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Paradoxon I - Jim

von Enem

1 | Es beginnt seltsam

1 | Es beginnt seltsam

Wann genau dieses Phänomen wirklich einsetzte, konnte Jim nicht mit Gewissheit sagen. Es war gut möglich, dass er sich in Gedanken schon eine ganze Weile damit herumschlug und dass es nur nicht auffällig oder auch einschneidend genug gewesen war, dass er sich ernsthaft darum gekümmert hätte. Es gab so viele Dinge, die durch seinen Kopf huschten, Gedanken, Momente, Eingebungen, Ideen – es kam und ging. Er bemühte sich, das anzuwenden, was er gelernt hatte. Analysieren, filtern, ausblenden. Manchmal wünschte er sich, er wäre mehr wie Spock – der Vulkanier lebte, worum er tagtäglich kämpfte. Mehr Gelassenheit, mehr Ruhe, mehr... Logik. Stattdessen jetzt also dieses permanente Summen in seinem Kopf. Nein, das war nicht die richtige Beschreibung. Es war weder ein Geräusch, noch ein Druck, kein unangenehmes Gefühl, nichts dergleichen. Vor allem war es nichts, was er ansprechen wollte – womöglich gegenüber Pille! – nein. Und trotzdem war es da und lenkte ihn ab. Nicht ständig, aber immer wieder.

Er schnaubte leise und das machte wohl allen Anwesenden klar, dass er dem Gespräch, oder eher der zum Teil hitzig geführten Diskussion, längst nicht mehr folgte. Chekov, der soeben noch wie wild auf McCoy eingeredet hatte, verstummte. Es war allein die nachfolgende Stille, die Jim aufsehen ließ.

„Meine Herren?“ Er sah von einem, zum anderen, forderte stumm eine Erklärung, am Ende blieb sein Blick auf Spock hängen. Und der war es schließlich auch, der antwortete. „Nun Captain, wenn ich das richtig wiedergebe, versucht Mr. Chekov uns davon zu überzeugen, dass der erfolgte Energieverlust sich keineswegs in dem Maße auf den Antrieb auswirken wird, wie...“ Ab da bekam Jim nichts mehr mit. Wenn Spocks Augenbraue sich hob, war davon auszugehen, dass er die Meinung nicht teilte und nur zu höflich war, das auch so mitzuteilen. Er machte das öfter, wenn es um Chekov ging, hielt sich ein wenig zurück, glaubte Jim. Vielleicht lag es an der Jugend des Navigators, womöglich auch nur an dessen mathematischem Verständnis, das Spock ohne Zweifel anerkennen musste. Aber gerade widersprach er ihm.

Ruhig und wütend gleichzeitig. Jim schüttelte den Kopf. Nein, nicht wütend, der falsche Ausdruck... es war... Er runzelte die Stirn und unterbrach die Ausführungen mit einer knappen Geste und aktivierte die schiffsinterne Kommunikation. „Mr. Scott!“

„Aye Sir?“

„Wie kommen Sie voran?“

„Wir sind dabei, die Energie umzuleiten, Sir. Geben Sie mir noch ein paar Stunden, dann kann ich Ihnen genaueres sagen.“

Jim nickte, hielt die Verbindung offen und warf einen Blick auf Spock, der soeben die Hände im Rücken verschränkte. „Bei allem Respekt vor Mr. Scotts Leistung, Captain, gemäß der Sternenflottenvorschrift, haben wir hierüber Meldung zu machen. Sicher würde man ein Schiff zur Unterstützung schicken und...“

„Geben Sie mir zwei Stunden!“, drang es wieder aus dem Lautsprecher. „Sir... Ich krieg das hin, versprochen.“

Jim sagte gar nichts, betrachtete immer noch Spock, der ihn nunmehr schweigend anstarrte. Ungeduld spürte er jetzt und noch etwas. Er atmete zitternd ein, sah weg, eine Hand legte sich auf seine Schulter.

„Captain?“

„Zwei Stunden, Scotty“, murmelte er und unterbrach die Verbindung.

„Jim! Geht es dir gut?“ Pille sah ihn besorgt an.

Langsam nickte Jim. „Ja, natürlich... Ich hab nur... Kopfschmerzen.“ Wie unbedacht diese Aussage war, musste er sofort erfahren. Wäre er nur vorsichtiger gewesen.

„Kopfschmerzen!“ Die Falten auf der Stirn des Schiffsarztes wurden gleich noch tiefer und Jim seufzte. Er rollte mit den Augen.

