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Sturm 9.08 - Die Geister, die ich rief

von Gabi

II - Warum sieht keiner etwas?

Ihren Dienst auf OPS absolvierte Dax mit einer gewissen Unaufmerksamkeit. Auf der einen Seite war sie müde, auf der anderen erwartete sie die Schatten zu sehen. Es war ein völlig kindisches Verhalten, wie sie sich selbst in Gedanken immer wieder schalt, doch sie konnte nichts gegen den Reflex unternehmen. Von Zeit zu Zeit schielte sie zu Lieutenant Gaheris hinüber, der die Wissenschaftsstation bemannte. Er wirkte einigermaßen frisch und in irgendeinen Bericht vertieft, den er las.

Es war ein durch und durch ereignisloser Vormittag, was ebenfalls dazu beitrug, dass Dax‘ Konzentration genügend Gelegenheit zur Ablenkung hatte. Bis es Zeit für ihre Mittagspause war, hatte sie bereits zwei Rüffel von Commander Benteen einstecken müssen.

„Ich mach‘ eine halbe Stunde Pause“, verkündete sie, als die Zeit dafür gekommen war. Die meisten Offiziere auf OPS brachten sich eine Kleinigkeit zum Mittag mit, die sie an ihren Plätzen aßen. Seit die Rota auf vier Schichten erweitert worden war und somit ein Dienstzyklus nur noch sechseinhalb Stunden besaß, wurde die Mittagspause wenig genutzt. „Bin im Replimat.“

Sie wartete keine Reaktion von Commander Benteen ab, sondern loggte sich von ihrer Station aus und nahm die wenigen Stufen, die zur wissenschaftlichen Station hinauf führten.

„Mittagessen?“, fragte sie, als sie an Lieutenant Gaheris vorbei kam.

Der blickte überrascht von seinem Bericht auf, dann sah er Dax‘ übermüdetes Gesicht und nickte. „Halbe Stunde Pause“, verkündete daraufhin auch er der OPS im Allgemeinen und folgte seiner Kollegin zum Turbolift.

„Du musst heute Abend unbedingt früher schlafen gehen“, bemerkte er, als der Turbolift den Sichtbereich der OPS verlassen hatte. „Du siehst reichlich durchgekaut aus.“

Dax musste grinsen. „An deiner Ausdrucksweise Frauen gegenüber müssen wir noch ein wenig feilen.“

Der Lift hielt auf der Promenade und die beiden Offiziere strebten mit raschen Schritten hinaus, um nicht zu viel Zeit der Mittagspause durch den Weg zum Replimaten zu vergeuden. „Im Ernst, Ezri. Lass den Roman heute sein, mach dir eine erfrischende Gurkenmaske und lausche Meditationsmusik.“

„Gurkenmaske?“ Dax musste kichern. Sie erreichte den Nahrungs-Replikator im Replimaten und bestellte als erstes einen doppelten Raktajino. „Erzähl mir jetzt nicht, dass du dir Gurkenmasken machst.“

Gaheris zuckte mit den Achseln. „Naja … von Zeit zu Zeit …“

„Du bist ja noch eitler als ich dachte!“ Dax wandte sich mit der dampfenden Tasse vom Replikator ab, in der Absicht ihren Kollegen gutmütig zu knuffen. Stattdessen rutschte ihr die Tasse aus der Hand und fiel scheppernd zu Boden. Die heiße Flüssigkeit spritzte auf, traf die beiden Offiziere an den Beinen und ergoss sich dann in einer dunkelbraunen Lache über den hellen Boden.

„Ezri, was …?“ Gaheris machte einen erschrockenen Satz rückwärts. Der thermoisolierende Stoff der Sternenflottenuniformen und das feste Material der dazugehörigen Halbstiefel verhinderte eine Verbrennung der darunterliegenden Haut, aber der Schreck blieb.

