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Wie ein Licht in dunkler Nacht

von Martina Bernsdorf

Kapitel 2

Es war ein armseliges Begräbnis. Ihre Mutter hatte zumindest noch den Segen eines Vedeks erhalten, aber hier im Lager gab es keine Geistlichen. Immerhin musste sie dankbar sein, dass die Cardassianer ihnen erlaubt hatten, selbst eine Grube auszuheben und ihren Vater in die Erde zu betten. Meist wurden die Toten abtransportiert, und niemand wusste so genau, wo die Cardassianer sie verscharrten, und niemand wollte es eigentlich wissen. Die zwei Wachposten hielten sich ein Stück weit entfernt und schienen ihre Trauer nicht stören zu wollen, manchmal bewiesen sogar diese grauen Echsengesichter einen Hauch von Mitgefühl.

Leeta blickte zu den Wachen und legte einen Yamakzweig auf die Brust ihres Vaters, er blühte nicht mehr, dazu war es zu spät im Jahr, als dass diese Blüten ihrem Vater ein letztes Geleit gegeben hätten. Es hatte Jahre gegeben, wo die Yamakbüsche bis weit in den Herbst geblüht hatten, aber alles schien sich zu verändern, selbst das Wetter. Für einen Frühherbsttag war es viel zu kalt. Vielleicht würde eines Tages hier ein Yamakbusch wachsen, und vielleicht würde sie dann die Stelle wiederfinden können, an der er ruhte.

Eines Tages, eines Tages, wenn Bajor wieder frei sein würde.

Kalans Schultern bebten, er wollte nicht weinen, Leeta zog ihn an sich und fuhr ihm durch sein Haar, das etwas dunkler als ihr eigenes war. Ein paar Bajoraner waren noch um das Grab versammelt, Freunde ihres Vaters, soweit man in diesem Lager Freundschaften schließen konnte. Eine der Frauen nahm ihr Kalan aus den Armen und versprach, ihn in die Baracke zu begleiten, damit Leeta die Möglichkeit hatte, sich allein von ihrem Vater zu verabschieden.

Leeta blickte auf den flachen Erdhaufen, unter dem ihr Vater ruhte. Die zwei Bajoraner, die das Grab zugeschaufelt hatten, gingen langsam zurück in Richtung des Lagers. Nur die Wachen blieben. Leeta blickte kurz zum Waldrand. Dachten sie wirklich, sie würde vielleicht fliehen? Der Gedanke, loszurennen und all dies hinter sich zu lassen, war plötzlich sehr verlockend in ihr. Rennen, die Arme ausbreiten und den Tod umarmen, denn sie wusste, dass sie nicht weit kommen würde. Die Cardassianer hatten Befehl, gezielt zu schießen, wenn jemand aus dem Lager fliehen wollte.

Leeta dachte an Kalan, und vielleicht war der Gedanke an ihn das einzige, was sie davon abhielt loszurennen, stattdessen sank sie auf die Knie und ließ ihre Hände über die Erde wandern, so als könnte sie auf diese Weise ihren Vater noch einmal berühren.

Sie hörte das Knirschen von Stiefelsohlen nahe bei sich und blickte sich um. Ängstlich starrte sie zu dem jungen Cardassianer auf, der sich ihr genähert hatte.

„Ich wollte dich nicht erschrecken!“ Die Stimme des Cardassianers klang nicht so schroff wie Leeta es gewohnt war. In seinen hellblauen Augen war sogar eine Spur von Unsicherheit. Er streckte ihr einen kleinen Metallzylinder entgegen. „Es ist eigentlich nur Abfall, aber wenn du ihn in die Erde steckst, dann wirst du eines Tages das Grab deines Vaters besser finden können. Auf jedem Tricorder oder Scanner wird man Metall aufspüren können!“ Er hatte hastig gesprochen, und Leeta starrte ihm einige Sekunden lang direkt in die Augen, sonst hatte ihr Vater ihr immer eingeschärft, nie in das Gesicht eines Cardassianers zu sehen. Es war besser, wenn niemand auf sie aufmerksam wurde. Leeta nahm den Metallzylinder aus der Hand des jungen Wachpostens, der nickte und wieder einige Schritte zurücktrat.

„Danke.“ Leeta sah das Erstaunen, das sich auf dem Gesicht des Cardassianers spiegelte, und war selbst überrascht über dieses Wort, das sie gar nicht hatte aussprechen wollen.

