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Sternenschwarz

von Simone

Kapitel 1

Sie stand auf einer Wiese, der Tag war warm und sonnig, Blumen blühten, in der Nähe gluckste ein kristallklarer Bach vor sich hin. Janeway atmete tief ein und aus und sah sich um. Die Idylle war praktisch perfekt. Ein Gedanke schlich sich in ihr Bewusstsein: Der letzte M-Klasse-Planet lag mehrere zehn Lichtjahre hinter ihnen. Und eine solche, fast kitschig zu nennende, Idylle war ihnen schon lange nicht mehr begegnet. Dies war der Moment, in dem ihr bewusst wurde, dass sie träumte. Neugierig sah sie sich weiter um. Es war ungewöhnlich, dass man in einem Traum gleichzeitig Teilnehmer und Beobachter war. In aller Regel war sie sich nicht bewusst, dass sie träumte. Jetzt jedoch war sie überzeugt davon. Und wartete gespannt darauf, was der Traum für sie bereit halten würde.
In einiger Entfernung nahm sie eine weitere Person wahr. Sie saß am Rand des Flusses, der Oberkörper war nackt und muskulös und genau richtig proportioniert für einen Mann, der ihr Gefallen erregen sollte. Das Tattoo auf der Stirn ließ auch keinen Zweifel daran, um wen es sich handelte. Janeways Lippen kräuselten sich amüsiert. Ah, dachte sie, es handelt sich um solch einen Traum.
Diese Thematik war ihr keinesfalls unbekannt. Sie wusste auch, wie der Traum weitergehen würde. Sie würde zu ihm hinübergehen und sie würden sich ansehen und ohne viel weitere Worte zu verlieren, würde er sie küssen, genau so, wie sie es mochte, und sie würden sich lieben und es würde alles, was sie bis dato erlebt hatte, in den Schatten stellen und erregender sein als mit jedem anderen ihrer Partner zuvor.
Doch etwas war anders heute. Zum Beispiel die dritte Person, die jetzt auftauchte, direkt neben ihr und scheinbar aus dem Nichts. Auch er war männlich, großgewachsen und hager, mit schwarzen, etwas wirren Haaren und dunklen, unergründlichen Augen, die das ganze Universum widerzuspiegeln schienen. Er war barfuß, trug schwarze Hosen und ein schwarzes Hemd und lehnte, scheinbar unbeteiligt, an einem Baum.
„Hallo“, sagte sie zu dem Fremden und legte den Kopf ein wenig schief, als sie ihn betrachtete.
„Hallo“, antwortete der Fremde mit tiefer, kräftiger Stimme. Er kam ihr vage bekannt vor, als müsse sie ihm schon früher begegnet sein, doch kam sie beim besten Willen nicht darauf, wo das gewesen sein könnte. Er schien menschlich, wären da nicht diese Augen.
„Was tun Sie hier?“ fragte sie.
Der Fremde stieß sich von dem Baum ab und trat einige Schritte auf sie zu. „Ich sehe mich um. Ob alles in Ordnung ist.“
„Und ist alles in Ordnung?“ Sie glaubte langsam, zu wissen, wen sie vor sich hatte. Doch immer, wenn sie nach dem Gedanken, der die Antwort enthielt, greifen wollte, entglitt er ihr wieder.
„Ich denke schon. Und du?“ Er schien ehrlich an einer Antwort interessiert zu sein und sie dachte deshalb einige Sekunden nach, bevor sie erwiderte: „Ja...“ sie neigte den Kopf noch ein wenig zur Seite, „Hier scheint alles in Ordnung zu sein.“
„Du kommst gern hierher.“ Es war keine Frage, eher eine Feststellung, trotzdem fühlte sie sich genötigt, zustimmend zu nicken.
„Weiß er das?“ Ob Chakotay wusste, dass sie nachts davon träumte, wie es wäre, sich ihm hinzugeben? Die Frage schien absurd und der Fremde lächelte ein wenig, „Das dachte ich mir.“
Sie sah wieder zu Chakotay hinüber und der Fremde wandte sich zum Gehen. Ein Rabe kam von irgendwoher geflogen und setzte sich auf seine Schulter.
„Hi Matthew“, hörte Janeway den fremden Besucher in ihrem Traum noch sagen und der Rabe antwortete: „Hey, Boss. Ein Wunder, dass dein Schwesterbruder hier noch nicht aufgetaucht ist. Das ist doch absolut seine Domäne.“
„Oh, Desire war hier, Matthew. Da kannst du dir sicher sein. Desire war hier.“
Dann waren sie verschwunden und der Traum nahm seinen gewohnten Gang. Sie ging zu Chakotay hinunter an das Ufer des kleinen Baches. Und sie sahen sich an und ohne viel weitere Worte zu verlieren, küsste er sie, genau so, wie sie es mochte, und sie liebten sich und es stellte alles, was sie bis dato erlebt hatte, in den Schatten und es war erregender als mit jedem anderen ihrer Partner zuvor.
Sie erwachte, schwer atmend und erhitzt von der Intensität des Traumes in der Dunkelheit ihres Quartiers, und die Einsamkeit bohrte sich wie ein giftiger Stachel in ihr Fleisch. Das war der Moment, in dem sie beschloss, dass es nicht länger nur ein Traum sein sollte.

