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Wo sich die Wege kreuzen

von Gabi

Kapitel 1

Etwas irritierte ihre Aufmerksamkeit. Der Hauptteil ihrer Sinne war ganz darauf ausgerichtet, dass sie ihren Verfolgern entkam, doch nie begab sie sich in die Gefahr, ihre Umgebung außer Acht zu lassen. Vor allem nicht hier in diesen einsturzgefährdeten Ruinen, welche normalerweise weiträumig von den Mora und den Shoren gemieden wurden. Die Shoren waren ausgesprochen erfindungsreich, wenn es um die Jagd ging. Der Trupp, der sie in diese verfallenen Gebäude getrieben hatte, mochte unter Umständen nur eine Ablenkung für die eigentlichen Häscher sein. Sie wäre nicht die erste Mora, welche diese Unvorsichtigkeit mit dem Leben bezahlt hätte.

So spürte sie die Änderung in der Wärmeverteilung in ihrem Rücken augenblicklich. Während ihre großen, vielkammrigen Augen weiterhin auf die umgestürzten Träger gerichtet blieben, durch deren Zwischenräume die vorsichtigen Bewegungen der sie verfolgenden Shoren wahrgenommen werden konnten, legte sie beide Fühler eng an den Kopf, so dass die Thermalgruben in Richtung der Wärmestörung zeigten. Sie konnte drei Individuen unterscheiden, deren Energie zwar in Sorge schwach flackerte, jedoch keine Bedrohung ausströmte. Für Tiere erschienen sie ihr zu gerichtet. Für Shoren war das Niveau der thermischen Abstrahlung zu hoch, für Mora ohnehin.

Für einen kurzen Moment zog sie nun doch ihre gesamte Aufmerksamkeit von den Jägern ab und ließ zu, dass die Information der Thermalgruben weiterprozessiert wurde. Die Wesen befanden sich außerhalb direkter Sicht hinter einer der noch halbwegs intakten Tunnelkonstruktionen, vor denen sie Zuflucht genommen hatte. Doch auch wenn ihre Kammeraugen momentan keinen Beitrag leisten konnten, baute die Information über die Thermalgruben ein recht deutliches Bild auf: aufrechter Gang, zwei Beine, zwei Arme – darin glichen sie den Shoren – weitestgehend unbehaarte Körper mit einer Außenhülle, welche keinen Wärmerückhalt gewährleistete. Der Großteil der Gestalten war von einer Fabrikation umgeben, welche vermutlich ähnlich ihrer eigenen Kleidung war.

Was sie noch mehr verwunderte als der Umstand, dass sie die Signale der drei nirgends zuordnen konnte, war das Phänomen, dass sie die Fremden erst jetzt entdeckt hatte. Die Tunnelwände, welche ihrer beider Aufenthaltsorte trennten, maßen gerade einmal drei Längen. Sie hätte diese veränderte Wärmesignatur bereits viel früher wahrnehmen müssen. War sie doch zu sehr auf ihre Verfolger konzentriert gewesen oder besaßen die Fremden eine Möglichkeit, ihre Wärmesignatur zu verbergen? Doch warum sollten sie diese dann ausgerechnet jetzt, wo sie in ihrer Nähe waren, fallen lassen? Oder ahnten die Fremden vielleicht gar nicht, dass sie hier war?

Die Shoren besaßen keine Thermalgruben und mussten sich für alles, was nicht in den Wahrnehmungsfrequenzen ihrer visuellen Organe lag, der Geräte bedienen. Die Mora besaßen diese Geräte zwar auch, doch kamen sie nur selten zum Einsatz. Mora waren Shoren weit überlegen, das war schon immer so gewesen.

Behutsam bewegte sie sich zur Seite, bis sie eine Stellung erreichte, in welcher sie sich nicht mehr in direkter Linie zwischen den Shoren und den Fremden befand. Ihre Verfolger verharrten in der Sicherheit hinter dem gestürzten Träger. Offensichtlich hatten auch sie bereits die Fremden auf ihren Anzeigen entdeckt und waren sich ebenfalls nicht sicher, was sie davon halten sollten. Immerhin versicherte ihr dieses Verhalten, dass sie nicht in einer Falle saß.

Sie wog den Kampfstab in den Händen ihres oberen Armpaares. Kurzzeitig spielte sie mit dem Gedanken, die Verwirrung des Moments auszunutzen, die Shoren rasch zu umrunden und sie von der Seite anzugreifen. Es waren nur drei, mit dem Überraschungsmoment hatte sie eine reelle Chance. Doch dann überwog die Neugierde. Sie wollte wissen, wer sich da auf der anderen Seite der eingefallenen Wände befand. Wenn sie sich jetzt um die Shoren kümmerte, verschwanden die Fremden womöglich wieder. In ihr war zu viel Wissenschaftlerin und zu wenig Kämpferin, um sich in dieser Situation für die sicherste Option zu entscheiden.

Sie griff den Kampfstab fester, zog sich noch ein paar Schritte zurück, und begann dann die eingefallene Tunnelkonstruktion zu umrunden, um nach einem Durchgang zu suchen und eine Möglichkeit zu finden, die Fremden mit all ihren Sinnen zu erfassen.

Sie hatte die Shoren unterschätzt, und in einem weniger gewogenen Universum wäre sie nun zu einer der Mora geworden, welche ihre Unvorsichtigkeit mit dem Leben hätte bezahlen müssen.

