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Un-Fall

von Racussa

Un-Fall

> Unfall: Bashir und der Ski-Flug

Guinan schlug die nächste Seite eines Katalogs auf. Das Bild zeigte eine etwa vierzigjährige Sternenflottenoffizierin mit rotem Pullover. Unter dem Bild standen verschiedene medizinische Einträge, Tabellen und Zeichnungen, die für Guinan so verständlich waren wie romulanische Hebammenlyrik.

 

Guinan las vor: „Der Fall Major Ellaria. Die fünfundvierzigjährige Major Hevea Ellaria von der U.S.S. Anadyr wurde ohne medizinische Unterstützung schwanger und gebar zwei gesunde Mädchen. Das Besondere an diesem Fall ist, dass die Zwillinge von zwei verschiedenen Vätern stammten, was auf den lockeren Umgangsstil auf der U.S.S. Anadyr schließen läßt.“

 

Beverly räusperte sich gekünstelt, trank einen Schluck ihres Gurkensaftes und drehte das Magazin zu sich.

 

„Ich habe dir gesagt, dass Schwangerschaften in höherem Alter auch auf Raumschiffen ohne jede Schwierigkeit möglich sind. Aber ohne Untersuchung kann ich nichts Definitives über Deinen Zustand sagen.“, meinte sie, als sie das Glas abstellte und ein Gurkensandwich nahm.

 

Guinan stand auf. Beverly aß das Sandwich und genoß den Gurkengeschmack mit geschlossenen Augen.

 

„Ich liebe deine Gurkensandwiches! Du hast so eine kühne Art, auf das Roggenbrot zuerst eine Schicht Butter, dann etwas zerstampften Sauerampfer, darüber wieder Butter und erst darauf die Gurkenscheiben mit der Petersildekoration zu legen. Das ist so raffiniert. Mir war ja immer schon klar, welch hervorragende Cocktails du mischst, aber dass du auch so eine Köchin bist. Hast du schon mal probiert, etwas Kakaopulver auf die Gurkenscheiben zu streuen. Das scheint mir eine interessante Kombination.“

 

Beverly nahm ein zweites Sandwich von dem Tablett und aß es genüßlich wie das erste.

 

„Wir haben jetzt vierundachtzig Fälle gelesen, in denen Frauen über vierzig Jahren Kinder geboren haben. Aber ich bin keine Frau, ich bin El Aurianerin und lebe seit vierhundertzweiundvierzig Jahren. Das ist doch etwas Anderes! Ich war noch nie schwanger.“

 

„Dafür siehst du ganz gut aus. Ich verstehe dein Problem nicht. Wenn du Angst hast, schwanger zu sein, komm doch in die Krankenstation zu einem Test. Oder wenn dir das peinlich ist, machen wir den Test gleich hier; in deinem Appartement.“

 

Guinan ging zu einem Spiegel und betrachtete sich darin. Der große grüne Hut stand ihr gut, aber ihr Blick war auf ihren Bauch gerichtet. Das wallende, mit gelb-blauem Kringelmuster verzierte Kleid schmiegte sich eng an ihren wohlgeformten Körper. Natürlich konnte man keine Wölbung des Bauches erkennen. Dennoch strich Guinan sorgfältig über die Gegend über ihrer Gebärmutter.

 

„Was, wenn Menschen und El Aurianer nicht kompatibel sind? Wenn mein Körper das Kind aufgrund seiner menschlichen Gene abstößt. Was, wenn ich in der Schwangerschaft Gifte produziere, die ihm schaden? Und vor allem, was, wenn der Vater es je erfährt? Oh Beverly, das ist das Komplizierteste von allem. Wie sollte man es der Mannschaft erklären. Wo sollte das Kind aufwachsen. Wer sollte sich um seine Erziehung kümmern. Ich weiß gar nicht, ob ich mehr wünschen soll, schwanger oder unschwanger zu sein?“

 

