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Nachtschatten

von Melui

Nachtschatten

Schnell, unsichtbar, Inszenierung nach Wunsch – wer jemanden loswerden wollte und das diskret, ohne sich die Hände selbst schmutzig zu machen, wusste, wohin er sich wenden musste. Im Untergrund von San Francisco trieb der Handel mit Auftragsmorden die irrwitzigsten Blüten, das war bekannt und geduldet. Admiral Christopher Pike unterhielt sein eigenes, dichtes Netzwerk an Informanten, dessen Ausläufer bis tief in die dunkelsten Schatten reichten. Dennoch hatte es Monate gedauert, bis er einen Namen hatte.

Nachtschatten

Jim Kirk.

Der Name hatte ihn sekundenlang in Ungläubigkeit erstarren lassen. Pike bildete sich viel darauf ein, stets auf jede Möglichkeit vorbereitet zu sein, aber damit hatte er nicht gerechnet, als er vor einem halben Jahr zum ersten Mal von dem neuen Jungen gehört hatte, der in San Francisco sein Unwesen trieb – namenlos, damals noch. Das Geschäft mit Auftragsmorden wurde nicht unterbunden, das wäre ohnehin nicht möglich gewesen. Gab es Morde in der Zivilgesellschaft wurden diese einzeln verfolgt und unter den Assassinen herrschten regelrechte Bandenkriege, in denen jeder für sich selbst kämpfte. Weder die Regierung noch die Sternenflotte mischten sich ein, denn solange sie sich selbst dezimierten, war das Problem überschaubar. Und wer lange genug überlebte, sich einen Namen zu machen, hatte unbestreitbar Potenzial.

Jim hatte überlebt, auch wenn es Pike schwerfiel, das mit dem fröhlichen, lieben Jungen in Verbindung zu bringen, das genaue Gegenteil seines taffen Bruders, als Pike ihn im Alter von fünf Jahren zuletzt gesehen hatte. Damals hatte George Kirks jüngster Sohn beunruhigend zart und naiv gewirkt, keine Spur der bedenkenlosen und geradlinigen Art, die seinem Vater und Bruder anheim gewesen waren.

Entsprechend traute Pike der Information, die sein Netzwerk zusammengetragen hatte, noch immer nicht ganz, während er durch die dunklen Gassen der Stadt schritt. Zielstrebig, ohne auf die Pfützen zu achten, in die er dabei trat, ging er voran. Er trug nicht seine Uniform, dennoch folgten ihm die Blicke der düsteren Gestalten, die hier und da in den Schatten lehnten, außerhalb der Lichtkegel der Straßenlaternen. Trotz der schlichten schwarzen Kleidung fiel er in diesem Viertel auf wie ein bunter Hund. Da das jedoch mit allen potenziellen Auftraggebern der Fall sein musste, konnte er davon ausgehen, dass die misstrauische Neugier, die ihm entgegengebracht wurde, darauf zurückzuführen war.

Admiral Pike bog in eine weitere Seitengasse ein und blieb dann einen Augenblick stehen. Das Schild über dem unauffälligen Hauseingang las sich schlicht „Quark’s“ und blinkte in grellen Farben. Und genau hier sollte George Kirks Sohn als Barkeeper arbeiten? Es schien unmöglich, aber Pike zögerte nicht und stieß die Tür auf. Der Lärm brach so augenblicklich über ihn herein wie ein Tsunami, der Boden bebte regelrecht unter den wummernden Bässen. Pike verzog das Gesicht, als die erste leicht bekleidete Gestalt ihn anrempelte und kichernd ohne ein Wort der Entschuldigung weitertorkelte. Der Admiral knurrte ihr einige unverständliche Worte hinterher und verschaffte sich dann einen kurzen Überblick. Das „Quark’s“ bestand aus einem einzigen großen Raum, der brechend voll war. Die Einrichtung konnte sich nicht entscheiden zwischen einem schäbigen, altmodischen Schick und dem hochmodernen reduzierten Look der Gegenwart. Es war düster und dennoch war nicht zu übersehen, dass diese Mischung nicht zusammenpassen wollte.

Doch deshalb war er nicht hier.

Mit einem tiefen Durchatmen begann Pike, sich einen Weg durch die Menge hin zur Bar zu bahnen. Einige Blicke folgten ihm auch hier, aber der Großteil der Feiernden war längst zu betrunken, um den Mann zu bemerken, der hier so fehl am Platz war.