Sobald sie ihre Aufmerksamkeit von dem Trägerversteck abgewandt hatte, brachen die Shoren hervor. Sie waren nicht aufgrund von Verwirrung untätig gewesen, sondern aufgrund von Planung. Das musste sie feststellen, als sich ihre Kammeraugen vor Schreck verdunkelten. Wahrscheinlich hatten die Shoren noch nicht einmal die Fremden wahrgenommen und hatten so ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auf die Jagd legen können – ein Umstand, den sie vernachlässigt hatte.

Als die ersten Energiestrahlen die staubhaltige Luft neben ihrem rechten Fühler durchschnitten, konnte sie sich nur noch fallen lassen. Die Überraschung wandelte sich rasch in Panik als ihr bewusst wurde, dass sie sich in einer aussichtslosen Lage befand. Die Zeit, die sie benötigte, um wieder auf die Beine zu kommen, war die Zeit, welche die Shoren brauchten, um sie zu erreichen. Der rasche Takt ihres Pulses setzte sich wie ein Trommelfeuer durch die Leitbahnen ihres Hauptversorgungssystems fort. Die Aussichtslosigkeit ihrer Lage ließ die Panik nun wiederrum in Wut aufgehen. Wenn sie durch ihre eigene Dummheit heute Abend als Trophäe enden sollte, dann wollte sie wenigstens noch einen von ihnen mitgenommen haben.

Der Tritt der schweren Stiefel zerrte bereits an ihrem empfindlichen Gehör, als sie den Kampfstab hochriss und aktivierte. Sie zählte nicht zu den Kampfathleten ihrer Rasse, welche aus dem Liegen heraus aufschnellen und den Stab wirbeln lassen konnten. Doch sie war immer noch reaktionsschneller als ein Shoren. Mit zwei Händen brachte sie sich in eine kauernde Position, mit den anderen beiden ließ sie den Kampfstab gegen die Beine des ersten Shoren krachen. Zwar brachte sie damit den einen Jäger zu Fall, doch gleichzeitig bot sie dem nachfolgenden ein gutes Ziel. Die feinen Staubpartikel in der Luft erhitzten sich unter den Energieentladungen und sie wappnete sich für den alles vergessenden Moment, der überraschenderweise nicht kam. Das Zischen zerrte polternd an ihrem Trommelfell, doch offensichtlich galt es nicht ihr, die nun geduckt zwischen Bauschutt eher die Rolle der Vergessenen spielte. Den Kopf zu heben wagte sie nicht, daher verließ sie sich ganz auf ihre Thermalgruben. Die Hitze des Waffenfeuers erschwerte ihre Sondierung, doch es genügte, um zu erkennen, dass sich die drei Fremden aus den Tunneln heraus bewegt hatten und im Gefecht ihre Partei ergriffen – oder sich zumindest gegen ihre Feinde stellten.

Der Austausch war nur von kurzer Dauer, die Waffen der Fremden offensichtlich weit höher entwickelt. Als ihre Ohren nicht mehr von dem Lärm widerhallten, hob sie den Kopf.

Die Körper der Shoren lagen über dem Schutt verstreut, die drei Fremden standen mit gezückten Energiewaffen auf ihrer anderen Seite. Die Körpertemperatur der Fremden hatte sich erhöht, zur Aufwallung durch die Kampfhandlung kam auch eine gesteigerte Nervosität hinzu. Sie bewegte sich so langsam wie möglich, um die Fremden nicht zu feindlichen Handlungen ihr gegenüber zu provozieren. Sicherheitshalber ließ sie den Kampfstab auf dem Boden liegen. Gegen die Technik der anderen hatte sie offensichtlich eh keine Chance. Langsam richtet sie ihren schlanken Körper auf und streckte ihre vier Arme wie Strahlen von sich um deutlich zu machen, dass sie darin nichts hielt, was sich als Waffe eignen würde. Das Signal schien von den Fremden verstanden zu werden. Die Person in der Mitte, deren Sinnesfäden auf dem Haupt sich in komisch aussehenden Spiralen in der Farbe hellen Feuers drehten, brummte etwas auf einer Frequenz, die sich gerade noch an der unteren Bandbreite ihres auditiven Spektrums befand, woraufhin alle drei die Waffen wegsteckten. Abermals versuchte das Feuerhaupt zu kommunizieren. Das Brummen klang melodisch, doch sie war nicht einmal im Stande Wörtermuster daraus zu isolieren, geschweige denn zu verstehen. Sie legte den Kopf schief. Dabei gerieten ihre Fühler in Bewegung. Das schwache Signal, welches die Thermalgruben nun empfingen, ließ sie ungeachtet ihrer Vornahme zu bedachten Bewegungen herumfahren. Die Shoren waren nicht tot, die Waffen der Fremden hatten nicht richtig funktioniert. Sie bückte sich rasch, ergriff ihren Kampfstab und holt aus, um dem ihr am nächsten Liegenden den finalen Stoß zu verabreichen.

Ein Griff umfasste ihr Handgelenk. Die Berührung war so unerwartet und so ungebührend, dass sie vor Schreck die Waffe fallen ließ. Ihre Sinnesfäden, welche auf diese Nähe mit dem anderen Wesen in Kontakt kamen, teilten ihr augenblicklich mit, dass es sich bei den Fremden um Säugetiere handelte. Kein schützender Chitinpanzer lag unter der dünnen Körperoberfläche. Von der Stelle aus, wo die warme Hand sie berührt hatte, kribbelte es ihren Körper entlang. Sie versuchte sich loszumachen, ihre Augen dunkel vor Schreck. Man berührte sich nicht! Ein Tasten der Fühler, ein Streichen der Sinnesfäden, alles weitere war aufs Gröbste unschicklich unter Fremden.

