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Verirrt

von Racussa

Verirrt

Elim schlug als erster die Augen auf: Finsternis. Und Eiseskälte im Gesicht. Er versuchte, seine Hände zu fühlen, doch auch sie schienen in Eis zu stecken. Er wollte den Mund öffnen, um zu schreien, doch auch das bewirkte nur, dass Eiskaltes seinen Mund füllte und seine Zunge betäubte.

 

Wie aus einem Traum hörte er plötzlich eine weibliche Stimme. Zuerst ganz verschwommen, dann immer hysterischer. Die Erde bebte, oder war er es selbst? Mehrere Schläge erschütterten ihn, dann plötzlich wurde der provisorische Schlitten, auf den er geschnallt war, durch einen Kraftakt Beverlys herumgedreht.

 

Völlig außer Atem keuchte sie: „Legat!“

 

Elim wollte etwas sagen, doch seine Lippen und seine Zunge schienen wie gefroren. Aus verschwommenen Augen sah er ein schwach flimmerndes Notlicht, ansonsten schienen sie von Eis und Schnee umschlossen. Nur am fernen oberen Ende zeigte sich ein kleiner Schlitz in dem eisigen Gefängnis.

 

Standen dort oben andere?

 

Wieder Beverlys Stimme: „Legat! Um Gottes willen! Sie müssen sich bewegen, um nicht zu erfrieren! Ich verabreiche Ihnen jetzt Holimolizän, das ist ein Stimulans für den Stoffwechsel. Möglicherweise verspüren Sie danach starken Harndrang oder das Verlangen zu niesen, aber es wird kurzfristig Ihre Körpertemperatur erhöhen!“

 

Handeln Sie, statt zu erklären, wollte Elim sagen, doch er konnte seinen Mund immer noch nicht bewegen. Obwohl sein Geist messerscharf war wie immer, versagte ihm sein ausgekühlter Körper den Dienst. Er konnte nicht einmal den Kopf bewegen, um an sich herunterzuschauen, ob er überhaupt noch einen Körper hatte.

 

Er hatte das Ansetzen und Injizieren nicht gespürt, aber plötzlich breitete sich eine Welle von Wärme in ihm aus, als würde er in einer cardassianischen Schlammwanne sitzen. Er schloss die Augen und genoss das Gefühl, doch eine heftige Ohrfeige Beverlys riss ihn aus dem Schwelgen.

 

„Es tut mir leid, Garak, aber Sie dürfen unter keinen Umständen einschlafen. Auch wenn die Schmerzen Ihres Knöchels Sie umzubringen scheinen, Sie müssen gehen, denn sonst tötet die Kälte Sie wirklich!“, meinte Beverly besorgt, als sie Elims Gurte aufschnürte.

 

„Es wird schon gehen. Mein Fuß ist inzwischen so taub vor Kälte, dass ich keinen Schmerz spüre. Vielleicht friert mein Fuss ja wieder zusammen?“, versuchte Elim einen Scherz, als er mit Beverlys Hilfe aufstand. Wie praktisch wäre es, wenn ich mein Neuroimplantat noch hätte, das jeden Schmerz übertüncht.

 

„Ich hoffe, Sie kennen den Weg zurück nach oben, denn ich habe liegend nicht viel gesehen unter diesem Berg von Pelz.“, meinte er weiter in scherzendem Ton und verwies auf den unförmigen Nerzimitatmantel, den er trug.

 

„Doktor Bashir, Commander Riker und die anderen müssen oben am Rand der Spalte sein. Der Schlitten ist abgerutscht und hat mich mit in die Tiefe gerissen. Wir können warten, bis die von oben uns bergen. Aber selbst wenn sie das Dorf jetzt ohne uns viel schneller erreichen, wird es trotzdem Stunden dauern, bis sie mit Hilfe zurück sind. Wir können hier nicht so lange warten, ohne zu erfrieren. Ich schlage vor, wir gehen einfach die Spalte entlang. Irgendwo wird sie ja wieder ins Freie führen.“, meinte Beverly.