Hinter dem Tresen standen zwei Barkeeper, der erste ein schweineschnäuziger Tellarit, der andere menschlich. Pike lehnte sich im Bereich des letzteren an die Bar und winkte ihn herbei. Der Mann war Anfang 20, das passte, war aber auch alles. Mit den schwarzen Haaren und der sonnengebräunten Haut blieben die hellen Augen jedoch der einzige weitere Hinweis darauf, dass es sich bei ihm tatsächlich um einen Kirk handeln könnte. Pikes Zweifel waren stärker denn je. Als Kind war Jim goldblond gewesen. Natürlich konnten sie gefärbt sein...

„Was kann ich Ihnen bringen, Sir?“, fragte der Junge und schien zugleich mit einem Ohr den kichernden Mädchen neben Pike zu lauschen, die auf ihn einplapperten. Schon in diesem einfachen Satz war ein leichter europäischer Akzent zu hören.

„Whisky“, orderte Pike und musterte den Barkeeper eindringlich. Nein, selbst ohne den Akzent war er sich jetzt sicher, dass es sich nicht um einen Kirk handeln konnte. Mit leichter Enttäuschung nahm Pike einen Schluck aus dem Glas, das ihm hingestellt wurde.

„Ich hab Sie noch nie hier gesehen“, sprach der Barkeeper ihn an, dieses Mal mit voller Aufmerksamkeit. „Sie sehen auch nicht aus, als würden Sie hierher gehören.“

Das war vorwitzig, Pike runzelte kurz die Stirn und entschloss sich dann doch zu einer Antwort. Womöglich wusste der Junge zumindest etwas.

„Ich suche jemanden.“

„Dachte ich mir schon fast.“ Der Barkeeper schmunzelte. „Sie sehen aus wie jemand, der zu Sam will.“

Pike drehte das Glas in den Händen und sah den Kerl vor sich scharf an. Sam? Den Namen hatte er in diesem Zusammenhang nie gehört, davon hatte keiner seiner Informanten gesprochen, aber es erinnerte ihn augenblicklich an Jims Bruder. Er wusste, wo Sam sich aufhielt und es war nicht auf der Erde, aber Jim hatte seinen Bruder geradezu vergöttert, also war es durchaus möglich...

Bevor er herausfinden konnte, was der Barkeeper für weitere Informationen als Gegenleistung erwartete, ging die Tür hinter dem Tresen auf.

„Da ist er ja schon“, teilte der Barkeeper ihm mit und rief über seine Schulter zu dem Neuankömmling hin. „Hey Sam! Hier ist jemand für dich.“

Der junge Mann, ebenso schwarz gekleidet wie die beiden anderen Barkeeper, im Gegensatz zu ihnen aber strohblond, drehte sich um und damit war es aufregende Gewissheit. Da war viel von Winona in seinem Gesicht, dazu Georges Augen, aber vor allem anderen schrie sein ganzes Auftreten so laut „Kirk!“, dass es unmöglich zu übersehen war. Er grinste, kam näher, als sein Blick jedoch auf Pike fiel, wurde er verschlossener, vorsichtiger.

„Alles klar, João“, sagte er und verscheuchte den anderen Barkeeper mit einem Wink. „Ich übernehme.“

Pike schmunzelte, leerte seelenruhig sein Glas und schob es über den Tresen. „Noch einen bitte.“

Sein Gegenüber kniff die Lippen zusammen, schenkte nach und lehnte sich dann stirnrunzelnd über den Tresen. Er blinzelte noch nicht einmal, während er ihn eindringlich musterte. Seine Augen waren von einem gar noch tieferen Blau als Georges, das war geradezu unheimlich. Aber Pike hielt der Musterung ungerührt statt und erwiderte sie weit weniger auffällig. Ohne ein direktes Wort an ihn gerichtet zu haben, verriet Jims Haltung schon so einiges. Inzwischen schlug er wesentlich mehr nach seinem Vater als er es früher getan hatte. Er war wachsam, hellwach und dabei angespannt wie ein Puma vor dem Sprung. Er konnte Pike wohl noch nicht einordnen, wer konnte es ihm verdenken, es war eine kleine Ewigkeit her, aber sein Instinkt sagte ihm wohl, dass er hier jemanden vor sich hatte, vor dem er sich in Acht nehmen musste.