Dax starrte die gegenüberliegende Wand des Selbstbedienungsrestaurants an. Das Material, das normalerweise in einem dezenten Muster aus hellem Grau und Gelb gehalten war, wurde von einem schwarzen, halbtransparenten Stoff überzogen. Wie bei einer Amöbe waberten die unförmigen Ausläufer der zweidimensionalen Form vor und zurück. Wo sie die in die Wand eingelassenen Leuchtkörper überzogen, wurde das Licht auf ein schauriges Tieforange gedimmt.

Die beiden Personen, die an dem kleinen Tisch an ebenjener Wand saßen und ihr Mittagessen einnahmen schienen nichts zu bemerken.

„Da drüben“, brachte die Trill lediglich leise hervor.

Es hatte sich bereits eine neugierige Gruppe von Gästen um sie herum gebildet, die sich nicht die vermeintliche Show an diesem bislang ereignislosen Tag entgehen lassen wollten.

„Wo?“ Gaheris folgte dem Blick der jungen Frau.

Dax war so bleich geworden, dass die dunklen Flecken an ihrer Schläfe unnatürlich dunkel hervorstanden. Sie wagte es nicht, die Augen von der Wand fortzunehmen, weil sie fürchtete, dass der Schatten den Moment ihrer Unachtsamkeit nutzen würde, um zu verschwinden und sie abermals als fantasierende Übernächtigte dastehen zu lassen. So wiederholte sie lediglich „Da“ und hob ihren Arm ohne sicherzustellen, dass Gaheris‘ Blick ihrer Richtungsangabe folgte.

Die sie umgebende Gruppe wandte wie eine Person die Köpfe, um zu sehen, was die Sternenflottenoffizierin so aus der Fassung gebracht hatte. Einen Moment lang herrschte eine völlige Stille, die Dax in ihrer Qualität jedoch eher verwirrt als erschrocken anmutete.

Gaheris‘ nächste Worte bestätigten ihren Verdacht. „Was soll da sein?“

Nun wandte die Trill doch den Kopf, um ihren Kollegen anzublicken. Der starrte genau in die Richtung, die sie gewiesen hatte.

„Der Schatten, du siehst …“ Als sie wieder zur Wand sah, war diese wie befürchtet frei von jeder alptraumhaften Erscheinung. Das gedeckte Licht strahlte wie stets in einem matten Weiß. Sie starrte die Stelle noch einen Moment länger an, doch der Schatten kehrte nicht zurück. Sie wusste nicht, ob sie erleichtert oder enttäuscht darüber sein sollte.

„Ich …“ Erst jetzt realisierte sie den Personenauflauf, den sie geschaffen hatte, sowie den breiten Fleck an Raktajino zu ihren Füßen. Ein Angestellter des Replimat bahnte sich mit einer Reinigungseinheit in der Hand den Weg durch die neugierige Zuschauerschaft.

„Alles in Ordnung, Lieutenant?“, erkundigte er sich, als er den Selbstreiniger zu ihren Füßen absetzte und ihn seine Arbeit machen ließ.

„Ja …“ Dax schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben. „Ja … alles in Ordnung.“ Sie schenkte den anderen Gästen, die ganz offensichtlich auf eine Weiterführung der Show „irre Offizierin“ warteten, ein entschuldigendes Lächeln. „Es tut mir leid. Ich habe mich getäuscht … ich bin ein wenig übermüdet“, setzte sie lahm hinzu.

Gaheris verscheuchte die Menge mit wedelnden Armbewegungen. Dann bestellte er zwei starke Raktajino und eine Schale mit Hasperatrollen der Sorte „für außerbajoranische Gaumen gewürzt“ und schubste Dax mit Hilfe des beladenen Tabletts in Richtung des nächsten freien Tischs.

Die Trill ließ sich in den Stuhl fallen, Gaheris platzierte die große Tasse vor ihr. „Trink!“

Er beobachtete sie, wie sie mit beiden Händen das tönerne Gefäß aufnahm, um ein wenig Beruhigung aus der Wärme zu ziehen.