Das Wesen, einiges dunkler in den Sinnesfäden und den kleinen Augen als das Feuerhaupt, schien ihr Unbehagen zu begreifen, denn es ließ augenblicklich von ihr ab, kickte mit dem Fuß jedoch den Kampfstab aus ihrer Reichweite. Wieder ertönten die unverständlichen Laute.

„Sie sind noch nicht tot!“, versuchte sie die Aufmerksamkeit der Fremden auf ihr Missverständnis zu lenken. Handzeichen schienen sie zu verstehen, und so deutete sie mit allen vier Armen auf die am Boden liegenden Shoren. Noch einmal wiederholte sie langsam und deutlich wie einem Kind gegenüber: „Sie sind noch nicht tot.“

Das dritte Wesen, das bisher nicht gesprochen hatte, wurde aufgeregt. Deutlich stieg die Körpertemperatur an, als es ein Gerät zückte. Sie wollte zurückweichen, doch das Wesen gestikulierte ihr zu. Sie gewahrte deutlich freudige Aufregung, keine bedrohliche. Nun sprach auch dieses Wesen, das Brummen eine Nuance höher in der Frequenz als bei den beiden anderen. Instinktiv erfasste sie diese Fremde als Weibchen.

Sie empfand die Ablenkung als unpassend, wo die Shoren noch lebten, doch es schien dem Weibchen ungemein wichtig zu sein. Immer wieder kommunizierte es, senkte den Kopf über das Gerät, äußerte wieder seine Laute, machte erneut die winkende Geste mit der Hand, kommunizierte wieder …

Sie betrachtete das absonderliche Bild vor sich eine Weile, dann legte sie erneut den Kopf schief. „Du willst, dass ich spreche, richtig?“

Die aufgeregte Energie des Weibchens erhöhte sich abermals. Warum die Fremden ihre Worte aufnehmen wollten, entzog sich zwar noch ihrem Verständnis, doch sie wippte kurz mit dem Kopf. „Die Shoren sind noch nicht tot“, sprach sie langsam den Satz, der ihr immer noch am wichtigsten erschien. „Ihr habt sie nicht richtig erschossen. Eure Waffen sind sicherlich falsch eingestellt.“ Nach einer kurzen Pause fiel ihr noch etwas Wichtiges ein: „Wer seid ihr überhaupt?“

Während sie sprach, glitt ihr Blick von einem zum anderen der säugetierartigen Fremden. Sie war sich mittlerweile ziemlich sicher, es mit einem Weibchen und zwei Männchen zu tun zu haben. Die Statur der Fremden überragte ihre eigene in der Höhe etwa um einen Kopf, in der Breite um die Hälfte. Die Sinnesfäden auf dem Haupt waren bei den Männchen kurz, wobei der Feuerkopf sie in interessanten Kringeln trug. Beim Weibchen entsprachen sie in der Länge ihren eigenen, in der Farbe dem dunklen Ton des zweiten Männchens. Wie die Shoren besaßen sie nur zwei Arme und die Augen der Fremden waren noch kleiner als diejenigen der Shoren, was den Gesichtern einen seltsam unproportionalen Ausdruck verlieh. Gekleidet waren alle drei in schwarze Anzüge mit grauem Schulterteil. Lediglich die daraus hervorschauende Halsbedeckung hatte bei jedem von ihnen eine andere Farbe. Der Feuerkopf trug ein dunkles Rot, derjenige, der sie vorhin so unpassend angefasst hatte, ein grünliches Gelb und das Weibchen ein bläuliches Grau. Sie mutmaßte, dass es Zeichen der Zugehörigkeit zu verschiedenen Stämmen waren, oder der Rangordnung innerhalb eines Stamms.

Plötzlich reckte sie den Kopf. In dem tieffrequenten Lautsumpf, den sowohl die Fremden als auch das Gerät von sich gaben, glaubte sie plötzlich ein Wort zu erkennen. Das und die Reaktion des Weibchens darauf machten ihr schlagartig klar, dass es sich nicht um ein einfaches Aufzeichnungsgerät handelte. „Ihr versucht damit eure Sprache zu übersetzen“, rief sie aus mit zwei Händen auf das Instrument zeigend. „Deswegen soll ich so viel sprechen.“ Jetzt begann auch ihre Körpertemperatur zu steigen. Übersetzungsgeräte kannte sie. Selbst die Mora waren unter sich in etliche Stämme mit unterschiedlichem Idiom geteilt. Doch sie hatte noch nie von einem Gerät gehört, welches eine ihm gänzlich fremde Sprache in so kurzer Zeit analysieren konnte.

„Wer seid ihr? Wo kommt ihr her?“, fragte sie daher noch einmal.

Der Feuerkopf hob den Blick, den er bislang fest auf das Gerät in der Hand des Weibchens gerichtet hatte. Seine wasserhellen Augen formten Halbmonde, die Winkel seines Mundes hoben sich nach oben. „…sprechen … weiter … … gleich …“

„Wer seid ihr? Wo kommt ihr her? Ich komme von weit hinter dem Wald. Wir haben da unseren Stamm. So etwas wie euch habe ich noch nie gesehen. Ich wusste nicht, dass Säugetiere Intelligenz besitzen. Ihr seid nicht von hier, nicht wahr? …“

Auch die Mundwinkel des Weibchens zeigten nun nach oben. Es tippte eifrig auf dem Gerät herum. Lediglich das Männchen, das sie angefasst hatte, stand reglos, die Lippen zu einem Strich zusammengepresst, die Aufmerksamkeit nicht auf dem Übersetzungsgerät, sondern auf ihrer Umgebung.