Zu Recht.

Jim war dünner, weniger kräftig gebaut als sein Vater und sein Bruder aber unter dem engen schwarzen Shirt zeichnete sich ein muskulöser Körper ab, vielleicht nicht in Kraft überlegen, aber schnell würde er sein.

„Ich kenne Sie“, ließ Jim ihn wissen und bestätigte damit Pikes Vermutung, dass er sich nicht erinnerte, wer genau er war. Wüsste er es, hätte er es ihn wissen lassen. Er nickte.

„Und ich kenne dich – Jim Kirk.“ Falls ihn die Nennung seines Namens überraschte, ließ Jim es sich nicht anmerken. Doch, schloss Pike seine Einschätzung ab, da war einiges an Potenzial. „Ich bin Admiral Christopher Pike, Sternenflotte.“

Jim schnaubte abfällig. „Was will die Sternenflotte von mir?“

„Nichts“, schoss Pike zurück. „Noch nicht. Aber ich will dich.“

„Sie haben wohl ihre Rekrutierungsquote für dieses Jahr noch nicht erfüllt“, spottete Jim und begann den Tresen abzuwischen, wurde dann von einem der anderen Gäste abgerufen, bevor er zu Pike zurückkehrte.

„Ich habe einiges über dich gehört“, ließ Pike ihn wissen. „Ich weiß, was du tust, wenn du nicht hinter diesem Tresen stehst und ich brauche dir nicht zu sagen, dass ich genug gegen dich in der Hand habe, um dir die Todesstrafe einzubringen.“

Jims Augen blitzen auf. „Wollen Sie mir drohen?“, zischte er. „Ein gutgemeinter Rat: Lassen Sie’s.“

„Du hast Potenzial“, Pike schmunzelte erneut. „Warum dich mit Mittelmäßigkeit zufriedengeben, wenn du so viel mehr erreichen könntest?“

Es lag etwas Dunkles in Jims Grinsen. „Ich bin nicht mittelmäßig, in dem was ich tue. Ich bin der Beste. Das wird auch der Letzte noch verstehen.“

„Hier vielleicht. In den Straßen von San Francisco. Wenn du weitermachst, wirst du vielleicht irgendwann der beste Attentäter auf dem Erdboden sein, aber du wirst nichts bewegt haben. Du wirst keine echte Macht gehabt haben, du bleibst ein kleines Licht in der menschlichen Geschichte. Die Sternenflotte bietet dir wahre Größe.“

„Ja klar“, spottete Jim. „Wahre Größe - tatsächlich? Meinen Eltern hat sie ein Leben als Diener gebracht.“

Als Diener? Was für eine verdrehte Ansicht. „Dein Vater ist als einer der größten Helden gestorben, die das Imperium je hatte.“

Jim winkte offensichtlich unüberzeugt ab. „Er hat versagt.“

„Er hat 800 Leben gerettet.“

„Und die Romulaner entkommen lassen. Er hat Zeit seines Lebens nichts getan als zu dienen. Ich werde nicht denselben Fehler machen. Ich werde nicht die Befehle irgendwelcher alter Säcke befolgen für ein bisschen Ruhm und Ehre.“ Er spuckte die Worte regelrecht aus.

Pike Pike seufzte. „Wenn du hier bereits der Beste bist, welchen Reiz hat das alles dann noch? Das ist keine Herausforderung. Wenn du so weitermachst, bleibst du ein Nichts. An deinen Vater wird man sich erinnern. Falls du es besser machen kannst, dann beweise es.“

Womöglich hatte er ihn falsch eingeschätzt, dachte Pike sich noch während er sprach. In Jims Augen glomm auf einmal eine schwer beherrschte Wut, er hatte die Hände zu Fäusten geballt und wirkte, als wäre er kurz davor Pike an die Kehle zu gehen. Er war unbeherrschter, als Pike gedacht hatte, da brodelte ein Feuer, direkt unter der Oberfläche, gerade war es ganz deutlich. Jims Stimme klang gepresst, als er antwortete.

