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Last Prixin

von VGer

Kapitel 1

Marla Gilmore hockte lustlos auf einer Bank am obersten Rang der Tribüne und schaute an dem Getümmel der Sportler in der Halle einfach vorbei oder hindurch. An jedem anderen Tag gehörte sie zu denjenigen, die am härtesten trainierten, doch heute hatte sie sich nicht einmal zu den simpelsten Übungen aufraffen können. Sie wurden seltener, doch es gab immer noch Tage, an denen sie die Dunkelheit überfiel und das Kreischen der nukleogenen Lebensformen ihren Verstand übertönte, und es würde sie immer geben. Dass der Auslöser diesmal ausgerechnet die Erinnerung an einen glücklichen Anlass war machte es nicht besser; im Gegenteil, es ließ einen irrationalen Ärger in ihr brodeln.

Ein nachdrückliches Räuspern riss sie aus ihren toxischen Gedanken. „Was ist los mit dir? Ich hab’ deinen linken Haken vermisst.“

Ein gutmütiges Necken schwang in Chakotays Stimme mit. Tägliche körperliche Ertüchtigung gehörte zum Rehabilitationsprogramm, und seit sie in Neuseeland inhaftiert waren verbrachten die ehemalige Ingenieurin und der ehemalige Erste Offizier viel Zeit miteinander. Sie hatten sich schon an Bord der Voyager gut verstanden, wobei Marla insgeheim immer vermutet hatte dass Chakotay nur deshalb besonders freundlich zu ihr war um für das Verhalten, das der Captain gegenüber der Mannschaft der Equinox an den Tag gelegt hatte, gewissermaßen Wiedergutmachung zu leisten; inzwischen jedoch war eine solide Freundschaft zwischen ihnen gewachsen und es verging kein Tag, an dem sie nicht miteinander aßen oder trainierten. Ihr Vertrauensverhältnis war im Verlauf der letzten paar Monate so stark geworden, dass Marla keinen Sinn darin sah, sich hinter einer flüchtigen Ausrede zu verstecken; Chakotay würde sie sowieso durchschauen.

Sie zuckte also mit den Schultern und rieb sich müde die Augen, bevor sie antwortete. „Mir ist eingefallen, dass heute die erste Nacht von Prixin ist. Was ja eigentlich komplett irrelevant ist, denn hier im Sol-System weiß niemand was Prixin überhaupt ist. Und dann habe ich an letztes Prixin gedacht; daran, dass ich eigentlich ziemlich glücklich war.“

„Ach, Marla ...“ Chakotay seufzte und ließ sich neben ihr auf der harten Bank nieder. Eigentlich brauchte er dringend ein kühles Getränk und eine Dusche, denn nach anderthalb Stunden laufen und boxen stank er wie ein balzender Targ, doch so blass und verzweifelt wie Marla gerade dreinschaute konnte er sie unmöglich alleine lassen. „Du machst dir schon wieder Vorwürfe. Sich an die guten Zeiten zu erinnern ist nicht falsch, und auch du darfst glücklich sein ohne dich schuldig zu fühlen. Es wird nicht besser dadurch, dass du dich bestrafst.“

„Eine Weisheit deines Volkes?“, fragte Marla trocken und zynisch.

„Ein Ratschlag eines Freundes,“ antwortete Chakotay und zupfte sich verlegen am Ohrläppchen, „Kein besonders weiser Freund, aber ein sturer.“

„Dass ich irgendwann wieder begonnen habe mich wie ein Mensch zu fühlen und nicht wie ein Monster ... das verdanke ich Neelix und dir.“ Marla senkte schuldbewusst den Blick, starrte ihre weiß ineinander verschränkten Fingerknöchel an und seufzte. „Ich bin dankbar, gerade weil ich es nicht verdient habe. Prixin macht mir das nur noch stärker bewusst. Es schmerzt. Es ist gut.“

Chakotay schüttelte wortlos den Kopf, dann legte er seinen Arm um Marla und ließ sie an seine Schulter lehnen. Einmal wieder wünschte er sich, dass Neelix noch bei ihnen wäre, denn der hätte bestimmt die richtigen Worte des Trostes gefunden. Doch ihr talaxianischer Moraloffizier war jetzt ebenso weit weg wie der Deltaquadrant und Marlas strahlendes Lächeln und letztes Prixin.

Sie saßen lange beisammen und unterhielten sich leise, fast so als könne gedämpfte Lautstärke auch die Trauer dämpfen. Schmerzverzerrt und schmunzelnd erinnerten sie sich an die besten Zeiten auf ihrem alten Schiff und schwiegen beredt und solidarisch über die schlimmsten, schwiegen über die Equinox und den Captain und die Gerichtsverhandlungen und Seven, und obwohl sie längst erahnen konnten welchen Kurs sie eingeschlagen hatten und dass es ein gemeinsamer sein würde wagten sie doch noch nicht Pläne zu schmieden. Die ganze Zeit über lag Marlas Kopf auf Chakotays Schulter und sein Arm um ihren Rücken, als gehören sie dorthin und nur dorthin, und keinem von beiden war es aufgefallen, dass er unbewusst begonnen hatte sie sanft und beruhigend zu streicheln. Und als sie wieder mit den Tränen kämpfte, obwohl sie sich so stoisch und gefasst mit ihrem Urteil abgefunden hatte, zog er sie näher zu sich und flüsterte einen Kuss in ihr blondes Haar.

„Schhh ... Marla, meine Liebe ...“

Sie hielt inne, perplex und gleichzeitig auch nicht. Als sie sich aufrichtete, sah sie nichts als Wärme in Chakotays sonst so dunklen und sorgenvollen Augen. Er schien aufzuatmen und sein Blick war zaghaft und bittend als er die Hand ausstreckte um ihre Wange zu berühren und eine verirrte Haarsträhne zurück hinter ihr Ohr zu stecken.

