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Temperaturschwankung

von Racussa

Temperaturschwankung

„Ich habe die Bedenken verstanden. Trotzdem bitte ich um Erlaubnis“, beharrte Sethi’Klan.

 

Weyoun klappte das Buch zu, in dem er gelesen hatte. „Sethi’Klan, ich halte es für etwas riskant. Ich verstehe, dass anscheinend auch das grüne Kethracel nicht für gewisse Entbehrungen entschädigt. Und ich hätte kein Problem, wenn du das Gh’hg nur mit Remtana’Ikan vollziehen würdest. Aber ich traue Subcommander E‘Mek und seinen Remanerfreunden nicht. Und erst recht nicht den eher zierlich gebauten Romulanern, die hier überall herumlaufen.“

 

Sethi’Klan stand unbewegt da, als Weyoun das Buch weglegte, auf ihn zukam und mit den Fingern der rechten Hand den grünlichen Schlauch berührte, in dem das Kethracel vom Reservoir in seinen Blutkreislauf gepumpt wurde.

 

„Jeder von uns hat seine eigene, von den Gründern verhängte Last zu tragen. Sethi’Klan: Jem’Hadar sind allen Kriegern des Universums überlegen, wir Vorta übertreffen an Intelligenz und Überredungsgabe die meisten Spezies. Der Verzicht auf Sexualität ist ein leichtes Opfer. Wir brauchen sie nicht, denn es ist viel effizienter und sicherer in Bezug auf den Ausgang gute Exemplare zu klonen, als bei neuen Gendurchmischungen Risiken einzugehen. Das Gh’hg ist eine Form der Kompensation, es gibt viele andere, ungefährlichere und weniger mißverständliche. Warum macht ihr, Remtana’Ikan und du, nicht eine Jem’Hadarentersimulation mit euren neuen remanischen Freunden?“

 

„E’Mek hat uns einen remanischen Nachtklub gezeigt, sie haben uns an ihrer Kultur teilhaben lassen. Ich habe so etwas noch nie erlebt, das Neue, das Fremde. Ich halte es für angemessen, den Remanern nun genauso viel Einblick in unser Leben zu geben. Und auch wenn das Gh’hg nur ein Kompensationsritus ist, so ist er doch ein selbsterklärendes Glaubensbekenntnis an die Weisheit der Großen Verbindung.“

 

Weyoun wandte sich ab und ging zum Fenster, um auf die Pfirsichbäume im Park zu schauen.

 

„Außerdem weiß man nie, ob es nicht einmal nützlich sein wird, alle Stärken und Schwächen sowohl der Remaner wie der Romulaner zu kennen.“, fügte Sethi’Klan hinzu.

 

Weyoun ließ den Blick auf den Baumkronen, deren Blätter leicht im Wind wankten.

 

„Sethi’Klan, seit du Kethracel Grün verwendest, fürchte ich manchmal um deine Loyalität. Ich höre deine Worte … und sie klingen wie früher … aber ich weiß nicht mehr, ob du sie sagst, weil du sie meinst, oder ob du sie sagst, weil du weißt, dass sie mich überzeugen werden. Mir wird heiß und kalt bei dem Gedanken, dass du versuchen könntest, mich zu manipulieren.“

 

Sethi’Klan stand immer noch wie angewurzelt da, während Weyoun sich umdrehte und mit einer ausladenden Geste die Schultern hochhob und wieder sinken ließ.

 

„Gut. Remtana’ikan ist einverstanden?“

 

„Er hatte die Idee!“

 

Weyoun seufzte: „Und er hat dich geschickt, sie mir schmackhaft zu machen? Im Dominion hätte es so etwas nie gegeben!“

 

„Im Dominion erhalten die Jem’Hadar ihr Kethracel auch nur aus den Händen ihrer Vorta … oder sie gehen elendiglich zugrunde.“

 

Weyoun hob wie um sich zurechtfertigen die Hände: „Das ist der Wille der Gründer! Nun gut. Also Remtana’Ikan und du, E’Mek dazu … das sind drei, wir brauchen aber vierzehn Personen. Gibt es so viele Remaner, die mitmachen wollen, hier?“

 

