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Die gute Seele

von Syrinx

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Ich glaube, ich habe mich Ihnen bis heute noch nicht vorgestellt.

Nun, ich bin die gute Seele des Schiffes, des mächtigen Raumschiffes Voyager, obwohl nur den wenigsten Leuten diese Tatsache bekannt ist. Es gibt niemand, der das Schiff bis in den hintersten und dunkelsten Winkel so gut kennt wie ich, nicht einmal der Captain. Wie sollte sie auch, sie hat auch noch nie interstellaren Staub aus Teppichfugen gekratzt. Eine ganz schön schweißtreibende Arbeit, kann ich Ihnen sagen.

Ich bin also, wie Sie wohl schon festgestellt haben, die Putzfrau.

Was, Sie fragen sich, was ich den ganzen Tag so mache?

Dieses Schiff hat 15 Decks, die ich alleine sauber halten muss. Und das ist bei dieser Crew sicherlich nicht ganz einfach. Wer, glauben Sie, räumt die unzähligen Kaffeetassen weg, die der Captain überall stehen zu lassen pflegt? Jawohl, das bin ich. Außerdem bin ich dafür verantwortlich, dass die Fenster stets klar und ohne fettige Fingerabdrücke sind, ebenso wie insgesamt etwa einhundert Schreibtische abgestaubt, 141 Betten gemacht und ebenso viele Quartiere gesaugt sowie Bäder geputzt werden wollen.

Die Blutweinflecken auf Lieutenant Torres‘ Sofa und Fußboden haben mich vor kurzem einen geschlagenen Nachmittag gekostet, an dem sich Fähnrich Nicoletti sich auf Holodeck zwei den Arm gebrochen hat, da der Vorbenutzer Wasser verschüttet hatte und sie in ihrem Tanzprogramm auf dem rutschigen Boden ausgerutscht ist. Und wer wurde dafür verantwortlich gemacht? Ich natürlich! Der Captain meinte nur, dass es meine Pflicht wäre, dafür zu sorgen, dass die Holodecks sauber sind. Dabei könnten die Benutzer dieser Holodecks ruhig auch mal selbst etwas Verantwortung zeigen. Und auch etwas Verständnis, vor allem der Captain. Wissen Sie, was es für eine Tortur ist, solch lange Haare aus Abflüssen zu entfernen?

Als Konsequenz aus Nicolettis Unfall habe ich nun ein Schild vor den Holodecks befestigt: "Bitte die Räumlichkeiten wieder so verlassen, wie sie vorgefunden wurden (besenrein). Jegliche Verunreinigung ist vor Verlassen des Holodecks zu entfernen." Seitdem ist es etwas besser geworden und vor allem trage ich nicht mehr die volle Verantwortung.

Aber die Holodecks sind Kinkerlitzchen im Vergleich zu dem Kasino. Ich habe es so satt, ständig Essensreste aus den starren Teppichhaaren zu kratzen, von den Kaugummis unter den Tischen ganz zu schweigen. Für das Spülen des Geschirrs ist zum Glück Neelix verantwortlich, aber auch so bleibt für mich noch genug Arbeit übrig. Haben Sie schon einmal eingetrocknetes und halb verkohltes Gakh aus einem Replikator gekratzt? Tom Paris hatte eine Wette verloren, doch zu seinem Glück und meinem Pech hatte der Replikator eine Fehlfunktion und das Gakh ist, halb verkohlt, im Replikator explodiert. Mir wird schon schlecht, wenn ich nur daran zurückdenke.

Ähnliche Gefühle überkommen mich, wenn ich an Neelix‘ Küche und die Vorratskammer denke. Manche seiner Zutaten sind in unverarbeitetem Zustand noch schlimmer anzusehen und zu riechen als in gekochtem. Außerdem geht es mir auf die Nerven, ständig überall kurze, gelbe Barthaare aus dem Ventilatorensystem saugen zu müssen. Die Biester sind wahnsinnig borstig und lassen sich nur unter größtem Kraftaufwand entfernen.

Nun ja, ich könnte noch stundenlang weiter erzählen. Es gab gewisse Höhepunkte" in meiner Arbeit hier, die meinen besonderen Einsatz forderten. Die Epidemie der Makroviren hat mich etwa drei Tage lang beschäftigt, bis ich auch das letzte der etwa einen halben Meter langen Biester aus der Luftschleuse geworfen hatte. Die Hirogen haben praktisch die gesamte Voyager in eine Müllhalde mit Holoemittern verwandelt. Ich habe eine Flasche Sekt aufgemacht, als endlich alle Holoemitter in den Gängen wieder entfernt worden waren, da sich der Schmutz von holografischen Stränden, Wäldern und einem gewissen Barprogramm durch die gesamte Voyager gezogen hat und nicht wie sonst bei Verlassen des Holodecks, einfach verschwand.

