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Neue Herausforderung

von Racussa

Neue Herausforderung

„Der Ausschuss erkennt sie als schuldig und verurteilt Sie wegen der Manipulation eines Universitätsshuttles und des unerlaubten Nachbaus einer romulanischen Tarnvorrichtung zu einer Beurlaubung von sechs Monaten, einem Beförderungsstop für fünf Jahre, einem Studienverbot von vier Wochen und einer gemeinnützigen Tätigkeit von drei Stunden pro Woche für die nächsten zwei Jahre. Mit der Überwachung des Vollzugs wird Doktor Julian Bashir oder sein rechtmäßiger Vertreter als Leiter der Sonderabteilung für Humangenetik beauftragt. Unter Berücksichtigung Ihres Geständnisses und Ihrer bisherigen herausragenden Leistungen wird von einer Veröffentlichung der Strafe über den Universitätsnewsletter hinaus abgesehen. Gegen dieses Urteil ist eine Berufung an das Wissenschaftsgericht des Föderationsrates möglich.“

 

Jeder der fünf Richter schlug mit einem Schlägel gegen den Gong vor seinem Platz. Dann verließen sie den Raum. Auch die Studentinnen und Studenten aus der Galerie begannen, den Saal zu verlassen.

 

Wesley und Duncan standen vor der hohen Richtertribüne, hinter sich vier Sicherheitsbeauftragte der Universitätswache. Diese blickten sich gelangweilt an, bis der erste sagte: „Hey, Jungs, wir müssen Euch noch bis zum Ausgang des Saals begleiten, wenn ihr uns also bitte folgen wollt. Die schriftliche Fassung des Urteils wurde euch bereits auf eure Lesekonten übertragen. Den Weg zur universitären Kanzlei für gemeinnützige Tätigkeit kennt ihr, oder?“

 

Wesley nickte.

 

Die vier Uniformierten geleiteten Duncan und Wesley zur großen Tür, über der das Wappen der Universität mit dem markanten Wahlspruch ‚Arcersiveram et intellexi‘ prangte.

 

Was für eine Doppeldeutigkeit. Uns haben sie immer erklärt, es heiße: Ich hatte gesucht und ich habe gefunden; aber mein Lateinübersetzer hat mir auch angeboten ‚Ich hatte angeklagt und habe gefunden‘. Soviel zu Universitätsgerichtsbarkeit, aber es hätte schlimmer kommen können. Sie haben nichts von den Klonen mitbekommen. Ob Captain Su da etwas manipuliert hat? Ich bin ja schon gespannt, was das für eine gemeinnützige Tätigkeit sein wird: Lehrsaalsitzflächen reinigen? Universitätsfenster putzen oder nach einer Studentinnenparty aufräumen? Es gibt Schlimmeres.

 

„Macht‘s gut…oder tarnt es beim nächsten Mal besser.“, verabschiedete sich grinsend der Anführer der Wächter.

 

Was für ein Hohn, Studenten für diesen Dienst tageweise einzuteilen. Und dann kann man sich auch noch diesen Spott anhören.

 

„Na ja, Wasilis Scherze waren auch schon mal lustiger. Komm schon, gehen wir zu diesem vermaledeiten Büro, holen uns unsere ‚gemeinnützige‘ Aufgabe und dann ab in das Hauptquartier.“

 

Duncan klopfte Wesley ermunternd auf die Schulter und schlendert den Gang entlang los.

 

„Nein, ich geh heute nicht mit ins Pijemy wódkę i piwo. Warst du schon mal im Büro der Sozialtante?“

 

„Bei Miss Musso? Machst du Witze? Da geht doch niemand freiwillig hin.“

 

Beide kamen vor der Tür an, deren obere, verglaste Hälfte mit der Überschrift ‚Universitätsobersozialoberregeneratorin DDr. Grace Musso‘ beschriftet war. Duncan betätigte den Taster neben der Tür und ein schrilles Geräusch forderte zum Eintreten auf.

 

An einem schwarz gestrichenen Schreibtisch saß ein studentisch wirkender Mitarbeiter mit schwarzer Uniform und schwarzen, zu einem schmalzigen Zopf zusammengebundenen Haaren. Er schaute kurz auf und deutete dann auf eine weitere Glastüre, die offen stand.

 

„Gehen Sie gleich rein! Die geehrte Universitätsobersozialoberregeneratorin erwartet sie bereits.“

 

In Erzählungen anderer wurde sie immer ‚gnadenlose Grace‘ genannt. Soll ich mich jetzt fürchten?

 

Hinter einem gigantischen, aus schwarzem Polymer gegossenen Schreibtisch thronte, in einer schwarzen Sternenflottenuniform mit roten Borten Miss Musso. Wesley und Duncan stellten sich vor den Schreibtisch und warteten, während sie eifrig auf zwei Lesebrettern tippte. Nach einer Weile schaute sie über den Rand ihrer Brille auf die beiden.