Sethi’Klan nickte heftig und zählte an seinen Fingern auf: „K’Rak, E‘Meks Halbbruder, sieben weitere Remaner, die hier als Gärtner und Küchengehilfen arbeiten, zwei Remanerinnen aus der Schneiderei und zwei Romulanerinnen, die in der Patisserie hier arbeiten.“

 

„Das ihr mir nicht auf die Idee kommt, irgendwelchen Süßkram einzubauen. Wenn wir das Gh’hg vollziehen, dann nur in der traditionellen Form. Aber ich bestehe darauf, dass alle vorher unterschreiben, dass sie bei Verletzungen und Kränkungen keine Klage erheben werden. Gh’hg ist ein Spiel, und es funktioniert nur, wenn es ernst genommen wird.“

 

 

„Vorta Weyoun, wir sind bereit!“, meldete Remtana’Ikan dem Vorta, der über seiner Tunika einen gründerfarbenen Umhang trug und zwei hölzerne Kämme in Form von Flamingos in seinem auftoupierten Haar stecken hatte.

 

Die vierzehn Personen standen in einem Halbkreis um ihn und den silbern Pokal, in dem eine wäßrige Flüssigkeit stand. Rechts und links außen waren Sethi’Klan und Remtana’Ikan in ihren grünen Jem’Hadarrüstungen, neben Sethi’Klan standen die vier Frauen, dann die remanischen Männer, jeweils in grünen Sportanzügen.

 

„Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt.“

 

Sethi’Klan und Remtana’Ikan senkten ihre Köpfe und wiederholten: „Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt. Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt.“

 

Weyoun erklärte: „Das Gh’hg ist ein Ritual, mit dem Vorta und Jem’Hadar den Gründern huldigen und die Einheit bekennen. Es ist für uns ein heiliger Akt. Wer also nicht diese Heiligkeit respektiert, möge jetzt gehen.“

 

Sein Blick glitt von Gesicht zu Gesicht, von den vertrauten Zügen Sethi’Klans, über die beiden Romulanerinnen, die beiden Remanerinnen über die Remaner, von denen ihm einer auszusehen schien wie der andere bis zu K’Rak, E’Mek und Remtana’Ikan.

 

„Gut. Das Ritual läuft in drei Teilzeremonien und einem Abschlußritus. Wenn es einmal beginnt, darf man es nicht unterbrechen. Sind die Tore der Turnhalle verriegelt.“

 

„Verriegelt!“, antworte E’Mek wie aus der Pistole geschossen.

 

Weyoun zog ein kleines Sistrum aus seinem Ärmel und begann es rhythmisch zu schlagen.

 

„Der Vorta erzählte die Geschichte – das ist der erste Teil – die Jem’Hadar fühlen die Geschichte – zweiter Teil – die…“

 

„Die Jem’Hadar und ihre remanischen und romulanischen Geschwister fühlen die Geschichte!“, unterbracht Remtana’Ikan, was ihm einen zornigen Blick Weyouns einbrachte, dem er ungerührt standhielt.

 

„Wir fühlen die Geschichte. Als drittes kommt das Misotoun – die völlige Einheit.“

 

„Das, was die Humanoiden Orgasmus nennen.“, erklärte Remtana’Ikan.

 

„Das, worauf wir gespannt sind.“, kicherte eine der romulanischen Zuckerbäckerinnen.

 

Weyoun hörte auf, das Sistrum zu schlagen. „Wollt ihr nun das Gh’hg zelebrieren oder einfach nur eine Orgie feiern? Dann braucht ihr mich nicht dazu!“ Wütend legte er das Sistrum knallend auf den Tisch.

 

Sethi‘Klan trat aus der Reihe auf ihn zu, hob das Sistrum auf und hielt es ihm hin.

 

„Verzeih, Vorta, aber den anderen ist das Gh’hg nicht bekannt. Zeige es ihnen, damit sie seine Schönheit und tiefe Weisheit verstehen.“

 

Zögernd griff Weyoun das Sistrum und begann es wieder zu schlagen. „Nach dem Misotoun kommt das Nononoe, das Weinen.“

 

Remtana’Ikan und Sethi’Klan begannen im Rhythmus des Sistrums mit dem linken Fuß zu stampfen und leise „Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt.“ zu singen.

