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Reliance: Season 1. Hoffnung und Vertrauen

von Branhan

Folge 1: Abschied und Neubeginn

Alles begann mit dem Wind. In dem Moment, als er durch Janines wildes, rotes und langes Haar wehte, wusste sie, dass heute etwas anders war. Dass es nie mehr so werden würde wie bisher. Sie hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde und trotzdem fühlte es sich unwirklich an.
Schließlich hielt sie es nicht mehr aus und stellte die Frage, auf die sie die Antwort schon wusste.
»Du gehst, nicht wahr?«
Die Worte verließen ihren Mund leise und schmerzvoll, wurden vom Wind aufgenommen und weit über die grüne Wiese getragen. Schon seit Tagen war das Wetter so schön wie schon lange nicht mehr und die Sonne schien Ryan und ihr warm aufs Gesicht. Jede Woche hatten sie hier gelegen und hoch in den Himmel geschaut, hatten aus den Wolken Figuren und Geschichten geformt oder einfach nur das tiefe unendliche Blau des Horizonts bewundert. Der kleine Abhang bot einen unvergleichlichen Ausblick auf die Schönheit der Natur, und in den Momenten, als Janine sich umschaute, den großen See und die Wälder sah, die sie umgaben, wünschte sie sich jedes Mal, der Zivilisation den Rücken zu kehren.

Ryan hatte seine Entscheidung getroffen und seine Antwort durchschnitt die leise und beruhigende Geräuschkulisse der Wiese. »Ja.«
Er drehte seinen Kopf zu ihr und sie blickte ihn traurig an. »Es tut mir leid, Janine. Aber ich muss hier weg und du weißt es.«
Sie atmete leicht aus und schaute wieder zum Himmel. Natürlich wusste sie es. Sie war der einzige Grund, warum er noch hier war und nicht schon seit Monaten den Weltraum erforschte.
Plötzlich lachte sie laut los und Ryan zuckte zusammen.
»Was ist so lustig?« fragte er verwundert und tippte ihr auf die Schulter. Sie räusperte sich und verstellte ihre Stimme zu der eines ernsten Kommandanten. »Captain Ryan Fassbender vom Raumschiff USS Reliance auf der Brücke. Stillgestanden!« Dabei setzte sie sich ruckartig aufrecht hin, hob die linke Hand an die Stirn und salutierte, während ihr Blick ernst über den See glitt. Dann drehte sie sich langsam zu Ryan um, der leicht lächelte. »Du übertreibst.«
Ihr ernster Blick schmolz dahin und beide fingen an zu lachen. »Du wirst schon sehen, wie dich alle angespannt und ängstlich anschauen werden und ihre Militärfloskeln aufführen.« Während sie das sagte, riss sie ein Grasbüschel aus der Erde und warf die Halme belustigt auf Ryan. Er wiederum pustete sie weg und setzte sich nun ebenfalls auf und schaute Janine direkt an, die mitten in der Bewegung innehielt. Ihr Lächeln wurde schwächer und in ihren Augen sah er die Trauer, die sie nicht verbergen konnte.
Tat er das Richtige? Es war zu spät, es gab kein Zurück mehr. »Janine, auch wenn ich gehe, werde ich immer für dich da sein, das weißt du.«
Sie zuckte mit den Schultern, schloss dann aber die Augen und nickte leicht. »Ja, das weiß ich.«
Ryan legte eine Hand auf ihr Bein. »Und du weißt auch, dass ich dankbar bin für alles... was du für mich getan hast.« Sie wendete ihren Blick ab, warf das Gras weg und erhob sich, während Ryan seine Hand schnell und überrascht wegzog. Janine stand vor ihm und blickte ihn fassungslos an. »Was ich für dich getan habe?« flüsterte sie. Sie wiederholte ihre Frage lauter, dann drehte sie sich um und schüttelte den Kopf. »Was habe ich denn für dich getan?«, fragte sie leise und ließ den Kopf hängen. »Nichts habe ich getan.«
Ryan musterte sie ungläubig. »Wie kannst du so etwas sagen?« Sie drehte sich zu ihm um und schaute enttäuscht. »Ich sage es, weil es so ist.«
»Nein«, antwortete Ryan, und stand nun ebenfalls auf. »Du weißt genau, wie ich war, als ich zur Akademie kam. Ich hatte Deutschland und alles und jeden, den ich kannte, hinter mir gelassen. Ich war verwirrt, verschlossen und reizbar und konnte es niemandem verübeln, wenn er nichts mit mir zu tun haben wollte. Und weißt du was? Da war auch wirklich niemand, der sich für mich interessiert hätte. Bis ich dich getroffen hatte.« Dabei zeigte er auf Janine und blickte ernst, während sie, ebenfalls ernst, zurückblickte, aber nichts erwiderte. »Du warst die erste Person, die auf mich zuging und mich so akzeptierte wie ich war. Nicht nur auf der Akademie oder in San Francisco, wahrscheinlich in ganz Amerika. Und egal wie oft ich dich von mir wegstieß, du bliebst hartnäckig. Und das hat mich beeindruckt. Diese sture unbrechbare Hartnäckigkeit. Denkst du, irgendjemand hätte auch nur daran gedacht, mich als Captain für ein Raumschiff vorzuschlagen, wenn ich mich durch deine Hilfe nicht verändert hätte?«
Jetzt lächelte Janine schief, während sie schniefte und ihr eine Träne die Wange herunterlief. »Und was hat es dir gebracht? Als wir unseren Abschluss hatten, war mir alles egal. Du warst mir egal. Ich wollte nur so schnell wie möglich ein eigenes Kommando haben und von allen respektiert werden. Erst als ich mir durch meinen Karrierewahn jegliche Freundschaft zerstört hatte und plötzlich alleine dastand, wurdest du mir wichtig!«
Ryan ging einen Schritt auf sie zu und nahm ihre Hand. »Du hattest genug für mich getan und wolltest jetzt alles hinter dir lassen. Das war dein gutes Recht. Nach der Akademie trennen sich nun einmal viele Wege, das ist nicht deine Schuld.«
Janine riss ihre Hand weg und verlor nun endgültig die Beherrschung. »Verdammt Ryan, warum musst du nur immer so nett sein!? Du hast alles aufgegeben für mich! Deine Karriere, deinen Posten auf der USS Hope. Du hättest schon vor zwei Jahren Captain eines Schiffes sein können, wenn ich nicht gewesen wäre! Schau dich doch an: groß, gutaussehend, sportlich, charismatisch. Und das alles wirfst du über Bord und kommst zurück zu mir! Das habe ich nicht verdient.« Sie fing an zu weinen und Ryan umarmte sie. »Doch, das hast du. Mehr als alle anderen.« Sie schniefte, lächelte dann aber leicht. So standen sie für eine Weile da, während keiner ein Wort sprach.

