TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Kiss the Devil

von Simone

1. Akt: Cuts like a Knife

Zu ihrer beider grenzenloser Überraschung war ihre Beziehung drei Wochen später immer noch ihr privates Geheimnis. Vielleicht lag es daran, dass niemand die beiden mit etwas so Profanen wie einem Verhältnis, das über das rein Platonische hinausging, in Verbindung brachte. Vielleicht auch daran, dass sich ihr Verhalten, das sie auf der Brücke und bei anderen öffentlichen Auftritten an den Tag legten, nicht merklich von ihrem früheren Benehmen unterschied. Und natürlich ahnte niemand etwas von den intimen Szenen, die sich hinter den verschlossenen Türen ihrer Quartiere abspielten. Es fiel noch nicht einmal auf, dass sie sich fast jeden Abend sahen, denn oftmals kehrten sie noch in derselben Nacht in ihr eigenes Quartier zurück.
Ganz nebenbei hatten sie auch eine ganze Menge Arbeit an Bord zu bewältigen, und so kam es relativ häufig vor, dass sie einfach nur gemeinsam ihre PADDs durchgingen, in trauter Zweisamkeit zwar, jedoch ohne jedweden erotischen Touch.
An diesem Abend jedoch war Chakotay fest entschlossen, seinen Captain und Geliebte wieder einmal zu verführen, Arbeit hin oder her. Sie lag auf ihrer Couch, den Kopf in seinen Schoß gelegt und las die Materialanforderung des Maschinenraums. Wo sollten sie jetzt einen kompletten Satz Isogitter-Schaltkreise für die Energieregelung des Warpkerns herbekommen? Bei solch hochkomplexer Technologie konnte man nicht den nächsten Raumschrottplatz anfliegen und in den Trümmern kramen! Sie vertagte dieses Problem auf später und lehnte die Anforderung zunächst mit der Begründung „derzeit keine Möglichkeit zur Beschaffung“ ab, um sich der nächsten zu widmen.
In der Zwischenzeit legte Chakotay sein PADD beiseite und schob seine Hand in den Ausschnitt ihrer Uniform. „Chakotay...“ meinte sie ein wenig vorwurfsvoll, „So kann ich mich nicht konzentrieren!“
„Tatsächlich nicht?“ Sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Ohr, was nicht eben zu ihrer Konzentrationsfähigkeit beitrug. „Das war durchaus meine Absicht.“
„Ich muss noch arbeiten!“, protestierte sie.
„Komm, so dringend ist das doch jetzt nicht. Bis morgen früh wird sich daran nichts geändert haben!“
„Chakotay!“ Aber er spürte sofort, dass er fast gewonnen hatte.
„Wie wär’s mit einem Kompromiss? Du liest noch dieses eine PADD und ich lasse in der Zwischenzeit das Badewasser ein.“ Janeway wusste, wann sie verloren hatte. Einem solchen Angebot konnte sie nicht widerstehen.
Sie lächelte ihn zärtlich an. „Du Schuft! Du weißt genau, dass ich da nicht ‚nein‘ sagen kann!“
Als sie eine Viertelstunde später nur noch mit einem leichten Bademantel bekleidet in ihr Badezimmer kam, hatte Chakotay es sich bereits in ihrer für Sternenflottenstandards direkt luxuriösen Badewanne bequem gemacht und das Licht gedämpft. Kerzen waren wegen des empfindlichen Feuermeldesystems immer eine kitzlige Angelegenheit, weswegen sie meistens darauf verzichteten. Ihr Bademantel glitt zu Boden und sie stieg zu ihm in das warme Wasser.
„Wir sollten Neelix unterrichten“, sagte er plötzlich und unvermittelt, während er begann, sanft ihren Nacken und Schultern zu massieren.
„Hm?“, machte sie, ein wenig perplex, „Dann weiß es gleich das ganze Schiff! Um ehrlich zu sein, wundert es mich, dass du einen solchen Vorschlag machst, vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass es nach so vergleichsweise langer Zeit noch niemand von selbst gemerkt hat und ich eigentlich ganz froh darüber bin!“ Sie spürte, dass er einen Moment stutzte, dann lachte er kurz.
„Das meinte ich natürlich nicht. Ich meinte die Isogitter-Schaltkreise. Neelix weiß immer, wo es sich lohnt, Ausrüstung zu suchen, selbst wenn er in dieser Region ebenso fremd ist wie wir.“
Janeway schloss die Augen und gab sich völlig dem Gefühl hin, dem Mann, den sie liebte, ganz nahe zu sein. „Und du wirfst mir vor, ich würde zu viel arbeiten und könnte nicht abschalten. Wer ist denn jetzt derjenige, der die Arbeit nicht loslassen kann?“, neckte sie ihn.
