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Festival besuchen

von Racussa

Festival besuchen

Thot Pran trug eine große, blaßweiße Reisetasche, als er Captain Sus schlicht weiß eingerichtetes Zimmer betrat. Die kalte Luft des Ganges bildete am Boden gleich Nebel, der sich langsam auflöste, nachdem die Tür sich geschlossen hatte.

 

Phuong las gerade auf einem blassblau fluoreszierenden Lesebrett.

 

„Ist schon Zeit zum Mittagessen? Heute müsste die Algenpastete mit Basilikumgeschmack dran sein, oder?“

 

Thot Prans Antwort auf Phuong Sus Frage war das seltsam Lach-Kreisch-Geräusch, das durch seinen Helm verstärkt wurde. „Wir werden in etwa drei Stunden die Grenze zur Neutralen Zone überqueren, wo uns ein Geleitschutz des Romulanischen Imperiums in Empfang nehmen wird. Jetzt ist die letzte Chance, auszusteigen. Für das, was mit Ihnen passieren wird, wenn wir die Grenze überquert haben, kann ich nicht garantieren. Eine romulanische Botschafterin wird mit ihrem Gefolge an Bord beamen und uns bis Romulus begleiten. Sicher sind unter diesen Begleitern auch Tal’Shiaragenten. Es wird mir nicht möglich sein, Sie hier zu verbergen.“

 

Phuong richtete sich auf und legte das Lesebrett weg. „Meine Entscheidung steht fest: Ich will die Menschen befreien. Und da ich auf Urlaub bin, ist es meine Privatsache, wo ich hinfahre. Melden Sie mich der Romulanischen Behörde einfach als Gast, oder auch als Schiffsjungen, mir ist es egal.“

 

Thot Pran stellte die Tasche ab: „Ich bin mit menschlicher Psychologie nicht so vertraut, aber Sie wirken etwas deprimiert. Fast, als suchten Sie Gefangennahme oder Tod durch die Romulaner, um ihrem Leben zuhause zu entkommen. Es gibt schmerzfreiere und angenehmere Wege des Suicids. Gift … oder Kälte?“

 

Na toll, jetzt habe ich auch noch einen Breenischen Counselor. Als ob mein Leben nicht kompliziert genug wäre. Ich kann nicht nach vorn - und nicht zurück. In Wirklichkeit ist dieser ‚Urlaubs‘-Tripp nach Romulus reiner Wahnsinn, aber der Alltag im Multiversiellen Besonderheitssecernat würde mich auch umbringen. Also auf ins Abenteuer. Wenn ich die vier Frauen retten kann, bin ich ein Held, wenn nicht, bin ich tot – hoffentlich eher schnell disrumpiert als langsam gehäutet – und muss auch nicht mehr in dieses furchtbare Amt zurück. Vielleicht komme ich ja auch bei den Breen unter. Irgendwie fasziniert mich deren Lebenswelt, seit Pran mir davon erzählt hat.

 

„Wir haben für Sie etwas vorbereitet!“ Thot Pran deutete auf die Tasche. „Etwas, um unseren gut zahlenden Gast aufzumuntern. Breen mögen keine depressiven Wesen. Das erinnert uns an abgestorbene Riesenquallen, die traurig zum Boden des Pentanolmeeres sinken…“, Thot Pran hielt einige Augenblicke inne, doch aufgrund des Helmes konnte Phuong nicht erkennen, ob er schmunzelte, melancholisch abwartete oder ungeduldig wurde. „Machen Sie die Tasche auf!“

 

Das wird ja immer schrecklicher. Jetzt hat er schon seine Besatzung eingebunden, um mich aufzuheitern.

 

Phuong öffnete die Tasche. Darin war ein Breenscher Anzug, allerdings mit einer aufgemalten Sternenflottenjacke, einer Lederhose und kniehohen rotweißgeringelten Strümpfen.

