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Mnhei’Sahe

von Martina Strobelt

Kapitel 2

* * *

Riker wälzte sich in seinem Bett unruhig hin und her. Nur der ermüdenden Wirkung des genossenen Weines war es zu verdanken, dass er überhaupt hatte einschlafen können. Doch die an ihm nagenden Zweifel gaben auch jetzt keine Ruhe, verfolgten ihn bis in seine Träume, unerbittlich und drängend. Wirre, unheilverkündende Bilder formten sich in seinem Unterbewusstsein.
Da durchdrang plötzlich ein bekannter Ton sämtliche Schichten seines Selbst. Schlagartig war er wach. Während er sich das schweißnasse Haar aus der Stirn strich, erklang erneut das energische Piepen seines Kommunikators. »Riker«, meldete er sich.
»Hier ist Fähnrich T’Shela. Ich befinde mich im Moment auf der Krankenstation.«
Die Stimme der jungen Vulkanierin klang wie immer ruhig und beherrscht, doch aus irgendeinem Grund empfand er ein plötzliches Unbehagen.
»Deanna?«, fragte er alarmiert.
»Ihr Zustand hat sich rapide verschlechtert. Doktor Crusher bat mich, Sie davon in Kenntnis zu setzen, da ihre ärztlichen Pflichten ihr im Augenblick keine Zeit für eine persönliche Kommunikation lassen. Des Weiteren soll ich Ihnen mitteilen, dass Counselor Troi nach Ihnen verlangt hat. Commander, ich bedaure es außerordentlich, aber Doktor Crusher hält unter diesen Umständen Ihr sofortiges Kommen für angebracht und ...« Fähnrich T’Shela zögerte kurz, »Sie bittet Sie, sich zu beeilen.«

