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Am Ende des Tunnels

von CAMIR

II - "Ich habe sie zerbrochen"

II - "Ich habe sie zerbrochen"

Die Türen des Konferenzzimmers öffneten sich bereitwillig, als Beverly darauf zuging. Als sie sich mit einem leisen Zischen wieder hinter ihr schlossen, begriff sie, dass sie diesen Ort absolut unterbewusst aufgesucht hatte und schüttelte leicht den Kopf.
Es war noch keine halbe Stunde her, seit die Enterprise den temporalen Vortex erneut erzeugt hatte und sie alle in ihre eigene Zeit zurückgekehrt waren. Man hatte Starfleet bereits Bescheid gegeben und es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, bis die vom Oberkommando entsendeten Admiräle hier eintrafen und die gesamte Situation untersuchten. Bis dahin waren sie angewiesen hier zu warten.
Beverly seufzte.
Sie hasste solche Untersuchungsausschüsse, die im Grunde nichts mehr waren, als eine reine Formalität. Für jemanden wie sie, der dabei gewesen war, sah alles so logisch und einfach aus, doch der pure Bürokratismus verlangte es, die gesamten Ereignisse noch einmal aufzurollen und jeden Standpunkt einzeln zu beleuchten.
Mit Schaudern dachte sie an den Ausschuss vor knapp einem Jahr, der zur Untersuchung der Vorfälle auf Veridian III ins Leben gerufen worden war, als die damalige Enterprise-D abgestürzt und nicht mehr zu bergen gewesen war. Es hatte lange genug gedauert, bis das Nachfolgeschiff, die Enterprise-E endlich in Dienst gestellt werden konnte und nun blühte ihnen etwas ähnliches noch einmal.
Die Stille um sie herum, war genau das, was sie momentan brauchte, um ihre Gedanken zu sammeln und sie ließ ihre Blicke in dem menschenleeren Raum umherwandern. Die zerschlagene Vitrine mit den goldenen Schiffsmodellen erregte ihre Aufmerksamkeit und langsam schritt sie darauf zu.
Ein Phasergewehr lag achtlos inmitten der Glasscherben und mehrere der Schiffchen waren zerbrochen. Dies war sicher nicht das Werk der Borg - so weit waren sie nicht vorgedrungen.
Vorsichtig hob sie das Gewehr aus den Splittern und fuhr mit der Hand darüber, dann stellte sie es neben sich auf den Boden, an die Wand gelehnt. Sie fragte sich, was vorgefallen war, auch wenn sie eine dumpfe Ahnung hatte und hob eines der zerbrochenen Schiffe auf. Die Splitter rieselten daran herunter und fielen klirrend zu den anderen.
*Welch eine Ironie,* dachte sie. Es handelte sich um das kaputte Modell eines Galaxy-Klasse Schiffes.
Sie nahm sich die zweite Hälfte des Schiffchens und fügte sie beiden Teile gedankenverloren zusammen. Eine kurze Erinnerung an ihre Zeit auf der Enterprise-D kam ihr ins Gedächtnis und sie verzog den Mund zu einem leichten Lächeln.
Sie hatte zwar noch keine Gelegenheit gehabt, dieses neue Schiff besser kennenzulernen, aber es war auf keinen Fall so familiär, wie das alte. Zivilisten beispielsweise waren nicht mehr erlaubt, einen Umstand den sie mehr als nur bedauerte. Sie legte die beiden Hälften wieder zu den anderen Modellen und seufzte laut. Es war besser in die Zukunft zu schauen, als in der Vergangenheit zu schwelgen.
Das Zischen der Tür riss sie sowieso aus den Gedanken und verwundert drehte sie sich um, die Hände an der Kante der Vitrine abgestützt. Licht fiel in den dunklen Raum und sie erkannte die Silhouette von Jean-Luc, der wohl genauso überrascht war, sie zu sehen.
"Beverly?"
"Ja?"
Sie machte ein paar Schritte auf ihn zu, als er den Raum ganz betrat und sich die Tür schloss.
"Ich hätte nicht erwartet, dich hier anzutreffen..."
"Ja, ich sollte nicht hier sein. Ich gehe besser und lasse dich alleine.“
Sie wollte zum Ausgang gehen, doch er hielt sie vorsichtig fest.
"Bitte geh nicht."
Sie nickte stumm und er atmete aus.
"Mein Kopf ist voller Gedanken und ich weiß nicht, wo ich anfangen soll...", sagte er schließlich.
Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
"Wenn es dich beruhigt, es geht mir genauso. Aber wir haben auch eine Menge mitgemacht."
Er wies mit dem Kopf auf die zerschlagene Vitrine.
"Ich habe sie zerschlagen..."
Sie folgte seinem Blick, sagte aber keinen Ton.
"Und weißt du warum? Aus Wut über mich selbst. Ich war dem Irrsinn so nahe, wie lange nicht mehr..."
Nervös rieb er sich über die Glatze.
"Wenn Lily mir nicht gesagt hätte, was Sache ist.... Ich habe mich in den vergangenen Stunden mehrmals gefragt, ob ich noch zurechnungsfähig bin, in Bezug auf die Borg. Im Grunde hatte Admiral Hayes recht gehabt. Ich hätte das gesamte Schiff für meine Rachsucht geopfert..."
Beverly begriff, dass er nicht direkt mit ihr sprach und hörte so einfach nur zu.
Er ließ sich in einen der herumstehenden Sessel sinken, stützte seine Hände mit dem Ellbogen auf dem blankpolierten Tisch ab und vergrub die Hände darin.
"Es tut mir leid...", murmelte er immer wieder.
Sie lehnte sich leise neben ihm an den Tisch und strich ihm über den Rücken.
"Es muss dir nicht leid tun...", flüsterte sie.
Wie in Zeitlupe hob er den Kopf wieder und ihre Blicke trafen sich. Sie sah den Kummer und die Zerrissenheit in seinen Zügen und ganz besonders in seinen brauen Augen.
"Beverly..."
Er griff eine ihrer Hände und streichelte sanft darüber.