 

„Quod non fregi, non sanabitur.“

 

Duncan und Wesley schauten sich ratlos an.

 

Warum ist Latein aus dem Universaltranslator der Universität ausgenommen. Es ist doch ein Hohn, dass man hier immer noch so viel Wert auf diese tote Sprache legt.

 

„Mein Herren Studenten, die nächsten zwei Jahre werden Ihnen viel Gelegenheit geben, Ihre Lateinkenntnisse zu verbessern. Betrachten Sie diese Zeit als einen ausführlichen Sprachurlaub, eine ganz neue Herausforderung. Ich lese hier, Sie studieren Humangenetik? Eine Hilfswissenschaft für die Sozialpsychologie, aber gut. Warum haben Sie dann eine Tarnvorrichtung nachgebaut? Aber gut, dass geht mich ja nichts an, dass hat das Richterkollegium entschieden. Ich wurde beauftragt, mir eine gemeinnützige Arbeit auszudenken, die Ihrem Niveau entspricht und die auf zwei Jahre aufgeteilt werden kann. Das wiederum war für mich eine ganz schöne Herausforderung.“

 

Sie stand auf und nahm ein langes, rot lackiertes Lineal in die Hand und schlug damit sanft auf die andere Handfläche.

 

Wieso muss sie sich etwas ausdenken? Ich dachte, gemeinnützige Arbeit wäre etwas, das sowieso gemacht werden muss, nur eben billiger durch Verurteilte geschieht? Gnadenlose Grace?

 

„Menschen und Pflanzen sind doch verwandt, oder.“

 

Duncan setzte zur Antwort an: „In einer…“

 

Miss Musso schlug mit dem Lineal auf den Schreibtisch: „Das war keine Frage an Sie! Wenn ich mich mit Ihnen unterhalten wollte, würden wir uns in der Mensa oder im Cafe treffen. Das hier ist mein Büro und hier wird nur gearbeitet. Menschen und Pflanzen sind verwandt. Und deshalb dürfte es für Sie nicht schwierig sein, botanische Genetik aufzufrischen. Für viele Studenten der anderen Fakultäten ist das wesentlich schwieriger. Es ist also eine gemeinnützige Arbeit, wenn Sie jede Pflanze, die größer als Moos oder Rasen ist, beschriften, die sich auf dem Universitätsgelände befindet. Und zwar nicht nur mit dem Namen sondern auch mit einer handgezeichneten Darstellung des Genoms, so wie Abbildungen von Wurzel, Stamm, Blüte, Blättern und Früchten…Und da wir ja zwei Jahre Zeit haben, wird Ihnen auch die Arbeit nicht ausgehen, denn wir setzen ja quartalsmäßig neue Blumen.“

 

Hmmm?

 

„Pflanzenart, meinten Sie, Ma’am?“, fragte Duncan kleinlaut, doch erneut sauste das Lineal auf den Schreibtisch nieder, woran es diesmal zerbrach. Miss Musso ging an die andere Seite des Tischs, holte aus einer Lade ein weiteres Lineal und ging wieder um den Tisch herum.

 

„Wenn ich jede Pflanzenart gemeint hätte, dann hätte ich das so auch gesagt. Ich meinte jede Pflanze, die größer ist als Moos oder Rasen. Brauchen Sie ein Lineal, um diese Größe abzuschätzen? Und nein, das war keine ernst gemeinte Frage.“

 

Jede Pflanze? Das ist keine Herausforderung, das ist ein Hohn. Was soll denn an handgezeichneten botanischen Darstellungen gemeinnützig sein? In welchen Fächern hat diese Universitätsobersozialoberregeneratorin denn ihre Doktorate gemacht? In Botanik und Kunst?

 

„Sie wirken skeptisch, Student Crusher. Halten Sie diese Aufgabe für unter Ihrer Würde? Möchten Sie gerne Ihre Mutter zu Rat ziehen? Ich kenne sie!“

 

Woher kennt sie mich? Ich war bisher noch nie in diesem Büro und ich hatte noch nie auch nur den kleinsten Verstoß.

 

„Und ich kenne auch Ihren Vater…leider nicht so gut, wie ich ihn kennen wollte, denn da ist Ihre Mutter mir ja dazwischengekommen…oder ihm, je nachdem, aus welcher Perspektive man das Ganze betrachtet. Aber keine Sorge, das hat keinen Einfluss auf meine Professionalität.“

 

Wieso halte ich das für Sarkasmus?

 

„Ich liebe Pflanzen. Mycobionten, Bryobionten, Cormobionten, alles ist mir recht. Und ich liebe Poesie mit blumigem Inhalt. Kennen Sie das alte acamarianische Sprichwort: Ärgere dich nicht darüber, dass der Rosenstrauch Dornen trägt, sondern freue dich darüber, dass der Dornenstrauch Rosen trägt?