 

Das Lach-Kreisch-Geräusch eröffnete Thot Prans Rede: „Wir haben unser irdisches Geschichtsbuch durchsucht, um diese traditionelle Kleidung zu finden. Durch den Bariumglutarat-Anstrich haben unsere Anzüge die Möglichkeit, gewisse Farbspiele darzustellen. Ich habe mir erlaubt, ein kleines Erden-Festival vorzubereiten. Einerseits, um meiner Mannschaft die Traditionen der Erde – wir kennen den Planeten ja nur von dem kurzen Überfall während des Dominionkrieges – näher zu bringen, andererseits, um Sie aufzuheitern. Wenn Sie den Anzug tragen, können Sie in unseren Speisesaal mitkommen, den wir schon irdisch dekoriert haben.“

 

O Gott! Halten die Breen Lederhosen und rotweiße Karomuster für irdisch? Das kenne ich ja selber nur aus Geschichtsbüchern…Auf jeden Fall ist es faszinierend, einen dieser Anzüge anzuprobieren. Wer weiß, vielleicht kann man ja davon etwas lernen.

 

„Wir haben extra für Ihre spezielle Physiognomie die Beinteile angepasst und die Arme so gestaltet, dass man mit fünffingrigen Händen hineingreifen kann. Die Temperatur wurde auf 36° C eingestellt, damit sie Ihrer Körpertemperatur entspricht. Keine Sorge, die kriegerischen Funktionalitäten haben wir ausgebaut. Sie können auch per Ungeschick niemanden verletzen.“, erklärte Thot Pran und hielt Captain Su den Anzug zum Einsteigen hin.

 

„36°C? Im Inneren des Anzugs? Das ist wohl etwas zu heiß, denn wir Menschen bevorzugen eine Außentemperatur von 20°C“, meinte Phuong, während er seine Sportschuhe auszog und in den Anzug stieg.

 

„Ach, was machen die 16° schon für einen Unterschied. Bei uns im Pentanolmeer gibt es bis zu hundert Grad Unterschied und wir halten das gut aus. Ich habe auch unseren Schiffschemiker angewiesen, eine Algenpastete zuzubereiten, die nach Laugenbrezel schmeckt, wie wir es in dem irdischen Buch gelesen haben. Wir können zwar keine so kunstvolle Form basteln, denn dafür ist die Pastete zu weich, aber wir werden sie in Brezelform auf die Teller aufgetragen bekommen.“

 

Während Thot Pran geschickt die einzelnen Schließen des Anzugs einhakte, begann Phuong schon zu schwitzen.

 

„Was für ein Buch haben Sie überhaupt verwendet, um dieses ‚irdische‘ Festival vorzubereiten?“, fragte er vorsichtig.

 

„Wir haben es damals bei unserem Angriff auf die Erde erbeutet. Es scheint ein zentrales Dokument gewesen zu sein, denn es war in einer Universitätsbibliothek aufbewahrt in einem verglasten Schrein. Es hieß ‚Authentisches Brauchtum‘.“

 

Thot Pran zog nun einen Helm in Form einer Goldhaube mit Visier aus der Tasche und gab erneut das Lach-Kreisch-Geräusch von sich. „Auch der Helm ist nach Bildern aus dem Buch gestaltet. Leider waren die männlichen Menschen zugeordneten Kopfbedeckungen zu schmal und zuwenig anliegend, als dass man einen überzeugenden Breenhelm daraus hätte formen können. Außerdem ist ein aufgestecktes Büschel Tierhaare unappetitlich. Wir haben einen kleinen Abenteuerparcour aufgebaut und eine so genannte Trachtenkapelle holographisiert, die traditionelle Tänze spielen wird. Außerdem gibt es am Höhepunkt des Festivals eine dreidimensionale Musikaufführung mit kostümierten Sängerinnen und Sängern – natürlich Hologrammen, aber soweit ich gesehen habe, sehr authentisch!“

 

Soll ich lachen oder weinen? Wenn mich zuhause jemand sähe mit dieser Kombination aus Lederhose und Sternenflottenpullover; noch dazu mit einer Goldhaube auf… So etwas hatte ich ja noch nie an. Ich bin doch gespannt, was für ein Buch das war.

 

„Unser Schiffsmusiker hat dafür etwas ausgewählt, dass auch von einer Reise mit Entführungsabsichten handelt: Die Entführung aus dem Serail!“, tönte es metallisch-stolz aus Thot Prans Helm.

