe und Frieden aus - beides Dinge an denen in letzter Zeit ein Mangel bestand. Kathryn musste über sich selbst lachen.

*Wann hast du dich eigentlich entschlossen dich dieser naiven Romantik hinzugeben, Kathryn?!*

Sie wandte sich an Ka'Rel und bemerkte, dass er sie betrachtete. Fragend hob sie eine Augenbraue. "Was ist?" Ka'Rel antwortete nicht sofort, sondern setzte sich an das Ufer des Sees - und Kathryn tat es ihm - nach einigem Zögern - gleich. Wohlwollend nahm sie die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Körper wahr.

"Commander Chakotay...", wiederholte der Premori langsam. "Was ist es, das Sie beide voneinander fernhält?"

"Wie bitte?" Verwirrt und gleichzeitig angsterfüllt ihr Seelenleben enthüllt zu sehen, starrte sie Ka'Rel an. Waren die Premori Telepathen? Ka'Rel lächelte.

"Nun", begann er seine Frage zu erklären. "Ich habe Sie im Umgang mit Chakotay gestern beim Fest beobachtet. Die Art, wie Sie ihn ansehen und nachdenklich werden. Die Art wie Sie beide miteinander sprechen. Sie schätzen ihn sehr, nicht wahr?"

Kathryn nickte langsam, während sich die Bilder des gestrigen Abends noch einmal vor ihrem geistigen Auge abspulten.

"Aber ich habe noch etwas bemerkt", fuhr Ka'Rel fort. "Zwischen Ihnen beiden gibt es eine besondere Spannung. Und ich glaubte Bedauern in seinem Gesicht zu erkennen, als er Sie nachdenklich musterte. Irgendetwas steht zwischen Ihnen. Es scheint unausgesprochen. Aber es ist definitiv da." Kathryn starrte ins Leere. War es so offensichtlich? Ka'Rel lachte, als Kathryn nicht reagierte. "Es tut mir leid, Captain. Wahrscheinlich bin ich bei der Interpretation dieser unbewussten Signale von den Erfahrungen mit meiner eigenen Rasse ausgegangen. Ich kenne Ihr Volk zu wenig, um die Beziehung zwischen Ihnen beiden deuten zu können. Ich wollte Sie nicht beleidigen.

Kathryn schüttelte den Kopf. "Nein, das haben Sie nicht!" Sie seufzte und versuchte sich zu entspannen. Sie zögerte einen Augenblick. Sollte sie diese Sache wirklich mit Ka'Rel erörtern? "Es ist nur so, dass es mich sehr verwirrt hat, dass Sie Kenntnisse von dieser... Sache haben."

"Nun, Captain. Ich denke, man muss kein Telepath sein, um die 'Sache' zu erkennen."

Kathryn lächelte verlegen. "Sie haben Recht", begann sie zögerlich. "Da existiert schon seit geraumer Zeit etwas zwischen mir und Chakotay. Er ist mein bester Freund, mein engster Vertrauter, aber es geht auch weit darüber hinaus. Jedoch ich bin der Captain und er ist mein Erster Offizier. Es _darf nicht_ darüber hinausgehen."

"So? In welchem Sternenflottenprotokoll steht das geschrieben?"

Janeway seufzte. "Sie verstehen nicht. Es steht nirgendwo geschrieben. Aber eine Beziehung mit ihm würde meine Objektivität einschränken. Ich habe Angst meine Pflichten zu vernachlässigen. Ich möchte mir gar nicht erst vorstellen, wie schwer es sein würde mit ihm weiterhin zusammenzuarbeiten, falls eine Beziehung mit ihm nicht funktioniert. Es steht zuviel auf dem Spiel", sagte Kathryn fest.