Ein Wächter, eindeutig ein Wächter. Auch die Ernsthaftigkeit und die leicht niedrigere Körpertemperatur, welche das Männchen ausstrahlte, passten gut zu dieser Einschätzung. Von dem Wenigen, was sie bislang mitbekommen hatte, tippte sie auf eine Sozialstruktur ähnlich derjenigen innerhalb ihres eigenen Stammes. Es konnte nicht sein, dass noch eine dritte hochentwickelte Spezies auf ihrem Planeten lebte, von der sie noch nie etwas mitbekommen hatten. Der Schluss, der sich daraus ergab, machte sie für einen Moment schwindelig. „Kommt ihr aus dem Weltall?“

Das Feuerhaupt blickte nun endgültig auf. „Wir kommen von … weit her“, erklangen die Worte aus dem Gerät klar verständlich. Zwar fehlte die Schwingung, welche in ihrer Sprache die Emotionen trug, doch der rasche Wechsel in der thermischen Ausstrahlung, der diesen Wesen zu eigen war, verdeutlichte ihr gut den Kontext des Gesprochenen. So wie die Missbilligung, welche nun von dem Wächter ausging, als dieser murmelnd hinzufügte: „Und wir sollten überhaupt nicht hier sein.“

Die anderen beiden beachteten ihn nicht, sie schienen diese Art Aussage gewohnt zu sein.

„Ich bin Ciaran Odhran, das hier ist Reka Kesmarki und der ernste Gefährte hört auf den Namen Avram Cerovic.“ Die Mundwinkel zeigten immer noch nach oben, die kleinen Augen leuchteten wie klares Wasser im Sonnenlicht. Eine Woge von Sympathie strahlte ihr entgegen.

„Ciaranodhran“, wiederholte sie die selbst über den Übersetzer ungewohnt klingende Tonfolge. Sie würde es mehrfach vor sich hin sprechen müssen, um sich diese Silben einprägen zu können.

Das Feuerhaupt stieß einen Laut aus, welcher sie entfernt an das Bellen des Kenquano erinnerte und welchen das Gerät nicht übersetzte. Die Ausstrahlung bedeutete jedoch Erheiterung.

„Ciaran“, wiederholte das Wesen, „nur Ciaran. Das ist der Name, den mir meine Eltern bei der Geburt gegeben haben. Odhran kennzeichnet meine Familienzugehörigkeit.“

„Reka“, erklärte das Weibchen.

Beide Fremden ließen ihre Augen zum Wächter wandern. Sie folgte dem Blick. Immer noch strahlten vordringlich Ernsthaftigkeit und eine gewisse mürrische Haltung von dem Fremden aus. Er verengte die schmalen Augen, bis diese nur noch dunkle Schlitze waren. „Cerovic!“

Die beiden anderen rollten mit dem farbigen Anteil ihrer Augen. Eine äußerst faszinierende Bewegung, die sie nicht nachahmen konnte und auch bei den Shoren noch nie gesehen hatte.

„Wie ist dein Name?“, schenkte das Weibchen ihr wieder die volle Aufmerksamkeit.

Sie sprach ihren Namen aus, mittlerweile sehr sicher, dass ihr von diesen Fremden keine Gefahr drohte. Sie konnte hören, dass das Gerät mit der Lautfolge ein wenig Schwierigkeiten hatte.

Die freudige Ausstrahlung der Fremden änderte sich. Es entstand immer noch kein Gefühl von Bedrohung, doch sie verspürte nun deutlich eine Aufregung bei den anderen, die sie nicht einordnen konnte.

„Wiederholst du das bitte noch einmal?“

Sie tat wie geheißen. Überraschenderweise nahm der Wächter nun die Aufmerksamkeit von der Umgebung und starrte sie an. „Hekate?“

Es klang nicht vollkommen richtig, doch lautmalerisch konnte sie ihren Namen darin wiedererkennen. Sie nickte.

Der Wächter setzte die massive Waffe ab, die er bisher in locker aufmerksamer Haltung getragen hatte und starrte die beiden anderen an. Was er nun äußerte, begriff sie nicht. „Schicksal.“



* * *



Sie hatten sich in die Tunnel zurückgezogen und um ein einfaches Mahl herumgesetzt. Erfreulicherweise hatten sie festgestellt, dass vom verwertbare Nahrung bei ihren beiden Spezies nicht so unterschiedlich zu sein schien.

Nachdem Cerovic ihr mehrfach, jedoch in sehr respektvoller Weise, versichert hatte, dass niemand die betäubten Shoren zu töten hatte, hatte Hekate sich bereit erklärt mit den Fremden mitzugehen. Ihre Fühler lagen jedoch flach am Rücken an, damit sie jederzeit das Erwachen und Näherkommen irgendwelcher Feinde würde aufspüren können.

„Hekate ist ein Name, den es auch in unserer Kultur gibt“, erklärte Odhran, während er ihr einen Riegel reichte, der nach seiner Aussage aus konzentrierten Proteinen bestand. „In den alten Mythen war es der Name derjenigen Göttin, welche über Wegkreuzungen wachte. Sie wurde angerufen, wenn es darum ging, den richtigen Weg zu finden. Wir haben unser …“, er zögerte einen Moment, seine Ausstrahlung machte klar, dass er nach einer Ausrede, einer Lüge, suchte, „… Forschungsschiff nach ihr benannt.“

Hekate legte den Kopf schief. Sie konnte nicht erkennen, worin die Unwahrheit in dieser Aussage lag. „Ein Schiff?“, hakte sie daher nach. Dass die Fremden mit einem Schiff über eine der Wasserflächen gekommen waren, welche ihren Kontinent begrenzten, war sehr unwahrscheinlich. Ihr Planet war weitestgehend erforscht, und eine intelligente Säugerspezies hätte niemals ihrer Aufmerksamkeit entgehen können.

