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Worfs Geheimnis

von Bibi77

Kapitel 1

Es war einer jener Nachmittage im Dezember nach irdischer Zeitrechnung, an denen Counselor Deanna Troi sich fragte, ob das Raumschiff mitten im Weltraum stehengeblieben war, obwohl ihr die vorbeiblitzenden Lichtpunkte vor den Fenstern ihres Quartiers etwas anderes suggerierten. Es war ruhig geworden auf der Enterprise und auch wenn Deanna nicht viel von den Traditionen der Menschen verstand, spürte sie, dass es irgendetwas mit diesen vier besonderen Wochen des Jahres zu tun haben musste, die sich „Advent“ nannten. Überall auf dem Schiff fröhliche Gesichter, entspanntes Zusammensein bei fremdartig duftenden Getränken, Gebäck oder kleinen Bastelarbeiten, Kinder in heller Vorfreude und sogar ein Androide, der versuchte, alte Bräuche wie das Singen von Weihnachtsliedern wieder einzuführen, von denen nur noch die Computerdatenbank berichtete. Mit anderen Worten: sie als Schiffscounselor war praktisch arbeitslos. Umso mehr versetzte es sie in Erstaunen, dass ihr der Türsensor plötzlich Besuch ankündigte und ausgerechnet Lieutenant Worf um Einlass bat. In ihrer momentanen Lage wäre ihr jedoch sogar ihre Mutter recht gewesen, um der zähfließenden Langeweile zu entkommen und so bat sie ihn ohne zu Zögern und mit ihrer lieblichsten Vertrauen-Sie-mir-ich-bin-Counselor-Stimme herein.

Der Klingone hatte die Türschwelle noch gar nicht überschritten, da schlug Deanna bereits eine geballte Ladung aus Frustration und nervlicher Überlastung entgegen, die so gar nicht in das derzeitige Stimmungsprofil der übrigen Mannschaftsmitglieder passen wollte. Doch da war auch noch etwas anderes; etwas, was völlig im Gegensatz zu dieser offensichtlichen Reizbarkeit stand, was er jedoch mit Erfolg vor ihr zu verbergen versuchte. Was auch immer ihn derart beschäftigte: es würde nicht leicht werden, es aus ihm heraus zu bekommen. Hier war viel Fingerspitzengefühl gefragt!
„Was führt Sie zu mir, Lieutenant?“, fragte sie ihn deshalb möglichst unbekümmert. Mit einer einladenden Handbewegung wies sie ihm einen Platz auf ihrem Sofa zu. Sie selbst wählte den Sessel auf der gegenüberliegenden Seite des flachen Glastischchens, von wo aus sich ein überwältigender Ausblick auf die unendlichen Weiten des Universums bot.
„Der Captain schickt mich“, erklärte Worf knapp, während er etwas umständlich Platz nahm und sichtlich bemüht war, die knirschenden Kekskrümel auf dem Stoffbezug, sowie auf dem Boden unter seinen Schuhsohlen zu ignorieren.
„Ich bitte um Verzeihung! Commander Riker hatte gestern Abend so seine Schwierigkeiten mit der Konsistenz der Weihnachtsplätzchen“, erklärte Deanna entschuldigend und hielt Worf nun wie aufs Stichwort einen Teller mit bunt verzierten Schokoladenkeksen entgegen. „Aber sie sind trotzdem sehr lecker. Greifen Sie ruhig zu!“
Für einen kurzen Moment bemerkte sie ein Leuchten in seinen Augen und eine zuckende Bewegung seiner rechten Hand, doch irgendetwas in ihm schien sich gegen die süße Köstlichkeit zu wehren. Nur einen Augenblick später betrachtete er die Plätzchen nur noch wie den stinkenden Auswurf eines Ferengis und er lehnte dankend ab.
Nun war Deannas psychologischer Ermittlergeist endgültig geweckt.

