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Quälende Erinnerung

von Martina Strobelt

Kapitel 2

* * *

Wie betäubt lag Captain Jean-Luc Picard auf seinem Bett und starrte an die Decke seines Quartiers. Er trug noch immer seine Galauniform und sie erinnerte in an die schreckliche Qual der vergangenen Stunden.

Dass er das Essen durchgestanden hatte, ohne laut zu schreien oder aufzuspringen und kurzerhand davonzurennen, verdankte er einzig seiner jahrelang eisern trainierten Selbstdisziplin. Sie hatte es ihm ermöglicht, im Umgang mit Gul Madred die Maske neutraler Höflichkeit zu wahren.

Counselor Troi hätte ihn zweifellos sofort durchschaut, doch war sie an diesem Abend nicht anwesend. Gul Madred hatte deutlich zu verstehen gegeben, dass die Einladung nicht für sie galt, was durchaus nicht ungewöhnlich war. Viele Angehörige anderer Rassen fühlten sich in der Gegenwart von Empathen unwohl.

Auf dem Holodeck war die exakte Kopie einer cardassianischen Festhalle entstanden und dort war den Führungsoffizieren der Enterprise eine erlesene Auswahl cardassianischer Spezialitäten kredenzt worden. Den Höhepunkt der kulinarischen Köstlichkeiten bildete eine Platte mit gekochten Taspa-Eiern.

Nur mit äußerster Überwindung war es Picard gelungen, der von ihm erwarteten Höflichkeit Genüge zu tun und wenigstens eines dieser Eier zu essen.

Allzu deutlich war die Erinnerung an einen geschundenen, halbverhungerten Mann gewesen, der gierig ein rohes Taspa-Ei herunterschlang, zur Belustigung seines Peinigers.

Wundervoll, ich mag Sie, Mensch. Den meisten Leuten wird beim Anblick von lebendem Taspa schlecht ...

Madred hatte sich zuvorkommend und charmant gezeigt.

Der cardassianische Deligierte hatte Beverly die Hand geküsst ...

Die Menschenfrau wird mir alles sagen, was ich wissen will, schade, ich hatte gehofft, es würde nicht nötig werden, sie zu befragen ...

Worf ein Kompliment über seine Sicherheitsvorkehrungen gemacht ...

Er wehrte sich, wir mussten ihn erschießen, er ist tot ...

und Commander Riker eine Schachpartie angeboten.

Es hat eine Schlacht gegeben, die Enterprise liegt brennend im Weltall ...

Die ganze Zeit hatte Madreds Lächeln ihm verraten, das sie beide dieselben Erinnerungen an eine weniger charmante Konversation teilten.

Wahrhaft, ein gelungener Abend, dachte Picard bitter.

»Nicht wahr, Jean-Luc? Alle haben sich gut unterhalten. Na ja sagen wir fast alle.«

Begleitet von dem üblichen Gleißen war Q aufgetaucht und stand jetzt mit verschränkten Armen am Fußende des Bettes.

»Warum lassen Sie mich nicht endlich in Ruhe?«, fragte Picard müde. »Haben Sie mich für heute nicht schon genug gequält?«

»Sie verdrehen die Tatsachen. Nicht ich bin es, der Sie quält, sondern dieser unzivilisierte Cardassianer. Er ist der Dorn in Ihrem Fleisch, und wenn ich Sie wäre, würde ich ihn schnellstens herausziehen!«

»Darf ich erfahren, wie Sie sich das vorstellen?«

»Begriffsstutzig wie immer. Daran habe ich mich bei euch Menschen ja langsam gewöhnt. Ganz einfach, finden Sie einen Weg, ihn für immer loszuwerden. Glauben Sie mir, Sie täten sich und dem Rest des Universums einen großen Gefallen.«

»Ach, tatsächlich? Das Gleiche habe ich immer in Bezug auf Sie angenommen, Q.«

»Das ist zwar nicht höflich, Jean-Luc, doch ich will Ihren bedauerlichen Mangel an guten Manieren verzeihen. Um auf diesen Gul Madred zurückzukommen; er hat den Tod verdient!«

»Und wie? Soll ich ihn vielleicht mit Worfs Bat‘leth erschlagen?«

»Keine schlechte Idee, mon Capitaine. Sie versetzen mich in Erstaunen. Sollten Sie mit der Zeit doch noch so etwas wie Phantasie entwickelt haben?«

»Q, Sie können doch nicht ernsthaft annehmen ...«

»Nein wahrscheinlich nicht«, unterbrach ihn die Entität. »Jemanden auf diese Weise umzubringen ist viel zu barbarisch und primitiv, das können wir getrost den Klingonen überlassen. Aber was halten Sie von einem kleinem Transporterunfall? Eine Drehung hier, ein Knopfdruck da und schon sind die Atome des guten Gul im ganzen All verstreut.«

»Sie müssen den Verstand verloren haben, Q! Wie sonst könnten Sie mir die Begehung eines kaltblütigen Mordes zutrauen!«

»Mord ist ein sehr subjektiver Begriff, Jean-Luc. Für die einen ist es ein Mord, für die anderen eine gerechte Strafe. Pflegten die Menschen Ihre Verbrecher nicht früher auch hinzurichten?«

