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Stop The Cavalry

von VGer

Kapitel 1

But it's very cold out here in the snow
Marching to and from the enemy.
Oh I say it's tough, I have had enough,
Can you stop the cavalry?
I have had to fight almost every night,
Down throughout these centuries.
That is when I say, oh yes yet again,
Can you stop the cavalry?

- Jonah Lewie: Stop The Cavalry



Das Universum drehte und drehte und drehte sich, schneller und immer schneller, bis es stehenblieb – so unvermittelt, dass Naomi Wildman das Gleichgewicht verlor. Sie wusste, was das zu bedeuten hatte. Noch bevor sie die Augen öffnete, spürte sie die veränderte Schwerkraft in ihren Muskeln, und einen schmerzlich vermissten, frisch würzigen Duft in der Nase. Aufgeregte Stimmen, die wild durcheinander redeten, umgaben sie, doch es war nicht das alles dominierende Tosen von Sternenflottenoffizieren bei einer Strategiesitzung, denn es war durchsetzt von Kinderlachen. Sie war nicht mehr auf der K-7, sie war ... sie riss die Augen weit auf. Das Wort „unglaublich“ hatte sie schon längst aus ihrem Wortschatz gestrichen, doch das konnte sie wirklich nicht glauben.

„Okay?“, fragte ihr Gefährte.
„Nein!“, stotterte sie, und dann, „Ja, s’stia, ja natürlich!“
Sein selbstzufriedenes Lächeln wurde von einem Fingerschnipsen begleitet, und die erstarrte Szene erwachte zum Leben.

Samantha Wildman war die erste, die bemerkte, dass plötzlich zwei Personen mehr im Raum standen; zwei Personen, deren Abwesenheit schmerzlich bemerkt worden war.
„S’stia!“, rief sie aus, die Hände über dem Mund zusammenschlagend.
„Aber Iaia, s’stia sagt man nicht, das ist ein schlimmes Wort!“, krähte ihr jüngstes Enkelkind, ohne wirklich von dem Spiel, in das sie und ihre Geschwister vertieft waren, aufzusehen. Naomi grinste wehmütig. Sie hatte die kleine Mezoti zuletzt gesehen als sie gerade zu sprechen gelernt hatte und noch längst nicht so vorlaut gewesen war.
„Nmoo!“
Mehr als den liebevollen, k’tarianischen Spitznamen ihrer Tochter brachte Samantha nicht heraus, bevor sie sich in den Armen lagen und Tumult ausbrach.

„Fröhliches Prixin!“, rief Naomi, aus Mangel an Alternativen, denn ihr fehlten die Worte. „Du hättest mich warnen können.“, sandte sie, unhörbar für alle anderen und begleitet von einigen schillernden Flüchen, an ihren Gefährten, der wiederum nur selbstzufrieden schmunzelte.

„Wie ist das überhaupt möglich?“, stotterte Icheb irgendwann, erschreckend ratlos wenn man bedachte, dass er zu den intelligentesten Lebensformen und größten Wissenschaftlern der Föderation gezählt wurde. „Ich freue mich dich zu sehen, Schwesterherz, aber ... musst du nicht einen Krieg führen, ein paar tausend Parsecs weit weg?“
„Ja, aber solange das Universum sich nicht dreht bin ich hier. Spürst du das nicht?“
„Du kannst das spüren, weil du mit mir verbunden bist. Er nicht.“ Und als dem jungen Q auffiel, was er gerade gesagt hatte, runzelte er die Nase zusammen. „Ew. Nichts für ungut, Itchy, aber ... ew!“
Naomi sah von ihrem Gefährten zu ihrem immer noch verdatterten Bruder und wieder zurück, und als ihr wieder einmal bewusst wurde wie absurd die Situation eigentlich war brach sie in mädchenhaftes Gekicher aus das nicht mehr aufhören wollte.