* * *

Die Tür zur Krankenstation sprang mit einem leisen Zischen auf. Der Erste Offizier der Enterprise betrat den Raum mit schnellen Schritten und blieb dann so abrupt stehen, als sei er gegen eine Wand gelaufen. Fassungslos starrte er auf das Bild, das sich ihm bot.
Er hatte erwartet, Doktor Crusher und ihr Ärzteteam vorzufinden, verzweifelt bemüht, das Leben seiner geliebten Imzadi zu retten. Doch niemand war da, mit Ausnahme einer sichtlich überraschten Deanna, die ihn aus großen dunklen Augen irritiert musterte.
»Was zur Hölle hat das zu bedeuten?« War alles, was er hervorbrachte.
Die junge Betazoidin runzelte die Stirn. »Das sollte ich eigentlich dich fragen, Will. Erst stürmst du wie ein Wahnsinniger hier herein und nun machst du ein Gesicht, als würdest du einen Geist sehen.«
Rikers Gedanken rasten. »Imzadi’«, stieß er mit rauer Stimme hervor. »Mein Gott, ich verstehe das alles nicht. Fähnrich T’Shela teilte mir vor wenigen Minuten mit, du würdest im Sterben liegen.«
Deanna wurde noch blasser, als sie es ohnehin schon war. »T’Shela sagte dir, ich würde sterben?«, hauchte sie mit zitternden Lippen. »Aber warum sollte sie denn so etwas Furchtbares behaupten?«
»Weil es den Tatsachen entspricht.«
Beim Klang dieser Stimme fuhr Riker herum. Fähnrich T’Shela stand keine zwei Meter entfernt und musterte ihn völlig gelassen aus ihren dunklen Augen. Sie musste sich unbemerkt hinter einem der Schränke verborgen gehalten haben.
Die Augen des Ersten Offiziers wurden schmal. »Wenn dies ein Scherz sein soll, Fähnrich, dann ist es ein ausgesprochen schlechter.«
»Wie Sie wissen sollten scherze ich nie, Commander. Counselor Troi wird sterben. Ein zweites Mal werden Sie ihr nicht mehr helfen können. Das werde ich verhindern.«
Mit einem Satz sprang Riker vor, um sich auf sie zu werfen. Doch seine Widersacherin war schneller. Ehe er sich versah, brach er von mehreren harten Handkantenschlägen getroffen bewusstlos zusammen.
Mit einem unterdrücktem Aufschrei versuchte Deanna, ihm zu Hilfe zu kommen, doch in ihrem geschwächten Zustand hatte sie gegen die Vulkanierin noch weniger auszurichten als der Erste Offizier. Bereits deren erster Schlag ließ sie taumeln und zu Boden stürzen. Als sie Anstalten machte, sich benommen wieder aufzurappeln, erklang ein scharfes Halt.
Die Betazoidin sah nach oben und erstarrte mitten in der Bewegung. Sie blickte direkt in die Mündung eines Phasers, den T’Shela in der Hand hielt, deren Mund sich nun zu einem amüsierten Lächeln verzog.
Die plötzliche Erkenntnis traf Deanna wie ein Schlag. »Sie sind keine Vulkanierin. Sie sind eine Romulanerin.«
Das Lächeln ihrer Gegnerin vertiefte sich. »Ganz richtig, Counselor. Vulkanier zeigen keine Gefühle und sie würden auch niemals töten, so wie ich es jetzt tun werde.«
»Und bereits getan haben«, stellte Troi mit einer Ruhe fest, die sie keineswegs empfand.
»Ich bedauere Lieutenant O’Mallys Tod, aber er war nötig. Sie alle mussten glauben, dass er für die Manipulation des Replikators verantwortlich war. Nur auf diese Weise war es mir möglich, zu Ihnen vorzudringen, ohne vorher ein Heer von Sicherheitsleuten überwältigen zu müssen. So bekam ich es nur mit dieser Schwester Ogawa zu tun, welche kein nennenswertes Hindernis darstellte.«
»Sie haben sie ebenfalls umgebracht?!«
»Das war nicht erforderlich. Egal was man Ihnen über mein Volk auch für Lügen erzählt haben mag. Romulaner töten niemals grundlos.«
Deannas Gedanken rasten. Wenn es ihr gelang, die Romulanerin in ein Gespräch zu verwickeln, hatte sie vielleicht noch eine Chance. Es kam jetzt in erster Linie darauf an, Zeit zu gewinnen.
