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Der Stern von Bethlehem

von Gunni Dreher

Kapitel 1

„Was ist eigentlich mit Lieutenant Rowland und seinen Leuten?“ wunderte sich Tarkin und warf einen Blick zurück zur Wohnstätte. „In zwei Tagen beginnt doch das terranische Winterfest, oder?“
Talan zuckte die Achseln. „Keine Ahnung!“ gestand er. „Sonst stellen sie um diese Zeit immer was Verrücktes an, aber diesmal konnte ich nichts feststellen. Sie haben sich sogar freiwillig gemeldet, den Wartungsflug der Arrhinia D’jah zu begleiten.“
Seit Tagen herrschte im Vari-Gebiet herrliches, sonniges Herbstwetter, und so hatte sich Tarkin zu einem Schulungsausflug überreden lassen. Lehrer und Schüler waren nicht allein; bei ihnen befand sich Intral, Tarkins vierschrötiger Jagdbegleiter, was bewirkte, dass Talan wie ein Halbwüchsiger zwischen den beiden Rhazaghanern aussah. Nichtsdestotrotz schritt der Romulaner in bester Laune voran. Es gab nicht viele Dinge, die ihm so kostbar erschienen wie die allerletzten warmen Tage der Saison.

Unterdessen schüttete Rowland vierzigtausend Schritt über ihnen sein Herz aus.
„...und es hat ohnehin alles keinen Zweck.“ beklagte er sich. „Ganz gleich, was man unternimmt, weder Rhazaghaner noch Romulaner werden je den Sinn des Sterns von Bethlehem begreifen; ihr seid eben alles Heiden. Zum Heulen ist das; keine leuchtenden Kerzen, kein Glockenläuten, nicht mal ein hübsches Krippenspiel...“
„Na schön!“ unterbrach ihn die ungewöhnlich geduldige Stimme des Schiffes. „Alles kann man nicht haben. Was sind denn nun die wichtigsten Zutaten für Weihnachten?“
„Ein Weihnachtsbaum!“ platzte Della Escobedo heraus. „Mit Lichtern und bunten Kugeln und allem drum und dran! Eine echte Nordmanntanne, kein übergeschnappter, in die Höhe geschossener Farn.“
„Weihnachtspunsch mit Zimt und Nelken!“ schwärmte Isabel Wilkinson.
„Entenbraten mit Rotkohl und Klößen!“ jubilierte Paul Shastri. „Essen bis zum Platzen!“
„Schnee! Eine dichte Schneedecke, die alles still und feierlich macht...“ kam es sehnsüchtig von Arie Corestid, was Paul dazu bewog, sich an die Stirn zu tippen.
„Schnee im Frühherbst, ach ja!“ spottete er. „Sonst noch Wünsche, der Herr?“
„Schnee ist wichtig!“ beharrte Arie trotzig. „Sag was du willst, aber das ist es, was die ganze Zeit gefehlt hat.“
„Immer mit der Ruhe!“ befahl die Arrhinia D’jah. „Wollen mal sehen, was sich tun lässt. Ich verspreche euch nichts, aber vielleicht sehe ich da ein paar Möglichkeiten...“