Die bebenden Schallwellen ihres Gelächters sprengten Risse in die so undurchdringliche Fassade der Sternenflottenoffizierin, erst mikroskopisch klein und bald schon groß genug um sie zum Bröckeln zu bringen; und als sie sich wieder so weit gefasst hatte, dass sie sich die Lachtränen hilflos aus den Augen wischen konnte, war sie nicht mehr Commander Naomi Wildman, sie war Nmoogk llum Krendtvgrak, ein erwachsenes kleines Mädchen, das nach Hause zurückgekehrt war um mit ihrer Familie Prixin zu feiern.

„Wie ist es da draußen?“, fragte Naomis s’sogkre Tmaaregk, Ichebs Ehefrau, „Wir verfolgen die Berichte in den Fednews, aber ...“
Die K’tarianerin hatte intergalaktisches Recht und Politologie studiert, und bevor sie vier Kinder bekommen hatte, hatte sie erwogen in den diplomatischen Dienst der Föderation einzutreten. Je mehr Kinder sie geboren hatte, desto langweiliger wurde ihr, und so verbrachte sie ihre Tage zwischen angesabberten Schnullern, die ihre Kinder ihr gehässig vor die Füße spuckten, und dem was die Medien ihr und all den nichtsahnenden Zusehern vor die Füße spuckten. Doch Tmaaregk war nicht nichtsahnend, im Gegenteil, sie war immer noch eine politische Analytikerin und die Tochter des Vizepräsidenten der Föderation außerdem. (Naomi und Icheb hatten die Ironie der Situation schon früh erkannt, verschwörerisch über dem Frühstück grinsend wenn sie zu einem besonders heftigen und umso selbstgerechteren Schlag ausholte, sie selbst jedoch niemals, und das Grinsen der Geschwister Wildman llum Krendtvgrak hatte sie auch nie bemerkt. Das allein, fand Naomi, machte sie zu einer schlechten Politikerin, so sie je eine hätte wollen sein, und besser war es, dass sie keine je geworden war.)
„Ich habe sie hergebracht, weil sie etwas Pause vom Krieg verdient hat. Du hast keine Ahnung, also lass sie in Ruhe, Tmaaregk.“, unterbrach Q ihren Redeschwall, mit energischen Worten doch ohne fingerschnipsende Unterstützung.
„Schon gut.“, murmelte Naomi entschuldigend, „Aber er hat Recht, weißt du. Sei froh, dass du nur aus den Fednews weißt wie es da draußen ist.“
„Es kommt mir ungerecht vor, dass nur Nmoogk eine Pause vom Krieg bekommt, wenn der Krieg doch tausende Lebensformen betrifft.“, fuhr Tmaaregk unbeeindruckt fort, „Ich weiß ja nicht, wie deine Zaubertricks funktionieren, aber ...“
„Omnipotenz hin oder her, die Q können nicht einfach nach Gutdünken in den Verlauf der Geschichte eingreifen.“, versuchte Icheb zu erklären.
„Nein, aber ich habe auch nie behauptet, dass wir völlig unparteiisch wären.“, antwortete Q mit einem kryptischen Schmunzeln und sein Tonfall allein beendete die Diskussion, das verstand auch Tmaaregk deutlich.
„Wie lange bleibst du?“, fragte Icheb sanft, eine Hand auf die Schulter seiner Schwester legend.
„Zeit ist so relativ ...“, seufzte Naomi, „Prixin dauert fünf Tage, ich werde bleiben so lange es nötig ist.“
„Relativ oder nicht ... und bitte komm mir jetzt nicht mit Relativität, du weißt dass ich Physik studiert habe und du nicht ... es ist gut, dass du da bist. Die Eltern ... sie haben dich sehr vermisst.“
„Sie waren schwierig, wolltest du sagen.“, unterbrach Naomi sofort, und ihr Gesichtsausdruck wurde ernster als je zuvor, „Icheb ... ich weiß, ich bin eigentlich eine halbe Galaxie weit weg und muss einen Krieg gewinnen, aber ... ich weiß, du bist mein großer Bruder und willst mich beschützen, aber ...“
„Ja! Und was ist falsch daran?“
„Nichts!“ Naomi schnaubte laut und verächtlich während sie Icheb bei den Schultern packte und ihn eindringlich anschaute. „Aber erlaube mir nur heute einfach nur ich zu sein. Und ich mache mir auch Sorgen um unsere Eltern, weil sie immer älter und fragiler werden während ich weg bin um einen Krieg zu gewinnen und du ...“
„Nmoo ...“
Als Icheb seufzte, umarmte ihn Naomi.
„Lass mir Prixin. Lass ihnen Prixin. Lass uns Prixin. Das war immer so wichtig ... so viele Jahre später, und es ist immer noch so wichtig.“
„Wir sind nicht allein.“, sagte Icheb, die traditionellen Worte wiederholend, und er meinte es tatsächlich. „Du sprichst wie eine Kommandantin, Nmoo.“
„Du kannst es glauben oder nicht, Bruderherz, aber ich bin eine Kommandantin.“, sagte Naomi kühl, aber mit zynisch neckendem Unterton, „Du warst es, der den Dienst in der Sternenflotte aufgegeben hat, nicht ich! Und wenn du mich fragst ...“
„Nmoo! Cheb! Nicht streiten, Kinder!“, rief Greskrendtregk dazwischen.
Naomi und Icheb erstarrten. Sie hatten so viel gestritten, als sie noch Kinder waren, kurz und auch noch länger nach der Rückkehr in den Alphaquadranten, die für sie beide keine Rückkehr im eigentlichen Sinne gewesen war, doch sie waren längst keine Kinder mehr.
„Niemals, Vater, niemals“, murmelte Icheb kleinlaut; kleinlauter als es für einen Mann seines Standes gehörig war, doch gerade eben war auch er nur ein Kind, wenn auch ein erwachsenes, das für Prixin ins Elternhaus zurückgekehrt war. Naomi, der es ebenso ergangen war, grinste triumphierend.