Ein Adler kreischte und flog über die Wiese. Ryan und Janine blickten nach oben und ein großes Raumschiff flog langsam ein paar hundert Meter über dem Boden vorbei. Die Erde vibrierte und der Wind wurde stärker. Janine löste sich aus der Umarmung und lächelte jetzt stärker. »Captain Ryan Fassbender. Die Sternenflotte wird nie einen Besseren sehen.« Ryan fing an zu lachen und blickte erstaunt. »Machst du Witze? Archer, Kirk, Picard, Janeway… Die Aufzählung könnte ewig weitergehen. Was soll ich haben, was diese Captains nicht haben?«
Janine grinste schelmisch. »Deine Jugend zum Beispiel.« Dann stürzte sie sich auf ihn und warf ihn zu Boden, während er überrascht die Augen aufriss. Sie lag auf ihm und sah ihn aufmerksam und genau an, dann rollte sie sich von ihm herunter und seufzte. »Warum ist nur nie etwas aus uns geworden?«
Ryan boxte ihr sachte auf die Schulter und schaute sie an. »Mach dich nicht lächerlich.«
»Wir wären ein energisches Paar gewesen.«
»Vielleicht etwas zu energisch für meinen Geschmack.« Sein Lächeln verblasste langsam und er erhob sich. »Es wird Zeit.«
Janine seufzte ein letztes Mal, nahm seine Hand und zog sich daran auf ihre Beine. »Ja.«
Zusammen liefen sie zum Rand der Wiese, wo ein Motorrad und ein alter Buick standen. »Ich beneide dich um dein Auto«, sagte Janine und unterbrach ihr Schweigen.
»Und ich dich um dein Motorrad.«
Dann standen sie da und blickten sich noch einmal an. »Wir sehen uns wieder, Janine. Verspochen.«
Sie sah ihm intensiv in die Augen. »Ich nehme dich beim Wort. Aber lass dir nicht zu viel Zeit. Und… pass auf dich auf da draußen.«
»Das werde ich.« Er strich mit seiner Hand über Janines Wange, dann drehte er sich um, öffnete die Wagentür und stieg in sein Auto. Im Rückspiegel sah er, wie Janine ihren Helm aufsetzte, den Motor anließ und dann losfuhr. Ryan startete den Motor des Buicks, der warm und tief aufheulte, dann folgte er ihr. Zusammen fuhren sie auf einer von Bäumen umgebenen Landstraße, bis sich diese nach einigen Kilometern gabelte. Hier würde sich ihr Weg trennen. Janine wurde langsamer und fuhr neben ihm, sie schauten sich ein letztes Mal an. Dann beschleunigte sie und bog links ab, während sein Weg nach rechts Richtung San Francisco führte.