„Du könntest mich ja davon ablenken...“
Sie drehte sich um und küsste ihn leidenschaftlich. „Haben Sie einen konstruktiven Vorschlag, Commander?“
Er zog sie näher zu sich heran und strich ihr sanft über den Rücken. „So auf Anhieb... fallen mir sogar mehrere Dinge ein...“
Im nächsten Moment wurden sie jäh unterbrochen, als sich das Interkom meldete. „Captain auf die Brücke!“, tönte die unpersönliche Stimme des Bordcomputers aus dem Lautsprecher.
Janeway seufzte. „Irgendwann musste das ja passieren!“ Sie erhob sich und trocknete sich ab, bevor sie rasch ihre Uniform überstreifte. „Wenn wir Glück haben, ist es nichts Dramatisches und ich bin in fünfzehn Minuten wieder bei dir“, fügte sie noch hinzu als sie ihn noch einmal küsste. Zum Glück waren auf dem schwarzen Stoff der Uniform die Spuren seiner noch nassen Hände nicht zu sehen, als sie aus der Tür auf den Gang hinaus trat.

„Bericht!“, forderte sie statt einer Begrüßung als sie nur wenige Minuten später aus dem Turbolift auf die Brücke trat.
„Wir empfangen den Notruf eines fremden Schiffes, Captain, etwa dreieinhalb Lichtjahre von unserer Position entfernt. Nur Audio“, meldete Tom Paris, der an diesem Tag die Nachtschicht auf der Brücke verrichtete.
„Lassen Sie hören, Tom.“
Außer dem Piloten war nur noch ein Crewman auf der Brücke, der am Steuer saß, da Tom ja das Kommando hatte. Zumindest bis zu dem Moment, in dem sie die Brücke betrat.
Die Nachricht war stark verzerrt und von Interferenzen überlagert, sodass kaum etwas zu verstehen war. „...ngsstern... gefangen... unsere Pos... sieben Punkt... Strich eins... nicht zu nahe... dringend...“ Das war alles, was sie in dem Wirrwarr ausmachen konnte.
„Geht das noch ein wenig klarer?“, fragte sie deshalb.
„Tut mir leid, Captain, das ist alles, was ich bieten kann“, antwortete der Lieutenant, „Aber ich habe sie bereits geortet. Ihre Position ist 347.9-1, so weit ich das beurteilen kann, sind sie im Schwerefeld eines Doppelsternsystems gefangen. Die gegensätzlichen Kräfte drohen das Schiff auseinander zu reißen. Mit Warp sechs könnten wir sie aber ohne Probleme rechtzeitig erreichen.“
„Dann ist Ihr Geschick am Steuer gefragt, Lieutenant, damit wir nicht dasselbe Schicksal erleiden, wie die Crew des fremden Schiffes.“ Mit diesen Worten aktivierte sie das Interkom. „Alle Führungsoffiziere auf Ihre Station!“, befahl sie und konnte sich sicher sein, dass binnen Minuten ihre Leute auf ihrem Posten waren und die Rettungsmission gestartet werden konnte. Soviel zu den fünfzehn Minuten.

Das Bild auf dem Hauptschirm zeigte die Zwillingssterne, die in den Sternenflottenkarten als System 516849-Lambda bezeichnet war. Die Voyager stoppte im respektvollen Abstand von zwei Astronomischen Einheiten.
„Öffnen Sie einen Kanal!“, befahl Janeway.
„Kanal offen!“ kam die Antwort prompt von Harry Kim.
„Hier spricht Captain Kathryn Janeway vom Föderationsraumschiff Voyager. Wir haben Ihren Notruf empfangen und möchten unsere Hilfe anbieten. Wie ist Ihr Status?“
„Die Gravitation... ßt unser Schiff ausein...er! Ziehen Sie uns... en Raum! Beeilen Sie... ch!“ Die Antwort war wesentlich klarer, als der Notruf, da sie eine viel geringere Entfernung überbrücken musste.
„Tuvok! Können wir das Schiff mit einem Traktorstrahl erfassen?“, fragte sie ihren vulkanischen, taktischen Offizier.
„Nicht aus dieser Entfernung, Captain, wir müssten uns ihnen bis auf mindestens eine Million Kilometer nähern.“
„Das würde ich nicht empfehlen Captain. Ich glaube nicht, dass die Kraft unserer Maschinen ausreichen würde, uns von dort wieder fortzubringen“, warnte Harry Kim von seiner Station.
