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Face your demons

von Darchelle

Kapitel 2

Nach dem Abendessen - ihre Schicht verlief ereignislos - sass er Zoe gegenüber an dem kleinen Tisch irgendwo in einer verlassenen Ecke des Stützpunktes. “Es wird eine Weile dauern, bis sich erste Verbesserungen bemerkbar machen. Sie müssen sich also in Geduld üben. Und vor allem müssen Sie die Übungen, die ich Ihnen zeige, immer wieder wiederholen, sonst dauert es noch länger. Stehen Sie mit vollem Willen hinter dieser Therapie?”, fragte sie nach der kurzen Erklärung. “Ansonsten können wir gleich wieder abbrechen.”
“Vollkommen”, antwortete Leonard. “Man ändert nicht auf halber Strecke die Richtung.”
Zoe schmunzelte. “Na dann, hören Sie mir genau zu.”
In der folgenden Stunde lernte Leonard, sich selbst Mut einzureden und sich zu sagen, dass der Weltraum nicht ansatzweise so schrecklich war, wie er dachte. Es war wichtig, dass ihm die Gefahren zwar bewusst waren, er aber auch wusste, dass ein Auftreten dieser Gefahren mehr als unwahrscheinlich war.
Ausserdem verbildlichte er sich seine Angst. “Es ist wichtig, dass Sie wissen, wovor Sie wirklich Angst haben, damit Sie diesen Faktor sozusagen bekämpfen können. Können Sie mir ein Bild dieser Angst beschreiben?”
“Ich fürchte mich nicht wirklich vor der unendlichen Weite des Alls”, sagte Leonard überlegend. “Es sind wirklich die Gefahren, die hier draussen lauern. Und vielleicht auch das Unbekannte.”
“Welche Gefahren spezifisch?”, hakte Zoe nach.
“Krankheiten oder was geschieht, wenn man ohne Schutzanzug hinausgerät. Ein Riss in einer Raumschiffhülle, die einen hinaussaugt oder man von innen explodiert.” Er schauderte bei der Vorstellung.
“Gut. Damit lässt sich arbeiten. Konzentrieren wir uns auf die Gefahren.”
Zoe zwang Leonard regelrecht, sich die gefürchteten Gefahren auszumalen und so genau wie möglich zu beschreiben. Das löste bei McCoy Schweissausbrüche aus und bald spürte er, wie sein Atem stossweise ging. Plötzlich stand er keuchend auf, sein ganzes Gewicht auf den Tisch abgestützt. Seine Arme zitterten. “Genug!”, rief er und klang gehetzt. Das hier war Folter für ihn. Ihm war schlecht und er wollte nur noch schlafen. Vergessen, was er alles für Qualen in seinem Geiste hatte durchleben müssen.
Eine Hand legte sich auf seine. “Für heute haben Sie genug. Aber bitte denken Sie daran, dass es wichtig ist, dass Sie sich immer wieder vor Augen führen, wovor Sie Angst haben und sich danach versuchen klar zu werden, dass diese Ängste unbegründet sind.”
Sie stand ebenfalls auf und sah ihm fest in die Augen. “Sie haben sich gut geschlagen. Bleiben Sie weiter so stark.”
Gemeinsam kehrten sie in den Bereich mit den Quartieren zurück und verabschiedeten sich etwas verlegen mit einem Händedruck. Seufzend betrat Leonard sein Zimmer. Zwei seiner drei Zimmergenossen waren bereits hier. Der dritte traf mitten in der Nacht ein, als Leonard immer noch wach und mit vor Angst klopfendem Herzen in seinem Bett lag und die Decke anstarrte. Schlaf zu finden war ein Ding der Unmöglichkeit in diesem schwebenden Todestrakt.


Entsprechend hinüber war er am nächsten Morgen, als sie gemeinsam frühstückten. Er sass neben seinen Genossen und stocherte lustlos im Müsli herum, das vor ihm stand. Es benötigte seine ganze Willenskraft, nicht einfach die Augen zu schliessen und auf der Stelle einzuschlafen.