»Wenn das wahr ist«, sagte sie, wobei sie sich verzweifelt bemühte, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Warum trachten Sie mir dann nach dem Leben? Was für einen Grund sollten Sie für einen solchen sinnlosen Mord haben?«
»Den besten, den man nur haben kann. Mnhei’Sahe
»Mnhei’Sahe? Ich kenne dieses Wort nicht.«
»Das glaube ich Ihnen gerne«, erwiderte die Romulanerin verächtlich. »Was wissen die Mitglieder der Föderation schon von unserem Ehrenkodex.«
»Dann bedeutet Mnhei’Sahe also Ehre?«
»Man könnte es so übersetzen. Aber das Wort umfasst viel mehr als das. In Ihrer Sprache gibt es dafür keinen entsprechenden Begriff.«
Troi spürte, wie ihr der Schweiß in einem dünnen Rinnsal den Rücken hinab zu fließen begann. »Sie reden dauernd von Ehre, aber ich begreife nicht, was an einem kaltblütigen Mord ehrenvoll sein soll.«
»Mag sein, dass Counselor Troi das nicht versteht. Was ist mit Major Rakal vom Tal-Shiar?«
»Mit wem?«, fragte Deanna ehrlich verblüfft.
»Major Rakal vom Tal-Shiar«, wiederholte die andere kalt. »So hieß jene Geheimagentin, deren Identität Sie vor einigen Jahren angenommen haben, um mehrere romulanische Verräter an Bord eines Warbirds ins Gebiet der Föderation zu schmuggeln.«
Erinnerungsfetzen tauchten vor Trois geistigen Auge auf.
Die Konferenz, in deren Anschluss sie entführt und chirurgisch so verändert worden war, dass sie aussah wie eine Romulanerin. Subcommander N’Vek, der ihr an Bord eines Warbirds erklärte, sie müsse als Major Rakal vom Geheimdienst Tal-Shiar, der romulanischen Untergrundbewegung einen Dienst erweisen. Das zufällige Zusammentreffen mit der Enterprise. Die waghalsige Aktion, mit welcher sie schließlich sowohl das Leben einiger romulanischer Überläufer, als auch ihr eigenes rettete.
Aber wie passte das alles zusammen? Niemand außer N’Vek hatte ihre wahre Identität gekannt. Er allein wusste, dass die echte Major Rakal von der Untergrundbewegung getötet worden war, um diese Mission zu ermöglichen. Und N’Vek war tot. Aus irgendeinem Grund hatte es die Unbekannte auf die Frau abgesehen, die damals als Major Rakal aufgetreten war. Wenn es ihr gelang, sie davon zu überzeugen, dass es sich dabei nicht um sie, Deanna Troi gehandelt hatte, würde die Romulanerin vielleicht von ihrem Vorhaben Abstand nehmen. Nur eine winzige Chance, aber sie durfte nichts unversucht lassen.
»Hören Sie«, begann Deanna in beschwörendem Tonfall. »Wenn Sie von jenen Ereignissen sprechen sollten, infolge derer nun einige Ihrer hochrangigen Senatsmitglieder Gäste der Föderation sind, dann kann ich Ihnen versichern, dass ich absolut nichts damit zu tun hatte. Beim heiligen Kelch von Riix, ich bin Schiffspsychologin und keine Geheimagentin. Ich weiß nicht, von wem Sie anderslautende Informationen erhalten haben, aber sie sind falsch. Womöglich hat Major Rakal diese Gerüchte sogar selbst verbreitet, nachdem Captain Picard sie wunschgemäß auf einer kleinen, weniger bekannten Föderationswelt abgesetzt hatte. Wahrscheinlich wollte sie so ihre Spuren verwischen.«
Die Romulanerin hatte während dieser Worte keine Miene verzogen. Jetzt umspielte ein eigenartiges Lächeln ihre Lippen.
»Wenn es so gewesen sein sollte, wie Sie behaupten, Counselor«, versetzte sie. »Dann wüsste ich das. Geben Sie diesen lächerlichen Versuch, mich zu täuschen auf. Major Rakal vom Tal-Shiar war eine treue Dienerin des Imperiums. Sie hätte weder Verrätern, noch der Föderation jemals geholfen.«
»Woher wollen Sie das so genau wissen? Wie können Sie so sicher sein, dass Major Rakal nicht mit der Föderation zusammengearbeitet hat? Haben Sie sie etwa gekannt?«
»So gut wie man jemanden nur kennen kann«, erwiderte die andere eisig. »Ich bin Major Rakal.«