„Mr. Worf, ich spüre bei Ihnen deutlich so eine Art von innerer Zerrissenheit“, begann sie das Gespräch, wobei sie in interessierter Haltung die Beine übereinander schlug und ihr Knie mit beiden Händen umschloss. „Ist das der Grund dafür, dass Sie mich aufgesucht haben?“
„Ich bin nicht zerrissen“, behauptete Wurf knurrend. „So wahr ich hier vor Ihnen sitze!“
Deanna lächelte verständnisvoll.
„Das war auch nur im übertragenen Sinn gemeint. Sie wirken auf mich einerseits sehr frustriert und ich spüre deutlich, dass Sie tief in Ihrem Inneren geradezu aufgebracht sind, aber andererseits...“ Sie hielt inne und überlegte kurz, wie sie ihren Verdacht am unverfänglichsten ausdrücken konnte. „Sie scheinen gegen irgendetwas anzukämpfen; etwas, das sie unter gar keinen Umständen zulassen wollen, hab ich Recht?“ Da Worf nicht antwortete, versuchte sie schließlich, die Angelegenheit geschickt zu umschiffen: „Mit welcher Begründung hat Captain Picard Sie denn zu mir geschickt?“
Worf holte tief Luft und es kostete ihm sichtlich Überwindung, sein Schweigen zu brechen.
„Ich war wohl...in letzter Zeit etwas unkonzentriert und...überreizt,“ antwortete er stockend.
„Inwiefern?“, fragte Deanna. „Ich meine, können Sie sich das irgendwie erklären?“
„Nein“, behauptete Worf, doch sie wusste sofort, dass es eine Lüge war.
„Mr. Worf, Sie können ruhig offen sprechen“, versicherte sie ihm und verlor dabei nicht eine Sekunde lang etwas von ihrem Lächeln. „Alles, was Sie mir anvertrauen, bleibt unter uns, das müssten Sie doch inzwischen wissen. Es sei denn natürlich, es würde in irgendeiner Weise eine Gefahr für das Schiff und seine Mannschaft bedeuten, aber das scheint mir hier nicht der Fall zu sein? Also, was haben Sie?“
Endlich schien der Klingone soweit Vertrauen gefasst zu haben, dass er - wenn auch nur mit größtem Widerwillen – sein Geheimnis zu lüften begann.
„Ich bin...irritiert“, gab er zu. „Das Bedürfnis der Menschen nach Frieden und Harmonie war für mich als Klingonen schon immer nur schwer nachzuvollziehen, nur scheint es im Moment Überhand zu nehmen. Ich verstehe zum Beispiel nicht, wieso einige hier an Bord plötzlich Millionen von Lichtjahren zurücklegen, um Verwandte und Bekannte zu besuchen, zu denen sie sonst nie Kontakt pflegen, die sie – soweit ich das mitbekommen habe – zum Teil nicht einmal ausstehen können. Ihre Konflikte können sie auch das ganze Jahr über auf ehrenvollere Weise austragen, als ihre gegenseitige Abneigung dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass sie sich einmal im Jahr Socken schenken.“
Deanna musste schmunzeln.
„So ganz verstehe ich das auch nicht, Mr. Worf, aber es scheint eine Tradition zu sein, dass sich die Menschen wenigstens einmal im Jahr wiedersehen, ihre Differenzen dabei einfach mal eine Weile beiseiteschieben, zusammen ein paar schöne, besinnliche Tage verbringen und sich mit kleinen Aufmerksamkeiten ihre Zuneigung füreinander ausdrücken. Der Grundgedanke dahinter ist doch auch eigentlich ganz nett, nur neigen eben einige Menschen auch nach Jahrhunderten noch dazu, es damit irgendwie...zu übertreiben“, erklärte sie zaghaft. „Aber das muss Sie doch nicht beunruhigen? Sehnen Sie sich denn nicht auch manchmal nach Ruhe und familiärer Gemeinschaft?“
„Diese Traditionen sind aber sehr ablenkend!“, wich Worf aus. „Ein weiteres Beispiel hierfür ist das offensichtliche Bedürfnis von Lieutenant Commander Data, ständig irgendeine Melodie auf der Brücke pfeifen zu müssen. Mittlerweile hat sie sich in meinem Kopf eingenistet wie ein lästiger Parasit...“