Mach es gut, Janine.

Es war später Nachmittag, als Ryan sein Haus erreichte. Er parkte in der Einfahrt und stieg dann langsam aus. Der Himmel leuchtete leicht rötlich und feine Wolkenfelder erstreckten sich überall. Als er zum Eingang lief, schaute Ryan sich um und konnte nicht glauben, dass er das alles wirklich hinter sich lassen würde. Fast drei Jahre lang hatte er hier gewohnt und sich an die Ruhe des Hofes gewöhnt. Ab morgen würde sein Zuhause ein Raumschiff sein, bei dem sich seine Privatsphäre auf wenige Meter beschränkte und jederzeit durch Einsätze oder Gespräche mit der Crew durchbrochen werden konnte.
Die alte, grüne Tür öffnete sich quietschend und Ryan stand vor dem leeren und kühlen Flur, der bereits von allen persönlichen Gegenständen wie Bildern und Möbeln geräumt war und jetzt kahl vor ihm lag. Die neuen Mieter würden in Kürze einziehen und Ryan beneidete sie darum. Er ging über die knarzende Treppe nach oben in sein Schlafzimmer, während seine Hand über die glatte, braune Holzwand entlangfuhr. Dort angekommen öffnete er den Kleiderschrank und sah die neue rote Sternenflottenuniform eines Captains. Vorsichtig nahm Ryan sie in die Hand und breitete sie auf dem Bett aus. »Captain Ryan Fassbender.«, murmelte er. Er hörte die Stimme von Janine in seinen Gedanken. Die Sternenflotte wird nie einen Besseren sehen. Kein Zurück mehr.
Er faltete die Uniform zusammen und legte sie behutsam in seinen Koffer. Anschließend nahm er zwei Fotos in die Hand, die noch auf dem Bett lagen. Auf dem ersten Foto war seine Familie zu sehen; seine Eltern und seine kleine Schwester. Daneben er, im Alter von 12 Jahren. Zusammen standen sie vor einer alten Scheune und lachten in die Kamera. So lange her. Warum hatte alles so enden müssen?
Dann war da noch das Foto von Janine. Auch hier war Ryan zu sehen, dieses Mal jedoch zehn Jahre älter. Sie saßen auf einer Bank im Garten der Sternenflottenakademie, lachend den Kopf aneinander lehnend. Ryan seufzte. Die Zeit verging unaufhaltsam. Er blieb einen Moment stehen und betrachtete beide Bilder genau. Dann legte er sie auf seine Uniform und schloss den Koffer.
Ohne sich umzudrehen verließ er das Zimmer und ging, begleitet von den Geräuschen der Treppe, wieder zur Haustür. Ein kurzer Blick zurück, dann trat er nach draußen und schloss die Tür zum letzten Mal ab.

Ryan wanderte auf einem schmalen Steinweg durch den Garten und dachte über seine hier verbrachte Zeit nach, als sein Kommunikator vibrierte und er in die Gegenwart zurückgeschleudert wurde. Ryan blieb stehen und drückte auf das kleine Gerät, das an seiner Jacke befestigt war. »Fassbender?«, meldete er sich fragend zu Wort. Ein junger Offizier antwortete steif: »Hauptquartier der Sternenflotte. Sind bereit, jetzt ein Shuttle zu ihnen zu schicken.« Ryan lächelte. »Das wird nicht nötig sein.« Der Offizier geriet ins Stocken. »Aber Sir…«
»Ich melde mich, sobald ich in San Francisco bin. Fassbender Ende.« Damit deaktivierte er den Funk. Niemand würde ihm diese letzte Fahrt, dieses letzte Stück Heimat, nehmen. Ryan ging zu seinem Buick und sah das Haus an. Dann lächelte er. Genug Abschiede für einen Tag. Der Motor heulte auf und Ryan begann seine Reise nach San Francisco zum Dock der Reliance.

©Branhan. 2016
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