Ka'Rel musterte sie. "Nun, Ihr persönliches Glück steht ebenfalls auf dem Spiel. Ausgeglichenheit und Zufriedenheit stehen auf dem Spiel. Sind das nicht auch wichtige Eigenschaften eines Captains? Sie sind nicht einfach nur der Captain dieser Offiziere. Sie sind gleichzeitig auch die Führerin dieser Gemeinschaft. Ich glaube nicht, dass Ihre Crew etwas dagegen einzuwenden hätte, ihren Captain glücklich zu sehen - und ausgeschlafen!" Ka'Rel lächelte. "Ich glaube, Kathryn Janeway, dass Sie noch nie eine objektive Einstellung hatten, wenn es um Ihr Schiff und Ihre Crew ging. Sie haben nicht nur eine Leidenschaft für Ihren Ersten Offizier, sondern auch für Ihr Schiff. Und in meinen Augen lassen diese beiden Ding sich wunderbar vereinen. Chakotay gehört auch zu dieser Gemeinschaft. Bezogen auf das Schiff und seine Crew verfolgen Sie die gleichen Interessen!"

Kathryn sah ihn aus großen Augen an. Das klang alles so... plausibel. Sollte es wirklich so einfach sein? Irgendwie hatte sie daran ihre Zweifel. Ka'Rel lächelte wieder dieses vor Weisheit strotzende Lächeln, erhob sich und reichte ihr seine Hand, um ihr hochzuhelfen.

"Lassen Sie es mich einfach ausdrücken. Sie und Chakotay haben eine Chance verdient!"

Kathryn brachte ein winziges Lächeln hervor, ehe sie fragte: "Ka'Rel, wie um alles in der Welt kennen Sie mich nur so gut?"

Ka'Rel lächelte - schon wieder - er schien ständig zu lächeln. "Ich habe viele Besucher kommen und gehen sehen. Ich beobachte die Leute oft und, nun... wie würden Sie es ausdrücken? Ich besitze... Menschenkenntnis!"

"Kommen Sie, Kathryn! Ich möchte Ihnen unsere Hauptstadt zeigen!"

***

Der Wind jagte durch die Siedlung der Premori, die für die menschlichen Besucher bereitgestellt wurde und peitschte den Regen unerbittlich. Das Grollen von schweren Gewitterwolken und grüne, zuckende Blitze, die den Himmel für Nanosekunden erhellten, hatten Kathryn geweckt. Seit einer Weile lag sie nun schon wach in dem Bett ihrer kleinen Unterkunft und hörte dem Regen zu. Die Intensität des Gewitters schien langsam abzunehmen. Kathryn schlug die leichte Decke zurück, schwang die Beine aus dem Bett und schlüpfte in diese seltsamen Pantoffeln, die wahrscheinlich für jeden Besucher bereitstanden. Dies war seit langem die erste Nacht, die sie nicht in ihrem Quartier an Bord der Voyager verbrachte. Und nun hinderte sie dieser Sturm auch noch am Schlafen. Andererseits hätte sie vermutlich sowieso nicht besonders schlafen können. Ihre Gedanken kreisten immer noch um das Gespräch, das sie einige Stunden vorher mit Ka'Rel geführt hatte. Kathryn schnappte sich die Decke und legte sie um ihre Schultern, die ihr apricotfarbenes Nachthemd unbedeckt ließ. Verträumt - oder eher übermüdet - schlenderte sie zu der großen Glasfront ihrer Unterkunft. Sie strich die Vorhänge ein Stück zur Seite. Von hier aus konnte sie direkt auf den Hof sehen, der von den wenigen Häusern des Viertels umringt wurde und nun in Dunkelheit gehüllt war.

