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Admiral Casado

von Oriane

Admiral Casado

Er war einfach davongelaufen, hatte eine Tür hinter sich zugeschlagen und begonnen zu rennen. Und erst, als er nicht mehr konnte und seine Lungen von der kalten Luft brannten, verlangsamte er seine Schritte, traute sich jedoch noch nicht, stehenzubleiben und umzukehren.
Seine ganze Welt war heute Abend zusammengebrochen und er lief davor weg, wie ein dummer kleiner Schuljunge, nur dass am anderen Ende der Straße nicht seine Mutter wartete, die ihn tröstete; es wartete niemand.
Die Wut, die ihn nach draußen in die Kälte getrieben hatte, flammte wieder auf, als das Gesicht seines Vaters vor seinem inneren Auge auftauchte. Seine dunklen Augen zu kleinen Schlitzen zusammengekniffen, der Mund nur noch ein schmaler Strich und doch bewegten sich die Lippen und erklärten ihm kalt, dass er, der undankbare Sohn, zum Teufel gehen sollte.
Seine Faust landete mit voller Wucht an einer Hauswand und er ließ einen Schrei los. Schnell bog er in die nächste Seitenstraße ein, als er den Blick neugieriger Passanten auf sich spürte. Erschöpft und frierend lehnte er sich dort an einen Laternenpfahl, schlang die Arme um seinen Körper und schloss die Augen.