»Das ist lange her. Inzwischen haben wir erkannt, dass dies der falsche Weg ist.«

»Ja, ja, ich weiß. Mittlerweile hat die Menschheit sich zu einer edlen und friedfertigen Rasse weiterentwickelt. Ich für meinen Fall, wage das zu bezweifeln. Doch selbst wenn es so wäre, bleibt da immer noch die Tatsache, dass Sie diesen Cardassianer hassen und Hass ist ein gutes Motiv für einen, wie Sie es bezeichneten, Mord

»Sie irren sich, ich hasse Madred nicht.«

»Ach nein, sind Sie da ganz sicher? Wir werden sehen ...«

Die Entität machte eine Handbewegung und erneut erfüllte das altbekannte Gleißen den Raum.

Diesmal kam es Picard jedoch so vor, als würde es kein Ende mehr nehmen, immer heller und blendender zu werden. Reflexartig wollte er die Hände vor die Augen ziehen, musste jedoch erstaunt feststellen, dass ihm das nicht möglich war.

Irgendetwas hielt seine Handgelenke fest und zog sie mit unerbittlicher Kraft nach oben über seinen Kopf in Richtung Decke. Gleichzeitig schien plötzlich der Boden unter seinen Füßen verschwunden zu sein und er mit seinem gesamten Gewicht an dem zu hängen, was seine Hände umklammert hielt.

Irgendwie kam ihm das alles auf unangenehme Weise sehr vertraut vor. Als das Gleißen schließlich langsam verblasste, erkannte er auch den Grund. Er befand sich nicht mehr in seinem Quartier auf der Enterprise.

Er war wieder auf Celtris-3.

* * *

»Schach und Matt.« Zufrieden lehnte Gul Madred sich in seinem Sessel zurück. »Was sagen Sie nun, Commander Riker?«

Die beiden Männer saßen sich im luxuriösen Gästequartier des Militärdelegierten gegenüber.

Der Erste Offizier quittierte seine Niederlage mit einem anerkennenden Lächeln. »Dass ich es niemals für möglich gehalten hätte, dass ein Cardassianer dieses irdische Spiel so gut beherrscht.«

»Schach ist eine meiner Leidenschaften. Wie alles, was den Geist herausfordert. Ihnen scheint es ähnlich zu gehen. Jedenfalls waren Sie einer der würdigsten Gegner, mit denen ich mich bisher zu messen die Ehre hatte.«

»Da Sie gewonnen haben, Delegierter, bleibt mir wohl nichts Anderes übrig, als dieses Kompliment zurückzugeben. Sagen Sie, spielen Sie eigentlich auch Poker?«

»Bisher noch nicht. Doch ich habe gehört, dass viele Menschen dieses Spiel sehr faszinierend finden.«

»Das stimmt. Auch ich zähle mich zu jenen, die eine gute Pokerpartie jeder anderen Freizeitbeschäftigung vorziehen.«

»Tatsächlich jeder, Commander?«

»Nun ja«, korrigierte sich der Erste Offizier mit einem verschmitzten Lächeln. »Sagen wir mal, fast jeder

Madred lächelte ebenfalls. »Wenn dieses Spiel wirklich so anregend ist, dann würde ich es gerne einmal probieren.«

»Kein Problem. Wenn Sie möchten, frage ich die anderen Offiziere, ob sie uns nicht Gesellschaft leisten wollen. Ich bin sicher, dass keiner von ihnen sich eine zusätzliche Pokerrunde entgehen lässt.«

»Ein andermal. Für heute Abend habe ich genug gespielt. Aber vielleicht darf ich Ihnen noch ein Glas von dem cardassianischen Tarrak-Wein anbieten, der Ihnen während des Essens so sehr zu munden schien.«

»Sie sind ein scharfer Beobachter.«

»Ich fasse das als Ja auf.«

Während Madred den violetten Inhalt einer reichverzierten Flasche in zwei langstielige Gläser füllte, trat plötzlich ein nachdenklicher Ausdruck auf Rikers Gesicht. »Sagen Sie, dürfte ich Ihnen vielleicht eine persönliche Frage stellen?«

»Nur zu Commander, schließlich ist das hier kein offizielles Treffen. Was wollen Sie also wissen?«

»Sie und Captain Picard kennen sich offenbar, und ...« Riker zögerte.

»Sie wundern sich, bei welcher Gelegenheit ein Sternenflotten-Captain wohl die Bekanntschaft eines cardassianischen Militärdelegierten gemacht haben könnte«, beendete Madred den Satz. »Ihren Worten entnehme ich, dass Ihr Captain mich Ihnen gegenüber bisher noch nie erwähnt hat. Das überrascht mich nicht, denn sehen Sie die Umstände unseres Kennenlernens waren etwas, wie soll ich es formulieren: unglücklich

Irgendetwas hatte sich verändert. Die bisher fast freundschaftliche Atmosphäre im Raum war einer plötzlichen Spannung gewichen. Verwirrt versuchte Riker seine Gedanken zu ordnen und die eingetretene Veränderung zu begreifen.

