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Murphys Gesetz

von Racussa

Murphys Gesetz

Warum kann ich nicht Urlaub machen? In einem warmen Schlanmloch in Mühlien oder Mostien. Aber nein, ich sitze hier, in diesem insektisch ausgestatteten Labor und wache über eine Wanne voller Schleim. Und Doktor Nhlox ist die meiste Zeit unterwegs.

 

Es ist der vierte Versuch, einen Klon dieses Menschen heranzuziehen. Die ersten drei Experimente haben nur nicht lebensfähige Zellhaufen erzeugt. Liegt es daran, dass weibliche Menschen leichter zu klonen sind? Hätte man die genetischen Verbesserungen aus der Haar- und Nasenschleimprobe von Doktor Bashir nicht integrieren sollen. Humangenetik ist sehr komplex, viel umständlicher und weniger nachvollziehbar als saurische.

 

Nelen ging wieder um den Biogenerator herum und tastete vorsichtig mit seinen drei Klauen auf dem zerkratzten Display herum.

 

Und was sollen diese fragilen Bedienelemente? Nur weil Menschen keine effizienten Hände sondern nur fünf so blutgefüllte Hautlappen haben, können sie doch nicht annehmen, dass alle Wesen des Universums so verletzlich gebaut wären. Wenn ich ein Labor wie auf dem Mutterschiff oder gar einem Stadtschiff hätte, würde ich diese Technologie hier um ein Vielfaches verbessern können. Aber so: Menschliche Grundbausteine und romulanische Ersatzteile: Wie erbärmlich.

 

„Computer, führe eine Level-sechzehn-Diagnose des Klons durch.“

 

Der Computer gab einige Piepslaute von sich, dann sagte die metallische Stimme: „Gastrula-Stadium erreicht, leite zweite Nutrifizierungsphase automatisch ein.“

 

Soweit waren wir bei den letzten beiden Malen auch schon. Nur gut, dass wir eine ausreichend große Blutprobe von Captain Picard auf der Raumstation nehmen konnten.

 

„Computer, stabilisiere Nitromethangehalt der Nährlösung!“

 

Nelen tastete wieder auf dem Display herum, als die Tür sich öffnete und Admirälin Racussa eintrat.

 

Ach, jetzt auch noch diese schlechtgelaunte, ofenrohrstimmrige Kommandantin, die keine Ahnung von Genetik hat.

 

„Professor“, tönte die raue Stimme, „dieses Schiff wird nicht im Orbit von Romulus bleiben können. Wir werden sie mitsamt dem…Gerät…in den Tranischen Palast bringen. Dazu müssen wir alles, was sie brauchen, in ein Shuttle transportieren.“

 

Hier entsteht gerade ein Lebewesen, das kann ich doch nicht anhalten, nur weil wir kein Parkticket für den Orbit von Romulus haben. Geht denn heute alles schief?

 

„Admirälin, ich gönne Ihnen und der Crew den Urlaub, aber jetzt kann dieses Experiment nicht unterbrochen werden. Und der Biogenerator verfügt über keine interne Energiequelle, die länger als fünfzehn Minuten den Betrieb aufrecht erhält.“

 

Die Admirälin beugte sich vor und schaute durch den oberen, durchsichtigen Teil in die Wanne.

 

„Ich sehe da drin nur Schleim. Warum starten Sie das Projekt nicht im Tranischen Palast neu. Dort steht Ihnen auch anderes wissenschaftliches Personal zur Verfügung. Jedenfalls hier kann ich Ihnen nur knapp eine Stunde geben, bis das Verladen beginnen muss.“

 

Ich dachte, der Plan soll so gut als möglich geheim gehalten werden? Wie soll denn das auf Romulus gehen, wo jeder mindestens zwei Geheimdienstabteilungen angehört?

 

„Warum kann ich Sie nicht dorthin begleiten, wo das Schiff auf Urlaub hinfliegt? Ich bin ganz leise und verweile hier im Labor. Doktor Nhlox war mir vorher keine große Hilfe, er wird mir daher auch jetzt nicht abgehen. Wir sollten die Frage der Senatrix vorlegen.“

 

Racussa ballte die behandschuhte Linke zur Faust.

