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Braune Kreise

von Syrinx

Kapitel 2

Teil 2

Du betrittst deinen Bereitschaftsraum.

Es war eine furchtbare Nacht gewesen. Du konntest nicht schlafen. Du bist in deinem Quartier auf und ab gegangen. Du hast auf die Sterne gestarrt. Du hast dich in deinem Bett hin und her gewälzt. Du hast versucht, zu lesen. Musik gehört. Zwei Mal warst du auf dem Holodeck, in deinem Lieblingsprogramm.

Du warst müde. Körperlich müde. Aber deine Gedanken kamen nicht zur Ruhe. Die ganze Nacht. Du konntest dich nicht beruhigen, du konntest nicht zur Ruhe kommen.

Jetzt fühlst du dich wie gerädert. Schwach. Du sehnst dich nach einer Tasse guten, starken Kaffees.

"Kaffee, heiß."

Der Kaffee spritzt aus dem Replikator, auf den Fußboden und auf deine Uniform.

Diese schlaflosen Nächte machen dich verrückt. Du hast vergessen, die Tasse zu bestellen.

Resigniert drehst du dich weg von dem Replikator und gehst rüber zu deinem Schreibtisch. Dein Blick fällt auf die Couch. Dort. Die Klinge. Braune Kreise.

Langsam gehst du hinüber und setzt dich, neben dein getrocknetes Blut auf der Couch.

Die Gedanken von gestern abend holen dich wieder ein.

Was wenn...? Es ist so leicht. Nimm nur die Klinge und...

Mach dem ein Ende. Allem.

Du versuchst dir vorzustellen, wie es wohl wäre. Keine Sorgen. Keine Verantwortung. Keine Kämpfe. Keine Entscheidungen über Tod oder Leben der Crew.

Du nimmst die Klinge. Sie ist noch dunkel von deinem Blut. Du hast vergessen, sie zu reinigen. Du hast vergessen...

Vergessen ist inakzeptabel. Du kannst nicht vergessen. Du darfst nicht vergessen.

Du gehst in das Badezimmer. Du wirst den Fehler korrigieren. Du hast es vergessen, aber du kannst es korrigieren.

Du säuberst die Klinge. Das Wasser ist kühl und weich auf deiner Haut. Durch die Weichheit fühlst du das harte, scharfe Metall. Sie ist jetzt sauber. Sie schimmert. Grau.

Deine Augen spiegeln sich darin. Sie schimmern. Grau.

Es ist jetzt nicht mehr wichtig, dass du es vergessen hast. Es ist egal.

Du betrittst den Bereitschaftsraum. Alles ist ordentlich. Wie immer. Nur...

Die braunen Kreise. Auf der Couch. Sie scheinen dich anzustarren. Zu beschuldigen. Sie beschuldigen dich, schwach zu sein und deine Aufgaben nicht erfüllen zu können. Du kannst nicht sein, was du sein willst, nach dem du dich sehnst. Du kannst nicht perfekt sein. Sie scheinen dich anzuschreien. Sie sind der Beweis deines Versagens.

Du kannst sie nicht ertragen. Du kannst nicht ertragen, wie sie dich anstarren. Du legst die Klinge auf den Tisch neben der Couch und gehst zurück in das Badezimmer. Du nimmst ein Handtuch und gehst wieder zur Couch.

Die ganze Zeit starren sie dich an. Sie schreien. Sie quälen dich.

Du legst das Handtuch über sie. Dann lässt du dich auf die Couch fallen. Stille. Nein, keine vollkommene Stille. Du kannst die Schreie immer noch hören. Gedämpft.

Sie sind immer noch da. Sie starren auf das Handtuch. Schreien gegen das Handtuch. Du fühlst, wie sich ihre blinden Blicke in deinen Rücken bohren.

Du kannst ihnen nicht entfliehen. Niemals.

Aber du kannst auch nicht mit ihnen leben. Niemals.

Du nimmst die Klinge.

Entweder du oder sie. Du kicherst leise bei dem Gedanken. Du wirst sie austricksen. Sie werden dich nicht länger stören und quälen können. Sie werden verlieren. Oh, und sie werden es bereuen. Sie werden es bereuen... alles.

Du fühlst das Kitzeln der Klinge an deinem Handgelenk.

So bald werden sie sehen, was sie getan haben. Wo es sie hingeführt hat.

Die Klinge presst sich hart gegen deinen Arm. Reißend. Sie schneidet die Venen auf. Blut spritzt.

Blut tropft auf deinen Oberschenkel.

Zitternd nimmst du die Klinge in deine andere Hand.

Reißen. Fast bis zu dem Ellenbogen.

Du zitterst. Deine Oberschenkel baden in Blut. Die Couch ist voller Blut.

Du hebst das Handtuch auf. Keine braunen Kreise mehr. Du fühlst Befriedigung. Du hast sie geschlagen. Du hast sie ausgetrickst. Sie bereuen es so, dich unterschätzt zu haben. Du hast gewonnen.

Du fühlst dich benommen. Blut strömt noch immer aus deinen Armen.

Du kümmerst dich nicht darum. Du fühlst dich gut. Leicht. Wie wenn du auf einem weichen Bett lägest. Mit vielen Kissen. Wie Vögel, auf warmen Winden gleitend. Schwerelos.