Kathryn schloss die Augen und konzentrierte sich wieder auf das Trommeln des Regens. Das Szenario erinnerte sie an die verregneten Nächte auf New Earth. Damals hatte sie auch oft am Fenster gestanden, in die Dunkelheit gestarrt und dem Regen zugehört. Und fast jedes Mal war Chakotay nach einer Weile zu ihr gekommen, hatte sich neben sie gestellt und ebenfalls aus dem Fenster gesehen. Und fast nie hatten sie in diesen Momenten miteinander gesprochen. Sie hatten nur nebeneinander gestanden, dem Regen gelauscht und geschwiegen. Und jedes Mal war Kathryn kurz davor gewesen sich einfach umzudrehen und ihre Entscheidung bezüglich ihrer Beziehung gründlich zu revidieren. Und es schien ihr, als hätte er nur wegen diesem Hauch einer Chance jedes Mal neben ihr gestanden und darauf gewartet endlich die Erlaubnis von ihr zu bekommen, sie umarmen und festhalten zu dürfen. Aber dazu war es natürlich nie gekommen. Sie hatte nie zugelassen, dass die Maske des unnahbaren Captains ganz von ihr abfiel. Resigniert atmete Kathryn tief ein. Fast konnte sie die Wärme, die Chakotays Körper ausstrahlte, spüren, wie damals.

*Oh, komm schon, Kathryn! Das ist lächerlich!*

Sie riss die Augen auf, um die wohligen Bilder der Vergangenheit zu vertreiben. Ein Blitz durchzuckte das Dunkel und für einen Moment wurde die Nacht neongrün erhellt. Fasziniert beobachtete Kathryn das Schauspiel und bekämpfte den Drang ihren Tricorder auszupacken, um das Phänomen zu analysieren.

Plötzlich bemerkte Kathryn gedämpftes Licht im gegenüberliegenden Haus, das durch die Glasfront schimmerte. Ein Mann trat an das Fenster und sah nach draußen. Es war Chakotay. Mit Boxershorts bekleidet und mit verschränkten Armen vor dem nackten Oberkörper, blickte er gedankenverloren nach draußen. Kathryn wich ein Stück von ihrem Fenster zurück. Da war er, der Grund all ihrer Selbstzweifel, Unzufriedenheit, ihrer unerfüllten Liebe. Der Grund, der ihren kürzlichen Hang zu hoffnungsloser Romantik erklärte. Der Grund dieser schlaflosen Nächte. Und jetzt fühlte sie sich auch noch wie ein ungebetener Zuschauer. Doch Kathryn hatte das Licht ihrer Unterkunft nicht an. Er konnte sie also nicht sehen - bis zu dem Augenblick, als eine Reihe von weiteren Blitzen die Nacht lang genug erhellte, damit Chakotay sie bemerkte.

*Oh nein!*

Es war Kathryn! Da war sich Chakotay ganz sicher. Er hatte sie doch am Fenster gesehen. Und sie musste ihn natürlich auch bemerkt haben. Schließlich hatte er die Beleuchtung aktiviert gehabt. Aber wenn das der Fall war, gab Kathryn kein Zeichen von sich. Sie schaltete das Licht ihrer Unterkunft jedenfalls nicht ein. Chakotay seufzte.

*Das ist dein Schicksal, nicht wahr?! Vergeblich auf ein Signal von Kathryn Janeway zu warten!*

Er fuhr mit der Hand über sein Gesicht. Vielleicht hielten ihn auch nur seine Erinnerungen - und sein Wunschdenken - zum Narren, und Kathryn Janeway schlief in diesem Moment ruhig und friedlich in diesem großen, gemütlichen Bett. Und vielleicht sollte er genau das auch tun - leider in seinem eigenen Bett. Chakotay schloss die Vorhänge - der Regen hatte sowieso fast aufgehört - und ging in Richtung Schlafzimmer, als er ein Klopfen an der Vordertür hörte, das er sich definitiv nicht einbildete. Er wandte sich um und öffnete nach ein paar Schritten die Tür.

Kathryn sah ihn verunsichert an. Nasse Haarsträhnen umrahmten ihr Gesicht. Der flüchtig übergeworfene Bademantel war fast völlig durchnässt. "Ich hätte noch ein paar Minuten warten sollen. Jetzt hat der Regen fast aufgehört." Sie zwang sich zu einem nervösen Lächeln.

"Kathryn!", brachte Chakotay heraus, vollkommen verwundert und überrascht. Wahrscheinlich hatte er ihren Kommentar gar nicht mitbekommen. Es dauerte eine Weile, bis er die Situation realisiert hatte. "Komm rein!" Er trat zur Seite, um ihr Platz zu machen.