 

Obwohl Wesley ihn zurückhalten wollte, ergriff Duncan das Wort, als Miss Musso sich gerade wieder dem Schreibtisch zuwandte.

 

„Ma’am, dass man an Rosen glaubt, das bringt sie zum Blühen.“

 

Obwohl beim ersten Laute das Lineal schon wieder gefährlich an Höhe gewonnen hatte, hielt sie inne und drehte sich erstaunt um.

 

„Aus derselben Blüte zieht die Biene ihren Honig und die Wespe ihr Gift.“

 

Duncans Blütensprüche übten offenbar einen seltsamen Zauber auf die Universitätsobersozialoberregeneratorin aus. Sie setzte an, etwas zu sagen, doch Duncan kam ihr erneut zuvor.

 

„Dem Fröhlichen ist jedes Unkraut eine Blume, dem Betrübten jede Blume ein Unkraut. Ma’am, wie ein klingonisches Sprichwort sagt.“

 

„Woher kennen Sie diese Gedichte…Und ja, Sie dürfen antworten.“

„Ich habe ein Seminar über föderationistische Pflanzenlyrik und –epigrahik besucht. Und Ihnen ist sicher vertraut, was die Tolosianer sagen: Die prachtvollsten Blumen blühen oft im Verborgenen.“

 

So ein Schleimer, so kenne ich Duncan ja gar nicht. Sicher bezieht unsere Therapeutin diesen Spruch auf sich in diesem abgelegenen Büro.

 

„Wenn Sie denken, sie könnten mich mit einem Semester Botanolyrik herausfordern, haben Sie sich gestochen: Auf Andoria sagt man: Eine Blume kann man abschneiden, aber den Frühling kann man nicht aufhalten.“

 

„Aber auf Vulcan bekennt man: Die Liebe, wenn sie sich in einer einzigen Blüte entfaltet, ist unendlich.“

 

„Die Son’a singen: Blumen sind die Liebesgedanken der Natur.“, sagte Miss Musso, während sie das Lineal auf den Tisch legte und näher an Wesley und Duncan herantrat.

 

„Und Cardassianer verwenden den Spruch: Es ist wichtiger, dass jemand sich über eine Klarizka freut, als dass er ihre Wurzeln unter das Mikroskop legt.“

 

Miss Musso wandte sich an Wesley: „Wie sieht es mit ihren Kenntnissen aus, Student Crusher?“

 

Ich…ich…oh Gott…Lyrik.

 

Wesley zögerte und suchte verzweifelt den Raum ab. Auf Miss Mussos Schreibtischsessel war in die Lehne mit rotem Faden ein Spruch in den schwarzen Stoff eingestickt.

 

„Blumen sind das Lächeln der Natur. Es geht auch ohne sie, aber nicht so gut.“

 

Miss Musso runzelte die Stirn.

 

„Zumindest können Sie lesen! Kennen Sie kein Blumenarrangement in Worten?“

 

Wesley stotterte: „Einmal war ein Gedicht auf einer Tafel Aphrodi-Schokolade, die ich mir in der Mensa als Nachtisch genommen habe. Ich vermute, es ging so irgendwie: Ich wand ein Sträußchen morgens früh, das ich der Liebsten schickte; nicht ließ ich sagen ihr, von wem und wer die Blumen pflückte. Doch als ich abends kam zum Tanz, und tat verstohlen und sachte, da trug sie die Hortensie am Busenlatz, und schaute mich an und es krachte.“

 

Miss Mussos Gesicht verfinsterte sich, weshalb Duncan sofort einsprang.

 

„Die Breen sagen: Die Zeit ist eine Vase, Es kommt darauf an, ob man Disteln oder Rosen hineinstellt. Und von den Edosianern heißt es: Die Blüte wirft alle ihre Blätter ab und findet die Frucht.“

 

Miss Musso wandte sich zornig ab. Duncan zögerte.

 

„Der Vasen-Spruch stammt von den Bolianern. Auf Breenam gibt es weder Disteln noch Rosen. Das einzige Breensprichwort mit Blumen ist: Die Blumen des Frühlings sind die Träume des Winters. Nun gut, wir haben genug gesprochen. Und wie ich schon sagte: Sie werden jede Pflanzenart, die größer als Moos oder Rasen ist, die sich auf dem Universitätsgelände befindet mit dem Namen, handgezeichneten Darstellung des Genoms, so wie Abbildungen von Wurzel, Stamm, Blüte, Blättern und Früchten und den Hauptaufstellungsgebieten auf dem Universitätsgelände in ein Dossier zusammenfassen und alle Bäume der Hauptallee händisch beschriften. Ist das klar!“

 

Duncan nickte Wesley verschwörerisch zu.

 

„Ja, Ma’am, danke, Euer Gnaden!“

 

Mit einer wegwischenden Handbewegung entließ die Universitätsobersozialoberregeneratorin die beiden.

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