Der Raum dreht sich. Du schließt deine Augen.

Du willst nichts mehr sehen. Du willst nur noch dieses Gefühl fühlen. Es ist wundervoll. Du willst, dass es für immer anhält.

Du bist sicher, dass es für immer anhält. Frieden kommt über dich. Ist dies der Tod?

Du verstehst nicht, wie die Leute sich vor dem Tod fürchten können.

Der Tod ist wundervoll. Friedlich. Du fühlst dich ruhig und glücklich. Zum ersten Mal, seid du im Delta Quadranten gestrandet bist. Spannungslos. Einfach... nichts.

Du öffnest deine Augen. Du bist zurück in Indiana, auf der Erde. Die heiße Nachmittagssonne brennt auf dich nieder. Du stehst vor dem Haus deiner Eltern.

Dein Vater kommt heraus und winkt dir. Du rennst zu ihm, in seine einladenden Arme. Er lächelt dich an.

Du umarmst ihn. Dann tritt er einen Schritt zurück, um dich zu betrachten.

"Ich bin so froh, dich wieder zu sehen, Goldenbird. Ich habe dich so vermisst."

"Ich habe dich auch vermisst. Der Delta Quadrant... es war so schrecklich. Ich war so... allein."

"Ich weiß, Goldenbird. Aber denke jetzt nicht daran. Es ist vorbei. Du bist jetzt hier. Ich werde dich nie wieder verlassen. Komm, wir gehen hinein, es wartet noch jemand darauf, dich zu begrüßen. Und ich habe ein paar neue Löwenfische, die du vielleicht sehen möchtest."

"Es ist so schön, wieder zu Hause zu sein."

Arm in Arm geht ihr in das Haus. Innen ist es kühl. Du riechst den Duft von Sommerblumen und trockenem Gras.

Du betrittst die Küche. Eine schwarze Kanonenkugel schießt auf dich zu und du beugst deine Kniee, um sie zu begrüßen. Eine rosa Zunge leckt deine Hände, dein Gesicht, deine Kleider.

"Petunia, es ist in Ordnung! Komm, beruhige dich. Sei ein braves Mädchen."

"Sie freut sich, dich zu sehen."

Beim Klang der Stimme hebst du deinen Blick zum Küchentisch. Ein Mann mit schwarzem Haar sitzt auf einem Stuhl und beobachtet die Szene amüsiert.

"Justin!"

Du springst auf, um ihn zu umarmen. Petunia hüpft fröhlich um euch herum.

"Oh Gott, wie ich dich vermisst habe!"

"Und ich dich. Aber jetzt bist du endlich zu Hause. Darauf kommt es an."

Du legst dein Gesicht in seinen Nacken. Du riechst seinen bekannten, fast vergessenen Duft. Du bist zu Hause. Die Reise ist vorbei. Endlich.

Aber plötzlich wird die Idylle gestört.

Du fühlst Kälte. Unsicherheit. Die Bilder vor deinen Augen verschwimmen. Du hältst Justin fester.

"Was passiert hier?"

Du hast Angst. Du willst nicht fort. Du bist so glücklich.

"Es ist noch nicht so weit. Du musst zurück."

"Nein!"

"Mach dir keine Sorgen, wir warten auf dich!"

Justin, dein Vater, Petunia lösen sich auf. Du siehst nur noch Schwärze um dich herum. Und Gemurmel. Weit weg.

Du schwebst. Durch eiskaltes Wasser. Alles ist schwarz. Nichts existiert. Nur Schwärze.

Die Stimmen werden lauter. Zwei Personen.

Du glaubst, die Stimmen wieder zu erkennen. Aber du verstehst nicht, was sie sagen.

Langsam öffnest du deine Augen. Das helle Licht blendet dich. Du schließt sie wieder.

"Ich glaube, sie kommt zu sich."

"Captain, können Sie mich hören? Kathryn?"

Es ist Chakotay. Er beugt sich über dich.

"Es ist alles in Ordnung. Du bist auf der Krankenstation."

Langsam nickst du.

***

Du bist zurück in deinem Quartier. Chakotay ist bei dir. Du fühlst dich noch immer krank und schwach, aber du wolltest nicht auf der Krankenstation bleiben. Du wolltest nicht den fragenden und besorgten Blicken des Doktors und der Crew ausgesetzt sein.

Du gehst zu deinem Bett. Du legst dich hin und legst deinen Kopf auf das Kissen. Du betrachtest die Sterne über dir. Sie schimmern. Funkeln. Ewig.

Du hast ein bisschen Ewigkeit probiert. Es war gut. Du sehnst dich danach, es wieder zu probieren. Nächstes Mal werden sie dich nicht zurückholen. Sie werden dich nicht in ein Leben zwingen, das du nicht willst.

Chakotay betrachtet dich die ganze Zeit. Er sieht traurig aus, müde. Ein bisschen enttäuscht. Und du siehst Mitleid in seinen Augen.

Dafür hasst du ihn. Mitleid. Du willst kein Mitleid. Du brauchst kein Mitleid.

Plötzlich spricht er.

"Warum?"

Du starrst hoch zu den Sternen.

Warum?

Er würde es nicht verstehen.

Ende
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