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Tradition

von Gabi

Kapitel 1

„Kann man dieses verdammte Ding nicht endlich abhängen!“ Commander Erika Benteen, erster Offizier der Raumstation Deep Space Nine, stand mit hochrotem Kopf im Eingang zu Quark’s, dessen Betreten sie gerade zutiefst bereute.

„Ich finde es klasse!“, erklangen die Worte aus jenem Mund, der sie gerade eben in ihrer Meinung nach völlig unpassender Weise in der Öffentlichkeit geküsst hatte.

„Die Kunden lieben es“, erklärte Quark von der Bar her, mit einem Grinsen im Gesicht, das Benteen ihm am liebsten ausgewischt hätte.

„Das“, Benteen zeigte mit erhobenem Zeigefinger auf das Grünzeug, welches am oberen Ende des Türrahmens befestigt war, „ist ein Mistelzweig, eine irdische Tradition. Sie sind ein Ferengi und Sie“, der Zeigefinger wanderte anklagend auf Lieutenant Sito Jaxas Brust, „eine Bajoranerin. Das hat überhaupt nichts mit Ihrer Kultur zu tun.“

Sito, welche bei der Stationssicherheit arbeitete, grinste breit. Dieser Brauch kam ihr gerade recht, um sich etwas mehr der sonst so unerreichbaren Frau ihrer Träume zu nähern. „Ich finde es für das Zusammenleben auf der Station unabdingbar, dass wir die Bräuche unserer Mitbewohner ehren.“

Benteen schnaubte. Sie trat raschen Schritts weiter in die Bar hinein, um außerhalb der potentiellen Gefahrenzone zu geraten. „Sie suchen sich auch nur diejenigen Gepflogenheiten heraus, die Ihnen gerade in den Kram passen“, entgegnete sie kühl.

Sito begleitete sie, was Benteen nicht verhindern konnte, und deutete auf die vielen glitzernden Lichter, die irisierenden Glaskugeln, die Meter um Meter künstlicher Tannennadelgirlanden, die Silbersterne, die Goldglöckchen, die weißgefiederten Engelchen, welche augenblicklich das Wort „kitschig“ in den Sinn schießen ließen. „Ich finde das alles hier ganz hübsch.“

„Hübsch hässlich.“

„Na kommen Sie“, Sito knuffte die Sternenflottenoffizierin in die Seite, was diese ebenfalls gänzlich unpassend fand, „für heute können Sie sich doch auch ein wenig gehen lassen. Ich habe gehört, Quark hat einen sehr leckeren Punsch kreiert, der den Körper und das Herz wärmt.“

„Ich werde keinen Tropfen davon anrühren“, erklärte Benteen bestimmt. Sie steuerte einen der festlich gedeckten Tische an ohne jegliche Hoffnung, dass die Sicherheitsoffizierin den Anstand besitzen würde, sich einen eigenen Platz zu suchen. Ihre Befürchtungen wurden nicht enttäuscht. Immer noch über die Vorzüge der heutigen Weihnachtsfeier plappernd zog sich die Bajoranerin ebenfalls einen Stuhl heran. Benteen verfluchte heimlich die Tatsache, dass sie sich nicht einfach in ihr Quartier verzogen hatte. Doch da Quark sich extra die Mühe gemacht hatte, für den terranischen Teil der Besatzung, der immerhin fast ein Drittel der Sternenflottenoffiziere ausmachte, diese Feier anzusetzen, fühlte sie sich moralisch verpflichtet als ranghöchste Vertreterin der Sternenflotte daran teilzunehmen.

„Na, wen von den beiden sie wohl küssen wird?“

Benteen nahm ihren Blick von der scheußlichen Dekoration und folgte Sitos Aufmerksamkeit. Dem Eingang der Bar näherte sich Lieutenant Ezri Dax flankiert von Dr. Bashir und dem wissenschaftlichen Leiter Lieutenant Gaheris. Anders als Benteen hatten die drei Sternenflottenoffiziere inoffizielle Kleidung angelegt, wobei der Blick des Betrachters automatisch von der Trill angezogen wurde, welche in ihrem knielangen ausgestellten Rock sehr apart wirkte.