„Wir werden zunächst die Crew evakuieren, dann kümmern wir uns um das Schiff. Wie nah müssen wir für eine Transportererfassung heranfliegen? Harry?“
„Hm“, machte der junge Fähnrich, „Auf 150 Millionen Kilometer mindestens, würde ich sagen.“
„Gut. Tom, bringen Sie uns näher an das Schiff heran. 150 Millionen Kilometer. Harry, rufen Sie sie und teilen Sie ihnen mit, dass wir sie evakuieren werden.“
„Aye, Captain.“
„Wir sind auf Position“, meldete Tom Paris.
Janeway nickte nur. „Janeway an Transporterraum. Können Sie die Crew des fremden Schiffes erfassen?“
„Negativ“, kam die Antwort von B’Elanna Torres persönlich, der klingonischen Chefingenieurin der Voyager.
„Lieutenant Paris, fliegen Sie noch näher heran... auf...“ Sie überlegte kurz. „... 120 Millionen Kilometer.“
Das Schiff begann zu rütteln, als die Triebwerke gegen die stärker werdende Anziehungskraft der zwei Sterne ankämpfte, um die Voyager auf Position zu halten. „120 Millionen Kilometer, Captain.“ Toms Finger tanzten über das Bedienfeld, als er den Bewegungsvektor des Schiffes ständig an die Schwankungen des Gravitationsfeldes anpasste.
„Janeway an Torres. Status?“
„Tut mir leid, Captain, es gelingt mir noch nicht, ihre Muster klar voneinander zu trennen und zu erfassen.“
„Lieutenant, noch 2.000.000 Kilometer!“
„Captain, das ist zu nah!“, rief Chakotay plötzlich aus. „Die Gefahr für die Voyager ist viel zu groß und-“
Janeways Blick brachte ihn zum Schweigen. „Überschreite deine Kompetenzen nicht!“, warnte sie ihn lautlos.
„Geben Sie mehr Energie auf die Triebwerke“, befahl er daraufhin Harry, anstatt weiter seine Bedenken zu äußern, doch ein wenig Missmut schwang noch in seiner Stimme mit.
„Janeway an Transporterraum! Status!“ Ihre Stimme war klar und fest, doch ihre Augen hingen wie gebannt an den Anzeigen ihrer Konsole. Beunruhigt stellte sie fest, dass Tom im Begriff war, seinen Kampf zu verlieren. Langsam, Kilometer für Kilometer, driftete die Voyager auf die beiden Sonnen zu.
„Ich habe sie!“, antwortete Torres prompt, „Beginne mit der Evakuierung!“
„Verstanden! Wie lange?“
„Zwei, drei Minuten müssen Sie mir schon geben, Captain! Und ich brauche mehr Energie für die Musterpuffer!“
„Harry, leiten Sie mehr Energie in die Transportersysteme!“, befahl Janeway sofort und der junge Fähnrich reagierte ohne zu zögern.
„Wir brauchen die Energie für die Triebwerke!“, protestierte Chakotay erneut, diesmal jedoch zu Recht.
„Fähnrich, schalten Sie die Lebenserhaltung ab und leiten Sie die Energie um!“
„Aye, aye, Captain!“
Das Schiff schüttelte sich und stemmte sich gegen die gewaltigen Kräfte, die es mitzureißen drohten. Die Triebwerke heulten und Tom war längst nicht mehr ansprechbar, er konzentrierte sich nur noch darauf, das Abdriften des Schiffes so lange wie möglich hinauszuzögern.
„Maschinenraum an Brücke!“, meldete sich über das Interkom Lieutenant Careys Stimme.
„Sprechen Sie!“ Janeway spürte, wie sich wachsende Unruhe in ihr ausbreitete. B’Elanna brauchte eindeutig zu lange.
„Die Manövriertriebwerke überhitzen, Captain. Die Sicherheitssysteme werden sie in etwa vierzig Sekunden automatisch abschalten.“
„Verstanden.“ Sofort öffnete sie wieder eine Verbindung zum Transporterraum. „Lieutenant, Status!“
Torres‘ Stimme klang angespannt. „Noch eine Minute, Captain, die Interferenzen sind ziemlich stark, der Computer braucht ein wenig länger als sonst, um ihre Muster wieder zusammenzusetzen.“
Langsam wurde die Rettungsaktion zu einer Gefahr für ihr Schiff, doch Janeway war noch nicht bereit aufzugeben und die restlichen Crewmitglieder des fremden Schiffes ihrem Schicksal zu überlassen.