 

Weyoun schloss die Augen und verfiel in einen tranceähnlichen Gesang: „Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt. Im Anfang war alles eins und nichts war außerhalb des einen. Es gab keine Hitze und keine Kälte, kein Innen und Außen, kein Denken und Fühlen, keinen Unterschied und kein Schwanken. Aber das Böse…“, er riß die Augen auf, und schlug mit aller Kraft das Sistrum gegen den Pokal. Das Wasser spritze auf die Umstehenden und floß über den Rand des Tisches auf den Boden. Der Pokal fiel scheppernd hinterher. „…riss die Einheit auseinander und brachte Spaltung: Heiß und kalt, außen und innen, denken und fühlen begann. Die Einheit verschwand und die Schwankungen, die unser Leben stören, nahmen ihren Beginn.“ Er begann, sich im Rhythmus des Sistrums im Kreis zu drehen.

 

Sethi’Klan und Remtana’Ikan begannen, ohne mit dem Mitstapfen im Rhythmus und leisen Singen aufzuhören, ihre Rüstungen auszuziehen. Sie deuteten den anderen, es ihnen gleich zu tun. So zogen auch die Remaner, Remanerinnen und Romulanerinnen ihre Kleidung aus und warfen sie auf das vergossene Wasser. K’Rak und E’Mek versuchten, ebenfalls den Rhythmus des Stampfens aufzunehmen, die vorlaute Romulanerin stimmte in den Gesang der beiden Jem’Hadar ein.

 

Weyoun hielt inne, klopfte aber weiter mit dem Sistrum: „Eines saugte das andere auf, Heißes wurde durch den Genuß des Kalten gekühlt; Kühles durch den Verzehr des Heißen erwärmt. Nichts blieb, was es war, alles veränderte sich und schwankte. Verzweifelt schufen die Festen sich Kleidung, um die Schwankung der Temperatur zu verhindern, doch der Trost war schwach.“

 

Weyoun begann zu hüpfen und sich in entgegengesetzter Richtung im Kreis zudrehen. Sethi’Klan und Remtana’Ikan begannen als Erste, auch zu hüpfen, ergriffen die Arme ihrer Nachbarn und tanzten im Reigen um den Gewandhaufen und den sich drehenden Weyoun.

 

 

„Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt.“, flüsterte Sethi’Klan mit geschlossenen Augen und zusammengepressten Lippen, während E’Mek sich aufbäumte und schrie: „Sieg ist Leben! Wahnsinn, ist das geil!“, bevor er sich über die unter ihm liegende Romulanerin ergoß. Remtana’Ikan strich zärtlich über Sethi’Klans Kieferstacheln.

 

Weyoun torkelt immer noch sich im Kreis drehend und das Sistrum schlagend.

Sethi’Klan löste sich als Erster aus dem Knäuel der verschwitzten Leiber, die über dem Gewandhaufen lagen und stand auf. Er suchte den Pokal, hob ihn auf und stellte ihn laut auf den Tisch.

 

Weyoun hielt inne. Das Sistrum verstummte. Für einen Augenblick schien er benommen und unsicher, doch Sethi’Klan stützte ihn ab.

 

„Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt. Misotoun!“ sagte Sethi’Klan mit immer noch bebender Stimme.

 

Von den anderen war nur genußvolles Schnurren und erschöpftes Keuchen zu hören. Doch Weyoun schlug mit dem Sistrum gegen den Pokal.

 

„Nononoe!“

 

Mühsam rappelte sich auch Remtana’Ikan auf, zog seinen Fuß unter einer Remanerin hervor, streichelte einer Romulanerin über den Kopf und entwirrte seinen Arm zwischen zwei anderen Remanern. Er stellte sich mit Sethi’Klan neben den Tisch.

 

Die vorlaute Romulanerin öffnete halb die Augen: „Bitte…ich brauche mal eine kurze Pause. Lasst mich schlafen.“

 

„Schhh!“, zischte Weyoun, schlug erneut mit dem Sistrum gegen den Pokal. Dann hob er den Pokal an, eine Träne rollte ihm über Wange und den Kieferkamm und fiel in den Pokal. Er gab den Pokal an Remtana’ikan weiter, der zwei Tränen in ihn fallen ließ, ebenso Sethi’Klan. Verärgert schaute Weyoun auf das Körperknäuel vor dem Tisch. K’Rak entwand sich dem Haufen, ebenso eine Remanerin. Er nickte ihr zu und sie schlug ihn so heftig in die Magengrube, dass ihre Krallen graue Blutspuren hinterließen. Eine Träne zeigte sich in K’Raks Auge und er bemühte sich unbeholfen, sie mit dem Pokal einzufangen.