Am nächsten Tag, die drei Wanderer hatten bereits eine gute Strecke zurückgelegt, drehte der Wind und begann kräftig von Norden zu blasen. Schon bald pfiff er erbarmungslos über die Ebene, trug Wolken heran und brachte ungewöhnliche Kälte mit sich. Die anfangs so fröhliche Unterhaltung verstummte, und Tarkin brauchte nicht den Kopf zu wenden um zu wissen, dass es dem Romulaner gründlich die Stimmung verhagelt hatte. Als Kind eines Wüstenplaneten liebte er Wärme; hinzu kam, dass er keine besonders dicke Kleidung mitgenommen hatte, und so hoffte der Rhazaghaner, dass es sich nur um eine kleine Wetterkapriole handelte.
Abends am warmen Lagerfeuer hob sich Talans Laune wieder ein wenig, und sie begannen erneut miteinander zu scherzen. Als sie dann am anderen Morgen erwachten, mussten sie feststellen, dass es zu schneien begonnen hatte.
Tarkin schlug ohne Zögern den Rückweg ein, doch schon nach kurzer Zeit fielen solche Mengen an Schnee, dass selbst die Rhazaghaner bis zur Wade versanken. Aus Solidarität blieben sie in der humanoiden Grundform, achteten darauf, dass der Romulaner in ihrem Windschatten blieb und kämpften beharrlich gegen den Sturm an. Schließlich geschah es immer öfter, dass Tarkin zupacken musste, um seinem gestürzten Schüler wieder auf die Beine zu helfen.
Längst hielt er nach einer geeigneten Bleibe Ausschau, doch wohin sie sich auch wandten, Rhazaghan zeigte sich ungastlich. Mal war der anvisierte Platz zu stark dem Wind ausgesetzt, mal bot er zu wenig Schutz vor dem dichten Schneefall. Endlich erkannten sie vor sich einen dunklen Schatten, der sich beim Näherkommen als kleine Ansammlung von Nadelbäumen entpuppte. Hier, unter den dichten Zweigen, fanden sie einen bescheidenen Unterschlupf, auch wenn ein strenger Geruch anzeigte, dass hier vor kurzem ein Rudel Kajas gelagert hatte.
Tarkin sah voller Mitleid zu, wie sich Talan niederfallen ließ, in seine Hände hauchte und dabei so dicht in sich zusammenkroch wie nur möglich. Mit wenig Hoffnung bemühte sich der Rhazaghaner um ein Feuer, doch vergeblich; die Nadeln waren feucht und es war unmöglich, sie in Brand zu setzen. Da schichtete er das Nadelreisig zu einem einfachen Lager und ermutigte seinen Schüler, sich darauf niederzulegen. Der Romulaner war dermaßen erschöpft, dass er nicht einmal protestierte.
Als Talan eingeschlafen war, wechselte sein Lehrer in die Steppenluum und ließ sich dicht neben ihm nieder, während Intral in die Zahnluum ging und sich auf der anderen Seite ausstreckte. So blockierten sie mit ihren großen, zottigen Leibern den Wind und hielten bei ihrem Schützling Wache. Die Dämmerung senkte sich über ihre weiße Welt, Schnee rieselte leise hernieder, und während die Zeit verstrich, überkam Tarkin allmählich das seltsame Gefühl, auf etwas zu warten. Schließlich hob er den Kopf und spitzte die Ohren.
Drei dunkle Gestalten kämpften sich dicht hintereinander durch den Schnee und näherten sich dem Wäldchen. Tarkin war sicher, dass es keine Raubtiere waren, zumal jeder von ihnen ein Bündel bei sich zu tragen schien. „Wer da?“ rief er hinaus in die Nacht.
Zweige wurden beiseite geschoben und drei große Rhazaghaner warfen einen Blick ins Innere. „Wanderer aus dem Osten!“ antwortete der erste. „Wir kommen aus dem Rija-Gebiet. Was ist mit euch?“
„Wir sind Vari, der Sturm hat uns überrascht.“ gab Tarkin zur Antwort. Dann, mit einem Anflug von Hoffnung: „Habt ihr etwas Brennbares dabei?“
„Ich habe Darji-Holz, zum Schnitzen.“ antwortete der Erste zögernd. „Ich bin deswegen hierher gereist. Aber wenn es benötigt wird...“
Kurz darauf begann ein Feuer das kostbare Darji-Holz zu verzehren und tauchte den Unterschlupf in ein sanftes Licht. Der zweite Rija kam heran, betrachtete den schlafenden Romulaner und berührte voller Staunen dessen Kleidung.
„Ist das ein Kind?“ fragte er andächtig.
„Er kommt von einer anderen Welt, von den Sternen.“ erklärte Tarkin geduldig. „Er ist nicht wie wir, er friert und ist hungrig.“
„In meinem Gepäck ist ein Larkfell.“ platzte der Rija heraus. „Ich schenke es ihm, wenn es etwas nützt.“
„Und ich habe heute ein Kaja erlegt!“ meldete sich der dritte der drei Wanderer und öffnete sein Bündel. „Weckt ihn, das Fleisch wird ihm gut tun.“

Etwas später saß der Romulaner in warmes Fell gewickelt am Feuer und verzehrte dankbar gebratenes Kaja-Fleisch, während ihn die Rhazaghaner mit froher Miene beobachteten. Zur selben Zeit labten sich Rowland und seine Kameraden im Licht eines strahlenden Weihnachtsbaumes an einem echten terranischen Weihnachtsschmaus. Auf den Monitoren der Arrhinia D’jah waren Winterimpressionen zu sehen, die das Schiff im Laufe des Tages aufgenommen hatte.
„Jetzt mal ehrlich.“ meinte Rowland schließlich und winkte mit einem Entenschlegel. „Wie hast du das hingekriegt?“
„Den Kram zu replizieren? Mein Junge, wenn du wüsstest, was sich alles in meinem Speicher befindet..."
„Nein, das mit dem Schnee meine ich.“
„Betriebsgeheimnis. Vielleicht genügt dir die Information, dass es lediglich nötig war, ein paar Luftströmungen umzuleiten. Gefällt es euch?“
Arie, der kein Auge von den Monitoren ließ, nickte hingerissen. „Und wie! Schade, dass es schon bald vorbei sein wird. Und wir wieder auf dem Rückflug sind.“

Und während die Crew ihren besten Heiligabend seit Jahren feierte, setzte die Arrhinia D’jah Kurs auf ihren heimatlichen Hangar. Langsam und feierlich sank sie in die tieferen Schichten der Atmosphäre, um wie ein heller Stern über das Vari-Gebiet ziehen und auch auf ein kleines Nadelwäldchen zu leuchten, das inmitten der nächtlichen Schneelandschaft stand.


ENDE
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