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Doppelzimmer

von Racussa

Doppelzimmer

„Das ist mir jetzt aber peinlich. Normalerweise sind unsere Shuttlepiloten kerngesund.“

 

„Gar kein Problem; ich denke, die Autopilotin und Sie werden mich schon gut zur Enterprise bringen. Es sind ja nur knapp achtundvierzig Stunden durch bekannten Raum. Und unsere Ärzte kümmern sich sorgfältig um Ihren ausgefallenen Piloten. Für mich ist diese Reise wie ein Urlaub, fernab von meinen geschäftlichen und gesellschaftlichen Verpflichtungen. Und auch wenn ich nicht gerade große Lust habe, der Enterprise Richtung Andoria nachzufliegen, so ist es mir doch ein Anliegen, die mit Captain Picard begonnen Gespräche fortzuführen. Und ich bin mir Ihrer Unterstützung ja gewiss, wie Sie beim letzten Mal bewiesen haben!  Darf ich es einmal sagen?“

 

„Was?

 

„Energie! So sagt man doch bei Ihnen in der Föderation, wenn es los geht, oder?“

 

Deanna aktivierte die Autopilotin und lehnte sich im Sitz zurück. Grilka drehte ihren Sitz etwas zu Deanna.

 

„Das machen wir nur auf der Brücke der großen Schiffe so, damit alle den Willen des Captains bemerken. Gemäß einer veralteten Vorschrift müssten sich auch alle an ihre Position begeben und festhalten für den Fall, dass die Trägheitsdämpfer versagen.“

 

„Da wir hier ja sitzen, ist das für uns kein Problem. Irgendwie freue ich mich auf die kommenden Stunden mit Ihnen im Shuttle. Es ist fast, als ob man mit einer zufälligen Bekanntschaft ein Doppelzimmer teilen würde. Da gibt es dann viel Gelegenheit, den anderen kennen zu lernen, Neues zu erfahren – und Erfahrungen auszutauschen.“

 

Deanna rückte in ihrem Sitz zurecht.

 

„Sie sind Betazoid und können meine Gedanken lesen?“, fragte Grilka, während sie begann, den Verschluss ihres massiven Armbandes zu lösen.

 

„Ich bin Halbbetazoid; und ich kann nur Gefühle und Stimmungen wahrnehmen. Allerdings ist das bei Klingonen etwas schwierig, weil sie so viele so starke Gefühle gleichzeitig empfinden. Wenn Sie mir etwas sagen möchten, muss ich schon bitten, dass Sie es in der herkömmlichen Form tun.“

 

Grilka schnallte auch das zweite Armband ab. Deanna rückte nochmals ihren Sitz zurecht und musterte mit größerer Aufmerksamkeit als nötig die Anzeigentafeln. Grilka stand auf und begann, ihren Halsschmuck zu öffnen.

 

„Wir werden jetzt doch für einige Stunden unterwegs sein?“

 

Deanna suchte mit dem Finger die Anzeigen ab: „Bei dieser Geschwindigkeit etwa noch…ungefähr…47 Stunden und 43 Minuten.“

 

„Ich bin keine Empathin, aber ich merke, dass Sie nervös sind. Drehen Sie sich um!“

 

Deanna reagiert nicht.

 

„Drehen Sie sich um, die Autopilotin funktioniert von selbst.“

 

Deanna dreht sich um. Grilka stand in der Mitte des Shuttles und hielt die beiden großen Armreifen und den üppigen Halsschmuck in Händen. Sie warf die Ringe in die Luft, wo diese zu rotieren begannen und durch den Raum flitzten. Das Geschmeide wirbelte sie mit der Hand herum und warf es schließlich kräftig auf den Boden. Dort verformte sich das goldene Metall zu einem Ring von etwa drei Metern und zwanzig Zentimetern Durchmesser. Die Armreifen torkelten weiter durch das Innere des Shuttles, und Deanna versuchte verstört, ihnen mit ihrem Blick zu folgen.

 

„Lady Grilka, was soll das?“

 

„Kommen Sie erst zu mir in den Kreis!“

 

Zögerlich stand Deanna auf. Die herumfliegenden Armreifen machten sorgfältig Bögen um alle Gegenstände, sodass sie keine Angst zu haben brauchte, von den schweren Metallteilen getroffen zu werden. Erst als sie über die metallene Linie auf dem Boden getreten war, wurde Deanna von Grilka mit einem Handschlag begrüßt.