„Wir sind nicht allein,“ sagte er leise, bevor er sie in einer Umarmung einfing, die allmählich zu einem zärtlichen Kuss wurde, der sich gar nicht anfühlte wie ein erster Kuss sondern wie eine Heimkehr.

„Wir sind nicht allein,“ wiederholte Marla mit einem stupiden Lächeln.

„Und jetzt komm ... schließlich ist Prixin und es gibt noch viel zu tun!“ Chakotay stand auf und streckte Marla auffordernd die Hand entgegen.



Keine drei Stunden später, als die letzten Bissen des Abendessens verschlungen wurden, erhob sich Chakotay mit einem Räuspern. Er sah sich um in der Runde seiner ehemaligen Mannschaft, und seinen Blick hätte man beinahe für väterlichen Stolz halten können.

„Jemand, der mir sehr wichtig ist, hat mich heute an etwas erinnert, was mir immer sehr wichtig war und was ich beinahe vergessen hätte,“ begann er mit fester Stimme seine Rede, woraufhin die meisten der Anwesenden sich verwirrte Blicke zuwarfen, die er mit einer abwiegelnden Geste quittierte während er weitersprach, „Die letzten sieben Jahre auf der Voyager haben uns zu dem gemacht was wir sind, und das kann uns keiner nehmen. Wir sind nicht allein.“

Es war Chell, der als Erster verstand, worauf Chakotay hinauswollte und aufgeregt in die Hände klatschte. Der heitere Bolianer, der als Neelix’ Nachfolger ein wesentlich besserer Koch als Moraloffizier gewesen war, hatte Prixin immer besonders geliebt, denn er feierte die Feste wie sie fielen und das sehr exzessiv.

„Prixin!“, rief er aus, „Wie konnten wir nicht daran denken? Es ist die erste Nacht von Prixin!“

Marla nickte grinsend und einige freudige Ausrufe und Pfiffe wurden in der Runde laut, bis Chakotay an seinen Becher klopfte um die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken.

„Nachdem leider weder Mr Neelix noch Mr Tuvok heute hier sind, werde ich den traditionellen talaxianischen Segen sprechen.“

Als Marla sich erhob um neben ihm zu stehen taten es ihr alle anderen gleich, und aller Augen waren erwartungsvoll auf Chakotay gerichtet doch sein Blick ruhte nur auf Marla.

„Wir sind nicht allein. Wir sind in den Armen unserer Familie und derer die wir lieben. Marla. Mike. B’Elanna. Tabor. Chell. “

Er sagte der Reihe nach die Namen derer auf, die um ihn herum standen, bis B’Elanna ihn knurrend unterbrach: „Schon gut, du bist ja schlimmer als Neelix! Wir wissen, wie wir heißen!“

Chakotay rollte tadelnd mit den Augen, doch insgeheim war er froh über die kurze Pause und das Gelächter, denn seine Stimme hatte sich mehr und mehr mit Emotionen belegt und drohte zu versagen. Als er seine Fassung wiedererlangt hatte, atmete er tief durch und zog die Schultern gerade, bevor er mit einem Lächeln weitersprach.

„Wir sind zusammengekommen um uns zu erfreuen an der Wärme und dem Glück dieser unerschütterlichen Verbindungen. Ohne sie wären wir unvollständig. An diesem Tag wollen wir dankbar dafür sein, dass wir zusammen sind. Wir sind nicht allein.“

„In der Tat, das sind wir nicht,“ fügte Marla hinzu, während allseits Jubel und Applaus erklang.

Chakotay legte wie selbstverständlich seine Hand auf ihre Schulter und ganz kurz schmerzte es, als er daran dachte, dass letztes Prixin seine Hand auf der Schulter von Captain Kathryn Janeway gelegen war ... doch letztes Prixin war lang vergangen und seither war so viel passiert und jetzt stand Marla unerschütterlich an seiner Seite. Wie zur Rückversicherung drückte er ihre Schulter, und wie automatisch hob sie die Hand um sie auf seine zu legen und wandte sich beinahe unmerklich zurück um ihn anzulächeln.



Und während die kleine spontane Feier allmählich Schwung aufnahm, obwohl die Atmosphäre von bittersüßer Melancholie getränkt war, standen Chakotay und Marla etwas abseits und lauschten dem Gelächter und Mike Ayalas sonorer Singstimme, das durch die abkühlende Nachtluft waberte. Chakotay wollte nicht länger über letztes Prixin und Kathryn nachdenken, ein verirrtes Kribbeln in seinem Bauch ließ ihn an nächstes Prixin und Marla denken, und nicht einmal die Tatsache, dass Marla nie wieder ein Prixin in Freiheit erleben würde, konnte ihm in diesem Moment die Freude nehmen. Er, der beinahe schon vergessen hatte wie man lächelt, wagte wieder zu hoffen.

Ganz sanft nahm er Marlas Gesicht in seine Hände und küsste sie zum zweiten Mal, zärtlich und selbstsicher. Er hatte sich viel zu lang jedes noch so kleine Glück verboten, diesen Fehler würde er nicht wiederholen.

„Ich weiß nicht was das ist,“ gestand Marla leise, noch bevor er etwas sagen konnte, „Ich weiß nicht, was mit uns passiert und wie es jetzt weitergeht ... aber ich finde es gut.“

„Das ist der Zauber von Prixin. Du und ich, wir sind nicht allein.“

Und Marla lachte an Chakotay gelehnt in die Nacht hinaus.



ENDE
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