Doch sie zögerte. "Wie wär's wenn wir uns stattdessen auf die Veranda setzten. Schließlich ist sie überdacht, es ist warm draußen und wenn ich mich nicht irre, müsste dort eine Bank herumstehen..." Sie lächelte überzeugend.

Chakotay blinzelte verwirrt. *Was passiert hier?* Dann hob er eine Augenbraue und sagte fest: "Du bist der Captain!"

Einen Moment saßen sie schweigend nebeneinander. Es nieselte nur noch, ansonsten war es absolut still. Alle anderen schienen tief und fest zu schlafen. Chakotay begann mit gedämpfter Stimme: "Was führt dich um diese Zeit zu mir, Kathryn?"

Kathryn lächelte zögerlich. "Wahrscheinlich ist es eine der verrücktesten Sachen, die ich bisher gemacht habe. Und den genauen Grund, warum ich mitten in der Nacht im Bademantel durch den Regen gelaufen bin, um hier mit dir zu sitzen, kann ich dir auch nicht nennen. Ich habe es selbst noch nicht begriffen. Aber als ich dich am Fenster stehen sah, musste ich einfach herkommen..."

*Was passiert hier? Q? Nein. Ich weiß, ich träume. Ja genau. Dies ist nicht die Realität.*

Kathryn lächelte verlegen. "Es klingt absolut dämlich, nicht wahr?"

Chakotay lächelte, als er Kathryn ansah. Er hatte sie noch nie so verunsichert und... schüchtern erlebt. "Ich denke nicht. Rede weiter." Ein paar Sekunden vergingen.

"Eigentlich liegt es nur daran, dass ich in letzter Zeit zuviel *alleine war, wie immer, und mich nach dir gesehnt habe, wie immer* Zeit zum Nachdenken hatte und *ich mich immer wieder gefragt habe, warum ich mich so quäle und mich nicht mit dir für den Rest der Reise einfach in meinem Quartier einsperren kann* an einem Gespräch mit Ka'Rel, der mir half einige Punkte besser zu beleuchten *zum Beispiel, dass ich eine verdammte Idiotin war* und daran, dass ich mir einige Ding eingestehen konnte *Ich will dich, Chakotay!*..."

Chakotay war mehr als verwirrt. Wie oft hatte er sich die unterschiedlichsten ‚Kathryn gesteht mir ihre Liebe’ oder ‚Kathryn wirft mich auf den Boden und wir lieben uns die ganze Nacht’- Szenarien ausgemalt. Vielleicht, so hatte er sich vorgestellt, würde sie ihm einfach bei einer Tasse Tee im Bereitschaftsraum sagen, wie sehr sie sich nach ihm sehne. Oder dass sie mit flammendem Herzen ein tränenreiches "Ich liebe dich!" hauchen würde, wenn er - gerade dem Tod entronnen - verletzt auf der Krankenstation liegen würde. Oder sie hätten vielleicht eines Tages einfach ein Date gehabt. Auf dem Holodeck vielleicht und er hätte sie bei einem Tanz zu der sanften Musik von "Ist das nicht romantisch?" zärtlich geküsst. Und dann gab es da noch diese Fantasie über ihr Nachthemd, ganz zu schweigen von der Faszination für ihr Haar... Aber soviel Chakotay auch darüber nachdachte, so hatte er in den letzten zwei Jahren die Hoffnung auf Erfüllung seiner Fantasien fast völlig aufgegeben. Sicher, er hätte alles darum gegeben mit Kathryn Janeway zusammen zu sein, sie glücklich zu machen, für sie da zu sein. Aber er konnte es immer noch nicht fassen, dass dies jetzt der Moment war, auf den er seit 5 Jahren wartete, dass dies die Realität war, der Anfang von dem Leben, von dem er schon solange träumte.

Was passierte hier?