„Was war gerade los?“, wollte er schließlich mit bedeckter Stimme wissen. „Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt.“ Er nahm einen Schluck aus seiner eigenen Tasse.

„Ich …“ Dax starrte die dunkle Flüssigkeit an, wie sie durch die Bewegung ihrer Hände verursacht träge ihre Kreise in der Tasse zog. Dann schüttelte sie energisch den Kopf. „Ich bin total übermüdet. Ich sehe am helllichten Tag schon Gespenster. Entschuldige.“

Gaheris lächelte ihr aufmunternd zu. Er reichte über den Tisch und legte ihr die Hand beruhigend auf den Unterarm. „Du hast wieder einen Schatten gesehen?“

Sie nickte und kam sich dabei reichlich dumm vor. Mindestens fünfzehn Personen hatten vorhin mit ihr zusammen an die Wand geschaut, und außer ihr hatte niemand etwas Außergewöhnliches bemerkt. Wenn das nicht für eine Halluzination ihrerseits sprach, dann wusste sie auch nicht weiter.

„Du nicht?“, erkundigte sie sich dennoch. Sie wollte ganz sicher gehen.

Er schüttelte den Kopf. „Da war nichts, Ezri.“

„Es wirkte so real“, verteidigte sie ihre Ehre mit einem letzten schwachen Aufbäumen. Doch im Prinzip wusste sie, dass Gaheris und der Rest des Replimaten recht hatte. „Verdammte Fantasie“, setzte sie daher hinzu.

Ihr Kollege lachte leise, während er von einer der Hasperatrollen abbiss. „Vielleicht solltest du deswegen einmal mit der Stationspsychologin sprechen …“

„Sehr witzig!“ Doch Gaheris‘ flappsige Bemerkung hatte jedenfalls dafür gesorgt, dass sie wieder lächelte. „Ich denke, die Gurkenmaske ist doch gar keine so schlechte Idee.“

„Sag ich doch! Hast du nach OPS noch Sprechstunde?“

Sie schüttelte den Kopf. Ihr Büro hatte sie nur noch an vier Tagen in der Woche koordiniert mit ihrem Schichtplan geöffnet. Der Bedarf an psychologischer Beratung hier auf Deep Space Nine war einfach zu gering, um ausgedehntere Sprechstunden anzubieten. Für Notfälle prangte an ihrer Bürotüre ein Hinweisschild mit ihrem Kommunikationscode.

„Prima!“, befand Gaheris. „Dann haust du dich sofort nach Dienstschluss hin und tust nichts – vor allem lässt du den Roman liegen. Oder noch besser – besorg dir einen Termin bei Fionulas Wellnessoase oder eines von Quarks Entspannungsprogrammen.“

Dax setzte die nun halbleere Tasse wieder ab und griff ebenfalls nach einer Hasperatrolle. „Ich denke, Ausspannen auf dem Sofa tut es für den Anfang.“ Sie machte eine kurze Pause, in der sie von der bajoranischen Köstlichkeit abbiss, dann fügte sie mit ehrlicher Zuneigung hinzu: „Danke, dass mir ein so guter Freund bist, Peter.“

„Jederzeit, Ezri, jeder …“

Die Kommunikatoren der beiden Sternenflottenoffiziere meldeten sich gleichzeitig. Sie aktivierten die Insignien mit verwundertem Stirnrunzeln.

„Lieutenant Dax, Lieutenant Gaheris – haben Sie heute noch einmal vor wieder auf Ihrer Schicht zu erscheinen oder soll ich Ihnen beiden unentschuldigte Fehlstunden eintragen?“, erklang die strenge Stimme von Commander Benteen.

Beide Offiziere sprangen von ihren Plätzen auf, als wäre ihre Vorgesetzte im gleichen Raum mit ihnen. Sie griffen jeder noch nach einer Hasperatrolle, dann sprinteten sie zum nächsten Turbolift Richtung OPS.