 

„Ich traue der Föderation nicht besonders, vor allem nicht ihren Sicherheitsüberprüfungen. Die Sensotachynialkreisel verhindern zuverlässig jede Art von Abhörung oder Aufnahme; und zwar sowohl von Seiten der Föderation wie auch von Seiten der Feinde der Föderation.“

 

„Und wozu dient der metallene Kreis auf dem Boden?“

 

„Der Kreis? Nur zur Dekoration. Außerdem markiert er den Bereich der absoluten Abhörsicherheit.“ Grilka betätigte einen ihrer massiven Ohrringe, und die beiden Kreisel begannen in engeren Bahnen um das ungleiche Paar zu rotieren. „Das spart Energie!“

 

„Ich verstehe den Sinn dieser Maßnahme nicht. Was soll nicht abgehört werden?“

 

Grilka rieb sich die gefurchte Stirn mit der rechten Hand. „Ich traue der Föderation nicht. Aber Sie scheinen mir anders zu sein. Ich habe Captain Picard bei unserem letzten Gespräch mehrere Hinweise gegeben, dass es wohl in einem bestimmten Bereich der Föderationsregierung einige Ungereimtheiten gibt. Aber er scheint mir gar nicht zuzuhören. Entweder, weil er mir nicht traut, oder weil er mit den Unregelmäßigkeiten einverstanden ist.“

 

Und ich hatte den Eindruck gehabt, dass das Gespräch zwischen den beiden gut verlaufen ist. Natürlich hat Jean-Luc gewisse Bedenken, vor allem wegen der Ferengi-Beziehung von Grilka, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass er ihren Worten nicht getraut hat. Habe ich überhört, was sie über Unregelmäßigkeiten gesagt hat.

 

„Ich denke nicht, dass Captain Picard irgendwelche Unregelmäßigkeiten unterstützen würde.“

 

„Dann misstraut er mir also?“

 

„Hmm…nicht direkt…aber er hat eine negative Erfahrung mit Ferengi gemacht, die einmal die Enterprise geentert hatten. Und weil Sie ja einmal mit einem Ferengi verheiratet waren, der Sie auch später noch finanziell beraten hat…“

 

„Wie kleinlich ist das denn! Ich habe sichere Nachrichten über seltsame Vorgänge im Multiversiellen Besonderheitssecernat. Ich habe mehrmals versucht, Captain Picard einzuspannen, um den Präsidenten auf diese Unregelmäßigkeiten hinzuweisen. Aber er sagt, Politik ist nicht Aufgabe der Sternenflotte. Er setze um, er stürze nicht um. Aber will ich einen Staatsstreich? Selbst, wenn das einiges Verlottertes in der Föderation vielleicht aufbrechen würde?“

 

„Wollen Sie einen? Das Klingonische Imperium ist ja nicht gerade für seine demokratischen Regierungsumbildungen bekannt. Ich meine, ich kann verstehen, wenn Captain Picard gegenüber gewaltsamen Lösungen skeptisch ist. Es gab zwar vor langer Zeit eine Verschwörung…aber“

 

„Ich rede nicht von Neuralparasiten. Ich rede von Menschen! Die bewusst jene Daten auswählen, die dem Präsidenten und dem Föderationsrat vorgelegt werden; die Entscheidungen in bestimmte Richtungen beeinflussen wollen…Und die eine klare Gegnerschaft zu Klingonischen Idealen pflegen.“

 

Deanna schüttelte ihr üppiges Haar und trat aus dem Kreis, was einen der Kreisel zu einem kühnen Ausweichmanöver veranlasste.

 

„Das ist lächerlich. Natürlich gibt es im Beraterinnenstab des Präsidenten auch Leute die antiklingonisch eingestellt sind, aber eine systematische Fehlinformation? Das ist eine der schrägsten Verschwörungstheorien, die ich je gehört habe. Doch bei Verschwörung: Ist es wirklich Zufall gewesen, dass unser Pilot so kurzfristig erkrankte?“

 

Grilka blieb in der Mitte des Kreises stehen und ballte zornig die Fäuste.