„Dr. McCoy! Nein, kein Anchilles-Fieber – immerhin bin ich der Einzige mit... Kopfschmerzen“, ach verdammt, warum war ihm nur nichts Besseres eingefallen, „...hier – kein Rigelianisches Fieber. Manchmal ist die Lösung ganz simpel. Zu wenig Schlaf. Stimmen Sie mir zu, Mr. Spock?“ Er drehte sich zu Angesprochenem um, doch der warf ihm nur einen kurzen Blick zu und lauschte dann den Ausführungen des Arztes.

„Kopfschmerzen sind ernstzunehmende Symptome. Du weißt so gut wie ich, dass es mehr als ungewöhnlich ist.“

„Das wird Sie überraschen zu hören, Captain, aber ich stimme Dr. McCoy zu“, meldete sich nun auch der Vulkanier zu Wort. Jim funkelte ihn wütend an. Dieses verdammte Spitzohr! Manchmal wollte er ihn wirklich am liebsten packen und... schütteln! Er wusste es selbst nicht.

„Wie großzügig Mr. Spock“, schnaufte Pille in seinem Rücken. Und dann ging die Diskussion über seinen Kopf hinweg gleich weiter.

„... würde ich dich lieber auf der Krankenstation sehen...“

„Was?“ Jim wandte sich um, sah wie Chekov und Sulu einen Schritt zurückwichen, als hätte er tatsächlich eine ansteckende Krankheit. „Aber ich bin nicht krank!“

„Vielleicht ein Gedankenmanipulator.“

Dazu nickte Spock jetzt. „Eine durchaus logische Erklärung.“

Jim wirbelte erneut herum. Sie waren verrückt! Das musste es sein. „Gedankenmani-... Sind Sie noch bei Verstand, Mr. Spock? Wirke ich auf Sie, als würde ich manipuliert?“

„Wünschen Sie darauf tatsächlich eine Antwort, Captain?“

Schütteln! Oder...! Jim ballte die Hände zu Fäusten. Der Blick aus dunklen Augen war immer noch auf ihn gerichtet. Nur mit Müh und Not konnte er sich davon losreißen.

„Auf mich wirkst du krank, Jim“, kam nun wieder von Pille, sodass Jim sich erneut ihm zuwandte. „Bitte, es wäre mir wohler, wenn du einfach mitkommst.“

„Das kommt überhaupt nicht infrage!“

„Können Sie sich vollständig an Ihre Landung auf Delta Vega erinnern?“, mischte sich nun auch Spock wieder ein. „Keine vorübergehende Bewusstlosigkeit oder ähnliches?“

„Nein.“ Empört schnaubte Jim. „Vielen Dank, Mr. Spock. Ich kann mich an jeden einzelnen Moment, den ich dank Ihnen auf diesem Eisklotz verbracht habe, ausnehmend gut erinnern.“

„Das wäre aber eine einleuchtende Erklärung“, murmelte nun Pille wieder. Jim reichte es endgültig. Er drehte sich ganz zu seinem Freund um, holte tief Luft und wollte ihm gerade mehr als deutlich erklären, was er davon hielt, als ein neues Gefühl aufflammte. Bedauern.

Irritiert runzelte Jim die Stirn. Er sah noch, dass der Blick des Arztes über seine Schulter ging, ein kurzes Nicken. Was um alles in der Welt ging hier vor?

„Ich bitte um Verzeihung, Captain“, hörte er, spürte die Berührung in seinem Nacken, dann war es vorbei.

Schwärze.

*

Er erwachte umgeben von grellem Licht und mit unsäglichen Kopfschmerzen.

„Was...?“ Noch bevor er sich hätte aufsetzen können, war McCoy an seiner Seite, das Gesicht schwebte über ihm, ein besorgter Ausdruck auf der Miene.

„Ganz ruhig Jim, bleib liegen. Dein Körper muss sich erst...“

Jim setzte sich auf. Ihm war so schwindlig, dass er glaubte, sich jeden Moment übergeben zu müssen. Mit einem Stöhnen presste er die Hand auf seine Schläfe, die andere umklammerte die schmale Kante der Krankenliege. „Wie lange war ich weg?“

„Keine fünfzehn Minuten. Großartig“, knurrte Pille. „Warum rede ich eigentlich mit dir?“

„Was... ist passiert?“

„Spock hat dich außer Gefecht gesetzt.“

Jim hob den Kopf. Spock! Genau... „Dieser verdammte Mistkerl“, knurrte er. „Ich wusste ja, dass er nicht damit einverstanden sein würde, wie ich die Sache handhabe. Aber das geht zu weit!“