„Kein Bedarf“, zischte er. „Verschwinden Sie.“

„Vorsicht, Junge“, gab Pike zurück und richtete sich bedrohlich auf. „Du weißt nicht, mit wem du dich hier anlegst.“

„Ich denke schon, Christopher.“ Jim hielt seinem Blick stand ohne auch nur zu blinzeln, aber eine gewisse Unentschlossenheit meinte Pike ebenfalls zu entdecken. Der Junge bot ihm mit einer Dreistigkeit die Stirn, die ihm bei anderen das Leben kosten würde. So wie es nun aber stand, war er ein zu vielversprechendes Puzzle in Pikes Streben und dazu kam die Erinnerung an George, der einzige Freund, den er je gehabt hatte. Er würde dessen Sohn nicht als Verbrecher verrotten lassen. Und wenn ihn nicht alles täuschte, hatte er zumindest Zweifel in Jim geweckt. Womöglich genügte das schon – ansonsten würde er eben wiederkommen.

„Wenn du es dir anders überlegst, weißt du, wo du mich finden kannst“, erwiderte er also gelassen, leerte sein Glas und schob es über den Tresen. „Denke gut darüber nach, ob du dein Talent mit lächerlichen Auftragsmorden und Gläser waschen vergeuden willst.“

Wieder schnaubte Jim bloß, doch da war Pike schon aufgestanden und wandte sich zum Gehen.

„Auf Wiedersehen, Jim“, warf er ihm über die Schulter noch zu.

*


Als er aus dem Schlaf aufschreckte, konnte er zunächst nicht sagen, was ihn geweckt hatte, aber er war sofort hellwach. Irgendetwas stimmte nicht, das spürte er. Mit ruhigen, langsamen Atemzügen lauschte Pike in die Schwärze seiner Wohnung und wartete darauf, dass seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten. Ohne einen Laut zu verursachen tastete er nach seinem Phaser, den er am Abend wie immer griffbereit auf seinem Nachttisch platziert hatte. Es war nichts zu sehen und nichts zu hören und dennoch war da etwas – oder jemand. So geräuschlos wie möglich glitt Pike aus dem Bett und schlich schussbereit zur nur halb geschlossenen Schlafzimmertür.

Trotz der Dunkelheit konnte er im Wohnzimmer immerhin die Schemen seiner Einrichtung erkennen, sonst war da nichts Ungewöhnliches. Stirnrunzelnd schob Pike die Tür weit genug auf um sich hindurchzwängen zu können und schlich, den Rücken zu Wand, zwei Schritte in den Raum. Dann blieb er wieder stehen und lauschte erneut.

Etwas regte sich doch dort, noch immer kein Geräusch, das er hörte, mehr ein Gefühl... Pike fuhr herum, den Phaser im Anschlag.

„Sie waren ein Freund meines Vaters“, erklang eine bekannte Stimme aus der Dunkelheit. Was zum...

„Licht“, befahl Pike ohne den Phaser zu senken.

Jim Kirk fläzte auf seiner Couch, lässig und völlig unbeeindruckt von der auf ihn gerichteten Waffe. Die schwarze Lederweste und ebensolche Hose ließen ihn geradezu mit dem Möbel verschmelzen und obendrein war er von Kopf bis Fuß so dreckig, dass von der unbedeckten hellen Haut nur Flecken sichtbar waren. Er sah aus wie dreimal über den Schrottplatz gezerrt.

„Heißes Outfit“, bemerkte Jim grinsend und gab ihm den Daumen hoch. Pikes Finger schlossen sich fester um den Phaser. Er trug nur Boxershorts, das war ihm bewusst, und er würde sich von Jim Kirk nicht ablenken lassen. Das erste Treffen hatte gereicht um ihn erkennen zu lassen, dass der inzwischen mit allen Wassern gewaschen war.

„Wie bist du hier reingekommen?“, fragte Pike stattdessen harsch. Jim rollte mit den Augen und hob beide Hände, wackelte sogar ein bisschen mit den Fingern, ein demonstratives: „Keine Waffe, siehst du?“. Pike traute ihm nicht über den Weg, er wäre verrückt, das zu tun. Dennoch senkte er den Phaser langsam, nichtsdestotrotz auf alles vorbereitet.

„Antworte mir“, knurrte er.