 

„Nie davon gehört. Von wem soll das sein? Ist das ein Musical?“

 

Thot Pran ließ den Helm enttäuscht sinken. „Das ist von Wa Mozart. Wir haben gedacht, dass der der berühmteste Musiker ihrer Stadt war.“

 

„Von San Francisco?“

 

„Wieso San Francisco? Mein Truppe hat damals Salzburg erobert, dort haben wir auch das Buch gefunden; und die Hinweise auf die Musik. Ich habe das ganze Festival nach den Bildern aus dem Buch gestalten lassen…“

 

War da jetzt etwas Traurigkeit in seiner Stimme. Ich werde nicht schlau aus diesen Breen. Aber vielleicht nimmt er ja im Speisesaal bei ihren frostigen Temperaturen den Helm ab. Ich bin zu neugierig, wie er wirklich aussieht. Und seine Mühe möchte ich nicht geringschätzen.

 

„Mozart, natürlich! Wow, ich bin ganz begeistert, was Sie alles auf die Beine gestellt haben. Ich kann es vor Spannung gar nicht mehr erwarten. Und dieser coole Helm; ich meine, so etwas Goldenes habe ich noch nie aufgehabt! Bekomme ich darunter auch genug Sauerstoff!“

 

Phuong nahm den Helm und versuchte, ihn sich selbst aufzusetzen, aber Thot Pran begann sofort, nun wieder sichtlich begeisterter, ihm zu helfen. „Natürlich, wir haben den Sauerstoffanteil der regenerierten Luft auf 75% gesetzt, das wird sie frisch halten, wenn wir dann Polka tanzen. Wir sind noch immer dankbar für das köstliche andorianische Eis, das Sie uns verschafft haben, da wollten wir uns revanchieren. Ein altes Breensprichwort sagt: Schwimm immer noch zwei Pirouetten, bevor du in den Kampf gehst, denn vielleicht ist es dein letztes Mal.“

 

Ich kann gar nichts sehen durch diese Schlitze. Nur Displays und fünf verschieden gefärbte Bilder des Quartiers. Was für ein Helm!

 

Thot Pran packte Phuong am Arm und führte ihn zur Tür.

 

Womit ist dieser Anzug denn gefüllt? Es ist, als hüpfte man in einem Luftballon. Das ist viel leichter als es aussieht. Aber heiß wie in der Wüste. Ich hoffe, es gibt anständigen Synthenol oder auch nur genug Wasser zu trinken…Eis zu lutschen…

 

„Nach den Tänzen wird die ultimative Festivalkrönung serviert werden: Salzburger Nockerl. Wir musste das Rezept nur ein bisschen adaptieren, statt Eiern und Mehl gibt es Pentindiol und Lanthanditartratocuprat, weshalb das Soufflé eher blau als golden sein wird, aber Blau passt ja auch zur Erde, oder?“

 

Möglicherweise wird das meine Henkersmahlzeit, aber ein Salzburg-Festival auf einem unterkühlten Breenschiff – das kann ich mir nicht entgehen lassen. Hoffentlich lassen sie die Dekoration für die Begrüßung der romulanischen Botschafterin. Das wäre ja zu lustig, wenn die dann nicht wüßte, ob das nicht ‚authentisch breenisch‘ ist. Auf jeden Fall werden die Nockerl ihr besser schmecken als Algenpastete, wenn ich mich an die üppigen Festmahle auf romulanischen Empfängen und auf dem seltsamen Schiff erinnere, wo wir … wo ich die vier Frauen verloren habe. Ach Julian, wo hast du mich da hineingeritten. Ohne dich hätte ich das nie begonnen. Und jetzt bist du mit deinem Cardassianer verheiratet und ich auf dem Weg nach Romulus.

 

„Ach ja, und statt der Preiselbeeren verwenden wir rote Algenpastete. Aber sonst ist es wie im Originalrezept!“

 

Die Tür öffnete sich und Captain Su trat an Thot Prans Hand in den Nebel, der durch die vielen Displays im Inneren des Helms überhaupt nicht aufschien, sondern den Blick auf einen mit blaugrünen Wellen dekorierten Gang freigab.

 

Wahrscheinlich bin ich der erste Mensch, der auf einem Breenschiff mehr als Zelle, Quartier und Untersuchungsraum sieht…

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