„Janeway an Maschinenraum! Lieutenant Carey, überbrücken Sie die Überlastungsprotokolle!“
„Dann wird die Notabschaltung der Triebwerke nicht funktionieren!“
„Das ist mir durchaus bewusst, Lieutenant. Tun Sie es!“
„Ja, Ma’am!“ Auf Janeways Konsole begann eine Warnleuchte zu blinken. Die Triebwerke würden nicht mehr lange durchhalten.
„Torres an Brücke! Die Evakuierung ist abgeschlossen.“
„Gute Arbeit, B’Elanna!“ Janeway glaubte förmlich zu spüren wie ihr ein Stein vom Herzen fiel. „Tom, bringen Sie uns hier weg, voller Impuls!“
In diesem Moment begann die Warnleuchte der Triebwerke aufgeregt zu flackern und Careys Stimme meldete sich wieder. Er klang mehr als beunruhigt. „Captain, die Triebwerke...“ Ein Schlag erschütterte das Schiff und es begann zu bocken wie ein wildes Pferd. Die Offiziere hielten sich an ihren Sitzen fest und ohne einen Blick auf das Display werfen zu müssen, wusste Janeway, dass die Triebwerke ihren Geist aufgegeben hatten und in nächster Zeit nicht mehr zu benutzen sein würden. Die Voyager machte einen Satz auf die beiden Zentralgestirne zu, auf dem Bildschirm sah es aus wie wenige Kilometer, die Anzeigen zeigten jedoch an, dass sie sich bis auf 70.000.000 Kilometer genähert hatten und weiter und immer schneller auf den Gravitationsmahlstrom im Zentrum des Systems zudrifteten.
Doch Tom hatte bereits einen Kurs gesetzt und aktivierte den Impulsantrieb. Die Voyager drehte sich um nahezu 180 Grad und die Kraft der Impulstriebwerke stemmte sich gegen die Kraft der zwei Sonnen. Das Schiff gewann den Kampf. Langsam zunächst, dann immer schneller bewegte es sich von der Gefahr fort und brachte wieder eine sichere Entfernung zwischen sich und die Zwillingssterne.
Janeway atmete zweimal tief durch, doch als sie sprach, war ihre Stimme kühl und beherrscht wie immer. „Harry, reaktivieren Sie die Lebenserhaltung. Tuvok, ich wünsche einen kompletten Schadensbericht bis in einer Stunde! Chakotay, Sie haben die Brücke, ich bin bei unseren neuen Passagieren.“ Mit diesen Worten stand sie auf und begab sich zum Turbolift.
Erst als sich die automatischen Türen hinter ihr geschlossen hatten, gestattete sie es sich, befreit aufzuatmen. Es war ziemlich knapp gewesen, musste sie sich selbst eingestehen, aber andererseits hatte sie die Genugtuung, alle Besatzungsmitglieder des fremden Schiffes gerettet zu haben. Das war immerhin etwas.
Vor der Tür zur Krankenstation hielt sie noch einmal kurz inne, fuhr sich über das Gesicht, strich sich einige Haarsträhnen hinter die Ohren und atmete tief durch. Dann rückte sie ihre Uniform zurecht und betrat die Krankenstation.
Der Doktor eilte wie immer geschäftig hin und her, verteilte Hyposprays und scannte mit seinem Tricorder.
„Doctor! Wie geht es unseren Gästen?“, fragte sie ohne weitere Einleitung.
„Nur leichte Verletzungen, Captain. Der Captain des Schiffes möchte Sie sprechen“, erwiderte das Hologramm und führte sie zu einem der Fremden. Inzwischen hatte Janeway Gelegenheit gehabt, das Aussehen der Wesen zu studieren. Sie waren humanoid, allesamt großgewachsen und bewegten sich mit einer natürlichen Grazie. Männer wie Frauen trugen die schneeweißen Haare lang und entweder im Nacken zusammengebunden oder kunstvoll hochgesteckt. Sie wirkten... edel. Das war das einzige passende Wort, das ihr dazu einfiel.
Einer der Fremden erhob sich von seinem Biobett, als sie sich ihm näherten.
„Captain Janeway, nehme ich an?“ Er hatte eine angenehm weiche Baritonstimme und überragte sie um fast zwei Haupteslängen.
Janeway nickte bestätigend. „Und Sie sind Captain...?“
Ihr Gegenüber senkte ein wenig verlegen den Kopf. „Nicht Captain, eigentlich bin ich der Oberste Gesandte von Nyjala, aber als der Captain und ein Großteil der Crew des Schiffes, das uns von einer diplomatischen Mission zurück nach Hause bringen sollte, bei einem Angriff der Colosianer ums Leben kam, übernahm ich das Kommando. Ich hielt es für eine gute Idee, uns im Gravitationsstrudel dieses Systems vor den Sensoren der Angreifer zu verbergen. Wie gesagt, eigentlich bin ich Diplomat und habe nicht viel Ahnung von Schiffsführung und...“ Er schien peinlich berührt und Janeway konnte gut nachvollziehen, warum.