Die drei merkten, dass sie sich selbst in Erklärungsnot gebracht hatten.

Cerovic schenkte Odhran ein humorloses Lächeln. „Du hast uns in den Schlamassel reingeritten, Captain, jetzt denk dir was aus.“

„Wenn ich darf?“, warf Kesmarki ein. Auf Odhrans Nicken hin fuhr sie fort: „Wir haben es hier mit einer technisierten Spezies zu tun, die wahrscheinlich keinem Aberglauben anhängt …“

„Mit einer nicht abergläubischen, technisierten Präwarp-Spezies“, betonte Cerovic den Haken an der Angelegenheit.

„Wir verändern kein Weltbild …“

„… und tauschen keine Technologie aus …“

„… und missachten gerade die Hauptdirektive!“

Hekate klatschte mit ihren vier Händen gleichzeitig auf den mit Steinplatten ausgelegten Tunnelboden. Die Höhlung sorgte für einen eindrucksvollen Klang.

„Von was redet ihr? Ich sitze neben euch, tut nicht so, als ob ich nicht da wäre!“

Odrhan seufzte. Er fuhr sich mit der Hand durch die rotblonden Locken. „Bei der Organisation, für die wir arbeiten, gibt es über allem eine strenge Regel, die besagt, dass wir uns nicht in Belange von Völkern einmischen dürfen, die technologisch nicht in etwa auf unserer Stufe stehen. Wir hätten nur beobachten dürfen, nicht jedoch zulassen, dass du uns siehst.“

„Genau genommen …“, Cerovic betrachtete seine Stiefelspitze, „hätten wir uns auch aus dem Kampf heraushalten müssen.“

Hekates Kopf ruckte hoch. „Da bin ich aber froh, dass ihr es euch anders überlegt habt. Und was ist jetzt mit dem Schiff, das meinen Namen trägt?“

„Sie hat es nicht vergessen“, murmelte Odhran.

Kesmarki hob die Augenbrauen. „Das war auch kaum zu erwarten.“ Sie zögerte kurzzeitig, versicherte sich des Nickens ihres Kommandanten. „Wir stammen nicht von deinem Planeten …“

„… so viel ist mir auch klar geworden, haltet mich bitte nicht für dumm, nur weil ihr vielleicht eine bessere Technologie besitzt als wir. Ihr habt ein Raumschiff im Orbit und seid irgendwie hier runter gekommen.“

Die drei tauschten Blicke aus und wieder konnte Hekate diese Ausstrahlung empfangen, dass irgendetwas nicht ganz der Wahrheit entsprach.

„So in etwa“, bestätigte Kesmarki mit leichtem Zögern. „Du weißt, dass es anderes Leben im Weltall gibt?“

„Jetzt ja“, erklärte Hekate. „Bisher hatten wir noch keinen Beweis dafür. Doch euer Auftauchen wird die Skeptiker eines Besseren belehren.“

Cerovic verzog das Gesicht, als ob er in etwas sehr Saures gebissen hätte.

„Das ist auch so ein Punkt“, gab Odhran zögerlich zu bedenken. „Es darf niemand weiteres von unserer Gegenwart hier erfahren. Dieses Wissen würde eure Entwicklung beeinflussen.“

Hekate konnte das Problem nicht wirklich erkennen. „Jeden Tag beeinflusst das eine oder andere Ereignis unsere Entwicklung, das ist der natürliche Lauf der Dinge, sonst unterlägen wir einem Stillstand. Was soll hieran anders sein?“

„Gesprochen wie eine wahre Wissenschaftlerin“, gestand Kesmarki ein.

Odhran schenkte ihr einen Blick, der besagte, dass der Kommentar nicht wirklich hilfreich gewesen war. „Es ist anders, weil wir unseren eigenen Regeln unterliegen.“

„Und was wollt ihr machen, um zu verhindern, dass ich meinen Leuten von euch erzähle?“, wollte Hekate herausfordernd wissen. Nach wie vor empfing sie keine Feindseligkeit von den Fremden, lediglich eine immer größer werdende Nervosität. „Mich umbringen? Dann hättet ihr vorhin nicht einschreiten brauchen.“

„Sicherlich nicht!“ Wieder diese tiefe Ernsthaftigkeit, gepaart mit einer gewissen Zuneigung, die in dem Moment aufgeflammt war, als sich herausgestellt hatte, dass die Laute ihres Namens denjenigen des Schiffs entsprachen. Cerovics Haltung ihr gegenüber hatte sich in den letzten Minuten deutlich geändert. Die Ausstrahlung, welche Hekate von dem Wächter empfing, faszinierte sie. Kesmarki hatte vorhin den Aberglauben erwähnt, den sie ihrer Spezies wohl aufgrund von Hekates rationalem Auftreten nicht zuschreiben würde. Doch in Cerovic schien ein Teil dieses Gefühls zu existieren. Hekate nahm sich vor, das auszunutzen, wenn es darauf ankam.

„Wir könnten ihr Kurzzeitgedächtnis löschen, wenn wir …“

„… haben wir aber nicht!“

Kesmarki und Odhran blickten sich an und wieder spürte Hekate diese unaufrichtige Aura.

„Wir haben Mist gebaut“, murmelte Cerovic, spürbar hin und her gerissen zwischen der Einhaltung seiner Regeln und der Implikation, welche Hekates Namen für ihn hatte.