»Ich verstehe nicht ganz. Was meinen Sie mit unglücklich

Minutenlang musterte der Cardassianer Riker stumm während die höfliche Zuvorkommenheit in seinen Augen langsam einem lauernden Ausdruck wich.

»Sagen Sie, Commander.« Die Stimme Gul Madreds klang seidenweich. »Was wissen Sie eigentlich über die Ereignisse auf Celtris-3?«

* * *

Captain Jean-Luc Picard konnte nicht verhindern, dass ihm der Angstschweiß ausbrach.

Dies war zweifellos das Büro, in dem Gul Madred ihn verhört hatte. Wie damals in jener ersten Nacht, die er hier verbracht hatte, hing er wieder völlig nackt und hilflos in der Mitte des Raumes an einem Metallgestell. Aber all das war drei Monate her.

Nichts von dem hier ist real, zwang er sich zu denken. Das ist nur eine weitere von Qs Illusionen.

»Q!« rief er, wobei er verzweifelt versuchte, seiner Stimme einen festen Klang zu geben. »Was haben Sie vor? Was wollen Sie damit beweisen?«

Plötzlich gingen mehrere Lampen an.

Picard kniff die Augen zusammen. Er sah eine Gestalt an Gul Madreds Schreibtisch sitzen. Für einen kurzen schrecklichen Moment glaubte Picard, seinen cardassianischen Peiniger vor sich zu haben, bereit, dort weiterzumachen, wo er vor drei Monaten aufgehört hatte. Dann erkannte er, dass es nicht Gul Madred war, der dasaß, sondern Q.

Die Entität trug jetzt eine cardassianische Offiziersuniform und musterte ihn mit einem Ausdruck selbstzufriedener Überlegenheit. »Sie haben Angst Jean-Luc. Mehr noch, Sie sind ja regelrecht in Panik.«

Picard versuchte die Kälte und den dumpfen Schmerz, der von seinen gefesselten Händen ausging, zu ignorieren. »Sie haben Ihr Wort gebrochen. Nennen Sie das etwa passives Zuschauen, mich an diesen Ort zurückzubringen? Amüsiert es Sie, mich in dieser entwürdigenden Situation zu sehen?«

»Warum so erregt? Ich habe Sie nicht hierhergebracht. Jedenfalls nicht direkt

»Ach nein? Wem sollte ich mein Hiersein denn dann verdanken, wenn nicht Ihnen und Ihrer grenzenlosen Phantasie

Der Schmerz in seinen Händen nahm zu, doch Picard wollte Q nicht die Genugtuung gönnen, ihn bitten zu hören.

»Nicht nur ich verfüge über Vorstellungskraft, Jean-Luc«, hörte er diesen nun sagen. »Sehen Sie sich um. Diese Illusion, wie Sie es nennen, entspringt bis ins kleinste Detail Ihren eigenen Erinnerungen, die sie Nacht für Nacht heimsuchen.«

Picard hielt sich nicht damit auf, zu fragen, woher Q von seinen Alpträumen wusste. Die Entität hatte recht. Jene und andere Bilder von Celtris-3 wurden lebendig, sobald er seine Augen schloss. »Sie haben kein Recht, meine Gedanken so zu benutzen!«

»Sie irren sich. Meine Macht gibt mir das Recht, alles zu tun, was mir angebracht erscheint. Ihr Menschen neigt dazu, Unangenehmes zu verdrängen, es in irgendeinem Winkel Eures kleinen Hirnes zu vergraben. Ein bedauerlicher Fehler, den ich auf diese Weise zu korrigieren versuche. Jetzt, da ich Ihre Erinnerungen etwas aufgefrischt habe, sagen Sie mir, ob Sie immer noch der Meinung sind, Gul Madred nicht zu hassen?«

»Ich ...«, begann Picard, dann brach er ab.

Was sollte er darauf antworten? Er wusste nicht was er denken, was er fühlen sollte.

So sah er Q nur stumm an und hoffte, dass dieser das grausame Spiel bald beenden würde.

Das Gesicht der Entität verzog sich zu einem überheblichen Lächeln.

»Sie schweigen, Jean-Luc? Haben Sie etwa Angst davor, sich die Wahrheit einzugestehen? Mich können Sie nicht täuschen. Sie hassen diesen Cardassianer mehr als Sie zugeben wollen. Hätten Sie die Möglichkeit, sich an ihm zu rächen, Sie würden keine Sekunde zögern.«

»Sie irren sich«, widersprach Picard schwach. »Ich würde niemals ...«

»Au contrére, mon Capitain«, unterbrach ihn die Entität. »Sie würden! Und ich werde es Ihnen beweisen.«

Q schnippte mit den Fingern.

Ein heller Blitz und plötzlich trug Picard wieder seine Uniform und saß nun selbst am Schreibtisch. Direkt neben ihm stand jetzt Q, der ebenfalls wieder eine Sternenflottenuniform trug und dorthin sah, wo sich bis eben noch der Captain der Enterprise befunden hatte.

Verwirrt folgte Picard seinem Blick.

Dort in der Mitte des Raumes an dem Deckengestänge hing nackt und hilflos ein Mann.

Gul Madred.

* * *

Sämtliche Farbe war aus dem Gesicht des Ersten Offiziers gewichen.