“McCoy!” Die wütende Stimme des Professors liess ihn blinzeln. Jetzt war er doch tatsächlich weggedöst.
“Ihr Arbeitsplan für die nächsten Tage”, blaffte er und drückte Leonard ein Blatt in die Hand.
Verwirrt überflog er die Zeiten, in denen er Schicht hatte. Jeden Tag eine andere Zeit. Heute bis in den frühen Nachmittag hinein. Ganz toll. In diesem Zustand konnte er keine Patienten behandeln. Die schmeissen mich aus der Akademie, dachte er verdrossen.
“Kommen Sie?”, fragte eine freundliche Stimme hinter ihm. Erst jetzt bemerkte er, wie sich der Speisesaal langsam leerte.
“Sicher.” Leicht mit der Situation überfordert folgte er Zoe, die ihn auf die Krankenstation führte. Alleine hätte er bestimmt nicht dahin zurück gefunden.
“Nicht gut geschlafen?”, fragte sie.
“Nicht geschlafen trifft es besser”, antwortete er seufzend und versuchte sich auf seine Schritte zu konzentrieren.
“Dann nehmen Sie heute lieber keine Geräte in die Hand”, entgegnete sie und klang mitfühlend. Als würde sie auch nur ansatzweise verstehen, wie er sich fühlte. Reiss dich zusammen. Er durfte seine schlechte Laune nicht an ihr auslassen.
Er rieb sich die Schläfe und konnte im letzten Moment verhindern, in Zoe hinein zu laufen, die in der Tür der Krankenstation stehen geblieben war. Vor ihnen breitete sich ein riesiges Chaos aus.
“Was um alles in der Welt haben Sie angestellt?”, fragte Zoe. Anscheinend war sie die Ruhe in Person, denn Leonard hätte an ihrer Stelle bestimmt laut ausgerufen, wäre er auch nur ansatzweise dazu in der Lage. Aber sie durchschritt bloss mit grossen Augen den Raum, darauf achtend, auf keines der medizinischen Instrumente zu treten. Leonard blieb, wo er war. In seinem Zustand würde er nur noch mehr Verwüstung anstellen.
“Er hat angefangen”, sagte Jackson und deutete auf Schiffmann, der auf dem Boden sass, um ihn herum alles voller Verbände.
“Gar nicht wahr, du musstest mir das Scheissteil doch anwerfen!” Demonstrativ hob er einen der halb aufgerollten Verbände auf und warf ihn Jackson gegen den Bauch.
“Jungs!”, rief Zoe dazwischen, unüberhörbar genervt. “Wie alt sind Sie? Wenn Bald das sieht....”
Bald war der Spitzname, den sie ihrem Professor eines Tages vor gut einem Jahr einmal gegeben hatten. Er hatte eine Glatze, die je nach Sonneneinstrahlung schon beinahe blendete.
“Aufräumen, los!”
Leonard beobachtete, wie die Männer sich zusammen rissen und begannen, die Krankenstation schnell und pflichtbewusst aufzuräumen. Er war beeindruckt. Es war nicht leicht, kind-gebliebene Männer unter Kontrolle zu bekommen. Und er sprach aus Erfahrung. Jim war wohl der anstrengenste Mensch, den er kannte.
Nun drehte sich Zoe um und gesellte sich wieder zu ihm.
“Ich weiss, Sie werden es hassen, aber solange wir Zeit haben: Wiederholen Sie doch einige Übungen von gestern”, murmelte sie, sodass nur er sie hören konnte.
“Ich bin echt nicht in der Stimmung”, grummelte er. Es ging ihm schon beschissen genug, da musste er sich nicht noch vor Augen führen, in welcher Gefahr er schwebte. Nebst dem, dass er das eigentlich sowieso die ganze Zeit tat.
“Wenn Sie Ihre Phobie bekämpfen wollen, bleibt Ihnen nichts anderes übrig.”
Leonard seufzte ergeben. Ja, er wollte diese verdammte Panik loswerden, aber ging das wirklich, indem er sich noch mehr in Panik versetzte?
Anscheinend, also sagte er leise vor sich hin, was er abends zuvor als sein Mantra deklariert hatte. Seine Ängste und weshalb sie unbegründet waren. Er machte das aber nur so lange, wie er es aushielt.