Kesmarki lehnte sich an die Tunnelwand zurück und spielte mit der Verpackung ihres Riegels. „Wenn wir wieder weg sind, wird ihr keiner glauben. Keine Beweise, nichts, nur ihre Aussage …“

„… Ihr sprecht schon wieder so als wäre ich nicht anwesend“, fuhr Hekate auf.

Kesmarki hob die Hände. „Entschuldigung.“

„Ich soll also als Spinnerin hingestellt werden?“ Hekate spürte, wie ihre eigene Temperatur anstieg. Es machte sie wütend, dass die Fremden sich für so überlegen hielten. Sie überlegte bereits fieberhaft, wie sie etwas von deren Ausrüstung entwenden konnte, bevor sie wieder verschwanden. Dann hätte sie einen Beweis und nicht nur ihre leeren Worte.

Odhrans nachdenkliches Gesicht glättete sich ein wenig, als er sie anblickte. „Wenn du unser Treffen für dich behältst, wird dich auch niemand anzweifeln können.“

„Sehr pragmatisch!“

„So bin ich nun einmal …“

Hekates Fühler ruckten nach oben. Ihre Haltung wurde steif, als sie sämtliche Sinne von der unmittelbaren Umgebung abzog. Die thermischen Störungen hatten zugenommen, schwach erst, doch sie kamen unbeirrbar in zügiger Geschwindigkeit näher. Es handelte sich nicht nur um wenige Personen und nicht nur aus einer Richtung. Die Wärmesignatur war eindeutig Shoren. Das Ausbleiben des Jagdtrupps musste den Stamm auf den Plan gerufen haben. Das, oder sie hatten ebenfalls die Fremden aufgespürt. Denn ein solcher Aufmarsch rechtfertigte eine einfache Jagd nicht.

„Sie kommen und kreisen uns ein“, zischte sie.

Die drei Fremden blickten sich irritiert um. Offensichtlich waren sie nicht in der Lage, die Shoren zu spüren. Kesmarki zückte eines der Geräte und schwenkte es auf einer langsamen Kreisbahn.

„Sie hat recht“, bemerkte sie schließlich. „Ich empfange dieselben Biozeichen wie von den betäubten Genossen dort draußen. Sie nähern sich aus drei Richtungen unserem Standort.“

Odhran brachte seinen Kopf an ihre Schulter, um sich die Anzeige des Geräts selbst anzusehen. Abermals hob er seine Augen zu Hekate. „Das hast du spüren können?“

„Ihr könnt das nicht?“, stellte Hekate die Gegenfrage, deren Antwort jedoch auf der Hand lag.

„Offensichtlich nicht“, murmelte Kesmarki, „eine ausgezeichnete Wahrnehmung.“ Sie gab ein paar Parameter ein. „Kannst du sie hören?“

Hekate legte abermals den Kopf schief, nicht gewillt ihre Aufmerksamkeit von der Umgebung abzuziehen. Sie wollte nicht noch einmal einen lebensbedrohlichen Fehler begehen. „Wärmeabstrahlung“, erwiderte sie lediglich, dann konnte sie es sich nicht verkneifen hinzuzufügen: „So kann ich auch erkennen, wenn ihr versucht mich anzulügen.“

Die betroffenen Blicke nahm sie zwar nur am Rande, jedoch mit Genugtuung, wahr.

Cerovic stand auf, die schwere Waffe in den Händen. „Wenn ihr mit euren wissenschaftlichen Analysen fertig seid, können wir uns vielleicht um den wichtigen Teil kümmern. Wir müssen hier weg.“

Odhran erhob sich ebenfalls, während Kesmarki noch die Ausrüstung einsammelte und in einer Schultertasche verstaute. „Ich möchte gerne erst einmal wissen, warum ihr euch bekämpft?“

Hekate zog kurzzeitig die Aufmerksamkeit ab, um dem Fremden den Großteil ihrer Kammeraugen zuzuwenden. „Die Shoren machen Jagd auf uns, und wir rächen uns dafür wo wir nur können“, erklärte sie. „Das war schon immer so.“

„Habt ihr es einmal mit Reden versucht?“ Odhran straffte seine Schultern und schenkte seine Aufmerksamkeit wieder Kesmarkis Tricorder, sobald diese sich neben ihm aufgerichtet hatte.

„Mit den Shoren kann man nicht reden!“

„Diese Antwort habe ich beinahe erwartet.“

Hekate konnte eine gewisse Traurigkeit verspüren, die von Odhran ausging, die sie jedoch nicht verstand.

„Wohin?“, wandte er sich wieder Kesmarki und ihrem Tricorder zu.

Hekate antwortete an ihrer Stelle: „Wenn wir hier vorne rausgehen, dann entdecken sie uns sofort. Sie befinden sich bereits in visueller Reichweite. Wir müssen sehen, wo es da hinten weiter geht.“

Cerovic wandte seinen Blick zu Kesmarki, diese nickte. „Wie weit geht der Tunnel?“

„Ich weiß es nicht“, gestand Hekate, „wir halten uns normalerweise überhaupt nicht in diesen alten Ruinen auf. Es war Zufall, dass ich heute vor den Shoren hierher geflüchtet bin.“

„Siehst du!“, flüsterte Kesmarki Cerovic zu. „Ich habe dir doch gesagt, dass die vorbereitenden Scans niemals intelligente Biozeichen in der Umgebung ergeben haben. Das war nur ein blöder Zufall.“

Der Angesprochene hob lediglich eine Augenbraue und murmelte etwas von „Schicksal“, bevor er die Waffe schulterte und die anderen hinter sich her tiefer in den Tunnel hinein winkte.