»Sie waren auf Celtris-3?«

Ungläubig starrte er den Cardassianer an, der völlig gelassen im Sessel lehnte.

»Ja, Commander. Ich habe Ihren Captain dort verhört. Sind Sie jetzt sehr geschockt?«

»Das fragen Sie noch?«, keuchte Riker entsetzt. »Sie haben Captain Picard erniedrigt, ihn gefoltert! Und Sie haben die Stirn an Bord der Enterprise zu kommen, als wäre nichts geschehen und höfliche Konservation zu betreiben, das ist ja wohl der Gipfel an Kaltschnäuzigkeit!« Bei diesen Worten sprang der Erste Offizier so heftig auf, dass er sein Glas umriss. Mit lautem Klirren fiel es gegen die untere Plattform des 3-D-Schachbretts und zerbrach. Violetter Tarrak-Wein spritze über die Spielfiguren, floss über den Tisch und tropfte von dort langsam auf den hellen Teppich.

Aber weder der Erste Offizier, noch Madred achteten darauf.

Der Cardassianer war während dieses Gefühlsausbruches ruhig sitzen geblieben. Jetzt stand er auf und trat so dicht an Riker heran, dass dieser instinktiv zurückwich.

»Mäßigen Sie gefälligst Ihren Ton, Commander. Sie vergessen anscheinend, wen Sie vor sich haben. Ich bin Gast Ihrer Föderation. Sie werden sich auf der Stelle für diesen ungeheuerlichen Vorfall entschuldigen!«

* * *

»Gul Madred«, krächzte heiser Picard. »Delegierter.«

»Er ist kein Delegierter, Jean-Luc«, wurde er von Q unterbrochen. »Der Gul Madred, den Sie hier vor sich sehen, ist nichts weiter als ein Gefangener.«

»Lassen Sie ihn runter!«

»Warum? Gefällt es Ihnen etwa nicht, ihn so zu sehen?«

»Im Gegensatz zu Ihnen, macht es mir keinen Spaß, ein anderes Lebewesen leiden zu sehen.«

»Mag sein, mon ami, aber dieser Cardassianer ist mehr als nur irgendein anderes Lebewesen. Oder wollen Sie leugnen, dass dies, was Sie gerade erleben genau das ist, was Sie sich in all der Zeit auf Celtris-3 insgeheim gewünscht haben?«

»Nein, Sie irren sich!«

»Ganz schön arrogant. Glauben Sie, Sie, Jean-Luc Picard, wären zu solch niedrigen Empfindungen nicht fähig? Wachen Sie auf und erkennen Sie endlich die Wahrheit! Dort hängt der Mann, der Sie bis aufs Blut gequält hat. Dort vor Ihnen liegt die Fernbedienung, mit der er Ihnen all die schrecklichen Schmerzen zugefügt hat. Nehmen Sie sie und zeigen Sie ihm, wie es ist, wenn ein einziger Knopfdruck genügt, einen Körper in eine sich windende, schreiende Fleischmasse zu verwandeln!«

Plötzlich hob der Gefesselte den Kopf und sah den Captain der Enterprise an.

Unwillkürlich zuckte Picard zurück. Er hatte erwartet, in den Zügen des Cardassianers die gleiche Hilflosigkeit und Angst wiederzufinden, die er selbst auf Celtris-3 empfunden hatte.

Stattdessen trug Gul Madreds Gesicht den Ausdruck überlegener Grausamkeit.

»Mein lieber Captain Picard, Sie werden mich niemals besiegen! Dazu fehlt Ihnen die nötige Härte! Sie sind ein Nichts Picard, antworten Sie, wie viele Lichter sehen Sie? Wie viele?«

Alles in Picard begann sich bei diesen höhnisch hervorgestoßenen Worten zu verkrampfen. Sein Blick glitt über den Tisch. Direkt neben seiner rechten Hand lag eine jener Fernbedienungen, die für ihn während seiner Gefangenschaft zum Symbol aller Qualen geworden war.

Wie aus weiter Ferne hörte er Gul Madreds Stimme:

»Eine bemerkenswerte Erfindung, damit kann ich in jedem Teil Ihres Körpers Schmerz produzieren. Es nützt Ihnen nichts, Sie zu zerbrechen, Picard, ich habe noch mehr davon. Sagen Sie mir, wie viele Lichter Sie sehen ...«

Auf einmal überkam ihn ein Gefühl ohnmächtigen Hasses.

Stark und grenzenlos brandete diese Emotion über ihn hinweg, wie eine mächtige Flutwelle und spülte alles andere mit sich fort.

Von diesem Moment an werden Sie die Privilegien Ihres Dienstgrades nicht mehr genießen und auch keine Privilegien als Person ...

Wie in Trance griff Picard nach der Fernbedienung. Seine Finger umschlossen sie.

Hier in diesem Raum stelle ich die Fragen. Sie antworten ...

Er zögerte nur den Bruchteil einer Sekunde, seine Gedanken rasten.

Sagen Sie wie viele Lichter Sie sehen! wie viele?

Dann drückte er den Regler bis zum Anschlag durch.

Augenblicklich hallten die gellenden Schreie Madreds durch den Raum, gingen in ein Wimmern über, dem neue Schreie folgten.