Inzwischen hatten die anderen das Chaos beseitigt und zwar keine Sekunde zu früh. Ein Mann hinkte in die Krankenstation und legte sich sogleich auf das Biobett. Zoe übernahm den Patienten und hatte ihn innert fünfzehn Minuten behandelt und beraten. Leonard war beeindruckt.
“Nicht schlecht. Waren Sie auch schon vor der Akademie Ärztin?”
Sie schüttelte den Kopf. “Ich habe eine Ausbildung als Krankenschwester begonnen, habe dann aber zur Sternenflotte gewechselt.”
Der Rest des Morgens verlief ziemlich ereignislos. Nur noch ein Mann mit einer Schnittverletzung an der Hand tauchte auf, den Schiffmann behandelte.


Nach einem kurzen Essen musste Leonard sich hinlegen und er schaffte es sogar, etwas zu schlafen.
Als es an seine Zimmertür klopfte, wurde er unsanft geweckt. Ungeschickt rappelte er sich auf und stolperte verschlafen zur Tür. Kaum hatte er sie geöffnet, fuhr er sich peinlich berührt durch die Haare. Zoe stand lächelnd vor ihm.
“Störe ich?”
“Nein, nein.” Er zupfte seine Kleidung etwas zurecht.
“Ich würde Ihnen gerne etwas zeigen.”
Leonard folgte ihr durch den Stützpunkt bis zu einem grossen Raum, der mit allerlei Sportgeräten gefüllt war. Einige Männer trainierten.
“Danke, aber ich glaube, das habe ich nicht nötig. Das Training der Akademie ist schon streng genug”, murmelte er mit hochgezogener Augenbraue.
Zoe lachte. “Es geht mir nicht um den Sport, sondern um die Aussicht.”
Erst jetzt fiel Leonard das riesige Fenster hinter den Fahrrädern auf. Sofort wurden seine Knie weich. Jetzt hatte er doch so erfolgreich seine Lage verdrängt.
“Dieser Stützpunkt existiert schon seit über siebzig Jahren. Jedes Jahr wird er von über zwei Millionen Lebewesen besucht. Alle zehn Monate gibt es eine Rundum-Untersuchung. Allfällige Schäden werden langfristig wirksam repariert und jeder Fehler zur Vermeidung in eine Datenbank aufgenommen. Diese Sicherheitsmassnahmen finden Sie bei allen Stützpunkten und Raumschiffen der Sternenflotte. Sie müssen sich also nicht vor Rissen in der Hülle oder einem plötzlichen Ausfall lebenswichtiger Funktionen fürchten. Das ist unmöglich.”
Leonards Augenbraue schoss noch weiter in die Höhe. Er hätte nicht gedacht, dass die Verantwortlichen so sehr auf jedes kleine Detail achteten.
“Und das wissen Sie einfach so?”, fragte er dann.
“Nein, ich habe mich etwas informiert, während Sie geschlafen haben.” Sie lächelte verlegen. “Sehen Sie, damit versuche ich, Ihnen die Unsicherheit zu nehmen. Menschen fürchten sich am meisten vor dem, was sie nicht kennen. Wenn Sie nun also wissen, dass die Sicherheitsstandards unglaublich hoch sind, haben Sie hoffentlich weniger zu befürchten. Wie fühlen Sie sich gerade?”
Leonard kippte den Kopf leicht.
“Ich weiss nicht… nicht viel besser. Ein wenig vielleicht, aber weg ist meine Angst noch lange nicht. Das wäre wohl auch zu einfach, nehme ich an.” Er grinste unsicher.
“Ja, das wäre es wohl. Aber wir arbeiten weiter daran. Sie schaffen das.”