Nach ein paar Metern blieb Hekate stehen und brachte so auch den Rest der Gruppe zum Halten. „Auf der anderen Seite sind sie auch!“

„Ich kann mindestens fünfzehn Lebenszeichen differenzieren“, bestätigte Kesmarki.

„Irgendwelche Seitengänge?“, wollte Odhran wissen.

Kesmarki verneinte.

„In Ordnung.“ Der rothaarige Mann straffte die Schultern. „Wir können uns unmöglich hier durchschießen, wir haben bereits genug Aufmerksamkeit erregt.“ Er blickte nachdenklich zu Hekate. „Wenn wir dich hier zurücklassen, dann werden sie dich töten, richtig?“

Sie nickte. Gegen eine solche Überzahl war ihre Chance gleich Null. Sie zweifelte auch daran, dass die Fremden viel ausrichten konnten. Ihre Waffen mochten überlegen sein, doch auch ein Treffer aus einer unterlegenen Waffe ausgeführt von einer Überzahl an Gegnern, war tödlich.

„Ich werde sie nicht hier schutzlos zurücklassen.“

Hekate blickte den Wächter an. Seine Augen waren wieder schmal, was sie mittlerweile als Entschlossenheit bei diesem Mann interpretieren konnte. Seine Ausstrahlung kündete von einer unsicheren Ernsthaftigkeit.

„Du hast ziemlichen Eindruck auf Avram gemacht“, bemerkte Kesmarki mit einer gewissen Achtung in der Stimme. „Er wird dich nun mit seinem eigenen Leben verteidigen.“

Cerovic blickte sie finster an, tat jedoch nichts, um ihre Aussage der Unwahrheit zu bezichtigen. Hekate war in diesem Moment einfach nur dankbar für ihren Namen. Es war eine der seltsamsten Erklärungen, die sie jemals gehört hatte, doch wenn der Wächter der Meinung war, dass sie wegen einer völlig zufälligen Ähnlichkeit ihres Namens mit demjenigen seines Raumschiffs besonders schützenswert war, dann würde sie ihn sicherlich nicht davon abbringen. Sie machte einen kleinen Schritt zur Seite, der sie in seine direkte Nähe brachte.

„Doch es gibt vielleicht einen unblutigeren Weg …“, gab Kesmarki zu bedenken. Ihre Augen ruhten fragend auf Odhran.

Der strich sich abermals durch die Locken. „Das geht nicht …“

„Hier hat sie keine Chance“, beharrte Kesmarki, sie ließ ihren Blick zu Cerovic wandern, der nun seinerseits die letzte kleine Lücke zu Hekate geschlossen hatte. „Und ich glaube nicht, dass unserer Einmann-Armee hier noch mit logischen Worten beizukommen ist.“

Odhrans Miene verdunkelte sich, Hekate fand ein wenig Ähnlichkeit darin zur Veränderung ihrer eigenen Augen, wenn sie besorgt oder verärgert war. „Das letzte Mal, als ich es nachgeprüft habe, war ich noch Captain und meine Offiziere hatten auf meinen Befehl zu hören.“

Kesmarki senkte den Blick. „Wenn du uns befiehlst, sie zurückzulassen, dann werden wir das natürlich tun, Ciaran. Doch ich glaube nicht, dass du diesen Befehl geben wirst.“

Hekate hob alle vier Arme. Wieder einmal ging ein Gespräch, das sie betraf, über ihren Kopf hinweg. „Von was redet ihr? Ihr habt eine Möglichkeit, hier ohne Kampf rauszukommen, richtig? Ihr könnt irgendwie zu eurem Schiff im Orbit kommen, oder? Deswegen habe ich euch vorhin bei eurer Ankunft erst bemerkt, als ihr hier wart. Ihr könnt irgendwie … erscheinen …? Und ihr sprecht jetzt darüber, ob ihr einfach wieder verschwinden sollt und mich hier zurücklasst, oder ob ihr mich mitnehmt?“

Odhran blickte sie mit erhobenen Brauen an. Kesmarkis Mundwinkel zuckten ein wenig nach oben. Cerovics Blick war steinern wie zuvor.

„Sie ist intelligent“, bemerkte Kesmarki, „sie wird sich anpassen können.“

Jetzt nahm Odhran beide Hände zur Stirn hoch, so als ob er den Kopf wegen zu großer Schwere abstützen müsste.

„Hier hat sie ohnehin keine Zukunft“, bemerkte Cerovic.

„Weil mich die Shoren gleich kriegen?“

„Weil sich deine Zivilisation selbst zerstört“

„Avram!“ Der empörte Ruf erklang simultan aus den Kehlen der anderen beiden Fremden.

„Was soll das heißen?“ Die Ausstrahlungen, die sie von den anderen erhielt, verwirrten Hekate. Sie zog alle Sinne in ihre unmittelbare Nähe, um aus dem emotionalen Chaos um sie herum schlau zu werden.

„Wie viel Zeit haben wir für eine Erklärung?“, wollte Odhran von Kesmarki wissen.

