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One-night-stand

von Racussa

One-night-stand

„Commander, Fähnrich Ichep vermeldet sich…“

 

Ichep schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn, nahm erneut vor dem Spiegel Aufstellung, salutierte erneut und sagte: „Commander, Fähnrich Ichep meldet sich als Sternenflottenakademiepraktikant auf der Enterprise.“

 

Soll ich lächeln, oder eher ernst schauen? Wird mir Lächeln als Arroganz oder Unsicherheit ausgelegt? Werden sich die Leute hier fürchten, mit einer ehemaligen BORG-Existenz zusammenzuarbeiten. Seven hat mir viel darüber erzählt, wie fremdenfeindlich Menschen sind. Aber wenn ich Commander Riker meinen Vorschlag unterbreitet habe, wenn er meinen guten Willen sieht, dann…

 

Plötzlich ging die Tür zum Besprechungsraum auf und schnellen Schrittes trat Commander Riker ein. Er reichte Ichep die Hand zum Gruß, was diesen vollends verwirrte.

 

„Commander Ichep, Fähnrich Riker meldet sich als Sternenflottenadmiral auf der Enterprise.“

 

Riker mußte unwillkürlich lächeln. Er nahm Icheps rechte Hand, schüttelte sie und setzte sich dann an den Besprechungstisch. Mit der Linken deutete er auch Ichep, sich zu setzen.

 

„Danke für das Kompliment, aber aus dem Fähnrichsalter bin ich schon lange heraus. Und Sie sehen mir weder wie ein Admiral noch wie ein Commander aus, wenngleich Captain Janeways Lobeshymnen über Ihren Intellekt und Fleiß fast einer Beförderung zum Admiral gleichkommen. Sie haben die Voyager aus mehreren brenzligen Situationen gerettet. Bevor Sie auf die Sternenflottenakademie zur regulären Ausbildung kommen, werden Sie einige Monate mit uns durch das All fliegen und Ihr Praktikum absolvieren. Für welchen Bereich halten Sie sich am geeignetsten?“

 

Ichep räusperte sich.

 

Es war so viel leichter mit Seven, denn ihr mußte man immer nur die Hälfte erzählen, den Rest konnte sie ahnen. Aber mit ganz normalen Menschen war das ungleich schwieriger.

 

„Wahrscheinlich werde ich für den Bereich Astrometrie eingesetzt werden, weil der auf Raumschiffen von zentraler Bedeutung ist.“

 

Riker schaute kurz auf ein Display in der Besprechungstischplatte und nickte. „Ja, dafür hat Captain Janeway Sie in besonderer Weise vorgeschlagen. Danach habe ich aber nicht gefragt. Wenn Sie Offizier werden wollen, müssen Sie nicht nur wissen, was die anderen von Ihnen wollen oder wofür die Vorgesetzten Sie für geeignet halten, sie müssen auch eine realistische Selbsteinschätzung haben – und den Mut, das Urteil Vorgesetzter zu kritisieren. Ich wiederhole daher meine Frage: Für welchen Bereich halten Sie sich am geeignetsten?“

 

„Ich bin Brunali, daher ist mein Spezialgebiet Biotechnologie und Genetik. Ich würde gern im Forschungslabor oder auf der Krankenstation mitarbeiten. Später, wenn ich die Akademie absolviert habe, möchte ich der Föderation helfen, Krankheiten zu bekämpfen und mit umweltschonenden biologischen Mitteln Feinde wie die BORG aufzuhalten.“

 

Riker tippte wieder auf dem Tischplattendisplay herum und schaute dann zu Ichep. „Das ist ein interessanter Ansatz. Die Enterprise ist ein Forschungsschiff, auch in diesem Bereich gibt es viel zu tun. Wenngleich eine Raumstation oder eine Siedlungskolonie auf einem landwirtschaftlich nutzbaren Planeten dafür sicher noch besser geeignet wäre. Ich werde einen Termin mit Lieutnant Commander Huxbux, der Leiterin der Botanischen Abteilung vereinbaren. Möchten Sie sonst noch etwas sagen?“

 

Ichep schaute etwas verlegen auf die Tischplatte.

 

Ich habe es mir vorgenommen. Ich habe sein Psychogramm studiert. Er ist der geeignete Mann für dieses Experiment. Ich muss es wagen.

