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Troi au Chocolat

von Quodlibet

Kapitel 1

Mr. Homm schlug den Gong, den Göttern Betazeds zur Ehre. Er folgte damit der Tradition, den Göttern Betazeds bei den Mahlzeiten für die Gaben zu danken, die sie den Bewohnern des Planeten in ihrer Gunst gewährten. Bei jeder Mahlzeit. Bei jedem Bissen. Diese Tradition wurde selbstverständlich auch von Lwaxana Troi in Ehren gehalten, Toch-ter des Fünften Hauses, Bewahrerin des Heiligen Kelches von Rixx und Erbin des Ringes von Betazed.

Der Status als Botschafterin brachte für Lawxana Troi viele Reisen mit sich: durch das Gebiet der Föderation und auch durch Gebiete hoffnungsvoller Aspiranten, neutraler Welten oder selten auch erklärter Feinde. Eine Form der Gleichgültigkeit hatte inzwischen von ihr Besitz ergriffen. Sie merkte kaum noch einen Unterschied, ob man ihr freundlich oder ab-lehnend gegenüber war, ob es sich um ein kleines Schiff handelte oder ein großes. Es war keineswegs ein Mangel an Respekt gegenüber den anderen, aber sie waren alle irgendwo austauschbar. Es lohnte sich nicht, ihre Namen zu behalten. Sie war zwar ‘unter den Leuten’ wie es immer hieß, nahm sich aber vor, Distanz zu wahren, um in ihrem Alleinsein nicht gestört zu werden.

Auf der anderen Seite gab es überall aufregende Dinge zu entdecken und amouröse Abenteuer zu erleben. Diese Reisen hoben sich in ihren Erinnerungen aus der grauen Masse des üblichen Dienstgeschäftes hervor. Besonders freute sie sich, wenn ihre Reisen sie auf die USS Enterprise führten. Dort war ihre Tochter Deanna als Counselor eingesetzt. Und es schadete nie - wie sie bei ihren seltenen Zusammentreffen immer wieder bemerkt hatte - ihr Töchterchen an die wichtigen Dinge im Leben einer Tochter des Fünften Hauses, Bewahrerin des Heiligen Kelches von Rixx und Erbin des Ringes von Betazed zu erinnern: einen Mann zu finden und die Überlegenheit der telepathischen Kommunikation zu manifestieren.

Allerdings musste sie auch zugeben, dass sie unabhängig von ihren Bestrebungen nach Unabhängigkeit und Freiheit doch einer ähnlichen Tätigkeit nachging, wie einer ihrer früheren Ehemänner Ian Andrew Troi – Ehre seinem Angedenken – sowie ihre gemeinsame Tochter. Allerdings ohne diese lästige Uniform, die nicht nur den Körper, sondern auch den freien Geist einengten.

Lwaxana war gerade wieder einmal von einer Reise zurückgekehrt. Noch war sie mit keinem Freund, Nachbarn oder Ratsmitglied der Regierung in Kontakt getreten. Einen Augenblick der Ruhe und Kontemplation wollte sich die Botschafterin in ihrem viel zu großen Heim gönnen. Sie mochte es sich zwar nicht eingestehen, aber die Reisen strengten sie zunehmend an. Nicht wegen ihrer Aufgabe als Botschafterin oder dem Reisen an sich. Nein, es war die Enttäuschung, die sie von Mal zu Mal intensiver erlebte, nach jeder Reise und ihren intensiven Anstrengungen zum Trotz am Ende doch wieder allein und ohne Partner nach Betazed heimzukehren. Zurück in ein Heim, das sie außer mit Mr. Homm mit niemandem teilte. Aber auch zurück an einen Ort, an dem viele Erinnerungen weilten. Und die Traditionen. Hier war sie allein, aber ihre Gedanken hatten eine Freiheit, wie sie sie sonst nicht kannte. Manchmal überwog die Dankbarkeit für die Freiheit, manchmal das Gefühl, allein zu sein. In den letzten Jahren allerdings nahm das Gefühl der Einsamkeit mehr und mehr zu. Die Augenblicke der Rückkehr wurden somit immer auch zu ei-ner bittersüßen Erfahrung. Sie hatte diese Momente schon allzu oft erlebt, um ihre seltsame Anziehungskraft nicht auch in gewisser Weise auszukosten. Und trotzdem konnte sie sich immer wieder aufraffen, um eine neue Reise anzutreten, ein neues Abenteuer zu suchen, eine neue Enttäuschung zu überstehen. Denn jeder neue Anfang barg auch die Hoffnung auf ein besseres Leben.