 

„Ich widerspreche ungern Damen, aber, Frau Doktor, die Chance in die richtige Richtung zu gehen, liegt bei fünfzig Prozent. Nun gut, auf jeden Fall sollten wir mit den beiden Trümmern des Schlittens einen Pfeil formen, der den anderen zeigt, in welche Richtung wird gehumpelt sind. Wenn wir uns schon verirren, dann wenigstens professionell.“

 

Beverly sah ihn skeptisch an: „War das ein Scherz?“

 

„Ein Versuch, zumindest sind wir beide Profis in unseren Berufen, sie als Ärztin, ich als Informationsgewinner ähm oder Schneider, aber keiner von uns ist Fährtenleser – und keiner Eiskletterer. Ich lasse Ihnen die Wahl: Rechts oder Links?“

 

„Links! Das müsste die Richtung sein, in die wir auch auf der Oberfläche gegangen sind. Hier unten könnte es sogar schneller gehen, weil weniger Schnee und mehr Eis den Boden ausmacht.“

 

Sie begann, neben Elim langsam über den knirschenden Boden zu gehen. Er humpelte, versuchte aber ein zufriedenes Gesicht zu machen. „Es ist sogar flotter: Denn wenn wir ausrutschen und bergab gleiten sind wir sicher schneller am Ziel als wenn wir in tiefem Schnee einsinken und jeder Schritt zur Herausforderung wird wie für unsere Freunde oben.“

 

Eine Zeitlang gingen sie schweigend nebeneinander, so schnell es eben mit Elims verstauchtem Knöchel ging. Beverly hatte sich unter seinem Arm eingehängt und stützte ihn so gut es ging. In der anderen Hand hielt sie das blaue Knicklicht.

 

Die Stille war beklemmend. An der Oberfläche hatte der heulende Wind jedes Wort verschluckt, hier unten trotzten die glasklaren stummen Wände ihren Blicken. Nur das Knirschen des schneebedeckten Eises unter ihren Füßen war leise zu hören.

 

Schließlich fragte Beverly: „Lieben sie Doktor Bashir?“

 

„Wollen Sie mein Herz erwärmen, indem Sie mich über die Liebe meines Lebens befragen?“

 

Wieder folgte Schweigen. Dann ergriff erneut Beverly das Wort: „Haben sie je mit einer Frau geschlafen?“

 

„Wenn es nötig war.“

 

„Nötig?“

 

„Für einen Auftrag. Ich arbeite für die cardassianische Regierung; und das habe ich auch schon früher getan. Da gehörte es ab und an dazu, mit Cardassianerinnen oder anderen weiblichen Wesen zu schlafen. Wollen Sie mir jetzt anbieten, mich durch Sex aufzuwärmen?“

 

Beverly blieb irritiert stehen. „Nein, überhaupt nicht. Mich interessiert nur, ob Sie in Ihrer Hochzeitsnacht mit einer Frau geschlafen haben oder schlafen mussten.“

 

Nun blieb auch Elim stehen und schaute sie verständnislos an: „Schadet Ihnen die Kälte mehr als mir? Wohin haben sich Ihre Gedanken verirrt? Natürlich habe ich in unserer Hochzeitsnacht nur mit meinem Man geschlafen. Und in meiner jetzigen Position wird es auch nie wieder nötig sein, dienstlich mit jemand anderem zu schlafen. Und um Ihre erste Frage zu beantworten: Ja, ich liebe Julian. Und deshalb würde ich auch in meiner Freizeit mit niemand anderem schlafen. Und ich denke es ist besser, Sie geben mir noch so ein Hypospray als Sie versuchen mich mit so verwirrten Worten aufzuheizen.“

 

Beverly nickte, setzte das Hypospray an Elims Schläfe an und aktivierte es. Dann gingen beide wieder los.

 

„Ich wollte auch noch fragen, ob Sie Geschwister haben.“, setzte Beverly leise fort.

 

„Elim Garak ist ein Einzelkind. Untypisch für Cardassianer, ich weiß, aber bei mir ist das so. Haben Sie ein Problem damit?“

 

„Elim, Sie haben mich angelogen: Sie haben in der Hochzeitsnacht mit einem Besatzungsmitglied der Enterprise geschlafen – und ein Kind gezeugt.“

 

Nun blieb Elim stehen. Plötzlich verglomm das blaue Knicklicht und es wurde völlig finster.