 

„Commander, ich würde gerne mit Ihnen ein Glas Absinth trinken und über eine Versuchsanordnung sprechen, für die ich Ihrer Hilfe bedarf.“

 

„Ein Glas Absinth? Um diese Tageszeit. Nun gut, das ist ungewöhnlich…vor allem, weil ich nicht wusste, dass die Brunali Absinth auch kennen. Aber…“ er schaute wie zur Prüfung, ob noch jemand im Raum sei, rechts und links, „grundsätzlich kann es nicht schaden!“

 

Ichep stand auf, ging zum Replikator und forderte an: „Computer, zwei Brumbrumbrrrrrrrr.“

 

Zwei Gläser mit einer milchig gelbgrünen Flüssigkeit realisierten sich. In den breiten Gläsern schwammen auch zwei an BORG-Kuben erinnernde grüne Eiswürfel. Ichep servierte die Getränke und setzte sich wieder.

 

„Wir Brunali bereiten Absinth nicht aus Wermut, Anis, Fenchel, Ysop, Melisse und Minze zu, sondern aus brunalischen Kräutern. Deshalb hat er eine mehr gelbliche Farbe. Aber Geschmack und Wirkung sind ähnlich wie bei dem Erdengetränk. Auf Ihr Wohl, Commander.“

 

 Während Ichep sein Glas in einem Zug leerte und die Eiswürfel scheppernd auf den Boden zurückklatschten, als er das Glas abstellte, mußte Riker schon beim ersten Nippen absetzen.

 

„Wow, das ist stark. Ich habe so etwas noch nie getrunken.“

 

Er trank einen kleinen Schluck und stellte das dreiviertel volle Glas auf den Tisch.

 

„Wenn wir nicht im Besprechungsraum eines Raumschiffs wären, müsste ich vermuten, dass Sie mich betrunken machen wollen. Wahrscheinlich verfügen Sie noch über BORG-Nanoalkoholausnüchterungsapparaturen in Ihrem Blut, die Ihnen einen Startvorteil verschaffen. Ich werde mir Ihren Plan einmal nüchtern anhören, vielleicht brauche ich danach ja dieses Getränk, um ihn gleich wieder zu vergessen…oder Ihnen bei der Umsetzung zu helfen.“

 

Ichep schwenkte das Glas und ließ die beiden schmelzenden Eiskuben einander verfolgen.

 

„Meine Bitte ist zweiteilig. Erstens möchte ich die Möglichkeit bekommen, mit Doktor Bashir zu sprechen, der sich zurzeit als Gast auf Ihrem Schiff befindet.“

 

Riker lachte auf: „Und dafür mussten Sie sich Mut antrinken. Drei Viertel der Besatzung werden Ihnen ein Getränk bezahlen, wenn Sie Zeit mit dem redseligen Doktor verbringen. Er ist zwar auf Hochzeitsreise unterwegs, aber es ist keine Schwierigkeit mit ihm ins Gespräch zu kommen – auch nicht für viele Stunden.“

 

„Doktor Bashir ist ein Experte auf dem Gebiet der Eugenik, nicht zuletzt aufgrund seiner persönlichen Erfahrungen. Und das wäre für den zweiten Schritt des Projekts sehr wichtig.“

 

Rikers Gesicht verfinsterte sich augenblicklich.

„Eugenik ist bei Strafe verboten. Selbst jede Art von Forschung, die nur ansatzweise in diese Richtung geht, ist untersagt. Auch Doktor Bashir ist da keine Ausnahme. Wir haben durch die Eugenischen Kriege genug gelitten. Künstliche Manipulation am Erbgut hat noch nie etwas Gutes gebracht. Da hilft Ihnen auch kein Absinth.“

 

Ichep winkte ab: „Es geht mir nicht um irgendwelche Formen hybrider Genmanipulationen im Labor. Wir Brunali halten wenig von künstlichen Eingriffen in die Erblinien, denn jede Art von technischer Apparatur würde sofort von den BORG geortet und zu weiteren Verschleppungen unseres Volkes mit anschließender Assimilierung führen. Wir haben uns auf die Kultivierung spezifischer Zuchtprogramme spezialisiert und sind damit sehr weit vorangeschritten. Meine Familie hat zum Beispiel seit acht Generationen ihre Partnerwahl so gestaltet, dass schließlich ich mit einem für die BORG tödlichen Retrovirus geboren werden konnte. Nichts anderes als gezielte Zeugungspartnerwahl steht mir im Sinn.“