Prixin war ein Feiertag, der im Alphaquadranten ausschließlich von den Veteranen der Voyager gefeiert wurde, und von niemandem mehr als von der Familie Wildman llum Krendtvgrak.
Wie die meisten Häuser im k’tarianischen Süden war auch das der Familie Wildman llum Krendtvgrak um einen transparent überdachten ovalen Innenhof, der gleichzeitig als Wohnzimmer fungierte, angelegt. Tiefe Pölstermöbel in plüschigen Schattierungen von grün und orange umgaben den gesamten Radius des Raumes, und in dessen Mitte befand sich ein riesiger Esstisch, der sich unter dem Gewicht der Köstlichkeiten richtiggehend bog.
Naomi löffelte das fermentierte Fruchtkompott gedankenverloren von einer bauchigen, gläsernen Vase auf dem Tisch in eine kleine, trichterförmige Schüssel während sie ihre Umgebung und ihre Familie betrachtete. Nichts hatte sich geändert, sie hatte sich geändert.
Sie hatten dieses Haus bezogen, kurz nachdem die Voyager in den Alphaquadranten zurückgekehrt war. Sie hatten kein anderes Zuhause als die Voyager gekannt, und obwohl sie in erster Linie Kinder des Weltraums, Kinder des Deltaquadranten, waren, hatten sie doch ein Zuhause in diesem Haus gefunden. Sie hatten das Haus wieder verlassen, als sie erwachsen wurden und zur Sternenflotte gingen, und waren doch immer wieder zurückgekehrt.