 

„Na toll.“, kommentierte Beverly. „Jetzt stehen wir völlig im Dunkeln.“

 

Sie kramte kurz in ihrem Rucksack und holte ein weiteres Knicklicht heraus, diesmal ein grünes. Elim hatte die ganze Zeit wie angewurzelt dagestanden und sie angeschaut. Beverly zuckte erschrocken zusammen.

 

„Ich habe noch nie mit irgendeinem Mitglied der Enterprisebesatzung geschlafen; und schon gar nicht in meiner Hochzeitsnacht. Wie kommen Sie auf diese unsinnige Behauptung?“

 

Beverly antwortete: „Wir dürfen nicht stehenbleiben.“

 

Als sie wieder zu gehen begannen, setzte sie fort: „Das Kind das Guinan trägt, ist halbcardassianisch. Und die Gemeinsamkeit mit Ihrem Genom ist nachweisbar.“

 

„Guinan…die Frau mit dem unmöglichen Hut?“

 

„Unsere Barkeeperin!“

 

„Oh, dann muss ich vielleicht eine vorherige Aussage ein bisschen korrigieren: Elim Garak war ein Einzelkind, aber Enabran Tain war auch der Vater von zwölf gesunden Cardassianern, fünf Männern und sieben Frauen. Natürlich war für Enabrans Ehefrau Enolium immer klar, dass uneheliche Sprösslinge ihres Mannes nicht existieren dürfen, um nicht das Ansehen und das Erbe der Hauptfamilie zu gefährden. Sie hat allen meinen Halbgeschwistern jeden Kontakt zu mir verboten…Joschion allerdings war bei meiner Hochzeit. Er war der betrunkene Clown, der fast den Turm aus Blätterteigringen umgestoßen hätte, den Julian und ich gemäß unserem Brauchtum flambieren mussten. Es würde mich nicht wundern, wenn er sich zu einer Barkeeperin hingezogen gefühlt hat. Er ist das schwarze Schaf der Familie. Aber er ist ein echter Tain. Und trotzdem mag ich ihn von allen Halbgeschwistern am Liebsten. Kann das Kind von ihm sein?“

 

„Das wäre sehr plausibel. Ich entschuldige mich. Da habe ich mich wohl in eine fixe Idee verirrt, als ich Ihnen Untreue in der ersten Nacht unterstellte.“, entschuldigte sich die Ärztin.

 

„Unhöflich, aber verzeihlich. Cardassianer lieben ihre Familien, vor allem ihre Kinder, aber es ist trotzdem gleichzeitig sehr wichtig, den gesellschaftlichen Status nicht zu gefährden. Viele berühmte Cardassianer haben eine oder mehrere Geliebte und Kinder mit ihnen, aber diese Kinder gelten nicht als legitime Nachkommen. Trotzdem bemühen sich die Väter, ihre unehelichen Kinder gut zu versorgen. Enabran Tain hat mich alle seine Fertigkeiten im Informationsgewinnungsbereich gelehrt. Ich war ein guter Schüler.“

 

Beverly nickte: „Ich habe einiges gehört. Aber ich finde es traurig, dass Sie von Ihren Halbgeschwistern getrennt leben müssen. Diese Enolium muss eine schreckliche Frau sein.“

 

Elim schüttelte den Kopf: „Im Gegenteil: Für Ihre Kinder tut sie alles. Hätte ich eine Frau, würde ich mir sogar wünschen, dass sie wie die Mutter meiner Halbgeschwister ist.“

 

Beveröy wandte das grüne Knicklicht Richtung Elims Gesicht, um zu sehen, ob er woeder einen Scherz versucht hatte: „Garak, ich fürchte, die Kälte hat ihre Gedanken verwirrt!“

 

„Ich wünschte, es wäre so leicht, einen Irrtum des Weges wie des Denkens zu beheben.“ Elim deutete auf die glasklare Fläche vor ihnen, die das Ende des Weges bezeichnete. „Sackgasse. Wir haben uns verirrt, selbst hier, wo es nur zwei mögliche Richtungen gab!“

 

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