Picard sah nicht, wie Q neben ihm zufrieden lächelte.

Er sah nur jene zuckende, sich windende Gestalt und fühlte nichts als lodernden Hass, wie eine Feuer, das alles in ihm zu verbrennen drohte.

* * *

Lieutenant Maverick unterdrückte nur mit Mühe ein lautes Gähnen. Seit mehreren Stunden stand er nun schon am Zugang des Korridors, der zu den Gästequartieren führte. Er wusste nicht, was ihn mehr störte, die zunehmende Müdigkeit oder die Langeweile. In der ganzen Zeit war niemand hier vorbeigekommen, wenn man mal von diesem Ehrengast, dem er diese zusätzliche Schicht verdankte, und Commander Riker absah. Aber die zählten nicht. Für den Ersten Offizier war Maverick nur einer von vielen Untergebenen, denen man zwar freundlich zunickte, sie ansonsten aber schlicht übersah. Nun ja, dachte der junge Mann. Wenn ich einer der Führungsoffiziere wäre, würde ich mich wahrscheinlich auch übersehen. Was den Cardassianer anging, soweit es ihn, Maverick betraf, konnte er ruhig zum Teufel gehen. Ironie des Schicksals, noch vor kurzem hatte er gegen die Cardassianer gekämpft und nun musste er aufpassen, dass einem der früheren Feinde ja nichts passierte. Es war schon eine verrückte Welt.

Gerade als er erneut den Drang verspürte, herzhaft zu gähnen, sah er eine bekannte Gestalt den Gang entlang auf ihn zukommen. Erfreut über die willkommene Abwechslung, verzog sein Mund sich zu einem freundlichen Grinsen.

»Hallo Brian, was verschlägt dich denn in diesen abgelegenen Winkel des Schiffes? Bist du etwa hergekommen, um mir die Zeit zu vertreiben?«

Statt einer Antwort zog der andere blitzschnell einen kleinen Gegenstand aus der Tasche.

Ehe der davon überrumpelte Maverick registriert hatte, dass es sich dabei um eine medizinische Spritze handelte, hatte sich die darin enthaltene Injektion schon mit leisem Zischen in seinen Arm entleert.

»Brian, was zur Hölle ...« Mitten im Satz brach er bewusstlos zusammen.

Fähnrich Brian Harris fing ihn auf und ließ ihn sanft zu Boden gleiten. »Tut mir leid, mein Freund, aber ich hatte keine andere Wahl.«

* * *

»Sie verlangen von mir eine Entschuldigung?« Nachdem Riker den Cardassianer minutenlang fassungslos angestarrt hatte, ging sein Temperament erneut mit ihm durch. »Sie müssen den Verstand verloren haben! Wenn hier jemand um Verzeihung bitten muss, dann doch wohl Sie, für das, was Sie Captain Picard angetan haben!«

»Was ich getan habe, Mensch,« versetzte Gul Madred kalt, »tat ich für Cardassia, und ich würde jederzeit wieder so handeln.«

»Sie haben die Konvention von Salonis-4 verletzt, die auch Cardassia unterzeichnet hat!«

»Ihr Captain, mein lieber Commander, fiel nicht unter den Schutz dieser Vereinbarung. Er war in ein Geheimlabor eingedrungen. Ihre eigene Regierung hatte sich offiziell von ihm und seinem Tun distanziert. Er war nichts weiter als ein Verbrecher. Ein Terrorist. Es war mein Recht ...«

Das Summen des Türmelders unterbrach Madreds Redefluss.

»Herein!«, rief er, sichtlich verärgert über die unerwartete Störung.

Die Türhälften glitten auseinander und gaben den Blick auf einen jungen Mann frei.

»Fähnrich Harris!«, entfuhr es Riker verblüfft. »Wenn Sie mich sprechen wollen, warum benutzen Sie nicht Ihren Kommunikator?«

»Entschuldigung, Sir, aber ich wollte nicht zu Ihnen, sondern zum Delegierten.«

»Zu mir?« Jetzt war die Reihe an Gul Madred, ein erstauntes Gesicht zu machen. »Sind Sie nicht der junge Offizier, der mich an Bord gebeamt hat? Was wollen Sie von mir?«

Langsam betrat Fähnrich Harris den Raum. Während die Tür sich hinter ihm Schloss, hob er ebenso langsam seinen rechten Arm.

Erst jetzt bemerkte Riker, dass der Mann einen Phaser in der Hand hielt, dessen Mündung er nun auf Gul Madred richtete.

»Du fragst, was ich von dir will, Cardassianer? Ich bin hier, um dich zu töten!«

* * *

Mit einem Mal brachen die Schreie ab. Der Gefesselte hatte das Bewusstsein verloren.

Die plötzliche Stille brachte den Captain der Enterprise schlagartig zur Besinnung. Entsetzt starrte er auf die Fernbedienung, dann ließ er sie mit einem erstickten Aufschrei fallen, als hätte sie sich in seiner Hand plötzlich in glühendes Eisen verwandelt.

Mit dumpfen Krachen schlug sie auf dem Boden auf und zerbrach.