Chakotay beobachtete Kathryn aufmerksam und versuchte den richtigen Schluss aus ihren Worten zu ziehen. Und dennoch waren sie immer noch so interpretierbar. Aber schließlich war sie hier bei ihm, mitten in der Nacht, ungestört, auf einem wundervollen Planeten. Er beschloss sicher zu gehen. "Vorhin, als ich am Fenster stand und dem Regen gelauscht habe, musste ich an New Earth denken. An die Nächte, in denen wir schweigend..."

"Chakotay!" Ihre Stimme war voller Entschlossenheit. "Die Zeit auf New Earth ist unendlich lange vorbei und es gibt so viel Dinge aus dieser Zeit, die ich bereue getan zu haben - oder vielmehr _nicht_ getan zu haben!" Er blickte sie ernst an und spürte wie sein Herz immer schneller schlug. "New Earth ist verdammte drei Jahre her!", platzte es aufgebracht aus Kathryn heraus. "Drei Jahre, während denen ich mich hinter Protokollen und Regeln versteckt und meine Gefühle verleugnet habe. Ich habe meine Captainmaske perfektioniert und sämtliche Belange mit soviel Professionalität behandelt, dass ich glaubte jeden Tag zerbreche ein Stück mehr meines Selbst. Es gab Zeiten, in denen ich mich von der unermesslichen Bürde der Verantwortung erschlagen fühlte. Und es gab hunderte von Nächten, in denen ich vor Sehnsucht und Selbstvorwürfen nicht schlafen konnte. Sehnsucht nach diesem Ersten Offizier, dem ich mich so nah fühlte, aber nicht fühlen durfte und mich deshalb immer weiter von ihm entfernte, aus Angst die Kontrolle zu verlieren. Die Kontrolle über eine Situation, in der mir meine so wichtigen Sternenflottenprinzipien nicht halfen, sondern mir im Weg standen!" Kathryns Augen glänzten traurig im spärlichen Licht der zwei Monde. Bedauern und Resignation spiegelten sich in ihrer Miene wieder. Doch plötzlich gewann ihre Stimme wieder an Entschlossenheit und wurde immer eindringlicher. "Chakotay!" Sie umfasste seine Hände. "Ich liebe dich. Du bist der Mensch, dem ich am meisten vertraue, mein bester Freund und der verdammt beste Offizier, den sich diese Crew nur wünschen kann. Ich bereue, es nicht vorher zugelassen und erkannt zu haben."

(verwirrt, ergriffen, am Ziel seiner Träume, voller Erwartung, Spannung und Angst)

*Mein Gott, was immer hier passiert, lass es jetzt nicht enden!*

"Ich kann nicht länger zulassen, mir mein Leben durch selbst auferlegte Regeln und Starfleetprotokolle unnötig schwer und kaputt zu machen. Du - wir haben es besser verdient. Ich weiß, dass es nie vorgesehen war für den Captain und den Ersten Offizier eines Schiffes eine... intime Beziehung einzugehen. Und bestimmt wird es jede Menge Schwierigkeiten geben..."

*Halt den Mund und küss mich!*

Weiter kam sie nicht. Chakotay umfasste ihr Gesicht, beugte sich zu ihr vor und schnitt ihr mit einem ersten vorsichtigen Kuss das Wort ab.

Chakotay ignorierte alle drei Millionen Punkte, die gegen das sprachen, was er getan hatte. Er wollte nicht mehr denken. Er wollte nur noch fühlen. Er wusste plötzlich, dass dies ohne Zweifel real war. Und er wusste, dass es richtig war.

Angsterfüllt, überrascht und glücklich sah sie ihn an. Er lächelte. Und wieder näherten sich ihre Gesichter. Ein langer verheißungsvoller Kuss folgte und Kathryns Sinne drohten zu explodieren bei dem Gefühl seiner vollen, warmen Lippen und der elektrisierenden Nähe seines Körpers, die Wärme seiner nackten Haut. Sie schlang ihre Arme um ihn und presste sich noch näher an ihn, mit dem Ziel jede Nanosekunde dieses Moments in sich aufzusaugen und nie mehr zu vergessen. Ihre Lippen lösten sich schließlich voneinander und sie legte ihren Kopf an seine Schulter. Sie seufzte tief. Sie war erleichtert und gleichzeitig fühlte sie sich furchtbar verletzlich. Aber vor allem war sie glücklich und überwältigt von diesem Moment, diesem Anfang. Sie hatte es gewagt... und gewonnen.