Jim deutete vage hinter sich. „Durch die Tür natürlich, wie denn sonst?“

„Die Tür ist gesichert. Willst du mich für dumm verkaufen?“

„Oh Christopher. Nicht gut genug gesichert. Ich komme überall rein. Was ist denn los, so angespannt?“ Der kleine Teufel wagte es tatsächlich zu schmunzeln. „Komm mal runter, tief durcha-“

Pike hatte ihn am Kragen gepackt und in die Höhe gerissen, bevor er den Satz beenden konnte, aber auch jetzt lachte Jim nur leise. „Soll mich das beeindrucken? Du willst was von mir, nicht andersrum.“

Das Grinsen verschwand, als der Admiral ihm den Phaser an den Schädel hielt und ihn mit der anderen Hand aller Waffen entledigte, die er auf die Schnelle finden konnte.

„Das ist nicht die feine Art“, beschwerte Jim sich mit verdüsterter Miene, aber er wagte wohl auch nicht, sich zu bewegen oder zu wehren. Besser für ihn. Drei Messer und einen Phaser warf Pike hinter sich auf den Boden, bevor er Jim grob wieder auf die Couch beförderte.

„Bleib genau da“, befahl er mit einer Unnachgiebigkeit, die den Jungen wirklich an seinem Platz hielt, bemüht lässig zwar immer noch, aber bei weitem nicht mehr so aufsässig. Mit dem Fuß kickte Pike seine Waffen gänzlich außer Reichweite, senkte dann erst seinen eigenen Phaser wieder und setzte sich Jim gegenüber in den einzigen Sessel.

„Was willst du hier?“

Einige Sekunden lang schien Jim zu erwägen, gar nicht zu antworten. „Das Angebot annehmen“, rang er sich schließlich verbissen ab. Pike nickte leicht. Stimmte das? Er wusste zumindest nicht, was Jim sonst von ihm wollen könnte.

„Woher der plötzliche Sinneswandel?“

Jim schnaubte. „Nicht besonders plötzlich, ist ne ganze Woche her, dass Sie es mir unterbreitet haben. Meine Gründe sind nicht wichtig.“

Nachdenklich musterte Pike ihn und nickte schließlich erneut. Also gut. Jim Kirk war vielversprechend genug, dass er über seine Widerspenstigkeit noch hinwegsehen konnte. Er würde lernen, Respekt zu zeigen und sein Temperament zu zügeln. Pike wusste, wovon er sprach. Jeder mit Ambitionen lernte, sich anzupassen, das Spiel um die Macht zu spielen und Jim würde keine Ausnahme sein.

„Die finale Aufnahmeprüfung ist in vier Tagen, Beginn 0800 vor dem Haupteingang des Verwaltungskomplexes der Akademie. Du bist bereits dafür angemeldet“, teilte er ihm mit. Jim lachte leise, seine Augen blitzen amüsiert auf.

„Sie waren sich Ihrer Sache wohl sehr sicher, Admiral.“

„Sicher“, gab Pike zurück und schmunzelte nun ebenfalls. „Ich kenne mich aus mit Kirks.“

Das wiederum ließ Jim die Stirn runzeln. „Ich bin nicht mein Vater. Auch nicht mein Bruder.“ Als er aufstand, erhob sich auch der Admiral.

„Nein“, stimmte Pike ihm zu. „Du hast die Anlagen, beide zu übertreffen. Oder deine Chance dazu, salopp ausgedrückt, es gehörig in den Sand zu setzen.“

Jim schnaubte abfällig. „Sam übertreffe ich schon durch meine bloße Existenz. Kennen Sie meinen Bruder überhaupt?“

Normalerweise gab Pike keine Informationen preis, ohne sich eine Gegenleistung zu sichern, aber er brauchte zumindest ansatzweise Vertrauen von Jim, wenn er ihn zu seinem Verbündeten aufbauen wollte. Besser er fing früh damit an. „Dein Bruder ist der Gouverneur von Deneva“, verriet er ihm also.

Offensichtlich überrascht blinzelte Jim. „Der Gouverneur von Deneva, ah? Das ist sogar noch langweiliger, als ich Sam in Erinnerung habe.“ Er dachte einen Moment nach, bevor er Pike wieder ansah. „Völlig egal. Ich habe meine Mutter nach Ihnen gefragt.“

Pike schnaubte. Wie das gelaufen war, konnte er sich vorstellen. Winona war von Anfang an nicht sein größer Fan gewesen und umgekehrt genauso. Es war nie besser geworden.

„Sie hasst Sie“, bestätigte Jim seine Überlegungen.