„Jim, es war meine Anweisung.“

Reichlich verblüfft sah Jim zu seinem Freund und Arzt hin. „Und wofür bitte? Also wenn du Angaben zu meinen Kopfschmerzen haben willst: Jetzt sind sie unerträglich!“

„Da kann ich helfen.“ Noch während er das sagte, berührte kaltes Metall Jims Hals. Er kam nicht mehr dazu, dagegen zu protestieren. Ein scharfer Schmerz, er fluchte und sank zurück auf seine Liege. Wenigstens war jetzt das Licht nicht mehr so unangenehm stechend. Und wirklich, die Kopfschmerzen ließen beinahe sofort nach.

„Besser?“

„Besser. Hm“, machte Jim, versuchte aber nicht noch einmal sich aufzusetzen. „Was soll das alles, Pille? Es geht mir gut, ich bin nicht krank.“

„Ganz ruhig Jim.“ Der Arzt setzte sich doch tatsächlich auf die Kante seines Krankenbettes, nahm seine Hand und tätschelte sie beruhigend. „Niemand zweifelt an deinem Kommando. Niemand wird deinen Befehlen widersprechen. Wir müssen nur sicher sein, dass du... ganz du selbst bist, einverstanden?“

Ganz er selbst! Jim schnaubte. Aber schließlich ergab er sich, was hätte er auch sonst tun sollen.

„Nur ein paar simple Scans“, erklärte Pille, „nichts, was dich beeinträchtigen würde. Du kannst dich jetzt aufsetzen.“

Jim tat wie geheißen, setzte sich auf die Kante der Liege, seine Füße baumelten gut eine Handbreit über dem Boden, während Dr. McCoy aufstand und den Computer bediente. Seine Finger huschten über die Oberfläche. Unter andere Umständen hätte sich Jim neugierig an ihn herangepirscht, gerade war ihm nicht danach, sollte Pille eben machen, er fühlte sich erstaunlich gelassen.

Seltsamerweise musste er jetzt an Spock denken, ein vages Lächeln stahl sich auf sein Gesicht und verschwand gleich wieder. Spock! Genau – diese verdammte Ansammlung komprimierter Logik – oh, er würde ihm so einheizen! Er wusste noch nicht wie, aber er war zuversichtlich, dass es geeignete Mittel gab, auch Vulkanier aus der Fassung zu bringen.

„... so und jetzt sieh mal hier her...“ Der Arzt wirkte äußerst konzentriert. Jims Blick schwenkte gehorsam auf den Lichtkegel, der gleich darauf wieder verschwand. Ein weiteres Gerät kam in sein Sichtfeld, leises Piepsen, bevor er jedoch eine Frage dazu stellen konnte, murmelte Pille: „Klappe halten, Jim.“

„So jetzt... Augen schließen.“ Auch dieses Mal gehorchte Jim, spürte wieder einen leichten Schwindel, dann war es vorbei.

„Schmerzen?“

„Nein.“

„Gut. Schwindel?“

„Nein“, log er. Jim öffnete ein Auge und blinzelte seinen Freund an. „Lass mich raten, ich bin gesund.“

Pille nickte. „Erfreulicherweise, ja. Einen Moment noch.“ Damit wandte er sich wieder ab. „Ich gleiche die Daten ab, dann kannst du gehen.“

Wie auch immer. Jim blieb also sitzen, es spielte jetzt ohnehin keine Rolle mehr, während der Arzt gerade damit beschäftigt war, seine Daten in den Computer einzugeben, und dachte nach. Sicher hatte Spock es genossen, von McCoy die Erlaubnis zu bekommen, ihn auszuschalten. Kaum gedacht, schalt sich Jim einen Idioten. Das würde ja Schadenfreude voraussetzen. Er war sich nicht sicher, ob Vulkanier ein so profanes Gefühl wie Schadenfreude überhaupt kannten. Oder Genugtuung, Rache... Obwohl, der menschliche Anteil vielleicht? Diese Gedanken verwirrten ihn mehr, als er zugeben wollte. Der ganze Vulkanier verwirrte ihn, und das nicht erst seit Delta Vega. Jim seufzte leise.

„Wo ist er jetzt?“

„Wo ist wer?“ McCoy war eindeutig abgelenkt.