Da Dax als Stationscounselor nicht wirklich ausgelastet war, dafür gab es auf Deep Space Nine einfach zu wenig zu tun für eine Psychologin, verbrachte sie einen Teil ihrer Dienstzeit entweder im wissenschaftlichen oder im medizinischen Labor. Mit Hilfe der von ihrer Vorgängerin ererbten Kenntnisse absolvierte sie zur Zeit eine naturwissenschaftliche Zusatzausbildung im Fernstudium. Durch ihre dadurch resultierende Zusammenarbeit mit Lieutenant Gaheris waren sich die beiden näher gekommen, was bei manchen Kollegen zu Getuschel hinter vorgehaltener Hand führte. Ein Verhalten, welches Commander Benteen entmutigte, wo immer es ihr zu Ohren kam. Ein Offizier der Sternenflotte hatte in ihren Augen keinen Tratsch weiterzuverbreiten.

„Lieutenant Dax ist mit Dr. Bashir liiert“, informierte sie daher kühl. „Außerdem ist sie eine Trill und hat daher mit dieser Tradition nichts zu tun.“

Die drei betraten nun die Bar. Im Eingangsbereich blieb Dax stehen, zeigte grinsend mit dem Finger nach oben, neigte sich dann zu für einen Wangenkuss zu Gaheris hinüber und schließlich zu einem innigeren Kuss zu Bashir.

„Ha!“, bemerkte Sito triumphierend.

Benteen verschränkte lediglich die Arme vor der Brust und blickte unwillig drein. Dax hakte sich bei den beiden gutaussehenden Männern unter, gleichzeitig schenkte sie Quark ein Lächeln, welches den Barbesitzer aufseufzen ließ. Gleichgültig in welcher Inkarnation, Dax war immer gut dafür, ein paar Herzen zu brechen.

Die drei ließen sich am Nebentisch nieder.

„Da kommen doch Heimatgefühle auf, nicht wahr, Commander?“, beugte sich Gaheris begeistert zu Benteen hinüber. „Ich habe schon lange kein richtiges Weihnachtsfest mehr gefeiert und ich hätte nicht gedacht, dass ich es ausgerechnet so weit von Zuhause entfernt wieder feiern würde. Mann, kehren da Kindheitserinnerungen in wahren Armeen zurück.“ Er sog die Luft tief ein, in welcher sich der Geruch von warmem Punsch mit einem leichten Hauch von Zimt und Nelken breit machte. „Quark hat das ganz wunderbar hinbekommen.“

„Wenn Sie das meinen“, gab Benteen kühl zurück, nicht gewillt sich von der Begeisterung des Wissenschaftsoffiziers anstecken zu lassen.

Auf Dax‘ überraschten Blick hin, nickte Sito mit dem Kinn zum Eingang der Bar, in welchem sich in diesem Moment Chief O’Brien und seine Frau Keiko überschwänglich küssten. „Commander Benteen mag den Mistelzweig nicht.“

Benteen ignorierte Dax‘ amüsierte Miene. „Ich wette, Colonel Kira findet diesen Teil der irdischen Tradition auch nicht sehr erstrebenswert.“

„Warum denn nicht? Sie ist sehr offen, was Riten angeht. Es ist ja nicht so, als ob die Moral auf der Station dadurch in Mitleidenschaft gezogen würde.“

In diesem Augenblick wollte Colonel Kira die Bar betreten, um sich zu ihrer Führungscrew zu gesellen, als Quark wie von einer Tarantel gestochen hinter der Bar hervorsprang. „Einen Moment, Colonel!“

Die Bajoranerin blieb verwundert stehen, just unter dem Türrahmen.

Der Ferengi eilte zu ihr, mit einem gewinnenden Lächeln entblößte er die Reihe ungleichmäßig gewachsener Zähne. Dann streckte er sich ein wenig und küsste die völlig überrumpelte Frau auf den Mund.

Kira war zu schockiert, um sofort zu reagieren, so dass sich Quark rasch wieder in gebührenden Sicherheitsabstand bringen konnte. „Sind Sie völlig von Sinnen?!“, stieß sie endlich hervor.

Der Barbesitzer deutete lediglich unschuldig nach oben. Kiras Blick folgte seinem Finger. „Das ist ein Mistelzweig, Colonel, gehört zur terranischen Weihnachtstradition. Wenn man darunter steht, muss man sich küssen.“

Kira starrte den Zweig an, starrte den Ferengi an, dann verengten sich ihre Augen. „Das Grünzeug kommt dort weg, sofort!“

Weiter in der Bar verfolgten vier Offiziere mit enttäuschten Gesichtern die Szene, einer jedoch lehnte sich mit zufriedenem Ausdruck und verschränkten Armen im Stuhl zurück.

„Ha!“, bemerkte Commander Benteen.


ENDE
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