Unvermittelt wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Mr. Homm war vom Mittagstisch zur Haustür gegangen und kam nun mit einem kleinen Paket wieder, das er stumm und vorsichtig vor Lwaxana auf dem Tisch platzierte. Es musste vor einigen Tagen angekommen sein und so war es beim Nachbarn abgegeben und nun vorbei gebracht worden. Schon etwas seltsam, wer eine solch alte und fast rückständige Methode der Übermittlung nutzte. ‘So ist es nun also aus mit der Ruhe‘, dachte sie betrübt. Im nächsten Moment aber stieg Erregung auf, als sie erkannte, dass dieses kleine Päckchen von Deanna stammte. Ihre Tochter hatte einen kleinen Gruß beigelegt: „Ich ahne, wie Du Dich einsam fühlst, Mutter. Mir hilft in solchen Momenten immer Schokolade.“

Ein Lächeln der Erinnerung huschte über ihr Gesicht. Die Schokolade. Sie hatte nie verstanden, worin die Faszination lag. Sie selbst hatte sich abgegrenzt gegenüber dieser Form sinnlicher Erfahrung, wie ihr Mann das Geschmackserlebnis immer nannte. Es war etwas gewesen, das Ian Andrew Troi mit seiner Tochter gemeinsam hatte. Und im Nachhinein glaubte Lwaxana, dass es bei der fast krampfhaften Beibehaltung der terranischen Feste, besonders aber eines Festes, dass Ian als ‘Weihnachten‘ bezeichnet hatte, um nichts weniger gegangen war, als sich und seiner Tochter eine gute Gelegenheit zur verschaffen, ihr gemeinsames liebstes Laster zu teilen, bzw. ihm exzessiv zu frönen. Als sie nun an die beiden dachte, krampfte sich ihr Herz in einem kleinen Anfall von Wehmut zusammen. Es machte ihr klar, was ihr verloren gegangen war. Und sie schalt sich alleine dafür, dass es ihr noch nicht einmal aufgefallen war.

Damit wuchs ihr Entschluss, das Geschenk Deannas umso voller auskosten zu wollen. Vielleicht war es gut in diesem, ihrem schwachen Moment, ihren Lieben nahe zu sein. Sie schickte Mr. Homm fort, im Haus eine Kerze zu suchen. Als seine Schritte verklungen waren, breitete sich eine Stille wie ein dichter, undurchdringbarer Nebel um sie herum aus und das Haus schien größer uns leerer zu sein. Sie gab sich einen inneren Ruck und öffnete die Schachtel, die neben dem Gruß gelegen hatte. Darin lagen in ihren kleinen Bettchen Pralinen in allen Formen und Farben. Lwaxana lächelte in sich hinein. Deanna hatte sehr genau gewusst, dass eine große Auswahl es ihrer Mutter leichter machen würde, sich überhaupt für eine der Pralinen zu entscheiden. War es wirklich schon soweit gekommen, dass ihre Aktionen für die eigene Tochter schon so vorhersagbar geworden waren? Lwaxana hielt einen Moment inne, wurde aber von weiteren Gedanken durch Mr. Homms Rückkehr abgehalten. Er hielt eine einzelne Kerze in einem Leuchter, den sie vor vielen Jahren mal bei ihrer Großmutter gesehen hatte. Wo ihn Mr. Homm wohl gefunden hatte?

Der Kerzenschein erinnerte sie an frühere Zeiten, an die längst vergangenen Feste mit ihren Lieben. Und auch wenn der Schein der Flamme nur ein ferner Abglanz der Beleuchtung zu den Festen von damals war, fühlte sie sich schon jetzt besser, irgendwie geborgen. So als wäre ihr Mann Ian nicht tot und ihre Tochter viele Tausend Lichtjahre entfernt. Und in den diffusen Lichtverhältnissen der einzelnen Flamme erlaubte sich die Tochter des Fünften Hauses, Bewahrerin des Heiligen Kelches von Rixx und Erbin des Ringes von Betazed alle Anspannung von sich abfallen zu lassen. Eine einzelne Träne der Rührung hatte sich auf ihre Wange verlaufen und reflektierte das Kerzenlicht. Mr. Homm mochte es ruhig sehen. Sie wischte sie nicht weg.

Sie schloss die Augen. Sie fühlte sich in ihr behütet. Sie konnte ihre Gefühle und Erinnerungen betrachten und auskosten. Nun kamen ihr die Erinnerungen an die gemeinsamen Feste nicht wie eine Pflicht vor, sondern wie ein Geschenk. Sie sah vor ihrem inneren Au-gen, wie Ian und Deanna mit den Kerzen um die Wette strahlten, als sie bald die Päckchen mit der Schokolade und anderen Geschenken auspacken würden. Ein Seufzer wohliger Erinnerung entfuhr ihrer Brust. Sie griff wahllos in die Schachtel, war sich sicher, jede Praline wäre so gut, wie eine andere, denn jede würde die Gedanken an ihre Familie nur verstärken. Sie würde diese Erinnerung nun auch auf den Geschmackssinn ausweiten. Im Vorgefühl dieser süßen Erfahrung bereite sie ihre Sinne vor, nahm eine Praline, führte sie bedächtig zum Mund, erwartet den schmelzenden Geschmack und …

… Mr. Homm schlug den Gong, den Göttern Betazeds zur Ehre.


ENDE
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