„Du hast was?!“
Maurizio war beinahe stolz auf sich, dass er es geschafft hatte, seinen Vater aus der Fassung zu bringen. Admiral Casados Gabel war auf halbem Weg zum Mund eingefroren, sein Mund stand halb offen, nachdem er die Frage ausgespuckt hatte.
„Ich habe meinen Dienst bei der Sternenflotte quittiert.“ Er verfluchte sich selbst, da seine Stimme nicht so fest entschlossen klang, wie er es geplant hatte. Auch sein Bruder Jaume und seine Mutter starrten ihn fassungslos an.
„Und...“ Der Admiral schluckte und ließ die Gabel sinken. „Verrätst du uns auch, wieso?“
Jetzt kam der Teil, den Maurizio im Kopf vorher so oft durchgegangen war, um glaubwürdig und verständig zu klingen. Doch als er jetzt seinem Vater gegenüber saß, fühlte sein Kopf sich an, wie leergepustet. „Es ist einfach nicht mein Ding“, brachte er heraus und wollte gleichzeitig den Kopf auf den Tisch schlagen. Das klang unglaublich nach dem vierzehnjährigen, der keine Lust mehr auf Parises Square hat.
„Weißt du, was du da redest?“
„Mir ist klar, dass das gerade nicht sehr erwachsen klang“, versuchte er sich zu rechtfertigen. „Aber es beschreibt genau die Situation. Ich war nie sehr glücklich bei der Sternenflotte. Und jetzt habe ich mich entschieden, mir etwas zu suchen, was mir mehr liegt.“
„Was genau liegt dir denn mehr?“ Er wusste, dass die Frage ernst gemeint war, aber so wie sein Vater sie aussprach wirkte es, als könnte es nichts auf der Welt geben, das ihm mehr lag. Nach dem ersten Schrecken hatte wurde der Betrieb am Tisch wieder aufgenommen. Unter wachsamen Augen beobachtete Maurizios Mutter die Unterhaltung zwischen ihm und seinem Vater. Sein Bruder saß nur da und konzentrierte sich auf sein Essen. Ihm war die Diskussion sichtlich unangenehm.
„Ich habe mich bei der Federation Security beworben und es sieht aus, als hätte ich keine schlechten Chancen.“
„Deine Chancen in der Flotte stehen auch nicht schlecht. Du stehst kurz vor der Beförderung zum Lieutenant, Junge!“
»Ich stand kurz davor«, berichtigte Maurizio ihn. »Ich habe den Dienst quittiert, schon vergessen?«
Der Blick, den sein Vater ihm schenkte, hätte tödlich sein können, wenn er nicht von Kindesbeinen an daran gewöhnt gewesen wäre. »Du wiederholst dich.«
»Es ist dieses System von Befehl und Gehorsam«, begann er einen neuen Versuch sich zu erklären. »Ich gehe trete mit Angst und Unbehagen meinen Dienst an, versuche den ganzen Tag, nur keinen Vorgesetzten zu verärgern um einer Predigt zu entgehen und bei Schichtende bin ich völlig erschöpft und habe trotzdem nichts sinnvolles getan.«
»Du bist also der Meinung, der Dienst bei der Flotte sei nicht sinnvoll.« Admiral Casado hatte es schon immer verstanden, ihm die Worte im Mund umzudrehen.
»Nein.« Er verdrehte die Augen. »Du hörst nur, was du hören willst. Ich sage mein Dienst bei der Flotte ist sinnlos. Ich verbringe meine Schichten damit, Phaser zu warten oder irgendwelche Simulationen durchzuspielen.«
»Du probst für den Ernstfall, Junge. Du wirst froh darum sein, wenn dir irgendeine feindlich gesonnene Spezies gegenüber steht oder dabei ist, dein Schiff zu entern.« Das hatten sie ihm im ersten Jahr an der Akademie schon beigebracht und von seinem Vater hatte er diesen Satz ebenfalls schon tausend mal gehört. Ein alter Hut.
»Ich möchte aber etwas tun, was nicht erst auf lange Sicht der Gesellschaft nützlich ist.«
Mit Nachdruck schob sich der Admiral den letzten Löffel in den Mund und dann den leeren Teller von sich. Alle anderen waren bereits fertig mit Essen und Maurizio konnte seinem Bruder ansehen, dass er am liebsten den Tisch sofort verlassen würde. Aber das würde der Admiral natürlich nicht zulassen und da Jaume nicht vorhatte, seinen Vater heute auch noch gegen sich aufzubringen, unternahm er nicht einmal den Versuch danach zu fragen. An diesem Abend war Jaume der gute Bruder und er würde diesen Zustand um nichts in der Welt ändern. Maurizio nahm es ihm schon ein wenig übel, aber andererseits wusste er, was in Jaume vorging.
»Du glaubst also, dass du bei der Federation Security eine nützlichere Arbeit machen kannst?«
Der Admiral hatte ihm also doch zugehört, stellte Maurizio überrascht fest. »Ja«, sagte er einfach. »Ich habe zuerst überlegt, mich zur Starfleet Security versetzen zu lassen, aber die verlangen mindestens zwei Jahre im tiefen Raum und ich bin nicht bereit, das durchzumachen.«
»Du bist ein Weichei!«
Dass sein Vater ihm widersprechen würde, hatte er geahnt, aber das es so hart kam, traf ihn doch. Maurizio konnte nicht behaupten, dass er dem Admiral nahe stand, das war schon immer so gewesen. Selbst als Kind hielt er immer lieber gebührenden Abstand von seinem Vater. Trotzdem versuchte er natürlich mit allen Mitteln ihm zu gefallen, vielleicht sogar ein Lob zu erhaschen und so traf ihn das Urteil härter, als sein unabhängiger, erwachsener Verstand zugeben wollte.
»Eduardo!«, mischte sich seine Mutter tadelnd ein. Sie mochte genauso ein Musteroffizier sein wie er, aber wenn es um ihre Kinder ging, hatte sie doch sehr viel mehr Anstand, Mitgefühl und Unterstützung übrig, als ihr Mann; was nicht bedeutete, dass sie Maurizios Entscheidung guthieß.
»Was kann ich anderes sagen?«, verteidigte der Admiral sich. »Schon immer ist er Herausforderungen lieber davongelaufen, als sich ihnen zu stellen. An irgendeinem Punkt muss das aufhören. Gleich morgen werde ich mit deinen Vorgesetzten reden und sie darum bitten, dich wieder in die Flotte aufzunehmen.«
»Ich bin keine zwölf mehr!«, rief Maurizio aufgebracht. »Ich bin 26 und kann sehr gut selbst entscheiden. Die Zeiten, in denen du mir zu dem verhilfst, was du gerne von mir sehen möchtest sind vorbei!« Obwohl er es ausgesprochen hatte, fühlte er sich schon seit Beginn des Gesprächs wieder wie zwölf Jahre alt, wie der kleine Junge, der gerne widersprechen würde, aber nicht die richtigen Worte vor den böse herabblickenden Augen des Vaters findet.
»Offensichtlich handelst du noch immer unüberlegt und verschwendest nicht einen Gedanken an deine Zukunft. Wie wäre es, wenn du auf deinen Vater hörst?«
»Ich habe mehr Gedanken an meine Zukunft verschwendet, als du es für möglich hältst. All diese Gedanken daran, wie ich dich bloß stolz machen könnte, die waren verschwendet, denn du wirst es nie sein. Ich bin nicht der Sohn, den du dir erziehen wolltest, dieser Musteroffizier, der ehrfürchtig deinen großen Fußstapfen hinterhersieht und du doch sicher sein kannst, dass er sie nie ganz erreichen wird. Ich habe endlich erkannt, dass ich nicht will, was du willst!«
Darauf war Admiral Casado eine ganze Weile lang still. Er musterte die Oberfläche des Tisches, als könnte sie ihm eine Antwort geben. Seine Hände krampften sich um die Lehne seines Stuhls und langsam aber sich begann die Wutader an seiner Stirn zu pulsieren. Wenn es sein Ziel gewesen war, den Admiral aufs Blut zu verärgern, dann hatte Maurizio es geschafft. Fest knotete er die Finger ineinander und harrte der Dinge, die da kommen würden.
»Da du ganz offensichtlich der Meinung bist, dass ich, meine Arbeit, meine Erziehung und meine Meinung völlig irrelevant für dich sind, da du ferner überhaupt nicht zu würdigen weißt, was ich alles für dich getan habe, wirst du jetzt gehen. Tu, was immer du für richtig hältst, aber wage es nicht, bei mir aufzukreuzen, wenn all deine ach so großen Pläne gescheitert sind!«
Maurizio musste zugeben, dass seine Erwartungen an den Abend übertroffen worden waren – im negativen Sinn. Er stand auf, ganz langsam, sah seinem Vater dabei unermüdlich in die Augen. Vielleicht hatte der Admiral hinter seiner dekorierten Fassade keinen Schimmer davon, dass er gerade einen seiner Söhne verloren hatte, vielleicht ließ es ihn auch einfach kalt. Maurizio würde gehen und er schwor sich in diesem Moment, es würde das letzte Mal sein. Ein letztes Mal wollte er auf den Rat seines Vaters hören und sich für immer von ihm lossagen. Es war ohnehin höchste Zeit dafür.
»Ich wünsche dir noch ein schönes Leben«, brachte er mit dem letzten Rest Würde hervor, den der Admiral in ihm übrig gelassen hatte. Damit verließ er das Haus seiner Eltern und kehrte nie wieder dorthin zurück.
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