»Was habe ich getan?«, flüsterte Picard schaudernd. »Wozu habe ich mich hinreißen lassen?« Dann fiel sein Blick auf Q, der ihn mit dem Ausdruck zufriedener Überheblichkeit musterte.

»Und Sie haben gesagt, Sie würde Madred nicht hassen. Du wankelmütiges Menschenherz. Kopf hoch, Jean-Luc, machen Sie nicht so ein erschrockenes Gesicht. Schuldgefühle sind nicht angebracht. Vergessen Sie das ganze Gerede von Moral und Nächstenliebe. Geben Sie ruhig zu, dass Sie es genossen haben, diesen Cardassianer leiden zu sehen. Und wenn Sie mich fragen, Sie taten recht daran. Rache ist dazu da, genossen zu werden. Und das war erst der Anfang, die Generalprobe. Jetzt folgt die Premiere Ihrer Rache. Denn nun, mon Capitain, werden Sie das Vergnügen haben, Gul Madred sterben zu sehen.«

* * *

»Mr. Harris, nehmen Sie den Phaser runter, das ist ein Befehl!« Commander Riker war sich bewusst, wie lächerlich das in einer solchen Situation klang, doch die Eröffnungen Gul Madreds hatten seinen Verstand gelähmt, so dass ihm einfach nichts Besseres einfiel.

Der cardassianische Delegierte war blass geworden. Alle arrogante Überheblichkeit war von ihm abgefallen. »Warum wollen Sie mich umbringen, Mensch? Ich habe Ihnen nichts getan, kenne Sie praktisch überhaupt nicht.«

»Der Grund spielt keine Rolle, Cardassianer«, antwortet Harris hasserfüllt, »Aber sei versichert, ich habe einen Grund, einen sehr guten sogar.«

»Fähnrich, was soll das? Was tun Sie da?« ließ sich plötzlich eine bekannte Stimme vernehmen, bei deren Klang alle Anwesenden unwillkürlich zusammenzuckten.

»Captain Picard!« Überrascht starrte Riker seinen kommandierenden Offizier an, der praktisch von einem Moment auf den anderen aus dem Nichts aufgetaucht war.

Gul Madred und Harris waren angesichts des geisterhaften Erscheinens Picards nicht minder verblüfft. Letzterer hatte sich jedoch bereits nach wenigen Sekunden wieder in der Gewalt.

»Wo Sie auch hergekommen sind, Sir, ich warne Sie, bleiben Sie wo Sie sind und mischen Sie sich nicht ein! Diese Sache betriff nur mich und diesen Cardassianer!«

»Picard«, sagte Gul Madred kalt. »Vergessen Sie nicht, ich bin Gast Ihrer Föderation. Sie müssen mir helfen, dazu sind Sie verpflichtet.«

Der Captain der Enterprise zögerte, kämpfte mit sich, dann traf er eine Entscheidung.

»Fähnrich, ich werde nicht zulassen, dass Sie diesen Mann kaltblütig ermorden.«

Picard trat blitzschnell einige Schritte vor und ehe Harris reagieren konnte, stand er zwischen ihm und Gul Madred.

»Gehen Sie beiseite, Captain!« Die Stimme des jungen Mannes zitterte vor Überraschung und Wut. »Dieser Phaser ist auf Stufe 10 gestellt, genug Energie um Sie beide in Rauch aufzulösen. Wollen Sie wirklich für diesen cardassianischen Bastard sterben? Das ist er nicht wert.«

»Mag sein, Fähnrich, aber was auch immer er Ihnen«, Picard zögerte kurz, »oder einem anderen angetan hat, gibt Ihnen noch lange nicht das Recht zur Selbstjustiz.«

»Ach nein? Was wissen Sie denn schon davon! Zum letzten Mal, gehen Sie aus der Schusslinie!«

Der Captain der Enterprise rührte sich nicht von der Stelle. Hinter sich hörte er Madreds beschleunigte Atemzüge, doch er achtete nicht darauf. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem jungen Mann vor ihm, dessen Gesicht sich jetzt zu einer wilden Grimasse verzerrte.

»Also gut, Sie haben es nicht anders gewollt.« Mit diesen Worten drückte er ab.

Picard hörte seinen Ersten Offizier entsetzt aufschreien und schloss die Augen. Das ist also das Ende, dachte er und wunderte sich im selben Moment, warum er überhaupt noch in der Lage war, etwas zu denken. Irgendetwas Unvorhergesehenes musste passiert sein, warum war er noch am Leben? Verwirrt öffnete er die Augen wieder.

Sein Blick fiel auf Brian Harris, der den Auslöser des Phasers betätigte. Immer und immer wieder. Ohne jede Reaktion.

Aus den Augenwinkeln bemerkte er, wie nun Leben in Commander Riker kam, der sich wie ein Panther auf den Fähnrich stürzte.

Körperlich war der junge Mann dem weitaus kräftiger gebauten Ersten Offizier hoffnungslos unterlegen. Ein kurzes Gerangel, dann lag Harris bewusstlos auf dem Boden, während Riker den Phaser an sich nahm und zum Kommunikator griff. »Sicherheitsdienst, sofort ins Gästequartier, Riker Ende. Captain«, wandte er sich nun an Picard. »Alles in Ordnung, Sir?«

»Meine Knie fühlen sich ein wenig wackelig an, ansonsten geht es mir gut. Danke Nummer Eins, ich ...« Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden.