„... und haben sich ein wenig zu gut versteckt. Das Schiff ist leider zerstört worden, Botschafter... Ich weiß Ihren Namen noch gar nicht.“
Der Gesandte lächelte charmant und verbeugte sich leicht. „Entschuldigen Sie, meine Manieren haben Sie wohl nicht mit auf die Voyager beamen können...“ Wieder lächelte er. „Mein Name ist De‘Vorga, Thamyris De’Vorga.“
„Willkommen an Bord, Mr. De’Vorga. Ich fürchte, es wird nicht möglich sein, dass jeder Ihrer Leute ein eigenes Quartier an Bord bekommt. Dies ist kein Passagierschiff und Sie werden etwas zusammenrücken müssen, bis Sie wieder auf...“ Sie zögerte unmerklich, als sie versuchte, sich an den Namen seines Planeten zu erinnern. „... Nyjala angekommen sind.“
„Ich hoffe, es macht Ihnen keine Umstände, Captain. Falls unsere Heimatwelt zu weit von Ihrem eigentlichen Kurs abweicht, dann... dann setzen Sie uns einfach auf dem nächsten bewohnten Planeten ab. Wir kommen schon irgendwie zurück.“
„Kommt überhaupt nicht in Frage!“, protestierte Janeway, „Wir werden Sie in Ihre Heimat zurückbringen und solange werden Sie unsere Gäste sein.“
„Ich danke Ihnen, Captain. Ich hoffe, Sie gestatten mir, Sie im Gegenzug einzuladen, für einige Zeit unsere Gäste zu sein. Unser Planet bietet unzählige Möglichkeiten, einen Landurlaub zu genießen. Sie wären doch sicher daran interessiert?“
„Sehr sogar! Es ist eine ganze Weile her, dass wir uns ausruhen konnten. Ich danke Ihnen für Ihr Angebot, Botschafter.“
Sie unterhielten sich noch eine Weile und De’Vorga fragte natürlich nach ihrer Herkunft und ihre Antwort sorgte sofort für Gesprächsstoff. Im Laufe ihrer Unterhaltung wurde Janeway bewusst, dass er sie offenbar sehr attraktiv fand. Seltsamerweise gefiel ihr seine Aufmerksamkeit. Immerhin war er selbst in ihren Augen ein durchaus ansehnlicher Vertreter seines Geschlechts, auch wenn sie nicht die leiseste Absicht hegte, über ein wenig verbale Flirterei hinauszugehen. Schließlich hatte sie in Chakotay ihren idealen Partner gefunden und hatte kein Verlangen, irgend etwas an dieser Beziehung zu ihm zu ändern.

Die Reise nach Nyala bedeutete für die Voyager einen Umweg von fünf Tagen, jetzt, am vierten Tag der Reise, machte sich langsam die Vorfreude der Crew auf den lange ersehnten Landurlaub bemerkbar. Selbst Janeway war gegen derartige Gefühle nicht gefeit. Sie durchschritt mit wiegenden Schritten den Korridor zum Turbolift, um sich in ihr Quartier zu begeben, als ihr Botschafter De’Vorga über den Weg lief.
Sofort zauberte er ein Lächeln auf seine Züge und zeigte eine Reihe ebenmäßiger, weißer Zähne. Seine Augen schillerten in verschiedenen Grün- und Goldtönen, was sie immer wieder faszinierte, wenn sie ihn ansah.
„Captain!“, rief er aus, „Gut, dass ich Sie treffe. Ich wollte Sie um Erlaubnis bitten, eine Nachricht an meine Regierung zu schicken und sie über Ihr Kommen zu informieren. Sicher wird man auch an einer Handelsbeziehung mit Ihnen interessiert sein, die Industrie wird vor Ihrer Tür Schlange stehen! Sicher werden Ihre Lagerräume zum Bersten gefüllt sein, wenn Sie Ihre Reise fortsetzen... gegen einen angemessenen Preis natürlich!“ Er blinzelte verschmitzt und Janeway erwiderte sein Lächeln. „Ihr Quartier ist mit einer Kommunikationskonsole ausgestattet, Sie können diese gerne benutzen, sie steht zu Ihrer freien Verfügung, Botschafter.“
„Ich danke Ihnen, Captain. Und... einen angenehmen Abend noch!“ Mit einer leichten Verbeugung machte er sich auf den Weg zu seinem Quartier und Janeway setzte ihren eigenen Weg fort.