 

Riker nippte skeptisch an dem Getränk: „Ich verstehe nicht, was das mit mir zu tun hat? Ich bin immer noch nicht im Klaren, was Sie hier wollen.“

 

„Ich werde mit Doktor Bashir die Besatzungsliste der Enterprise durchgehen und geeignete Zeugungspartnerinnen für mich aussuchen, deren Kinder dann ebenfalls das AntiBORGvirus in sich tragen könnten. Dabei sollten natürlich die Wahrscheinlichkeit einer Interspezieszeugung genauso berücksichtigt werden wie Talente und Begabungen der Partnerinnen. Ich habe an mir selbst mehrere Fruchtbarkeitstests durchgeführt und kann mit Stolz behaupten, dass meine Spermienqualität ausgezeichnet ist. Aber das wird sich mit der Zeit und dem Alter ändern. Ich befinde mich gerade im besten Zeugungszeitfenster – vielleicht nur mehr für weitere fünf bis zehn Jahre.“

 

Riker neigte verwundert den Kopf: „Sie möchten also mit Doktor Bashir ihre Traumpartnerin an Bord der Enterprise finden, um mit ihr BORGresistente Kinder zu zeugen. Er soll ihr Heiratsmittler sein? Was habe ich damit zu schaffen?“

 

„Sie verstehen mich ganz falsch, Commander. Meine Kinder werden nicht resistent gegen Assimilierung sein, so wenig wie ich es war, aber wenn sie später einmal assimiliert werden, wird das das Kollektiv massiv schwächen. Diese Information müsste natürlich dem Kollektiv zugespielt werden, die Abschreckung wird dann ein Schutz für die Föderation vor weiteren Angriffen sein, denn die BORG können nie sicher sein, ob nicht in einer zu assimilierenden Raumschiffbesatzung auch einer meiner Nachkommen sein wird. Natürlich tritt diese Schutzwirkung erst in ein paar Jahren ein, wenn meine Kinder alt genug sein werden, um auf Raumschiffen wie menschliche Schutzschilde mitzufahren. Natürlich würden sie – bei geeigneter Partnerinnenwahl – auch an Intellekt und Sozialkompetenz ausreichend ausgestattet sein, um neben der passiven Abschreckungsschutzwirkung auch ein gutes aktives Mitglied der Besatzung sein zu können.“

 

„Eine eher gewagte Theorie, aber gut, ich bin kein Humangenetiker und auch kein Landwirt. Wenn Sie wollen, sprechen Sie mit Doktor Bashir und lassen sich Ihre Traumfrau ausrechnen. Ganz ehrlich muss ich Ihnen aber sagen, dass ich selbst bei Wetschätzung ihres Spermas und mit Blick auf sehr fruchtbare Spezies die Effektivität ihres Planes durch die schiere Kleinzahl Ihrer Nachkommen sehr beschränkt sehe. Das würden wohl auch die BORG so wahrnehmen und das Risiko weiterhin eingehen, ganze Schiffe zu assimilieren.“

 

Ichep begann zu grinsen: „Und jetzt kommen Sie mit Ihrer Expertise ins Spiel, Commander. Ich habe viel über Sie gelesen und bewundere Ihr Talent, Frauen für kurzfristige Zusammenkünfte zu bezaubern. Mein Plan ist nämlich folgender: Doktor Bashir wählt mit mir hundert bis hundertfünfzig geeignete Besatzungsmitglieder auf der Enterprise aus, mit denen die Zeugung von Nachkommenschaft aus genetischen Gründen sinnvoll und für die Föderation von Vorteil ist. Dann komme ich mit dieser Liste zu Ihnen und Sie beraten mich und helfen mir, die jeweiligen Frauen für genau solche kurzen Zusammenkünfte mit hoher Zeugungswahrscheinlichkeit zu gewinnen. Denn, das verstehen Sie sicher, heiraten und mich für immer an EINE Frau binden, möchte ich nicht, das wäre für mein wissenschaftliches Arbeiten zu einschränkend.“

 

Riker griff nach dem Glas und leerte es in einem Zug. „Ich soll also ihr Flügelmann für hundertfünfzig One-night-stands auf der Enterprise werden?“

 

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