Nie werde ich das schlürfende Geräusch meines Staubsaugers und das entsetzte Gesicht des Commanders vergessen, als ich in seinem Quartier gesaugt habe. Ich stocherte mit dem Saugrohr unter seinem Bett herum, als es passierte. Wie wahnsinnig stürzte er sich auf den Staubsauger, riss den Deckel auf und kippte den gesamten Inhalt auf den Boden. Dann begann er, wie wild darin herumzuwühlen, bis sich der gesamte Staub gleichmäßig in seinem Quartier verteilt hatte. Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Am besten, ich hätte mich gleich aus der nächsten Luftschleuse gestürzt. Nach einigen Momenten wilden Wühlens zwischen aufgesaugten Haarnadeln des Captains, Neelix‘ Barthaaren, vielen Staubmäusen und der Körperbehaarung von verschiedenen Mitgliedern dieser Crew, hielt er triumphierend einen kleinen Stein in die Höhe. Ich blickte ihn verzweifelt an. Deswegen hatte er mir die zusätzliche Arbeit verschafft?

"Gott sei Dank! Ich dachte schon, ich hätte ihn verloren. Können Sie das nächste Mal nicht besser aufpassen?"

"Was ist das?"

"Einer meiner Gebetssteine. Ein unentbehrliches Stück. Sagen Sie mir das nächste Mal vorher Bescheid, ehe Sie einfach alles aufsaugen, ja?"

Und weg war er. Kein Dankeschön, nichts. Ich betrachtete den Stein, welcher meiner Meinung nach erstens repliziert war und zweitens wie ein ganz gewöhnlicher Kiesel aussah, und machte mich an die Arbeit, das Quartier des Commanders von seiner Staubschicht zu befreien.

Nun ja, mein Leben hier ist nicht ganz einfach. Von den meisten ignoriert, ebenfalls vom Computer (ich besitze auch keinen Kommunikator), wirke ich meist im Verborgenen und putze der mutigen Crew der Voyager hinterher. Immerhin trage ich etwas bei zur Entwicklung der menschlichen Kultur. Ich verhelfe denen, die mutig dorthin gehen, wo noch kein Mensch zuvor gegangen ist, zu einem etwas angenehmeren Leben, wenn sie wieder in den Schoß des Schiffes zurückkehren, beziehungsweise in die Ruhe ihrer blitzsauberen Quartiere. Mich erfüllt es mit Stolz, wenn ich höre, dass fremde Besucher die Voyager und ihre Sauberkeit loben, was in allererster Linie mein Verdienst ist. Schon auf der Akademie hat man uns beigebracht, dass wir die Mütter unserer Crew und des Schiffes sein werden, wenn gleich unsere Leistungen unbeachtet bleiben. Doch die Voyager ist ein starkes Schiff mit einer unbeschreiblichen Crew und ich bin mehr als glücklich, ihnen dienen zu dürfen. ‚Die Ecken und Kanten darf man ihnen nicht übel nehmen‘, wurde uns von unserem Professor für "Ethik der Raumpflegenden für Raumschiffe" gesagt, sie sind schließlich gestresste Leute, welche einen wichtigen Job für uns und unsere Kultur ausüben und somit auch viel Verantwortung tragen.

Trotzdem wäre ich über ein kleines bisschen mehr Anerkennung nicht böse. Oder wenigstens einen Kommunikator. Oder, wenn das schon nicht geht, könnte man mich wenigstens mit auf die Crewliste setzen. Ich werde das mit dem Captain diskutieren. Und, wer weiß, eines Tages erwähnt man mich vielleicht sogar im Abspann.

Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg. Passen Sie auf, vielleicht sehen Sie mich einmal im Hintergrund durchs Bild laufen. Ich werde Ihnen auf jeden Fall zuwinken. Und falls Sie mich nicht sehen, denken Sie an mich, falls das nächste Mal ein perfekt gemachtes Bett oder frische Blumen in einer Vase auf einem sauberen Schreibtisch stehen sehen. Denken Sie an mich, wenn ich statt des intergalaktischen Bösen Schmutz und Unordnung bekämpfe und die Abenteuer des starken Raumschiffes Voyager und seiner mutigen Crew erst möglich mache. Ach ja, und falls Sie dem Captain begegnen, könnten Sie ein gutes Wort für mich einlegen? Mein ewiger Dank wäre Ihnen gewiss.

Warum muss das Böse in der Welt sein? [...]

Immer strebt es nach der Macht über das Gute, aber es kann ja ohne das Gute nicht sein, und würde es je die vollständige Macht erlangen, so müsste es gerade das zerstören, worüber es Macht zu haben begehrt. [...] Darum hat es eben keinen Platz in der Ewigkeit. Ewig ist nur das Gute, denn es erhält sich selbst ohne Widerspruch.

Michael Ende ("Der Wunschpunsch")
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