* * *

Theoretisch war Gaheris‘ Vorschlag ein guter. Ezri Dax hatte nach der Arbeit tatsächlich eine Gurkenmaske für die Augen im Computer nachgeschlagen und sich dann die Zutaten dafür replizieren lassen. Nun lag sie auf dem Sofa in ihrem Quartier, den Kopf leicht mit einem Kissen gestützt, die Haare mit einem Haarband aus dem Gesicht gehalten, den Augenbereich mit Gurkenscheiben und einer Quark-Öl-Mischung belegt und bestrichen. Leise, der Entspannung dienende Musik ertönte. Der Vorteil an diesem Arrangement war, dass sie mit den Gurkenscheiben auf den Augen nichts sehen, und sich somit nirgends Schatten einbilden konnte.

Der Nachteil an diesem Arrangement war – dass sie nichts sehen konnte. Ihre lebhafte Fantasie malte sich alle möglichen Szenen aus, die sich gerade um sie herum in ihrem Quartier abspielten, während sie ahnungs- und hilflos auf dem Sofa lag.

Dax versuchte immer wieder diese Vorstellung zurückzudrängen und sich ganz in die Meditation und das geistige Loslassen zu versenken. Doch wie es oft so war mit Dingen, an die man angestrengt nicht denken wollte, waren sie das Einzige, was das Bewusstsein anfüllte.

Schließlich hielt sie es nicht mehr aus. Fast hektisch nahm sie die Gurkenscheiben von den Augen, setzte sich gleichzeitig auf und blickte sich in ihrem Quartier um. In den Ecken, an den Wänden, in dem schlecht beleuchteten Durchgang zum Schlafzimmer, überall war – nichts.

„Ich bin so ein Depp!“, fluchte Dax leise über sich selbst. Sie erhob sich vom Sofa, durchquerte das Schlafzimmer und betrat das Bad, um sich die Reste der Gurkenmaske aus dem Gesicht zu waschen.

Als sie zurückkehrte, fiel ihr Blick auf das Padd, das dort auf dem Bett lag, wo sie es gestern vor ihrer Flucht zu Gaheris hingeworfen hatte. Sie war erst zu einem Drittel durch die Geschichte durch. Sollte sie den Roman einfach löschen, um nicht mehr in Versuchung geführt zu werden?

Andererseits war ihre Neugierde auf das Ende der Horrorgeschichte groß. Sie trat zum Bett hinüber und nahm das Padd auf. Bevor sie es aktivierte, hielt sie einen Moment inne. Nein, sie würde sich nicht wieder hier in ihr einsames Quartier setzen, wo ihre Fantasie so ungezügelt davon galoppieren konnte. Entschlossen klemmte sie sich das digitale Lesebrett unter den Arm, verließ ihr Quartier und hielt auf die Promenade zu. Sie öffnete die Tür zu dem kleinen Büro, in welchem sie ihre psychologische Praxis eingerichtet hatte, und das sich zwischen einem Juwelier und Reise- und Transportunternehmen befand. Die Eingangstüren bestanden wie in allen Einrichtungen auf der Promenade aus transparentem Kunststoff, so dass sie den lebhaften Trubel außerhalb im Blick hatte, sobald sie den Blick von ihrem Padd hob. Auf diese Weise konnte sie in Ruhe lesen, setzte ihren Geist jedoch nicht der Einsamkeit des Quartiers aus. Aus Erfahrung wusste sie, dass ein Bewusstsein, das auf bestimmte Halluzinationen wartete, diese mit einer großen Wahrscheinlichkeit auch projizierte. Solange sie auf Schatten spekulierte, würde sie Schatten an jeder Ecke sehen. Doch dadurch, dass sie eine Personenmenge um sich wusste, die ihre Sichtungen nicht teilte, würde sie viel rascher wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgezogen als wenn sie alleine gewesen wäre.