~*~


Der Tag verlief ereignislos und die Minuten und Stunden schien sich endlos hinzuziehen. Die meiste Zeit verbrachte sie in ihrem Bereitschaftsraum, überlegte, was die beste Vorgehensweise war. Doch selbst als sich der endlos scheinende Tag dem Ende zu neigte, war sie noch zu keinem endgültigen Ergebnis gekommen. Trotzdem blieb sie bei ihrem Entschluss, heute endlich zur Tat zu schreiten.
Sie übergab das Kommando an Harry Kim für die Spätschicht und auch Chakotay beendete seinen Dienst pünktlich. Fast zeitgleich verließen sie die Brücke, betraten zusammen den Turbolift.
„Haben Sie schon etwas vor, für das Abendessen?“ fragte sie, um einen kollegialen, fast beiläufigen Tonfall bemüht.
Er lächelte sie an. „Bisher noch nicht, Captain. Was schlagen Sie vor?“
„In einer Stunde? Ich lade mich einmal ganz frech bei Ihnen ein, Sie wissen ja, wie mein Replikator auf spontane Besucher reagiert...“ Jetzt lächelte sie ebenfalls, ein wenig spitzbübisch, fast.
Chakotay lachte kurz herzlich auf. „Sehr gerne, Captain. Dann sehen wir uns in einer Stunde.“ Zusammen verließen sie den Turbolift und jeder ging seines Weges.

~*~


Pünktlich betätigte Janeway den Türsummer zu Chakotays Quartier, der auch prompt öffnete. Er trug noch immer seine Uniform, schließlich hatte er keinen Grund anzunehmen, dass dieses Abendessen anders verlaufen sollte, als die vielen vorher, die sie zusammen eingenommen hatten. Auch sie hatte sich dagegen entschieden, in ein ziviles Outfit zu wechseln, sie wollte nicht sofort den Eindruck erwecken, mit einer bestimmten Absicht gekommen zu sein.
Der Vorteil bei repliziertem Abendessen war, dass man spontan entscheiden konnte, was auf dem Speiseplan stand. Janeway entschied sich für einen Salatteller, Chakotay schließlich für Pasta. Ihre Gespräche während des Essens drehten sich hauptsächlich um die neuesten Klatschgeschichten aus Neelix‘ Gerüchteküche. Die Stimmung war entspannt und angenehm und nach dem Essen zogen sie auf Chakotays Couch um, jeder mit einer Kaffeetasse in der Hand.
Obwohl äußerlich entspannt, fühlte sie doch, wie ihr Herz zu rasen begann. Was sollte sie tun? Wann würde sich der richtige Moment ergeben, das Gespräch in andere Bahnen zu lenken?
Ihr Blick blieb an seinen Lippen hängen, sie beobachtete, wie sie sich beim Sprechen bewegten, wie er einen Schluck aus seiner Tasse nahm und seine Zunge anschließend über seine Lippen fuhr. Wie sehr sie ihn begehrte...
Und ohne viel weitere Worte zu verlieren, würde er sie küssen, genau so, wie sie es mochte. Es war so einfach, auf dieser Wiese, so viel einfacher als hier. Oder nicht?
Die nächsten Sekunden schienen ihr später völlig surreal, sie dachte nicht nach, hörte nicht, was er gerade sagte, sondern beugte sich einfach zu ihm hinüber, schloss die Augen und fühlte die Explosion, als sich ihre Lippen berührten.
Es dauerte nur Sekundenbruchteile, bevor er sich von seiner Überraschung erholt hatte und ihren Kuss erwiderte. Genau so, wie sie es mochte. Sie lösten sich voneinander, ein wenig außer Atem und sie sah ihn an. Sah in seine Augen. Und es traf sie wie ein Schlag.
„Chakotay...“ – „Kathryn...“ begannen sie gleichzeitig und hielten sofort wieder inne. „Sie zuerst“, sagte Chakotay schließlich.
Sie holte tief Luft. „Chakotay, entschuldigen Sie. Ich hätte dies niemals tun dürfen. Es tut mir leid.“
Zu ihrer Überraschung nickte er. „Nein, das hätten Sie nicht. Und ich hätte nicht darauf eingehen dürfen.“
Mit einer solchen Reaktion hatte sie nicht gerechnet. „Wieso- ich meine, hat es- war es nicht...?“ Sie wusste nicht, wie sie eine vernünftige Frage formulieren sollte, die nicht nach verletzter Eitelkeit klang.
Chakotay lächelte ein wenig. „Es war alles, wovon ich geträumt habe.“
„Ich verstehe.“ Und das tat sie.