Die Türen des Turbolifts glitten zur Seite und sie betrat die Kabine. „Deck 3!“, befahl sie und der Lift setzte sich in Bewegung. Unbewusst summte sie eine kleine Melodie vor sich hin.
Mit einem unmerklichen Ruck kam der Lift zum Halten und die Türen öffneten sich wieder. Janeway betrat den Gang, bog um die nächste Ecke und blieb so abrupt stehen, als wäre sie gegen eine Wand gelaufen.
Vor ihr stand Chakotay. Mehr oder weniger. Und eine Frau, die, wie sie wusste, dem diplomatischen Korps von Nyala angehörte. Sie stand auch mehr oder weniger. Ihr war es, als würde die Zeit mit einer unglaublichen Trägheit vergehen und sie nahm jede Einzelheit des Bildes, das sie vor sich sah, auf: Sie standen eng umschlungen in leidenschaftlicher Umarmung an die Wand gelehnt, und Chakotay sah keinesfalls so aus, als sei es ihm unangenehm oder als habe sie ihn in irgendeiner Weise überrumpelt. Ganz im Gegenteil.
Janeway taumelte zurück. Sie fühlte sich als hätte ihr jemand mit voller Wucht die Faust in den Magen gerammt.
Ihre Gedanken rasten. Wie konnte das sein? Das durfte nicht sein! Nur sie hatte das Recht, ihn zu berühren! Ihr allein gehörte das Privileg so von ihm berührt zu werden! War er unzufrieden? Aber wieso? Man konnte nicht gerade behaupten, dass es in ihrer Beziehung an Leidenschaft mangelte. Warum? hämmerte es immer wieder in ihrem Kopf, Warum, warum, warum?
Wie in Trance begab sie sich auf einem anderen Weg in ihr Quartier, um dort auf die Couch zu sinken. Sie war so geschockt, dass sie noch nicht einmal weinen konnte.
Sie wusste nicht, wie lange sie so dagesessen hatte. Irgendwann stand sie auf und ging zum Fenster. Namenlose Sterne flogen vorbei. Noch immer war sie wie betäubt, doch langsam machte der Schock unbändiger Wut Platz.
Der Türmelder summte. Janeway holte tief Luft. „Ja, bitte!“ Sie war selbst überrascht, wie fest ihre Stimme klang, obwohl in ihr alles in Aufruhr war.
Sie brauchte sich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass es Chakotay war.
„Du kommst spät!“, stellte sie tonlos fest.
„Hey, das sagt gerade die Erfinderin der Überstunden.“ Jedes einzelne seiner mit sanfter Stimme gesprochenen Worte bohrte sich mit heißen Nadeln in ihr Herz. Sie hörte seine Schritte näher kommen, eine Hand legte sich auf ihre Schulter und sie spürte seinen warmen Atem in ihrem Nacken. Wie konnte er es wagen!
Abrupt drehte sie sich um und schlug seine Hand beiseite. „Fass mich nicht an!“, zischte sie. Ihre Augen funkelten zornig.
„Was hast du?“, fragte er verständnislos.
„Oh, nichts Besonderes!“, entgegnete sie mit beißendem Sarkasmus in der Stimme, „Ich wollte nur vor etwa...“ Sie überlegte und warf einen Blick aufs Chronometer. „... zweieinhalb Stunden in mein Quartier gehen. Unterwegs traf ich dich dann auf dem Gang.“
Die Erinnerung an die Szene mit der jungen Frau ließ ihre Stimme beben.
„Ich habe dich gar nicht gesehen“, entgegnete Chakotay. Er klang noch immer völlig verblüfft, was sie noch wütender machte.
„Kein Wunder! Du warst ja auch beschäftigt, mit dieser...“ Gerade noch rechtzeitig hielt sie sich zurück, bevor sie ausfallend wurde. „...dieser Volaris!“ beendete sie dann ihren Satz einfach mit dem Namen der jungen Frau.
„Was? Wovon zum Teufel redest du?“
„Du könntest wenigstens den Anstand besitzen, es zuzugeben!“ Sie war laut geworden und spürte, wie schließlich doch Tränen in ihr aufstiegen.
„Es... es gibt da nichts zuzugeben. Wir haben uns im Kasino getroffen und einen Kaffee zusammen getrunken, das ist doch wohl nicht verboten, oder?“
„Bitte geh! Ich... ertrage das nicht länger. Geh!“ Ihre Stimme zitterte.