Zufrieden mit diesem Arrangement legte Dax ihre Beine auf dem Tisch ab, aktivierte das Padd und rief die Stelle auf, an der sie gestern Nacht geendet hatte.

Anfangs hatte sie ein wenig Probleme in den Lesefluss zu kommen, weil sie immer wieder aufschaute, ob irgendwo ein Schatten auftauchte. So als nähme sie an, dass die Aktivierung des Romans die Sichtungen triggern würde. Doch bald war sie wieder in dem eigentlich banalen, doch höchst spannenden Geschehen gefangen.

Es war bereits eine Stunde vergangen, als sie wieder aufblickte. Sie hätte nicht sagen können, warum genau sie den Drang verspürte, den Blick zu heben, doch das, was sie sah, war frappierend genug, dass das Padd klappernd auf den Stuhl fiel und von dort weiter auf den Fußboden rutschte.

Der helle Durchlass ihrer Tür, durch den sie zuvor das Treiben auf der Promenade beobachtet hatte, warf nun einen dunklen Schatten in ihr Büro. Im ersten Moment erhielt sie den Eindruck, dass jemand das Licht auf der Promenade gelöscht hätte, dann begriff sie, dass die Dunkelheit daher rührte, dass sich etwas über ihre Tür gelegt hatte. Das amöbenartige Gebilde, das sie zuvor bereits im Replimaten glaubte gesehen zu haben, bewegte sich träge über den Eingang hinweg, schnitt das Licht ab, schnitt sie ab.

Den Schrei, den sie ausstoßen wollte, unterdrückte sie mit aller Macht. Stattdessen flog ihre Hand zum Brustbein, verharrte jedoch Millimeter über dem Kommunikator. Was wollte sie der Stationssicherheit mitteilen? Dass sie von einem Schattenmonster belagert wurde, das außer ihr niemand sehen konnte? Sie hätte sich auch gleich selbst einen Überweisungsschein an die psychiatrische Zentrale der Sternenflotte ausstellen können.

Obwohl sich die Haare in ihrem Nacken und auf ihren Armen aufstellten, zwang sie sich dazu, langsam die Beine vom Tisch zu nehmen. Vielleicht hatte es sie noch nicht entdeckt, vielleicht würde es weiterziehen, wenn sie sich ruhig verhielt.

Sie schüttelte energisch den Kopf. Was dachte sie da? Sie unterlag einer heftigen Halluzination, es hatte gerade noch gefehlt, dass sie begann die Grenzen zwischen Illusion und Wirklichkeit zu verwischen. Gerade sie sollte es besser wissen.

Nein! Abermals schüttelte Dax den Kopf, bis ihre Ohren klingelten. Wenn sie jetzt wieder aufblickte, wäre die Erscheinung verschwunden, wie auch die vorigen Male, als sie andere hatte darauf aufmerksam machen wollen.

Dass dem nicht so war, erkannte sie bereits, bevor die Tür wieder in ihr Blickfeld geriet. Die Augen noch auf den Boden gerichtet nahm sie die Abdunkelung wahr, die immer noch in ihrem Büro herrschte. Langsam hob sie den Kopf an. Der amöbenartige Schatten hatte sich zur Hälfte nach rechts aus dem klaren Einsatz der Türe hinausbewegt, die langen Ausläufer zog er über die gesamte Breite noch nach.

Dax hielt den Atem an. Ihre gereizten Sinne suchten den inneren Bereich neben der Türe ab, fest davon überzeugt, dass sich das Schattenmonster durch einen Ritz zwischen Tür und Wand in ihr Büro zwängen würde und es aus war mit ihr. Doch die erwartete Invasion blieb aus.