Schuldgefühle überkamen Jean-Luc aus einem tiefen Winkel seiner Seele, den er nicht ganz verstand. Er fühlte sich Beverly gegenüber schuldig und war so dankbar für ihre Geduld.
Sie war immer für ihn da, hörte ihm zu, wenn es sonst niemanden gab. Sie war eine tapfere Kameradin und eine gute Freundin. Inzwischen kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, wann es besser war, zu schweigen. Er sah in ihre blauen Augen und fand nur Verständnis, Freundschaft - und Sorge.
"Es braucht dir nicht leid zu tun...", flüsterte sie erneut.
Er war zerrissen, auf der einen Seite war alles gut ausgegangen und sie alle hatten Großartiges geleistet, aber auf der anderen Seite - wenn er seiner Rachsucht Rechnung getragen hätte, hätte er sie vielleicht alle geopfert.
Ein scheußliches Bild von Beverly, übersät mit Borgimplantaten schoss in sein Bewusstsein und er tat alles, um es wieder verschwinden zu lassen.
"... du hast nicht an deiner Rache festgehalten. Nur das zählt“, fuhr sie fort, ihm immer noch mit ihrer freien Hand über den Rücken streichend.
"Solche Gefühle sind menschlich, Jean-Luc. Und du bist ein Mensch. Du kannst sie nicht immer mit der Vernunft zur Seite schieben."
Ein schiefes Lächeln fand den Weg in seine Mundwinkel.
"Genau das habe ich Mr. Data vor gut einem Jahr versucht beizubringen - und nun scheitere ich selbst daran."
Sie schüttelte den Kopf.
"Niemand ist unfehlbar."
Er blickte auf ihre Hand, die er hielt und streichelte. Sie wirkte so zerbrechlich, genau wie ihre Besitzerin.
Natürlich wusste er um Beverlys innere Kraft und Stärke, aber momentan erschien sie ihm verletzlich.
*Wahrscheinlich so verletzlich wie ich!*
"Danke...", flüsterte er und sie lächelte.
"Keine Ursache..."
Er ließ ihre Hand los und hob seine eigene, um ihr durch die Haare zu streichen.
Sie schloss kurz die Augen, woraufhin er seinen Arm wieder zurückzog. Er errötete leicht, was zum Glück durch die Dunkelheit überdeckt wurde.
Es war totenstill und nur die Maschinen des Schiffes waren aus der Ferne zu hören. Eine fragile Aura der Zusammengehörigkeit verband sie in diesem Moment und er fragte sich, wann er das letzte Mal etwas Ähnliches in ihrer Gegenwart gespürt hatte.
Das Komsignal zerriss diesen Augenblick.
"Brücke an den Captain!"
Ein wenig ungehalten tippte Jean-Luc an den Kommunikator.
"Was gibt es?"
"Die Admiräle sind eingetroffen, Sir!"
"Ich komme sofort!"
Mit einem weiteren Tippen schloss er den Kanal und seufzte. Beverly löste sich vom Tisch und sah ihn mitfühlend an. Kurze Zeit später spürte er die warme Haut ihrer Handfläche an seiner Wange. Er hätte am liebsten selbst den Arm angehoben, um ihre Hand dort festzuhalten, besann sich dann jedoch wieder auf die Verpflichtung, die nun auf ihn wartete. Langsam stand er auf.
"Danke, dass du bei mir geblieben bist."
Sie schüttelte den Kopf.
"Dafür brauchst du dich nicht zu bedanken..."
Sie wandte sich in Richtung Ausgang und er hatte das Gefühl etwas Wichtiges zu verlieren, ohne zu wissen, was es sein könnte.
"Beverly?", rief er ihr nach, bevor sie die Tür erreicht hatte.
Sie drehte sich um.
"Ja?"
"Darf ich dich heute Abend zum Essen einladen?"
Sie lächelte.
"Gerne!"
Dann verließ sie den Raum. Er starrte noch einige Augenblicke auf die Tür, strich sich dann über die Glatze und machte sich bereit, einigen unangenehmen Admirälen entgegenzutreten.
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