 

Unsicher wiederholte er: „Nononoe!“

 

Sethi’Klan klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Die Remanerin biß sich selbst auf die Zunge und zwickte sich in die nackte Kopfhaut, auch sie ließ eine Träne in den Pokal fallen.

 

„Aus einem gezeugt,  zu einem gefügt. Das Gh’hg ist abgeschlossen.“ , sagte Weyoun, stellte den Pokal auf den Tisch, legte das Sistrum daneben, zog die beiden flamingoförmigen Kämme aus seinem Haar, legte sie eben das Sistrum und zog den gründerfarbenen Umhang aus, um ihn über den Pokal und das Sistrum zu legen: „Mögen die Gründer uns Festen bei Tag und Nacht, in Nähe und Ferne, und bei jeder Schwankung der Stimmung und der Temperatur sichtbar und übersichtbar beigestanden sein, bevor alles wieder zu einem vereint sein wird.“

 

Weyoun schloss noch einmal die Augen. Als er sie wieder öffnete, blickte er auf die Szene vor dem Tisch und zog die Augenbrauen hoch: „Auch die Banausen, die jetzt noch auf dem Boden liegen, können aufstehen und sich anziehen. Das Gh’hg ist vorbei.“

 

Als E’Mek aufstand und seine Kleidungsstücke gefunden hatte, kam er auf Weyoun zu und neigte den Kopf: „Es tut mir leid, aber ich habe keine Tränen mehr übrig. Ich habe alle als Kind in den Minen von Remus verweint. Es war kein Akt der Mißachtung; und wenn es dem Ritual dient, würde ich einen Tropfen meines Blutes statt einer Träne geben.“

 

Weyoun schüttelte den Kopf: „Das Nononoe ist die Trauer darüber, dass wir das Einssein nicht halten können, dass wir in der so viel primitiveren Annäherung und Durchdringung unserer Körper erleben als es die Gründer bei ihrer Vereinigung tun können. Deshalb weinen wir. Aber die Tränen füllen schließlich gemeinsam auf, was am Anfang ungetrennt war. Und jedes Wort, das wir im Geist der Gründer formulieren, führt uns zu dieser Einheit.“

 

Sethi’Klan, der den Brustpanzer seiner Rüstung wieder befestigte, ergänzte: „Das ist der Grund, warum wir zur Anbahnung des Misotoun die siebenundvierzig Buchstaben des Dominionalphabets gemeinsam nachstellen.“

 

„Was, siebenundvierzig Stellungen waren das? Ich konnte nicht mehr mitzählen, es war einfach nicht mehr ich, sondern nur mehr ein großes Wir.“, sagte die vorlaute Romulanerin, die gerade ihre grüne Köchinnenkleidung wieder mit Knöpfen verschloß.

 

Und eine Remanerin ergänzte: „Es hat sich angefühlt, als könnten wir, Remaner, Remanerinnen, Romulanerinnen und Jem’Hadar durch nichts getrennt werden, als könnten wir als neue Macht alles besiegen.“

 

„Eine Frage habe ich noch.“, sagte E’Mek, der sich inzwischen seine Hose wieder angezogen hatte. „Was bedeutet Gh’hg eigentlich in unsrer Sprache? Ist es der Name eines eurer Gründer?“

 

Sethi’Klan antwortete zuerst: „Alle Gründer sind eins!“

 

„Es ist eine Erklärung der Handlung, eine von den Gründern geschenkte und uns seit unvordenklicher Zeit überlieferte Deutung des ganzen Universums und auch unseres Handelns: wenn wir näher zusammenrücken, wird uns wärmer, wenn wir uns beim Formen des nächsten Buchstabens wieder voneinander entfernen und anderen nähern, wird es kälter. Es ist wie bei der Entstehung und dem Tod von Sternen und Planetensystemen! Es ist die tiefe Weisheit der Gründer selbst!“, erklärte Weyoun mit feierlicher Stimme.

 

„Wörtlich übersetzt…“, fügte Remtana’Ikan hinzu, „…heißt es einfach ‚Temperaturschwankung‘“

 

 

 

  

 

 

 

 

 

 

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