»Picard«, mischte sich da Gul Madred aufgebracht ein »Die Sicherheitsbestimmungen auf Ihrem Schiff sind mehr als unzureichend! Ich werde mich bei Ihrer Regierung über Sie beschweren!«

»Sie wagen es«, begann Riker empört, doch eine Handbewegung seines Captains brachte ihn zum Verstummen.

Picard drehte sich zu Gul Madred um. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können, Delegierter.«

»Das werde ich, verlassen Sie sich darauf. Und was diesen Wahnsinnigen angeht«, Gul Madred wies mit dem Kopf dorthin, wo der bewusstlose Harris gerade von den inzwischen eingetroffenen Leuten des Sicherheitsdienstes weggetragen wurde. »So verlange ich, dass er schwer bestraft wird, sonst ...«

»Was?«, fiel ihm der Captain der Enterprise da so schneidend ins Wort, dass der Cardassianer zusammenzuckte und instinktiv zurückwich.

Er hat ja Angst vor mir, dachte Picard überrascht.

»Was sonst?«, wiederholte er. »Wollen Sie mir etwa drohen? Wir sind hier nicht auf Celtris-3! Wir sind an Bord der Enterprise. Sie haben hier nichts zu verlangen

Kalt musterte er seinen einstigen Peiniger. Minutenlang dauerte dieses Kräftemessen.

Dann senkte Gul Madred den Blick. »Wie Sie wünschen, Captain, es ist Ihr Schiff.«

»Sie sagen es. Nummer Eins, bitte veranlassen Sie umgehend eine Untersuchung und lassen Sie die Sicherheitsvorkehrungen verdoppeln. Ich wünsche nicht, dass sich ein solcher Vorfall wiederholt.« Ohne die Bestätigung seines Befehls abzuwarten, drehte Picard sich um und verließ den Raum, ohne Gul Madred noch eines weiteren Blickes zu würdigen.

Kaum hatte sich die Tür hinter ihm geschlossen, blieb er stehen und atmete tief durch. Dann stahl sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Nun Q«, rief er halblaut. »Hat Ihnen die kleine Vorstellung gefallen? Ich hoffe ich habe Ihre Erwartungen nicht zu sehr enttäuscht.«

Ein wohlbekanntes Gleißen und die Entität stand vor ihm. »Sie sind ein Narr, Jean-Luc. Sie hatten die Gelegenheit zur perfekten Rache und haben Sie nicht genutzt.«

»Vielleicht bin ich ein Narr, aber mein Gewissen ließ mir keine andere Wahl.«

»Gewissen. Nichts als überflüssiger Ballast, den Ihr Menschen da mit euch herumschleppt. Was meinen Sie mit Ihrer Gefühlsduselei erreicht zu haben? Denken Sie, dieser Cardassianer wird Sie kniefällig um Vergebung bitten aus lauter Dankbarkeit, weil Sie sein wertloses Leben gerettet haben?«

»Habe ich das tatsächlich?« Picard musterte die Entität nachdenklich. »Ich frage mich, wie ein vollaufgeladener Phaser so plötzlich versagen kann und dann auch noch in einem so günstigen Zeitpunkt.«

»Tut mir leid, mon Capitain, ich weiß nicht wovon Sie sprechen. Aber Ihr Menschen glaubt doch an so etwas wie Schicksal. Nun, dann sagen wir doch einfach, dass Ihr Schicksal es diesmal gut mit Ihnen gemeint hat.«

Picard lächelte. »Zweifellos, das hat es wohl, und dafür bin ich ihm außerordentlich dankbar.«

»Das können Sie auch sein, Jean-Luc. Doch für die Zukunft gebe ich Ihnen den guten Rat, Ihr Leben nicht mehr für nichts und wieder nichts so leichtsinnig aufs Spiel zu setzen. Das Schicksal soll bekanntlich eine launische Natur haben. Fordern Sie es nicht zu oft heraus. Vielleicht haben Sie beim nächsten Mal weniger Glück.«

Picards Lächeln vertiefte sich. »Mag sein. Doch das muss ich dann eben riskieren.«

»Sie sind ein hoffnungsloser Fall, Jean-Luc. Aber was kann man schon anderes von Ihnen erwarten. Letztendlich sind Sie eben doch nur ein Mensch.«

Ein heller Blitz und Q war verschwunden.

* * *

Später am Abend saß Captain Jean-Luc Picard bei einem Buch und einer Tasse Earl Grey in seinem Quartier, als der Türmelder summte. Mit einem Seufzen legte er seine Lektüre beiseite.

»Herein!«

Die Tür öffnete sich und Commander Riker betrat den Raum. Als er das aufgeschlagene Buch sah, zögerte er. »Verzeihen Sie, Sir, ich wollte Sie nicht stören.«

»Halb so schlimm. Ich lese dieses Buch nicht zum ersten Mal.«

Es gelang dem Ersten Offizier, einen Blick auf den Titel zu werfen.