 

„Ich bin Kommandantin dieses Schiffs! Und wenn ich jetzt erneut ausgeschickt werde, um sinnlos die Ränder der Neutralen Zone zu durchsuchen nach Spuren eines verschollenen Schiffs, dann sind Sie der Letzte, den ich auf einer solchen Fahrt mit Minimalbesatzung gebrauchen kann.“

 

Peinlich genug, dass eine Admirälin ein unromulanisches Raumschiff fliegt, erst recht, wenn es darauf so gut wie keine Besatzung gibt.

 

„Aber Trsz’s Reparaturen und Einweisungen in die insektoidische Denkstruktur des Schiffes werden vieles erleichtern. Trotzdem wird diese Suche kein Urlaub.“

 

Vielleicht klappt ja die Verwirrungstaktik.

 

„Haben Sie, Admirälin, schon mal von Mör Fis Gesetz gehört? Mör war ein Saurier aus dem Stamm der Coelurosauriden. Das Gesetz bezieht sich auf das Überleben einer Herde als Entscheidungsgrundlage des Leittiers und lautet: ‚Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.‘ Deshalb, Admirälin, rate ich Ihnen, den Wachstumsprozess nicht zu unterbrechen. Lieber fliege ich mit Ihnen durch die Neutrale Zone, als den vierten Klonversuch einem Risiko auszusetzen.“

 

Racussa schaute noch einmal, diesmal intensiver in den Schleim. „Ich sehe darin nichts. Und sicher kennen Sie das von dem Remaner Praxitekles formulierte Laplace-Azimut. Damit wird ein genaues, um den Einfluss der Lotabweichung reduziertes Azimut zwischen zwei Trigonometrischen Punkten im Netz erster Ordnung bezeichnet. Es dient zur Kontrolle und Berichtigung der Fehlerfortpflanzung in ausgedehnten Triangulationsnetzen. Mit seiner Hilfe werden wir Sektor für Sektor nach Resten des verlorenen Schiffs suchen. Und das kann Monate dauern.“

 

„Monate brauche ich auch, um den gereiften Klon wachsen zu lassen. Und dann wohl noch Jahre, um ihn für den Einsatz vorzubereiten. Wenn es der Senatrix überhaupt gelingt, den Senat von diesem Plan zu überzeugen. Den Pseudopicard einzuschulen, auf seine Arbeit für das Imperium zu drillen und dann auch noch gegen das Original auszutauschen wird eine gigantische Planung benötigen.“

 

Racussa ging um den Biogenerator herum, um von der anderen Seite hinein zu schauen: „Ich sehe vorerst nur Schleim! Langweiligen, irdischen Schleim. Ihre Aufgabe ist es, uns den Menschen zu erbrüten, was wir dann mit ihm machen, dass entscheidet der Senat. Und er wird das Projekt auch durchziehen. Haben Sie schon mal vom Avogadroschen Gesetz gehört. Die Remanerin Avo Gadro hat es zur Beschreibung der romulanischen Politik verwendet. Nach ihm haben alle Ecksteine bei gleicher Temperatur und gleichem äußerem Druck in gleichen Zeitabschnitten die gleiche Zahl an Entscheidungsveten gegen die Vorschläge der anderen drei Ecksteine eingebracht.“

 

„Welche Ecksteine? Und was soll dieses nebulose Gesetz unserer Diskussion helfen?“

 

Racussa tastete vorsichtig auf dem Display herum, doch Nelen schob ihre Hand weg.