Beverly trank den Rest des Gurkensaftes, stand ebenfalls auf und stellte sich neben Guinan. Sie streichelte mit ihrer Hand den Bauch der Barkeeperin: „Jean Luc wird – auch wenn er Kinder für zu komplex hält – zu Dir und seinem Kind stehen. Auch wenn die Nacht nach Julians Hochzeit vielleicht nicht mit dem Plan gestartet wurde, eine Familie zu gründen, so spricht doch nichts dagegen. Auch andere Besatzungsmitglieder haben ihre Kinder hier auf der Enterprise gezeugt, sind mit ihnen schwanger gewesen und haben sie hier geboren. Einige wachsen auch hier auf, gehen zur Schule und verstehen sich gut mit Besatzung und Eltern. Denk nur an Wesley und mich! Das Kind des Captain würde nicht anders behandelt werden.“

 

Sie wandte sich ab und ging zum Fenster, um zu den Sternen hinauszuschauen.

 

„Ich weiß, dass Du auch gerne ein Kind von ihm hättest. Es tut mir leid, dich in diese Situation zu bringen.“

 

Beverly schluckte. „Das muss nicht dein Problem sein. Es muss dir auch nicht leid tun. Wir waren alle ausgelassen in jener Nacht. Cardassianischer Kanar …Tanz …Musik … Süßholzzigaretten…die Blumengirlanden mit dem aphrodisiernden Duft. Komm, ich hole das Set und wir machen den Test. Egal, was er zeigt, du wirst dich besser fühlen. Und ich habe vor langer Zeit Frieden damit gemacht, mit Jean-Luc nur befreundet zu sein.“

 

Obwohl Guinan den Kopf schüttelte, fingerte Beverly an dem Replikator herum: „Medizinische Freigabe Crusher, Beverly 0962838474.“

 

Leises Knistern und silbrig schimmerndes Licht umgaben die sich materialisierenden Geräte, ein medizinischer Tricorder und eine Trockenhaube. Guinan schaute das Ding verwundert an.

„Ich muss dich bitten, deinen Hut abzunehmen…Keine Scheu…Vergiss nicht, bei unserer Schlammschlacht auf Cardassia habe ich dich auch schon mal ohne Kopfbedeckung gesehen.“

 

Während Beverly den Tricorder aufklappte, nahm Guinan den ausladenden Hut ab. Sie öffnete ihre vierzehn Haarspangen und das gekräuselte eibenbraune Haar fiel ihr in Wellen über die Schultern.

 

„Warum trägst du immer Hüte, du hast so wundervolles Haar?“, fragte Beverly, während sie Guinan die Haube aufsetzte.

 

„Es gab da einmal einen makaberen Fall: Eine El Aurianerin verfing sich mit ihren Haaren in einer Häckselmaschine und wurde skalpiert, seither ist es El Aurianern geboten, Kopfbedeckungen oder Glatzen zu tragen. Da mir eine Glatze zu kalt ist, trage ich Kopfbedeckungen. Aber Aur sei Dank gibt es keine Vorschriften, wie diese Kopfbedeckungen aussehen müssen. Deshalb experimentiere ich gern mit neuen Farben und Formen.“

 

Beverly aktivierte die Haube, die grünlich glitzerte, und scannte gleichzeitig mit dem Tricorder Guinans Füße, Beine und Bauch.

 

„Wozu dient diese Haube? Das habe ich noch nie bei einem deiner Patienten gesehen!“

 

„Die Haube kann über Deine Rückenmarksresonanzradiation weitere Informationen über das Kind sammeln. Da wir so wenige Schwangerschaften auf der Enterprise haben – und du grundsätzlich selten in der Krankenstation bist – wäre es schon ein ganz großer Zufall, wenn du das endospinalographische Sensorennetz schon mal gesehen hättest.“

 

Während Beverly den Scan fortsetzte, griff Guinan plötzlich ihre Hand und schaute sie fest an. „Du würdest dem Kind nichts tun? Ich meine, weil es mein und Jean-Lucs Kind ist?“

 

Beverly schüttelte die Hand ab und scannte weiter. „Wofür hältst du mich, Guinan? Ich bin Ärztin, keine Mörderin aus Eifersucht.“

 

„Ich habe von einem Fall gehört, wo ein Arzt, dessen Frau ein Kind von einem anderen erwartete, einen Unfall inszen…“

 

„Männer, Guinan, aber Frauen würden so etwas nie tun. Wir schützen das Leben, wir zerstören es nicht. Deshalb ist es auch logischer, dass Frauen edizinerin sind als Männer; denn wir födern das Leben, Männer nur sich selbst.“ Sie versuchte, unbefangen zu lächeln.