Er schaute wieder aus dem Fenster. Die Sterne leuchteten ihm entgegen als wollten sie ihn zu sich locken. Aber mit seiner Phobie würde er wohl für immer auf der Erde festsitzen. Jim würde das nicht gefallen. Sie beide verbrachten ziemlich viel Zeit zusammen auf der Akademie und Jim hatte schon ein paar mal erwähnt, was er von ihnen beiden auf einem Raumschiff hielt. Leonard störte es, dass er Jim so enttäuschen musste. Aber er würde es keine Woche aushalten und schon gar nicht irgendjemanden behandeln können. Mit Zoes Hilfe könnte er Jims Wunsch vielleicht erfüllen. Ich muss es versuchen. Wenn er einen Grund hatte, seine Angst zu bekämpfen, würde er vielleicht noch schneller Fortschritte machen.
“Worüber denken Sie nach?”, fragte Zoe.
Er fasste ihr seine Gedanken kurz zusammen. “Das ist doch hervorragend. Halten Sie daran fest, dann zeigt sich der Erfolg bestimmt schneller als erwartet.”
Er lächelte dankbar. “Vielen Dank. Ich sollte jetzt wieder zurück.”
“Heute nach dem Abendessen ein weiterer Termin?”, fragte sie und begleitete ihn zurück zu seinem Zimmer, wo er hinwollte.
“Natürlich.”
“Vergessen Sie ihre Übungen nicht. Und immer positiv denken. Schönen Tag.” Sie liess ihn vor seiner Zimmertür stehen. Seufzend trat er ein. Wie erwartet leuchtete eine Nachricht auf seinem Pad auf. Jim hatte versucht, ihn anzurufen.
“Hey Jim”, grüsste er seinen besten Freund grinsend. Ablenkung half immer gegen seine Panik und Jim schaffte es trotz seiner manchmal nervigen Art immer wieder, ihn aufzumuntern.
“Pille! Na, wie läuft’s?” Jim grinste wie immer vor sich hin und wirkte entspannt. Leonard wäre im Moment lieber bei ihm als hier oben.
“Nicht so wirklich. Ich krepiere hier oben erbärmlich. Arbeit hat es bis jetzt noch nicht wirklich welche gegeben. Ich frage mich ernsthaft nach dem Sinn dieser sogenannten Mission.”
“Ach, das schaffst du schon! Was soll ich denn hier bloss ohne dich tun?”
“Ich geb mir Mühe”, versprach Pille. Er war wirklich froh, Jim als Freund zu haben. “Was verpasse ich alles?”
“Nicht viel. Kennst es doch. Hier passiert nichts. Obwohl…” Er zog eine Augenbraue hoch und lächelte verschwörerisch. “Ich habe gestern mal die Mädchen abgecheckt, die letzte Woche neu hinzugekommen sind. Du weisst doch, die Quereinsteiger.”
Pille nickte. Er hatte davon gehört, dass zwei junge Frauen es geschafft hatten, sich mitten im Jahr in die erste Stufe einschleusen zu lassen. Wie das möglich gewesen war, konnte er jedoch nicht sagen.
“Ich kann dir sagen, die eine, die ist echt scharf. Jede Wette, ich kann sie um den Finger wickeln.”
Pille schüttelte lachend den Kopf. “Du bist unmöglich, Sternencasanova. Du eignest dir noch einen schlechten Ruf an. Deine Chancen, Captain zu werden, sinken dadurch drastisch.”
“Ach was.” Jim winkte ab. “Bis dahin bin ich alt und kann mir das nicht mehr erlauben. Davor muss ich noch meinen Spass haben.”
“Wenn du meinst. Viel Glück.”
Sie redeten den Rest des Nachmittags über eher belangloses Zeugs und Leonard genoss es einfach. Er vergass beinahe, dass er sich in einem schwebenden Todestrakt befand.
“Jetzt muss ich aber los”, sagte Jim irgendwann. “Auf mich wartet noch jemand.” Grinsend zwinkerte er. “Ich wünsch dir noch viel Glück.”
“Danke.” Pille seufzte. “Dir viel Spass. Übertreib es nicht. Ich kann dir von hier oben nicht helfen.”
“Ich pass schon auf mich auf. Bye.”
Die Verbindung brach ab und Leonard starrte auf den blauen Hintergrund seines Pads. Nach einer Weile fiel ihm die Uhrzeit auf. Er sollte mal etwas essen. Sonst liess er Zoe noch warten.
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