* * *

Fassungslos starrte Deanna auf die Romulanerin und versuchte, das eben Gehörte zu verdauen. »Sie lügen! Major Rakal ist tot.«
»Ach tatsächlich? Dann ist sie wohl auf jener kleinen, wenig bekannten Föderationswelt ums Leben gekommen, auf der sie von der Enterprise wunschgemäß abgesetzt worden ist?«
Sofort begriff Troi, dass sie einen Fehler gemacht hatte, doch nun war es zu spät. »Major Rakal ist tot«, wiederholte sie. »Wer also sind Sie?«
»Auch wenn es Ihnen schwerfällt, es zu glauben. Ich bin Major Rakal vom Tal-Shiar. Diese sogenannte Widerstandsbewegung besteht nicht nur ausnahmslos aus ehrlosen Verrätern, sondern auch aus Stümpern.« Die Romulanerin machte eine verächtliche Handbewegung. »Es gehört weitaus mehr dazu, eine Agentin des Tal-Shiars zu töten, als sie aus einem Gleiter zu werfen. Besonders dann, wenn der Gleiter gerade die offene See überfliegt. Ich habe überlebt. Schwerverletzt trieb ich tagelang durchs Meer, bis mich die Wellen schließlich an den Strand einer der vielen unbewohnten Inseln meiner Heimat spülten. Wochenlang war ich dem Tode näher als dem Leben, doch ich schaffte es. Als mich dann durch Zufall eine Flug-Patrouille entdeckte, die sich in dieses Gebiet mehr oder weniger verirrt hatte, musste ich erfahren, dass ich, Major Rakal, mittlerweile im Imperium als ehrlose Verräterin galt, die man in Abwesenheit zum Tode verurteilt hatte. Man hatte meinen Namen öffentlich verbrannt und die Asche in alle Winde zerstreut. Man hatte den Namen Rakal aus allen Chroniken des Reiches getilgt und mein Familienwappen von seinem Platz in der hohen Halle des Senats entfernt. Alles, was an den Namen meiner Familie erinnerte war ausgelöscht worden. Damit nicht genug, waren alle Angehörigen des Hauses Rakal öffentlich hingerichtet worden, sofern es ihnen nicht vorher gelungen war, Selbstmord zu begehen. Ich musste die Mitglieder der Patrouille töten, um dem gleichem Schicksal zu entgehen. Bei ihrem Blut schwor ich, mich an jener Unbekannten zu rächen, die mir und meinem Haus das angetan hatte. Ich tauchte unter. Stück für Stück setzte ich das Mosaik zusammen. Und dann hatte die Unbekannte endlich einen Namen. Ihren Namen, Counselor Deanna Troi.«
Die Betazoidin war bei diesen Worten zusammengezuckt, als hätte sie einen furchtbaren Schlag erhalten. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie die Romulanerin an. »Bitte glauben Sie mir, Major«, sagte sie erschüttert. »Auch ich wurde gegen meinen Willen in diese Sache hineingezogen. Subcommander N’Vek zwang mich dazu, mit ihm zusammenzuarbeiten. Ich hatte keine andere Wahl.«
»Ebenso wenig wie ich. Sie sind für den Untergang des Hauses Rakal verantwortlich. Die Tatsache, dass Sie keine persönliche Schuld trifft ändert nichts. Ich muss meinen Schwur erfüllen. Wie ich bereits sagte, es ist eine Frage des Mnhei’Sahe
Etwas in der Stimme der Romulanerin verriet Deanna, dass die Zeit des Aufschubs nun vorbei war. Nichts und niemand konnte sie nun noch retten. Ihr Blick streifte die regungslose Gestalt Rikers. Sie wusste nicht wieso, aber sie war sicher, dass Major Rakal nicht vorhatte, den Ersten Offizier ebenfalls zu töten. Wäre es anders, hätte sie es dann nicht längst getan? Und hatte sie nicht behauptet, sie würde niemals grundlos töten? Nein, egal was auch mit ihr passieren mochte, Will würde leben.
Seltsam, aber jetzt, da der Moment ihres Todes unmittelbar bevorstand, überkam sie ein Gefühl völliger Ruhe. Stolz reckte sie ihr Kinn vor und als sie ihre Gegnerin nun ansah, lag in ihren dunklen Augen keine Spur von Furcht. »Also gut«, sagte sie fest. »Ich bin bereit. Aber ich bin eine Tochter des fünften Hauses von Betazed. Wenn ich schon sterben soll, so will ich dabei nicht vor Ihnen auf den Knien liegen. Das enthält weder Würde, noch Ehre. Für keinen von uns.«
Major Rakal musterte sie stumm, während ihr Gesicht nach und nach einen respektvollen Ausdruck annahm. Dann trat sie langsam einen Schritt zurück. »Sie reden wie eine echte Romulanerin.« Mit einer knappen Handbewegung bedeutete sie Troi, sich zu erheben.
Gerade als es der Betazoidin gelungen war, schwankend aufzustehen, erklang von der Tür plötzlich eine überraschte Stimme: »Was in aller Welt geht hier vor?«
Doktor Crusher hatte unbemerkt die Krankenstation betreten und starrte fassungslos auf das Bild, das sich ihren Augen bot.
Die ehemalige Agentin des Tal-Shiars fuhr herum. Für den Bruchteil einer Sekunde war sie abgelenkt.
Dieser kurze Augenblick genügte Deanna. Mit einem Aufschrei ließ sie sich einfach nach vorne fallen. Sie prallte gegen die Romulanerin. Gemeinsam stürzten sie zu Boden. Dabei löste sich ein Schuss, der Doktor Crusher nur knapp verfehlte und einen der gläsernen Schränke traf, der mit lautem Klirren zersplitterte. Jetzt kam Leben in die Ärztin. Ihre Hand flog zum Kommunikator. »Crusher an Sicherheitsdienst, sofort zur Krankenstation.«
Inzwischen versuchte Troi unter Aufbietung ihrer letzten Kräfte, ihrer Gegnerin die Waffe zu entreißen, die diese fest umklammert hielt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die stärkere Romulanerin die Oberhand in diesem ungleichen Kampf erringen würde. Da fiel der Blick der Betazoidin zufällig auf eine der unzähligen scharfkantigen Scherben, in welche kurz zuvor der Schrank zersplittert war. Sie dachte nichts, sie fühlte nichts, sie handelte rein instinktiv. Ihre Finger umschlossen das kleine Stück Glas. Sie holte so weit wie möglich aus, dann stieß sie zu. Grünes Blut spritze ihr ins Gesicht, als sie die Scherbe tief in die Hand ihrer Widersacherin bohrte.
Mit einem unterdrückten Schmerzensschrei ließ Major Rakal den Phaser los, der mit einem dumpfen Laut zu Boden fiel. Doch als ehemalige Agentin des Tal-Shiars war Major Rakal auch ohne Waffe eine tödliche Gefahr. Verzweifelt versuchte Deanna den wirbelnden Handkantenschlägen ihrer Gegnerin auszuweichen. In diesem Moment stürzte ein von Lieutenant Worf angeführtes Sicherheitsteam in die Krankenstation. Der Klingone erfasste die Situation sofort. Er packte die Romulanerin hart an der Schulter und riss sie von Troi fort.
Major Rakal entstammte einer Familie von Kriegern. Sie wusste, wann ein Kampf verloren war -- und sie handelte so, wie es den Traditionen ihrer Heimat entsprach. »Ich habe versagt«, flüsterte sie. »Die Toten mögen mir vergeben.«
Mit diesen Worten griff sie blitzschnell in eine verborgene Tasche ihres Gewandes und zog eine winzige durchsichtige Kapsel hervor. Sie zögerte nicht den Bruchteil einer Sekunde.
Kein Romulaner ging freiwillig in Gefangenschaft. Es war eine Frage des Mnhei’Sahe.
Deanna bemerkte als erste, was die ehemalige Agentin des Tal-Shiars vorhatte. Sie schrie auf. Ehe einer der Anwesenden es verhindern konnte, hatte Major Rakal die tödliche Kapsel bereits verschluckt.
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