„Kathryn, ich-“
„Raus! Sofort raus hier.“ Sie war plötzlich sehr leise geworden, aber die Bitterkeit in ihrer Stimme war nicht zu überhören. Chakotay drehte sich um und verließ völlig verstört ihr Quartier.
Janeway blieb allein zurück und hieb wütend mit der flachen Hand gegen den Fenstersims. Der Schmerz in ihrer Hand konnte den in ihrem Inneren jedoch nicht vertreiben, heiße Tränen liefen ihr über die Wangen. Wie konnte er es wagen! Er hätte es zumindest zugeben können! Wenigstens hätte er es zugeben können...

Intermezzo

Janeway fühlte sich furchtbar, als sie am nächsten Morgen – allein! – in ihrem Bett aufwachte. Sie hatte schlecht geschlafen und noch immer ging ihr die Sache mit Chakotay nicht aus dem Kopf. Zu allem Überfluss würden sie in etwas weniger als zwei Stunden Nyjala erreichen, wo sie die diplomatischen Verhandlungen aufnehmen musste. Immerhin würde sie die Arbeit vom Nachdenken abhalten.
Sie stand auf, replizierte sich eine Galauniform und begab sich ins Bad, um rasch eine Schalldusche zu nehmen, bevor sie sich auf die Brücke begeben musste, um den ersten Kontakt zur Nyalanischen Regierung aufzunehmen. Es war vier Uhr fünfzehn, als sie aus der Duschkabine stieg und das erste Mal an diesem Morgen in den Spiegel sah. Sie würde wohl etwas mehr Make-up als üblich auflegen müssen, um die dunklen Ringe unter ihren Augen zu verbergen. Probehalber lächelte sie sich selbst im Spiegel an und stellte fest, dass sie völlig normal wirkte. Manchmal erstaunte sie sich selbst.

Fast hätte Chakotay das Öffnen der Turbolifttüren verpasst, als der Aufzug auf Deck 1 hielt. Er stand eindeutig neben sich an diesem Tag. Die unschöne Szene mit Kathryn hatte ihn kaum schlafen lassen. Aber er durfte sich nichts anmerken lassen. Er grüßte die anderen Brückenoffiziere wie jeden Morgen und begab sich zu seinem Sessel. Nur wenige Augenblicke, nachdem er Platz genommen hatte, hörte er das Öffnen der Turbolifttüren und tat so, als müsse er dringend etwas auf seinem Bildschirm überprüfen, um sich nicht umdrehen zu müssen.
„Guten Morgen, meine Herren!“, erklang Janeways vertraute Stimme aus der Richtung des Turbolifts und fast gegen seinen Willen drehte er doch den Kopf in ihre Richtung. Die mit Goldfaden bestickten Aufschläge ihrer perfekt sitzenden Galauniform glänzten im Neonlicht der Brückenbeleuchtung als sie mit federnden Schritten die zwei Treppenstufen zu ihrem Platz hinunterschritt.
„Irgendwelche besonderen Vorkommnisse?“, fragte sie in die Runde und jeder der Offiziere bestätigte mit einem gutgelaunten „Nein, Captain.“ Nur Chakotay blieb stumm.
„Commander?“, fragte sie, ein wenig kühler vielleicht als sonst, doch außer Chakotay fiel dies niemandem auf. „Hat es Ihnen die Sprache verschlagen?“
Der Indianer fuhr innerlich zusammen, als er die nur für ihn merkliche Spitze in ihrer Aussage bemerkte, zuckte jedoch mit keiner Wimper als er antwortete: „Nein, Captain. Ich bin nur noch ein wenig müde zu dieser frühen Stunde.“
Janeway schaffte es sogar, als Antwort zu lächeln. „Gut, dann lassen Sie uns anfangen. Janeway an Neelix! Bringen Sie den Botschafter bitte auf die Brücke!“
Professionell. Sie würden sich absolut professionell verhalten. Chakotay wusste nicht, ob er sie dafür bewundern oder auf sie wütend sein sollte.

Nur wenige Minuten später betrat Neelix mit Botschafter De’Vorga die Brücke und Janeway befahl Harry, einen Kanal zur nyalanischen Regierung zu öffnen. Das Gesicht eines etwas älteren Nyalaners erschien auf dem Hauptschirm. Er trug einen sorgfältig gestutzten Bart am Kinn und seine Erscheinung ließ sie aus irgendeinem Grund sofort an König Artus aus der alten irdischen Sage von den Rittern der Tafelrunde denken. Genauso stellte sie sich den Keltenkönig vor. Statt weiter diesen Gedanken nachzugehen, konzentrierte sie sich jedoch auf die vor ihr liegende Aufgabe.