»Shakespeare, Macbeth«, entzifferte er halblaut.

»Ein sehr aufschlussreiches Werk, Nummer Eins«, sagte Picard mit feinem Lächeln. »Ich kann es Ihnen nur empfehlen. Selten habe ich eine interessantere Studie menschlicher Emotionen von Hass und Rache gelesen. Aber Sie sind doch sicher nicht hier, um mit mir über Shakespeare zu reden?«

»Nein, Sir, ich wollte Ihnen nur den gewünschten Bericht über Fähnrich Harris bringen. Seine Personalakte hat ergeben, dass seine ganze Familie mit Ausnahme seiner älteren Schwester damals beim Angriff der Cardassianer auf Setlik-3 ums Leben gekommen ist. Er war damals erst acht Jahre alt und musste alles miterleben. Seine Schwester hat ihn dann großgezogen. Mittlerweile leben sie und Ihr Mann in einer der grenznahen Kolonien, die unter Umständen nun Cardassia zugeschlagen wird. Der Gedanke, einen Cardassianer an Bord zu haben, hat ihn offensichtlich durchdrehen lassen. Schlimm wozu der Hass einen Menschen treiben kann.«

Picard nickte. »Da haben Sie recht. Es ist gefährlich, wenn Hass über die Vernunft triumphiert. Wir können von Glück sagen, dass es diesmal gut ausgegangen ist.«

Riker enthielt sich eines Kommentars. Stattdessen entschloss er sich, eine Frage zu stellen, die ihm nicht mehr aus dem Sinn ging, seit er Gul Madreds Quartier verlassen hatte.

»Sagen Sie, Sir, wo sind Sie vorhin eigentlich so plötzlich hergekommen? Ich meine, die Tür war zu und«, er zögerte kurz. »Da ist dann noch die Sache mit dem Phaser. Die Leute von der Technik haben ihn gründlich untersucht und keinen Fehler gefunden, der eine Ladehemmung hätte verursacht haben können. Niemand hat eine Erklärung.«

»Muss es immer eine Erklärung geben? Haben Sie noch nie etwas von der Macht des Schicksals gehört?«

Verwirrt sah Riker seinen kommandierenden Offizier an. Er spürte, dass dieser ihm etwas verheimlichte, dass mehr hinter all dem steckte. Doch Picard war offensichtlich nicht gewillt, seinen Ersten Offizier in das Geheimnis einzuweihen.

»Natürlich, Sir.« Er zögerte erneut.

»Sonst noch etwas?«

Riker atmete tief durch. »Sir, dürfte ich Ihnen vielleicht eine persönliche Frage stellen?«

»Natürlich. Was wollen Sie wissen?«

»Captain, als Sie trotz der Warnung von Fähnrich Harris nicht aus der Schusslinie gingen, konnten Sie nicht damit rechnen, dass der Phaser versagen würde. Warum waren Sie bereit, für einen Mann zu sterben, der Ihnen so viel angetan hat?«

Picard lächelte. »Es mag Ihnen vielleicht seltsam vorkommen, aber hätte ich tatenlos zugesehen, wäre es das Gleiche gewesen, als ob ich Madred selbst getötet hätte. Und ich bin davon überzeugt, dass niemand das Recht hat, einem anderen Lebewesen vorsätzlich das Leben zu nehmen.«

Riker gab sich noch nicht geschlagen. »Aber hassen Sie diesen Cardassianer denn nicht? Sie hätten schließlich allen Grund dazu.«

»Ich dachte, dass ich das tun würde. Vielleicht habe ich das ja auch einmal, vielleicht tue ich es immer noch, ich weiß es nicht. Aber ich weiß eines mit Sicherheit. Wer sich von seinem Hass leiten lässt, ist am Ende selbst nicht besser, als der, gegen den sich sein Hass richtet.«

Nachdenklich sah Riker ihn an. »Ich glaube, ich verstehe, was Sie meinen, Sir.«

Picard griff wieder nach seinem Buch. »Das freut mich, Nummer Eins, doch nun wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mich allein ließen.«

Nachdem die Tür sich hinter seinem Ersten Offizier geschlossen hatte, stand Picard auf, trat an eines der großen Panoramafenster und sah hinaus ins unendliche All.

»Q«, sagte er halblaut. »Wo immer Sie jetzt auch gerade sein mögen. Ganz gleich was Sie mit Ihrem Besuch bezwecken wollten, er hat mir geholfen, mich von meinen quälenden Erinnerungen zu befreien. Hätten Sie mich nicht gezwungen, mich mit meinen eigenen Gefühlen, insbesondere meinem Hass auf Gul Madred auseinanderzusetzen, wer weiß, ob ich das je geschafft hätte. Dafür schulde ich Ihnen etwas.«

Aus dem Nichts tauchte plötzlich Qs Gesicht zwischen den funkelnden Sternen als transparente Spiegelung auf der Scheibe auf.

»Ich werde mir erlauben, Sie beizeiten daran zu erinnern, Jean-Luc.«

Ein Blitz, dann war das Gesicht verschwunden.

Picard lächelte. »Davon bin ich überzeugt.«

In dieser Nacht schlief er tief und fest und so gut wie schon lange nicht mehr.


Ende
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