 

„Die vier Ecksteine des Imperiums: Der Senat, die Kurfürstinnen, die Pares und die Curia. Oder wie ein altes remanisches Sprichwort sagt: Romulus hat für jede Extremität eine Fessel erfunden. Das Gesetz ist klar formuliert: Jeder Eckstein möchte sich auf Kosten der anderen profilieren und zugleich müssen allem dem Imperium dienen. Wenn daher der Senat den Pseudopicardvorschlag macht, wer garantiert uns, dass die Curia ihn nicht aus religiösen Gründen ablehnt, die Kurfürstinnen ihn für zu teuer halten oder die Pares ihn für unromulanisch erklären und schmollen. Ich habe schon Aufzeichnungen von Senatssitzungen gesehen, die eher einer Schlangenkampfarena als einem Diskussionsort glichen.“

 

„Machen Sie Schlangen nicht herunter, sie sind auch Reptilien! Und das hätte Mör Fi trotzdem einfacher gesagt: ‚Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.‘ Es ist nur ein Wunder, dass das Imperium trotzdem so lange funktioniert hat.“

 

„Das ist der Vorteil.“, raunte Racussa mit ihrer kratzigen Stimme, „Des Vier-Kammern-Systems: Wenn eine die Katastrophe auslöst, gibt es drei andere, die Gegenmaßnahen ergreifen. Außerdem lebt das Imperium von der unbezahlten Sklavenarbeit der Remaner! Und da sind sich die vier Ecksteine immer einig. Nur das Militär hat uns bis jetzt in höhere Ränge aufsteigen lassen.“

 

Der Voth-Wissenschaftler schaute zum ersten Mal bewusst auf die hünenhafte Admirälin.

 

Bis jetzt war mir diese arrogante Kommandantin immer nur lästig. Aber sie scheint eine schwere Geschichte zu haben: Die einzige Chance, aufzusteigen, ist dem unterdrückerischen Regime vorbehaltlos zu dienen. Wie gut, dass wir automatisch in die jeweiligen Zirkel hineingeboren sind. Und eigentlich ist sie viel belesener, als ich vermutete.

 

„Haben remanische Wissenschaftler schon einmal über die Anwendung des Gesetzes von Malus auf ihre Analyse der politischen Vorgänge im romulanischen Imperium nachgedacht, das die Intensität einer linear polarisierten Welle nach dem Durchgang durch einen idealen Polarisator beschreibt in Abhängigkeit vom Winkel, um den die optische Achse des Polarisators gegen die Polarisationsrichtung der Welle verdreht ist. So könnte das remanische Volk durch geschickte Provokation von Gegenmaßnahmen einzelner ‚Ecksteine‘ das Verhalten der je anderen drei um einen Grad α verdrehen. Dann könnte eine allzu große Verfolgung der Remaner durch eine der vier Kammern – geschickt provoziert – die Unterstützung, ja vielleicht sogar die Befreiung der Remaner bewirken.“

 

Racussa schüttelte den Kopf und ihr umgeschnallter Dolch kratzte über das Display.

 

Die metallische Computerstimme krächzte: „Die Befreiung der Remaner bewirken.“

 

„Was haben Sie denn jetzt angestellt? So etwas hat der Computer noch nie gesagt…“

 

Racussa drehte sich um und schwang ihren wuchtigen Umhang Nelen ins besorgte Gesicht: „Gut, Sie bleiben an Bord, wir werden schon sehen, welches Gesetz sich am ehesten erfüllt.“, und noch an der Tür wandte Racussa sich um, „Wer weiß, vielleicht können wir dem Klon ja sagen, er sei ein Remaner?“

 

Nelen schüttelte den Kopf: „Wir sollten nicht zuviel mit seiner Psyche experimentieren, wenn schon seine physische Existenz so fragil ist. ‚Wenn es mehrere Möglichkeiten gibt, eine Aufgabe zu erledigen, und eine davon in einer Katastrophe endet oder sonst wie unerwünschte Konsequenzen nach sich zieht, dann wird es jemand genau so machen.‘ Wir sollten einen willfährigen Sternenflottencaptain als Informanten formen, nicht einen labilen Befreier, dessen Handeln dann auch keiner von uns mehr zügeln könnte.“

 

Racussa murmelte heimlich: „Ängstliche Echse!“, bevor sie sich laut verabschiedete: „Ich werde der Senatrix mitteilen, dass Sie aus Geheimhaltungsgründen an Bord bleiben…Auch wenn uns das wahrscheinlich die Wiederkehr von Rivil oder einem seiner aktiven Tal’Shiar-Geschwister einbringen wird, der sicher bei der Erweckung unserer Geheimwaffe dabei sein will.“

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