Deanna war überrascht über den plötzlichen Wechsel des Gesprächsthemas, sprang jedoch sofort auf den vermeintlichen Ohrwurm an.
„Was für eine Melodie, Worf? Ich würde sie sehr gerne hören.“ Sie grinste verschmitzt und lehnte sich zurück, während sie ihr Gegenüber mit erwartungsvollen Blicken festnagelte. Worf bereitete diese Aufforderung sichtlich Unbehagen. Um seine Mundwinkel huschte ein widerwilliges Zucken. Deanna ließ jedoch nicht locker.
„Was haben Sie?“, fragte sie betont unschuldig, während sie sich spielerisch eine lange schwarze Haarlocke um ihren Zeigefinger wickelte. „Sie wissen doch wie man pfeift, oder Mr. Worf?“
Der Klingone räusperte sich. Diese Provokation konnte er keinesfalls auf sich sitzen lassen, das wusste Deanna genau.
„Selbstverständlich“, knurrte er mit zusammengebissenen Zähnen. Da Deanna ihm immer noch verständnisvoll zulächelte, gab er sich schließlich einen Ruck, schürzte die Lippen und stieß mühsam eine Reihe von Tönen hervor. Zunächst noch zaghaft, dann jedoch immer energischer werdend, brachte er sogar annähernd eine Melodie zustande, die mit viel Phantasie an ´Jingle Bells` erinnerte, auch wenn die Laute mehr aus Luft als aus tatsächlichen Tönen bestanden. Deannas Grinsen wurde so breit, dass Worf sich dadurch verspottet zu fühlen schien und abrupt abbrach.
„So in etwa“, raunte er und mied es konsequent, sie anzusehen.
„Ah! Ein altes Erdenlied, was gern zur Weihnachtszeit gesungen wurde!“, kommentierte Deanna und tat so, als wäre es das Natürlichste der Welt, dass dieses flotte Winterstückchen einen Klingonen derart umtrieb. „Sehr schön, Worf! Offenbar hat Mr. Data große Fortschritte beim Musikunterricht gemacht.“
„Mag sein“, meinte Worf knapp. „Ich würde es jedoch vorziehen, wenn er diese Art des Musizierens auf der Brücke unterlassen würde. Der Captain war übrigens der gleichen Meinung,“ fügte er hastig hinzu.