„Na Spock!“

„Auf der Brücke, nehme ich an“, murmelte Pille und schüttelte den Kopf. „Er hat das Kommando, wo also sollte er sein. – Das ist seltsam...“

„Sehr gut.“ Letzteres ignorierte Jim und aktivierte die Kommunikationseinheit. „Captain Kirk an Brücke“, er musste grinsen dabei, vor allem weil ihm gegenüber McCoy wütend die Hände in die Hüften stemmte aber nichts mehr daran ändern konnte.

„Brücke hier, Commander Spock. Captain?“

Jim grinste noch mehr. „Ihre Anwesenheit ist auf dem Krankendeck erforderlich, Commander. Unverzüglich! Chekov – die Brücke gehört Ihnen.“

Er hörte noch ein „Aye Aye Captain!“, dann unterbrach er die Verbindung. „Sieh mich nicht so an, Pille. Hast du gedacht, ich lasse das so auf mir sitzen? Ich werde die Sache jetzt klären, ein für alle mal.“

Nur wenig später betrat Spock tatsächlich die Krankenstation, wandte sich ohne zu zögern in ihre Richtung und kam mit raschen Schritten näher. Direkt vor Jims Bett blieb er stehen, die Hände auf dem Rücken verschränkt, die Miene undurchdringlich. „Captain.“

Jim seufzte. Wie ihm dieses steife Captain manchmal auf die Nerven ging. Andererseits... gerade von Spock klang es wie Musik in seinen Ohren. Er hob den Kopf und warf einen Blick auf Pille, der immer noch wie verrückt auf dem Bildschirm herumtippte. „Lässt du uns allein?“

„Ja“, raunte der Arzt, „sobald du dir das angesehen hast.“

Jim rutschte von der Liege und stand auf. Für einen Moment schwankte er, dann straffte er die Schultern. Jetzt reichte es ihm wirklich endgültig. Sein Ton wurde schärfer. „Wenn Sie uns für einen Moment allein lassen würden Dr. McCoy.“ Es war weder Frage noch höfliche Bitte, sondern eindeutige Aufforderung.

Das brachte ihm einen vernichtenden Blick von Pille ein, bevor dieser sich abwandte und ohne ein weiteres Wort ging. Spocks Blick folgte dem Arzt nur kurz, dann wandte er sich wieder um. Abwartend jetzt.

Zunächst verstand Jim nicht, doch dann, mit jeder Sekunde die verrann und in der sie sich stumm in die Augen starrten, wurde es klarer. Es war keine Regung auf Spocks Miene, es war eine Empfindung, jetzt so deutlich, dass Jim überrascht nach Luft schnappte. Abwartend... unruhig... Unbehagen! Der Vulkanier fühlte sich nicht in wohl in dieser Situation, doch nichts an seinem Äußeren verriet ihn.

Und es war keine Einschätzung, es war eine Tatsache. Ein Umstand, der Jim gleich noch mehr verwirrte, außerdem wurde ihm jetzt wieder schwindelig. Er wusste auch nicht mehr, was er gerade noch so Wichtiges mit Spock hatte besprechen wollen und während er angestrengt seine Erinnerung durchforstete, begann der Boden unter ihm zu schwanken.

„Captain?“

Die Stimme schien ganz weit weg. Jim blinzelte, machte einen wankenden Schritt und streckte die Hand aus. Fast im selben Moment stürzte er. Es war Spock, der ihn in einer blitzschnellen Reaktion packte und davor bewahrte, einfach umzufallen. Benommen starrte Jim in die dunklen Augen.

Was geht hier vor, Jim?

Jim grinste debil. So viel Vertraulichkeit. So viel Nähe! Das hätte er dem kaltblütigen Kerl gar nicht zugetraut.

„Jim!“

„Ich habe keine Ahnung“, murmelte er.

Unterdessen beförderte ihn Spock vorsichtig zurück auf die Liege, hielt ihn immer noch fest, während er sich halb umwandte.

„Dr. McCoy!“

Warum dauert das so lange?

Jim grinste immer noch. Er hatte das Gefühl, dass sich alles um ihn herum bewegte, der Boden, die Wände, alles. Nur er nicht und Spock nicht. Als sich der Vulkanier wieder zu ihm umdrehte, grinste Jim ihn breit an.

„Machen Sie sich Sorgen, Commander?“

Obwohl Spock nicht antwortete, konnte Jim es ganz deutlich spüren und das trieb ihn auf eine völlig unangebrachte Ebene. „Faszinierend“, murmelte Jim, kicherte und schlug sich die Hand vor den Mund.

Spock fuhr herum. „Dr. McCoy! Bitte!“

Im Laufschritt kam der Arzt angerannt, Jim sah Metall aufblitzen, das war alles.

Schwärze.


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