~*~


Schwer ließ sich Janeway in den Sessel in ihrem Quartier fallen, nicht ohne die Tasse mit dampfendem Kaffee auf dem niedrigen Tisch abzustellen. Für einen Moment schloss sie die Augen und atmete tief durch. Als sie die Augen wieder öffnete, war sie nicht mehr allein in ihrem Wohnraum.
„Hallo“, sagte der blasse Fremde.
Janeway beugte sich vor und nahm die Kaffeetasse auf, sog das Aroma ein und nahm einen Schluck, bevor sie die Begrüßung erwiderte. „Sie schon wieder. Sind Sie der, der ich glaube, dass Sie sind?“
Morpheus‘ Gesichtsausdruck änderte sich nicht. „Ich bin, der ich bin.“
„Mhm...“ machte Janeway und trank noch einen Schluck Kaffee. „Ich träume gerade, nicht wahr?“
Statt einer Antwort zeigte ihr Gegenüber auf ihre Tasse. „Kann ich auch einen haben?“
Janeway lächelte amüsiert. „Sie trinken Kaffee?“
„Von Zeit zu Zeit.“ Sie stand auf, ging zum Replikator und replizierte ihm eine Tasse dampfend heißen Kaffees, die sie dann vor ihm auf dem Tisch abstellte.
„Und?“ fragte sie dann, „Sind Sie jetzt zufrieden?“
Morpheus sah sie erstaunt über den Rand seiner Kaffeetasse an. „Zufrieden? Womit sollte ich zufrieden sein?“
Sie hatte das unbestimmte Gefühl, dass er genau wusste, wovon sie sprach. „Wegen Chakotay“, antwortete sie dennoch.
Dream zuckte die Achseln. „Was du mit deinem Leben tust, bestimmst du selbst.“
„Warum sind Sie dann hier?“
Er schien für einige Sekunden über die Frage nachzudenken und sah sie in dieser Zeit durchdringend mit seinen nachtschwarzen Augen an. Nein, nachtschwarz war falsch. Sternenschwarz sollte es heißen. Sie nickte zufrieden. Das war eine gute Umschreibung für die Farbe seiner Augen, wie sie fand.
Schließlich senkte er den Blick und trank noch einen Schluck Kaffee.
„Ich mag eure Geschichte. Sie hat vieles, was eine gute Geschichte braucht. Sie nimmt mittlerweile viel Platz in meinem Reich ein.“
„Geschichte? Für Sie ist das einfach eine Geschichte, die Sie interessiert oder auch nicht?“
Morpheus sah sie an, sein Blick schien etwas weicher zu werden, sofern man dies überhaupt bemerken konnte, bei diesen alles dominierenden Augen. „Alle Geschichten sind mir wichtig, ich bin schließlich ihr Gestalter und Bewahrer. Sie alle haben einen Platz in meinem Reich. Und eure einen sehr großen. Lucien hat kürzlich einen neuen Flügel in seiner Bibliothek für euch eingerichtet. Ihr seid ein großer Teil meines Reiches.“
„Was soll das heißen?“ erwiderte Janeway, ein wenig aufgebracht, „Was meinen Sie mit ‚Wir sind Teil Ihres Reiches‘?“
Jetzt war sie sicher, dass Dream lächelte. Er lehnte sich im Sessel zurück und nahm noch einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. „Alle Geschichten entstehen dort, manchmal gehen sie für eine Weile, doch irgendwann kommen sie alle wieder zu mir zurück. Sie alle haben einen Platz im Reich der Träume. Manchmal zerstöre ich sie, oder Teile von ihnen, und schaffe sie wieder neu. Alle Geschichten kommen von und zu mir. Auch deine.“
„Ich bin nicht nur eine Figur in einer Geschichte, ich bin durchaus real!“
„Habe ich behauptet, du wärest es nicht?“ entgegnete Dream ruhig und Janeways Ärger über das was er implizierte, verschwand so schnell wie er aufgekeimt war.
„Ich verstehe.“ Und seltsamerweise hatte sie das Gefühl, dass sie das tatsächlich tat. Es war das gleiche Gefühl, dass sie zuvor in Chakotays Quartier gehabt hatte. Etwas Essentielles verstanden zu haben.
Morpheus trank den letzten Rest Kaffee in seiner Tasse und erhob sich. „Warten Sie!“ hielt Janeway ihn zurück, „Sie sind nur ein Traum, nicht wahr? Eine Gestalt, die sich mein Bewusstsein erschaffen hat, um meine Entscheidung zu rechtfertigen. Sie sind gar nicht wirklich in meinem Quartier. Nicht wahr?“
„Danke für den Kaffee“, sagte der Traum und war verschwunden.