Deanna musste beinahe lachen. Schnell presste sie einen Handrücken auf ihren Mund und räusperte sich.
„Verzeihung“, entschuldigte sie sich. Sie holte tief Luft und bemühte sich, wieder eine professionell ernste Haltung anzunehmen. „Fahren wir fort, Mr. Worf! Wo wir gerade Mr. Data ansprechen: hat er Ihnen am Nikolaustag eigentlich auch ein kleines Geschenk und Süßigkeiten in die Schuhe getan?“
Allmählich geriet sie in Plauderlaune.
„Allerdings“, brummte Worf und sein Blick verfinsterte sich. „Meine Leute von der Sicherheitsabteilung arbeiten immer noch daran herauszufinden, wie es zu dem technischen Defekt an den Türsensoren kommen konnte, der es Lieutenant Commander Data ermöglichte, in unsere Quartiere einzudringen.“
Deanna grinste erneut.
„Aber war es nicht auch ein glücklicher Zufall, Worf? Es war doch eine nette Geste von Data. Er hat zwar nicht ganz verstanden, dass man sich in der Rolle des Nikolaus nicht dem Beschenkten gegenüber zu erkennen geben darf und offen gestanden, riecht das Parfüm, dass ich bekommen habe grauenhaft, aber es ist ja letztendlich der Gedanke an sich, der zählt. Was hat er Ihnen denn geschenkt, wenn ich fragen darf?“
„Ich habe das Päckchen noch nicht geöffnet“, antwortete Worf abweisend. Ein wenig zu abweisend für Deannas Geschmack und sie spürte zum ersten Mal auch eine gewisse Neugier bei ihm, als er sich an das Geschenk erinnerte.
„Warum nicht?“ wunderte sie sich.
„Ich bin nicht darauf angewiesen, dass mir jemand etwas schenkt“, erklärte Worf. „Außerdem ... erscheint es mir nicht ehrenhaft für einen Krieger, einen Pappkarton von Glitzerpapier und Geschenkband zu befreien. Selbst wenn es sich bei dem dafür erforderlichen Hilfsmittel nur um eine Schere handelt, ist das in meinen Augen ein Waffenmissbrauch. Klingen und andere Waffen jeder Art sind zum Kämpfen da.“
„Aber ist es nicht auch eine Art der Anerkennung, dass Data Ihnen etwas geschenkt hat? Sind Sie denn gar nicht neugierig, was es ist?“, bohrte Deanna nach. „Kommen Sie, Worf! Sie haben doch als Kind von ihren Pflegeeltern sicherlich auch Geschenke bekommen?“
Dass er plötzlich leicht zusammenzuckte verriet Deanna, dass sie soeben einen wunden Punkt berührt hatte.
„Natürlich haben sich meine Pflegeeltern bemüht, mich mit den irdischen Traditionen bekannt zu machen, aber das ist lange her und spielt keine Rolle mehr“, versuchte Worf das Thema schnellstmöglich wieder zu beenden. Doch Deanna hatte inzwischen einen Verdacht, woher der Wind wehte und sie war entschlossen, der Sache näher auf den Grund zu gehen.
„Erzählen Sie mir ruhig etwas von früher!“, forderte sie ihn auf, wobei sie einen Ellenbogen auf die Sessellehne stützte und ihr Kinn nachdenklich in die Handfläche schmiegte. „Wie haben Sie Weihnachten als Kind erlebt?“

„Ich habe nie verstanden, warum meine Pflegeeltern dieses Fest gefeiert haben. Wir Klingonen glauben nicht an Götter. Ebenso wenig habe ich an den Weihnachtsmann geglaubt und auch der religiöse Hintergrund dieser so genannten Weihnachtsgeschichte erscheint mir bis heute als unzeitgemäß und reiner Unsinn“, stellte Worf mit Nachdruck klar, auch wenn er einräumte: „Allerdings haben meine Pflegeeltern eine Erklärung gefunden, die mich damals überzeugte. Sie erzählten mir die Legende von Kortar, dem ersten Klingonen, der einst die Götter, die ihn schufen tötete. Zur Strafe muss er seither die ehrlosen Krieger nach Gre`thor überführen. Meine Mutter ergänzte die Geschichte, indem sie mir erzählte, dass Kahless - der Begründer des Klingonischen Reiches - Kortar zusätzlich bestrafte, indem er ihm auferlegte, an seinem Geburtstag mit einem Schlitten, vor den Targs gespannt waren, loszuziehen, um als Wiedergutmachung für seine Taten alle Klingonenkinder zu beschenken. Heute ist mir natürlich bewusst, dass Kahless gar keinen Geburtstag feiert, schon gar nicht am 24. Dezember, aber damals mochte ich diese Geschichte und ich war stolz in der Annahme, dass wir das Fest zu Ehren Kahless feierten und Kortar meine Socken mit Geschenken füllte. Zum Dank habe ich für Kahless jedes Jahr einen Teller mit selbstgebackenen Plätzchen bereit gestellt, die ich mit lebendigen Gagh-Würmern verziehrte...“
„Wie bitte?“, fragte Deanna entsetzt dazwischen. Es schüttelte sie allein bei der Vorstellung von sich kringelnden Würmern auf Keks und sie legte automatisch ihr soeben angebissenes Plätzchen beiseite. Worf schien ihre Reaktion jedoch nicht verstehen zu können.
„Gagh ist eine klingonische Delikatesse“, erklärte er trocken. Dann verlor er sich wieder in den Erinnerungen an seine Kindheit...