„Das ist keine Überraschung.“

„Wohl nicht. Sie sagte immer, sie hätten ihr meinen Vater gestohlen, lange bevor die Romulaner es taten.“ Es sollte womöglich beiläufig klingen, wirkte jedoch viel zu berechnend dafür. „Seine Frau und seine Kinder hätten ihm nicht genügt.“

Darauf erwiderte Pike gar nichts. Er wusste nicht, worauf Jim hinauswollte – er schien nicht wütend, eher lauernd, zielgerichtet und er stellte keine Fragen, kam nur näher. Pikes Griff um den Phaser wurde fester, aber als Jim ihn schließlich berührte, hatte es nichts gefahrbringendes, sondern war es ein federleichtes, vorsichtiges Vorantasten. Der Junge beobachtete jede seiner Regungen genau, sich wohl durchaus der Gefahr bewusst, die von dem Admiral ausging.

„Ich will in Ihr Team, Christopher“, wisperte Jim an seinem Ohr, während seine Hände inzwischen spürbarer über Pikes nackte Haut fuhren. „Man sagt, Sie bekommen die Enterprise, sobald sie fertig ist.“

Ah, also darum ging es. Fast hätte Pike laut aufgelacht. Er verkniff es sich, zugunsten einer Antwort.

„Worauf du Gift nehmen kannst“, schmunzelte er. Jim hob den Kopf, sah ihn direkt an und grinste zurück. Seine Finger glitten zielstrebig in Pikes Unterwäsche.

*


Es war mehr Kampf als Sex, nicht zuletzt weil Jim zwar willig, aber auch widerspenstig war und sich gebärdete wie eine wilde Katze. Als Pike ihn am Ende unter sich hatte, schweratmend und regelrecht besiegt, war er selbst ebenfalls so erschöpft und zufrieden wie lange nicht mehr. Abgesehen davon...

„Du hast mich gebissen, du kleiner Mistkerl“, zischte er. Und gekratzt, nicht nur ein bisschen, er wollte gar nicht wissen, wie sein Rücken aussah. Jim lachte gedämpft in die Kissen unter ihm.

„Du warst auch nicht gerade sanft.“

„Schien dich nicht zu stören“, murmelte Pike an seinem Nacken und biss ihn leicht in die Schulter. Nicht genug um Blut zu sehen.

„Hmm, nein...“, gab Jim zu und schloss kurz die Augen. Pike schmunzelte, strich über seinen Arm und kratzte über die schwarzen Flecken auf der hellen Haut. Inzwischen waren sie getrocknet, aber nicht bevor Jim die Substanz über sein halbes Bett verteilt hatte. Es spielte wohl keine Rolle mehr, zusammengenommen mit allen anderen Körperflüssigkeiten waren die Laken ausreichend ruiniert.

„Und was ist das überhaupt?“, fragte Pike dennoch nach. „Wenn du das auf meiner Couch verteilt hast...“ Jim unterbrach ihn mit einem Raunen, stemmte sich etwas auf und drehte sich, bis er ihn ansehen konnte.

„Motoröl. Unter anderem.“

„Motoröl?!“

„Mhm“, machte Jim und wand sich noch mehr. „Lässt du mich los?“, und glitt aus dem Bett, kaum lockerte sich Pikes Griff um seinen Körper. Zuerst schweigend beobachtete Pike, wie er in seiner Hose schlüpfte und die Weste überwarf.

„Wie um Himmels willen hast du so viel Motoröl abbekommen?“

Jim, gerade dabei seine Schuhe einzusammeln, warf ihm einen scharfen Blick zu und als er sprach klang er ebenso abweisend. „Warum interessiert dich das?“

Pike zuckte mit den Schultern. „Es ist ungewöhnlich.“

Dazu sagte Jim nichts mehr, nicht während er seine Schuhe anzog und sich zum Gehen wandte. Erst als er im Wohnzimmer seine Waffen wieder eingesammelt hatte, schaute er noch einmal durch die geöffnete Tür zum Admiral.

„Ich mag alte Autos. Deshalb.“ Er war verschwunden, bevor Pike etwas darauf erwidern konnte. Der starrte gedankenverloren im Halbdunkel an die Decke. Die unwillig geteilte, persönliche Information hatte an sich nichts Spektakuläres, aber vielleicht ohne es zu wissen hatte Jim mit diesem kleinen Detail unschöne Erinnerungen in ihm geweckt.

„Alte Autos“, murmelte Pike. „Genau wie George.“

***
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