Leeta steckte den Metallzylinder in die Erde, sie hoffte, dass sie dieses Grab eines Tages wiederfinden würde, aber gleichzeitig wünschte sie sich, dass es der Yamakstrauch wäre, der sie leitete und nicht das Stück cardassianisches Metall.

Sie stand auf und wischte die Erde von ihrer weiten Hose, ehe sie ihre Hände an der Vorderseite der ebenso weiten Jacke abwischte, die so gut ihre erblühenden weiblichen Rundungen verbarg. Leeta ging langsam zurück zum Lager, die Wachposten hielten auch jetzt noch Abstand zu ihr, und sie war dankbar dafür. Eine Bajoranerin wartete am Lagerrand auf sie. Nila war eine entfernte Verwandte ihrer Familie, und das Leben hatte in ihr Gesicht Falten gegraben, die sie weitaus älter wirken ließen als sie tatsächlich an Jahren zählte.

„Ich wollte mit dir allein sprechen, Leeta!“ Nila zog sie am Ärmel mit sich in den Schatten der Baracken und deutete auf eine kleine Gruppe von Bajoranerinnen, die etwas entfernt auf dem Platz standen. Einige Cardassianer, manche davon von höherem Rang, gingen um sie herum und betrachteten sie mit einer Gier in den Augen, die in Leeta Übelkeit erweckte.

„Weißt du, was da vor sich geht?“ Nila blickte sie scharf an.

„Sie verkaufen sich an die Cardassianer!“ Leeta hatte von diesen Frauen gehört. Die cardassianischen Offiziere nahmen sich gerne bajoranische Dienerinnen, und es war bekannt, auf welche andere Art die Frauen noch dienen mussten.

Nila machte die Augen schmal. „Ich habe dies einst auch getan!“

Leeta starrte Nila groß an, diese berührte leicht ihre eigene Wange. „Ich weiß, wie ich aussehe, aber einst war ich hübsch und jung!“ Nila ließ die Hand sinken. „Manchmal ist das der einzige Weg, den wir Frauen hier im Lager haben, Leeta! Du kannst nicht in den Minen arbeiten, und es gibt wenige Arbeiten, die wir Frauen für Cardassianer verrichten dürfen, bei denen sie nicht früher oder später auch unseren Körper für ihre Lust benützen!“

Leeta schüttelte den Kopf, so als würde sie ableugnen wollen, was Nila erzählte, sie hatte sie immer sehr gerne gemocht und konnte nicht glauben, dass sie ihren Körper an die Cardassianer verkauft hatte, für bessere Essensbezüge!

Nila packte sie fest am Arm. „Du stellst dir das schlimmer vor, als es ist, Leeta. Meist versuchen sie sogar nett zu sein, wenn man gefügig ist, und man kann alles abwaschen, Leeta. Wasser nimmt den Geruch und auch alles andere von dir.“

Leeta riss sich heftig frei. „Lieber will ich verhungern!“

Nila schüttelte betrübt den Kopf. „Glaub nicht, dass ich nicht auch einmal so dachte. Ich wollte dir nur diese Möglichkeit zeigen.“

Leeta blickte sie noch immer erschüttert an. „Warum hast du es getan, Nila?“

Die Frau, die so viele Jahre älter aussah als sie war, in deren Gesicht sich der Schmerz ihres Lebens eingegraben hatte, blickte sie traurig an. „Kannst du dich noch an Petar erinnern?“ Leeta nickte langsam, Nila hatte ihren Sohn in einem kalten Winter an den Tod verloren, in dem Jahr, als sie ins Lager gekommen waren.

„Ja, aber...“

Nila unterbrach ihre Worte mit einer schroffen Handbewegung. „Ich habe es für ihn getan, weil sie sich auf solch einen Handel einlassen. Sie geben den Kindern, Eheleuten und auch Geschwistern dieser Frauen größere Rationen! Für die Offiziere ist das nur ein Befehl, und für Petar bedeutete es das Leben. Nicht sich jede Nacht in den Schlaf zu weinen, weil der Hunger an einem nagt wie ein wildes Tier! Der Tod hat ihn mir dennoch genommen, aber er hat länger gelebt als wenn ich es nicht getan hätte!“ Nilas Augen funkelten. „Ich würde es wieder tun, Leeta! Und ich bereue nichts!“

Leeta blickte der Frau nach, die mit eiligen Schritten zwischen den Baracken verschwand. Zögernd wandte sie den Kopf zu dem Platz, wo die Cardassianer sich ihre Dienerinnen aussuchten, und sie dachte dabei an Kalan.
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