„Am schönsten war für mich, am Ende der Festtage den Weihnachtsbaum für Fek`Ihr zu opfern“, schloss er seine Erzählungen von nudelholzgeprügeltem Plätzchenteig, ausgeweidetem Truthahn und „weihnachtlichen Schlachtgesängen auf klingonisch“. Seine Augen glänzten, seine Blicke nahmen einen fast schon verträumten Ausdruck an und schweiften ab in eine Welt, in die Deanna ihm nur schwer folgen konnte. Sie traute sich kaum zu fragen, wer Fek`Ihr war.
„Fek`Ihr überwacht die Ehrlosen im Gre`thor“, erklärte Worf wie selbstverständlich, „und ich habe mir immer vorgestellt, ich würde ihm entkommen, indem ich meine Ehre unter Beweis stelle und gegen den Weihnachtsbaum kämpfe. Seine Nadeln waren gefährliche Waffen, aber ich war siegreich: Ich habe ihn aus dem Fenster geworfen, zerhackt und verbrannt.“
Damit endete seine persönliche Weihnachtsgeschichte und die Erinnerung schien plötzlich zu zerplatzen wie eine Seifenblase. Worf räusperte sich und sein Gesicht nahm wieder den gewohnt- ernsten Ausdruck an.
„Aber was hat das jetzt mit dem zu tun, weswegen Sie mich befragen?“, wollte er wissen.
Deanna holte tief Luft und zwang sich zu einem Lächeln. Die Einzelheiten der Geschichte geisterten noch immer in ihrem Kopf herum wie finstere Dämonen.
„Nun, ich glaube, eine ganze Menge, Worf“, sagte sie matt. „Aber ich brauche jetzt erst mal einen Tee. Möchten Sie auch einen?“

Wie sie erwartet hatte, lehnte Worf ab.
Der Replikator hatte jedoch kaum damit begonnen, ihr eine Tasse mit stark duftendem Apfel-Zimt-Tee auszuhändigen, als sie deutlich spüren konnte, wie sehr er diese Entscheidung bereute, als die weihnachtlichen Aromen zu ihm in den Nebenraum strömten. Absichtlich verharrte Deanna noch einige Augenblicke länger als nötig vor dem Replikator und vernahm plötzlich verräterische Knusper- und Kaugeräusche.
Grinsend biss sie sich auf die Unterlippe und orderte noch einen zweiten Tee.
„Ich dachte, Sie wollen damit vielleicht die Plätzchen herunter spülen, Worf?“, stichelte sie verschmitzt, als sie ihm die Tasse vor die Nase stellte und sie das Keks-Massaker auf ihrem Tisch erblickte. Worf sah sie mit großen Augen und vollgestopftem Mund völlig überrascht an. Einige Krümel rieselten von seinen Lippen. Scheinbar hatte er versucht, so viele Plätzchen wie möglich während ihrer Abwesenheit in sich hineinzustopfen und er fühlte sich jetzt offenbar ertappt.
Er schluckte krampfhaft, verlor jedoch kein Wort über den Vorfall.
„Vielen Dank“, meinte er nur.
„Der Tee ist gut, nicht?“, hakte Deanna nach, als er sich die Tasse etwas zaghaft an die Lippen setzte.
„Er ist...sehr stimulierend“, gab Worf zu und Deanna stellte fest, dass ein Klingone und ein zierliches Porzellantässchen in seiner Hand schon eine eigenartige Kombination darstellten. Aber wenn sie an diesem Nachmittag eines begriffen hatte, dann, dass Worf keines Falls nur der abgestumpfte, harte Krieger war, der er immer vorgab zu sein. Tief verborgen in seinem Inneren steckte auch in ihm noch ein Kind, dass seine Umgebung verstehen und zu ihr dazugehören wollte...und das sich danach sehnte, die strengen Konventionen wie Pflichtbewusstsein und Ehre einfach mal für eine gewisse Zeit über Bord zu werfen oder mit anderen Worten: noch einmal ein vermeintliches Geschenk von Kortar auszuwickeln und den Zauber der alten Legenden auf sich wirken zu lassen.