All die Spannung fiel von ihr ab, als sie in Chakotays Umarmung lag. Ein Gefühl von Geborgenheit machte sich in ihr breit. Wohlwollend und schläfrig spürte sie, wie Chakotay sanfte, kleine Kreise mit seinen Fingerspitzen auf ihrem Rücken zog. "Ich liebe dich", murmelte sie, bevor sie, überwältigt von Glückshormonen und einem erstaunlich großen Schlafdefizit, einschlief.

Der nächste Tag war für die Voyagercrew der Tag der Abreise. Während sich die Offiziere damit beschäftigten ihre Sachen zusammenzupacken, letzte Transaktionen zu verwirklichen - Neelix hatte Bohnen ergattert, von denen er glaubte, aus ihnen einen akzeptablen Kaffeeersatz zaubern zu können - und das Schiff startklar zu machen, befanden sich Kathryn und Chakotay an dem See, an dem Kathryn am Tag zuvor das Gespräch mit Ka'Rel geführt hatte. Manchmal war es eben von Vorteil Captain zu sein und die Aufgaben verteilen zu können. "Das hier wollte ich dir unbedingt noch zeigen", sagte Kathryn strahlend, während sie Chakotays Hand umfasst hielt.

"Es ist traumhaft!"

"Das ist es tatsächlich."

Chakotay wurde ernst. "Ich habe Angst, dass dies in der Tat ein Traum ist und ich gleich unsanft geweckt werde, um eine weitere Schicht neben dieser großartigen und unerreichbaren Frau zu verbringen und mir zu wünschen sie berühren zu dürfen."

"Ich weiß, dass ich oft unnahbar war. Aber jetzt bin ich hier. Ich werde nicht gehen. Und _das_ hier ist real!" Sie legte ihre Hände auf seinen Brustkorb und bemerkte lächelnd, dass sie seinen Herzschlag spüren konnte. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, neigte den Kopf etwas zur Seite und suchte seine ganz leicht geöffneten Lippen.

>"Tuvok an Captain Janeway. Das Schiff ist bereit, sämtliche Crewmen und das gesamte Equipment sind wieder an Bord!"<

Kathryn löste sich von Chakotay und warf ihm einen entschuldigenden Blick zu.

>"Verstanden Tuvok. Der Commander und ich sind bereit zum Beamen!"<

>Aye, Captain!"< Tuvok unterbrach die Verbindung.

Kathryn ergriff abermals Chakotays Hand. In wenigen Sekunden würden sie an Bord gebeamt. Der Moment, an dem sie mit den Konsequenzen ihrer Beziehung mit ihrem Ersten Offizier fertig werden müsste. Welche Auswirkungen würde ihre Beziehung auf die Kommandostruktur, Protokolle und den Schiffsalltag haben? Wie würde die Crew reagieren? Was würde passieren, wenn es nicht funktionieren würde? Würde sie ihn ohne Bedenken auf die nächste Außenmission schicken können?

Kathryn atmete tief ein. Sie kannte die Antworten auf diese Fragen nicht. Sie wusste nur, dass sie diesen Mann liebte und dass sich jede Mühe und Anstrengung lohnen würde, um diese Beziehung zu kämpfen.

*Ich tue das absolut Richtige!*

"Mein Quartier heute abends, um 1900, Commander?", fragte sie mit einem verheißungsvollen Lächeln auf den Lippen.

"Mit dem größten Vergnügen!" Er lächelte und dann spürten beide das vertraute Kribbeln des Transporterstrahls, der sie zurück auf die Voyager brachte.

The End
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