 

Plötzlich hielt Beverly inne. Sie konnte ein Grinsen nicht verbergen. Sie drehte sich rasch um und tippte wild auf ihrem Tricorder. Guinan packte ihren Unterarm und drehte sie zurück.

 

„Beverly, was ist? Was hast du getan? Was ist mit dem Baby? Hat diese Haube ihm Schaden zugefügt?“

 

Beverly bemühte sich, ernst zu schauen. „Entschuldige, Guinan, mich hat das Ganze doch mehr berührt, als ich zugeben wollte. Jean-Luc liegt mir sehr am Herzen…aber ich würde dir oder deinem Kind trotzdem nie etwas antun, du kennst mich doch schon so viele Jahre, das mus dir doch klar sein!“

 

Sie nahm Guinan das Haarnetz ab und legte es zurück in den Replikator. Auch den Tricorder legte sie dazu und beobachtete, wie beides sich in Energie auflöste.

 

Dann umarmte sie Guinan, drückte sie fest an sich und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.

 

„Ich gratuliere der werdenden Mutter! Mit dir und deinem Kind ist alles in Ordnung.“

 

„Kein Unfall? Ich werde Jean-Lucs Kind bekommen?“

 

„Natürlich kein ‚Unfall‘. Du bekommst ein Kind. Es wird gesund und groß und stark. Ein Sohn!“

 

Guinan versuchte, ihren Hut wieder aufzusetzen, aber ihre Hände zitterten vor Freude.

 

„Oh Beverly, du bist so eine gute Freundin. Und was ich dir am höchsten anrechne: Dass du deine Eifersucht hintanstellst, um dich mit mir und Jean-Luc zu freuen. Du bist ein Vorbild! Bald werde ich verstehen, mit welcher Liebe du Wesley liebst. Wann sollen wir es Jean-Luc sagen?“

 

Beverly tänzelte um Guinan herum, die verwundert blickte.

 

„Dem Captain? Oh, da genügt es, ihm nach der Geburt zu melden, dass die Enterprise wieder Nachwuchs bekommen hat. Und ich werde dich sorgfältig begleiten während der ganzen Schwangerschaft. Und wenn du erlaubst, werde ich auch einen Bericht über diesen Fall schreiben, natürlich anonymisiert.“

 

„Über das erste dokumentierte menschlich-elaurianische Kind?“

 

Beverly nahm Guinans Gesicht in beide Hände und küsste sie nochmals auf die Stirn, worüber die Barkeeperin die Stirn runzelte.

 

„Nein, über den besonderen Fall des ersten elaurianisch-cardassianischen Babys. Guinan, ich weiß nicht, was wir in dieser verrückten Hochzeitsnacht angestellt haben, aber du bist definitiv von einem Cardassianer schwanger.“

 

Beverly bemühte sich, ihr Lachen zu bekämpfen, doch das gelang ihr nicht. Guinan schaute sie betroffen an.

 

„Bitte entschuldige…ich hätte es auch ertragen … wenn du … die Mutter von … Jean-Lucs Erstgeborenem geworden wärest; aber so … verstehst du nicht: Alles ist viel einfacher. Wir beide können weiter als Freundinnen mit ihm und miteinander sprechen, nicht als Mutter und Ärztin seines Sohnes. Und wenn ich diesen Fall dokumentiere, festigt das sicher auch noch das Band zwischen der Föderation und … der Cardassianischen Union.“

 

Beverly prustete wieder los vor Lachen.

 

Guinan schaute sie ernst an: „Nichts dergleichen wirst du tun. Ich werde mich sofort beurlauben lassen und mein Kind an einem sicheren Ort zur Welt bringen. Und du wirst über mich sicher keine Fallstudie machen. Das erste elaurianisch-cardassianische Kind ist für dich ein Un-Fall!“

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