„Mr. Worf, ich glaube, ich weiß jetzt, was Ihr Problem ist“, sagte Deanna, nachdem sie beide eine Weile nur schweigend ihren Tee geschlürft hatten.
Überrascht horchte Worf auf.
„So?“
„Ja, allerdings!“ Deanna schmunzelte. „Es sieht ganz so aus, als hätten sie sich ein wenig von der Weihnachtsstimmung hier an Bord anstecken lassen und als hätte das Gefühle in Ihnen wach gerufen, die Sie längst vergessen geglaubt haben und die Sie nun versuchen, mit aller Macht zu unterdrücken.“
„Das ist nicht wahr!“, behauptete Worf schroff und sah sie an, als hätte sie ihn gezwungen, ein rosa Kleid zu tragen. Geräuschvoll stellte er die Teetasse auf den Tisch zurück und machte Anstalten, sich zu erheben und empört davon zu rauschen.
„Warten Sie einen Moment!“, forderte Deanna und hielt ihn zurück. „Das ist doch nichts Schlimmes, Worf! Es geht vielen so, dass diese Zeit im Jahr besonders starke Erinnerungen an die Vergangenheit hervorruft und sie nicht wissen, wie sie mit dieser Sentimentalität umgehen sollen. Auch Sie als Klingone sollten sich dafür nicht schämen! Alles verändert sich nun mal, genauso wie sich die Art und Weise, mit alten Traditionen wie dem Weihnachtsfest umzugehen, verändert hat. Es mag wissenschaftlich betrachtet unnötig sein, aus religiöser Sicht überholt, viele begehen dieses Fest gar nicht mehr... Aber ich denke, solche ursprünglich christlichen Werte wie Respekt, Toleranz, Freundschaft und Nächstenliebe haben bis in unser Jahrhundert hinein nicht an Aktualität verloren und sind in unserer Zeit und für die Föderation vielleicht sogar wichtiger denn je. Davon abgesehen haben Sie doch vorhin selbst geschildert, dass es durchaus Möglichkeiten gibt, die irdischen Bräuche auch mit den Kulturen anderer Spezies zu verbinden, sie auf diese Weise weiterzuentwickeln und weiterzuleben. Es kann unser Zusammenleben doch nur bereichern, finden Sie nicht? Sie sind hier auf diesem Schiff Zuhause Worf und wenn Sie das Bedürfnis verspüren, sich anzuschließen, sollten Sie das auch tun und sich nicht länger dagegen wehren! Es ist egal, ob sie alles an diesem Weihnachts-Mythos verstehen oder nicht, oder dass Sie ein Klingone sind.“
„Und was soll ich jetzt, Ihrer Meinung nach, tun?“, fragte Worf. Er blickte immer noch ein wenig grimmig drein, hatte sich aber wieder beruhigt und schien nachdenklich geworden zu sein.
„Nun, ich als Schiffscounselor empfehle Ihnen dringend den Kontakt zu Gleichgesinnten!“, schlug Deanna vor. Ihr Lächeln wurde so breit, dass sie fast schon von einem Ohr zum anderen grinste. „Gesellen Sie sich einfach dazu, tauschen Sie sich aus und setzen Sie sich nicht zwanghaft auf Plätzchenentzug. Wenn Sie wollen, lassen Sie sich vom Replikator auch noch ein Gagh-Topping oben drauf setzen. Und wenn Sie ebenfalls Lust haben, ein Weihnachtslied zu pfeifen, dann tun Sie es einfach! Vielleicht werden einige darüber lächeln, aber es wird sie deswegen niemand auslachen oder verspotten und vielleicht wäre Mr. Data dankbar, wenn Sie ihn auch in das klingonische Liedgut einweihen würden?“ Sie lachte kurz auf bei dieser Vorstellung. „Aber vor allem sollten Sie endlich Ihrer Neugier nachgeben und das Geschenk öffnen, das Data für Sie hinterlassen hat. Sie wissen doch, Mr. Worf: ein wahrer Krieger weiß, wann eine Schlacht verloren ist.“


ENDE
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