 

„Ich habe ihm eine geringere Dosis des Giftes verabreichen lassen, mit dem der klingonische Botschafter beim Föderationsrat daran gehindert wurde, an der Sitzung teilzunehmen, wo es um Verhandlungen mit der Breen Konföderation ging. Es war ein Purgativum, das ihn mehrere Tage außer Gefecht setzte bzw. daran hinderte, seinen Wohnsitz zu verlassen. Ich habe Beweise dafür, dass das ein bewusster Sabotageakt jener Verschwörer war!“

 

Deanna ging zum Replikator und überlegte, ob sie eine heiße Schokolade oder einen Obstsalat bestellen sollte.

 

Diese Frau ist ja schlimmer, als der Captain sich erträumt hatte!

 

„Und welche Beweise sollen das sein?“

 

„Die Rechnung! Um einen Klingonen von der Größe Botschafter Knuts aus dem Haus Stunk so krank zu machen, bedarf es eines sehr speziellen Wirkstoffs, der auf der Erde nicht zu haben ist. Mein Ex-Mann hat über verschiedene Wege einem Föderationsbeamten dieses Mittel verkauft. Aus den Stuhlproben von Botschafter Knuts konnten klingonische Wissenschaftler später feststellen, dass es genau dieser, radioaktiv markierte Wirkstoff war, den Quark verkauft hatte. Damit habe ich den Beweis für die intriganten und klingonenverachtenden Machenschaften des MBS!“

 

Deanna war der Appetit vergangen und sie drehte sich wieder zu Grilka um: „Habe ich das richtig verstanden: Sie selbst haben wissentlich über ihren Ex-Mann ein Mittel verkauft – und es noch dazu vorher radioaktiv verseucht – um einen klingonischen Botschafter lahmzulegen?“

 

Grilka hielt kurz inne: „So wie Sie das sagen, klingt das wie ein Vorwurf. Ein Krieger muss auch Schmerz aushalten. Ein altes klingonisches Sprichwort sagt: ‚Drei Menschen auf einmal verdirbt Verleumdungsgift: Den, der es spricht, den, der es hört, den, den es betrifft.‘ Ich brauchte einen Beweis; und jetzt habe ich ihn, aber Sie glauben mir immer noch nicht. Lesen Sie meine Gefühle!“

 

„Ich sehe eine Klingonin, die einen Sternenflottenpiloten und einen klingonischen Botschafter vergiftet hat…Ihr Inneres ist voll Zorn. Wer sagt mir, dass nicht ihr Ex-Mann den Botschafter vergiftet hat, damit Sie Zwiespalt in die Föderation bringen können?“

 

„Hier ist der Beweis“, Grilka holte aus ihrem üppigen Rock ein Lesebrett und hielt es Deanna hin. Diese nahm es zögerlich und aktivierte es.

„Quark nahm auf Anweisung des Mittelsmannes ein Doppelzimmer im Hotel Malevue in San Francisco; ein Hotel, dessen Flurteppiche sich an den Rändern aufwölbten und dessen Fenster noch aus Glas und ungeputzt waren. Nach einem Abendessen im Zimmer, bei dem es in zerlassener Butter servierten Hummer mit Rohrmadenpüree und pochierten Eiern gab, einen mittelmäßigen Rosé-Champagner Jahrgang 2356 und als Dessertersatz eine künstliche Paradiescreme mit so genanntem Vanillegeschmack, verkaufte mein Ex-Mann dem Mittelsmann des MBS das Gift für dreihunter Streifen goldgepresstes Latinum, welches dieser in einer aus Lederimitat bestehenden Aktentasche mitgebracht hatte. Danach sahen sich die beiden noch eine Schwarz-Weiß-Übertragung von irgendwelchen Sportwettkämpfen an, wo Frauen in Schlammbecken miteinander ringen.“

 

Was für ein ekelhaftes Doppelzimmergeschehen. Und so, wie das beschrieben wurde, muss das auch ein ganz unerträgliches Hotel sein. Natürlich würde dort niemand von der Sternenflottensicherheit nach Übeltätern suchen.

 

„Und wer soll dieser Mittelsmann gewesen sein?“

 

„Captain Girolami vom Statischen Trio des MBS.“

 

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