Als nur noch die letzten Teile der Amöbenfüßchen zu sehen waren, nahm sie all ihren Mut zusammen, wies den Computer an, die Tür zu öffnen und sprintete hinaus. Sie hielt erst an, als sie die gegenüberliegende Wand erreichte. Vorsichtig wandte sie sich um – und sah die Blicke der Promenadengäste auf sich gerichtet. Einige mürrische Gesichter waren darunter, die sie bei ihrem unangekündigten Spurt angerempelt hatte, der Rest wies unterschiedlich weit fortgeschrittene Stadien der Verwunderung auf. Kein Blick beachtete die Wand neben ihrem Büro.

Dax hoffte inständig, dass sich niemand hier befand, der sie heute Mittag bereits im Replimaten erlebt hatte, sonst würde sie alle Hände voll zu tun haben, ihren Ruf wiederherzustellen.

Sie nickte in Richtung ihres Büros, wo sie immer noch Teile des Schattens zwischen der Wand und der Auslage des Juweliers verschwinden sah. „Da war eine Spinne in meinem Büro“, erklärte sie, nachdem sie einmal tief durchgeatmet hatte. „Und davor grusel ich mich ganz fürchterlich.“

Alle sahen zur anderen Seite der Promenade hinüber. Manche nickten mitfühlend, manche schüttelten nachsichtig den Kopf über das hysterische Verhalten der Psychologin, doch niemand verlor auch nur ein Wort über den Schatten.

Nachdem sich die Menge wieder aufgelöst hatte, huschte Dax in ihr Büro zurück, holte das Padd und gesellte sich dann rasch in den abendlichen Trubel. So konnte das nicht weitergehen. Sie hatte das Gefühl, dass sie allmählich verrückt wurde. Wenn niemand außer ihr etwas bemerkte, blieb ihr gar keine andere Wahl als zu der Erkenntnis zu kommen, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Entweder hatte sie einen psychischen Knacks oder einen neurologischen. Beides musste sie überprüfen lassen. Dummerweise war der Mediziner ihres Vertrauens momentan nicht verfügbar und die Stationspsychologin leider unpässlich. Sie packte das Padd fester, entschlossen in ihr Quartier zurückzukehren und die gesamten hunderteinundzwanzig Punkte des erweiterten Storak-Th’shrian-Tests auf psychische Unbedenklichkeit an sich selbst durchzuexerzieren. Zwar war ihr bewusst, dass sie das Ergebnis bereits dadurch beeinflusste, dass sie über den Sinn und Zweck der Fragen Bescheid wusste. Aber sie erhoffte sich eine neue Richtung für ihre festgefahrenen Überlegungen.

Diese Vornahme beflügelte sie so ziemlich eine Minute lang. Dann sah sie die Schatten, zwei von ihnen. Ruckartig blieb sie stehen und starrte die hervortretende Architektur des bajoranischen Stationstempels an. Über dem Eingangstor bewegte sich die dunkle amöbenartige Form hinweg, sie schien Dax kleiner zu sein als diejenige, die sie zuvor beobachtet hatte. Auf der gegenüberliegenden Seite der Promenade huschte ein weiterer Schatten dahin, weitaus rascher in der Fortbewegung.

Zum zweiten Mal an diesem Abend hielt Dax den Atem an. Das musste doch jemand sehen, sie konnte doch nicht so gestört in ihrer Wahrnehmung sein.

„Oh, der Tempel ist heute aber schön geschmückt!“ Ihre Stimme war zu hoch, zu laut und zu monoton, um echt zu wirken, doch ihr gestammelter Ausruf tat seinen Zweck. Etliche Besucher der Promenade sahen zum bajoranischen Ort der Andacht hinüber, auf dem gut sichtbar der Schatten prangte. Doch das einzige, was Dax in dem Gemurmel ausmachen konnte, war ein „sieht doch aus wie immer“, bevor die anderen wieder ihres Weges zogen.

Die Trill machte auf dem Absatz kehrt und eilte so rasch in Richtung Krankenstation, dass es gerade noch nicht als Flucht angesehen werden konnte.

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