Diese konsultierte ihr Gerät. „Fünf Minuten, nicht länger.“

„In Ordnung.“ Odhran seufzte schwer. „Hekate, hör einfach zu und versuch zu begreifen. Wir müssen hier weg und Reka und Avram möchten, dass wir dich mitnehmen, was gegen sämtliche unserer Regeln verstößt. Wir haben kein Raumschiff im Orbit, auf das wir dich bringen könnten, dich einer Gedächtnismanipulation unterziehen, und dich dann relativ einmischungsfrei wieder in eine ungefährliche Gegend zurückbringen können. Wir stammen nicht nur nicht von deinem Planeten, wir stammen auch nicht einmal im Entferntesten aus deiner Zeit. In unserer Zeit gibt es keine Zivilisation auf deinem Planeten mehr, sie hat sich längst zerstört, und wir haben kaum Anhaltspunkte, wer ihr wart, oder was hier passiert ist. Wir …“ Er hielt kurz inne, um seinen Blick hilfesuchend zwischen seinen beiden Gefährten wandern zu lassen. „Wir sollten nicht einmal hier sein. Wir haben ein Artefakt, welches ein Zeitportal öffnet, an Bord genommen, weil wir es von der Ausgrabungsstätte zu der zuständigen Behörde bringen sollten. Bei diesem Planeten hier waren wir … war ich einfach zu neugierig und wollte mir diese einmalige Möglichkeit nicht entgehen lassen, etwas über eine Kultur zu erfahren, von der kaum noch Relikte zu finden sind.“

Hekates Kammeraugen hatten ein irrisierendes Blau angenommen. Sie konnte ihre Aufregung kaum zurückhalten. Was sie hier hörte war so unglaublich, so unwahrscheinlich, dass ihr die reale Bedrohung durch die Shoren nur noch wie ein Traum vorkam.

„Wann wird hier alles zerstört?“, wollte sie wissen, den einen Aspekt erfassend, der ihr am ungeheuerlichsten vorkam.

„Das kann noch Jahrhunderte dauern“, erklärte Odhran, „wir haben keine genaue Datierung. Sicherlich jedoch nicht zu deinen Lebzeiten, auch wenn es Avram hier so dramatisch dargestellt hat. Du wirst dein Leben ganz normal …“

„… wenn ich an den Shoren vorbeikomme, richtig?“

„Richtig.“ Odhran wandte sich erneut an seine beiden Offiziere. Von ihnen war eindeutig keine Hilfe zu erwarten. „Wenn das DTI davon erfährt, kommen wir in Teufels Küche. Und wenn wir Hekate mitnehmen, dann führt kein Weg daran vorbei, dass sie es mitbekommen.“

„Ansonsten hättest du die Logbücher frisiert?“, lächelte Kesmarki.

„Wäre nicht das erste Mal.“ Odhran zuckte mit den Schultern.

„Sie werden bei der Temporalen Behörde ohnehin rausbekommen, dass das Artefakt aktiviert worden ist“, bemerkte Cerovic. „Wir müssen uns beeilen!“

Alle drei Augenpaare richteten sich auf Hekate, dann wanderten zwei davon in Richtung Odhran. Der seufzte schicksalsergeben.

„Hekate, du musst dich jetzt entscheiden. Wir aktivieren in ein paar Sekunden das Portal und kehren in unsere Zeit zurück. Wenn du dich uns anschließt, dann wird es kein Zurück geben. Du wirst deine Leute, deinen Planeten, deine Zeit nie wieder sehen.“

Sie fixierte ihn mit allen Sinnen. „Und wenn ich hier bleibe, werde ich in wenigen Atemzügen tot sein, richtig?“

„Es gibt immer noch die Möglichkeit, dass du den Shoren entkommst …“, entgegnete Odhran halbherzig.

„Werde ich bei euch bleiben?“ Die Frage war allgemein gerichtet, doch sie fixierte den Wächter mit all ihren Sinnen.

„Ich …“ Odhran zögerte, das Schwanken seiner Ausstrahlung teilte ihr mit, dass er diese Frage nicht mit Sicherheit würde beantworten können.

„Du wirst bei uns bleiben.“ Der Ernst, mit welchem Cerovic diese Worte sprach ließ keinen Raum für Zweifel, selbst seine Aura wollte sie überzeugen.

„Das DTI bringt mich um“, murmelte Odhran, als er sich einen zylindrischen Gegenstand aus Kesmarkis Schultertasche geben ließ. Mit dem Daumennagel flickte er einen winzigen Schalter um, worauf sich unter Hochfrequenzen ein mannshohes Oval aus bläulicher Energie mitten im Tunnel bildete. Hekate presste zwei ihrer Hände über ihre Ohren. Der Ton war kaum auszuhalten. Die Fremden schien er nicht zu stören, oder ihr Gehör funktionierte nicht in diesem Bereich.

Auf ein Nicken Odhrans hin durchschritt Kesmarki die Energiewand und war verschwunden.

Cerovic stellte sich vor sie hin. Die Waffe in der einen Hand, streckte er die andere ihr entgegen. Hekate zuckte ein wenig zurück, weil sie spürte, dass er wieder vorhatte sie zu berühren.

„Ich werde dich beschützen“, erklärte er.

Sie wollte nicht alleine durch das Tor gehen, doch sie hatte Angst vor den Empfindungen, die bei dieser ungebührlichen Berührung auf sie einströmten. Wenn sie in der Zukunft war, dann würde sie diesem Wächter einmal ganz genau darlegen, welche Anstandsregeln für ihre Spezies galten. Doch bis dahin wollte sie einfach nur, dass er sie vor dem Unbekannten beschützte. Zögerlich reichte sie ihm eine ihrer freien Hände, mit aller Willenskraft das Kribbeln ignorierend.

Sie hatten ihr erklärt, dass ihr Name angerufen wurde, wenn es darum ging, den richtigen Weg zu finden. Hier und jetzt traf sie ihre Wahl.

Ein Schritt weiter, und sie würde Hunderte von Jahren hinter sich lassen. Ein Schritt weiter, und nichts mehr wäre so, wie es zuvor gewesen war.

Ende - und ein neuer Anfang
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