„Ich bin Chiron Al’Urania, der Oberste Princeps von Nyala“, begann der keltische König auf dem Hauptschirm, „Ich heiße Sie hiermit herzlich willkommen auf unserer Welt. Botschafter De’Vorga hat mir schon von Ihrer heldenhaften Rettungsaktion berichtet und ich muss sagen, wir stehen tief in Ihrer Schuld. Ohne Ihr Eingreifen hätten wir viele unserer bedeutendsten Diplomaten verloren.“
Princeps! dachte sie ein wenig amüsiert. Manchmal hatte der Übersetzungscomputer schon eine eigenwillige Wortwahl! Ohne sich jedoch etwas anmerken zu lassen neigte Janeway kurz den Kopf. „Es gehört zu unseren Pflichten, dass wir in Not geratenen Schiffen helfen, wenn es in unserer Macht steht.“
„Dies schmälert jedoch nicht unser Gefühl der Dankbarkeit, Captain. Bitte gestatten Sie uns, dass wir Ihnen zu Ehren heute Abend eine kleine Soirée organisieren, als Willkommensgruß, sozusagen. Ihre gesamte Crew ist eingeladen und Sie können dies als Auftakt zu Ihrem Landurlaub sehen, den Sie so lange ausdehnen können wie Sie möchten.“
Janeways Lächeln war ehrlich. Die Crew konnte eine Erholungspause gut gebrauchen. Und vielleicht war es auch für sie das Beste, wenn Sie Chakotay für eine Weile nicht täglich über den Weg lief. Es gab in dieser Richtung einiges, worüber sie nachdenken musste.
„Ich danke Ihnen, Princeps. Wir werden Ihr Angebot gerne annehmen. Mr. De’Vorga und seine Kollegen werden in wenigen Minuten zu Ihnen hinunter beamen.“ Damit wandte sie sich in die Richtung des Angesprochenen, der dies als Aufforderung nahm, vorzutreten.
„Wir werden uns sofort bei Ihnen melden, Princeps, und einen vollständigen Bericht abgeben.“
„Gut. Wir sehen uns dann. Al’Urania Ende.“
„Captain, wenn Sie uns dann bitte entschuldigen würden...“ Janeway nickte und gab Neelix einen Wink, ihren Gast zum Transporterraum zu begleiten. Mit einer leichten Verbeugung entfernte Thamyris sich und Janeway begab sich in ihren Bereitschaftsraum.

Bereits als die Türen zischend hinter ihr zuglitten, wusste sie, dass es ein Fehler gewesen war. In dem Moment, als sie die Ruhe des Bereitschaftsraumes betrat, kamen die Gedanken zurück. Die Bilder. Chakotay in den Armen dieser anderen Frau.
Sie schüttelte energisch den Kopf und schlug mit nur halb unterdrückter Wut auf eine der Tasten der Computerkonsole auf ihrem Schreibtisch, die mit einem entrüsteten Piepsen zum Leben erwachte. Dann ging sie zum Replikator und bestellte eine Tasse schwarzen Kaffee. Als sie sich in ihren Sessel fallen ließ, ertönte der Türmelder.
Janeway biss sich auf die Lippen und atmete tief durch. „Herein!“
Die Türen glitten beiseite und herein trat genau derjenige, den sie in diesem Moment am wenigsten sehen wollte.
Chakotays Gesicht war gerötet und sein Blick glitt unstet im Raum umher. Doch schließlich nahm er sich zusammen und sah sie an.
„Kathryn, wir müssen reden!“, begann er ohne Umschweife.
„Nein“, erwiderte sie hart. „Es gibt im Moment nichts zu reden. Gestern hättest du etwas sagen können. Jetzt will ich nichts mehr hören.“
„Ein ‚Nein‘ akzeptiere ich aber nicht. Was zum Teufel ist los mit dir?“
„Was mit mir los ist? Was mit mir los ist?“ Ihre Stimme überschlug sich fast. „Ich habe dich mit dieser Volaris gesehen und du fragst was mit mir los ist?“
„Ja! Ich verstehe nicht, dass du dermaßen eifersüchtig bist!“
Die Bewegung war so schnell, dass der Indianer keine Chance hatte, zu reagieren. Im nächsten Moment hob er die Hand an seine brennende Wange, auf der sich der deutliche Abdruck einer Hand abzeichnete.
Einen Augenblick lang herrschte Stille. Dann drehte er sich auf dem Absatz um und verließ ihren Raum.
Rezensionen