~*~


Die Wiese war wieder grün, die Blumen blühten, ein azurblauer Himmel spannte sich über dem Tal. Selbst der Bach gluckste wieder fröhlich vor sich hin. Als wäre sie nie weg gewesen. Von irgendeinem Hügel herunter kam ihr Chakotay entgegen, muskulös, braungebrannt, lächelnd. Als wäre sie nie weg gewesen.
Sie hatte es nicht eilig, wusste, sie würden sich treffen, wusste, was dann folgen würde. Schließlich hatte sie es schon vorher erlebt. Und es war aufregend wie immer. Als wäre sie nie weg gewesen.
Alle Geschichten kommen von und zu mir. Vielleicht war sie ja nie weg gewesen?

~*~


Der Wecker riss sie unsanft aus dem Schlaf. Für einen Moment blieb sie noch liegen, ließ langsam ihr Bewusstsein in die Wirklichkeit zurückkehren. Ein wenig verweilten ihre Gedanken noch bei ihrem seltsamen Traum von dem fremden Besucher. Teile begannen bereits zu verblassen, anderes blieb kristallklar in ihrem Bewusstsein. Sie dachte auch an das, was am gestrigen Abend in Chakotays Quartier geschehen war. Ich mag eure Geschichte. Sie hat vieles, was eine gute Geschichte braucht.
Schließlich stand sie auf, noch immer in Gedanken versunken, noch immer überzeugt, betreffend Chakotay das Richtige getan zu haben. Noch immer verwirrt über das, was die Gestalt in ihrem Traum, Morpheus, gesagt hatte. Die Einsicht, zu der sie gekommen war, war noch immer klar: Manchmal war es nicht das Beste, seine Träume wahr zu machen. Manche Dinge blieben besser Träume. Und Träume konnten vielleicht durchaus eine eigene Realität haben.
Gähnend ging sie hinüber in ihr Wohnzimmer, um sich einen Kaffee zu replizieren. Auf dem Tisch stand noch das Geschirr von gestern Abend. Es waren zwei leere Tassen.


ENDE
Hat es irgendwem gefallen? Oder auch nicht? Dann lasst es mich bitte wissen. Lest den Sandmann. Sonst habe ich nichts mehr zu sagen. Doch, eins noch: Gute Nacht. Angenehme Träume.
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