„Geht’s dir gut, Kind?“, fragte Samantha Wildman irgendwann.
„Es ist Prixin und ich bin zuhause. Natürlich geht es mir gut.“, sagte Naomi, doch ihre Stimme zitterte verdächtig.
Samantha lächelte besorgt. Erschreckend dünn war ihre Tochter geworden, der Körper gestählt doch das Gesicht mager. Ihre Haut war gräulich und matt, ebenso wie ihr Haar, was bei K’tarianern ein eindeutiges Anzeichen von Krankheit war. Zur Ruhe kam sie nicht, nicht einmal hier.
„Du bist nicht allein.“
„Nein. Bin ich nicht, war ich nie.“
Naomi quälte sich ein kleines, dankbares Lächeln ab, wollte das Thema wechseln statt immer und immer wieder über den Krieg zu reden, obwohl sie doch gerade eine Auszeit doch ihre Mutter schien den subtilen Hinweis nicht zu verstehen.
„Du kannst immer mit uns reden, Nmoo ... dein Vater und ich, wir sind immer für dich da, und wir verstehen dich. Wir haben ja auch einiges miterlebt, ich auf der Voyager und dein Vater im Dominion-Krieg ...“
Naomis Lippen verschmälerten sich zu einem harten Strich und ihr Tonfall wurde unbarmherzig. „Bei aller Liebe, ihr hattet beide kein Kommando.“

Für einen kurzen Augenblick, der eine Ewigkeit zu dauern schien, dachte Naomi an ihre Mannschaft. Die, die immer an ihrer Seite standen, und vor allem die, die unter ihrem Kommando gefallen waren. Dachte an Phil, ihren Felsen in der Brandung, den einzigen Freund, den sie da draußen gehabt hatte, bis ... Dachte an Kerra Thelv, ihr blaues Wutmonster von Sicherheitschefin, die sie regelmäßig in alle zweiundvierzig Ebenen der Hölle wünschte, und ohne deren Intervention sie schon öfters das Leben verloren hätte. Dachte an Antònia Font, Kommandantin des Raumschiffs Columbus und ihre beste Freundin seit Akademiezeiten, die ihr erschienen war wie ein Silberstreifen am Horizont und seither an ihrer Seite kämpfte, immer optimistisch. Dachte an Harry Kim und Margaret Janeway auf dem Raumschiff Kirk, das in der Verteidigung der K-7 beinahe vollständig zerstört worden war, und an Kate Barclay, die nur eins von vielen Opfern und doch so viel mehr war, und da schloss sich der Kreis vom Krieg zur Familie.
Naomi fror, und als Tmaaregk oder eins ihrer Kinder in der Küche so ungeschickt war den Feueralarm auszulösen, zuckte Naomi zusammen.

„Wir wollten Neelix kontaktieren.“, sagte Greskrendtregk irgendwann, „Scheint so, als wären die Pathfinder-Hyperrelais wieder mal defekt.“
Was er nicht sagte, verstand Q natürlich, und er lächelte gequält bevor er mit den Fingern schnipste, und einen Wimpernschlag später erschien das Gesicht des greisen Talaxianers auf dem Holoschirm. Seine Flecken waren im Laufe der Jahre fast schwarz geworden, denn so alterten die Talaxianer, ihre Farbe changierte von bunt zu dunkel, und dennoch schien er so munter wie eh und je zu sein.
Naomi und Icheb hielten sich fest bei den Händen, als wären sie noch Kinder an Bord der Voyager.
Dicke Tränen sammelten sich in Neelix’ bernsteinfarbenen Augen, als er endlich Naomi erblickte, die eher im Hintergrund stand und sich unbewusst zwischen ihrem Gefährten und ihrem Vater versteckte. Ein breites Grinsen erleuchtete sein ganzes Gesicht, doch als er Luft holte um freudig loszubrabbeln, hielt er ganz plötzlich und unvermittelt inne. Seine Stimme krächzte vor Unsicherheit und Hoffnung, als er endlich sprach.

„Ist der Krieg endlich vorbei?“
Naomi schüttelte den Kopf. Für Heroismus war ihr die Lust vergangen.
„Ich wünschte es wäre so.“


ENDE
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