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Schadensbericht des Grauens

von Kontikinx1404

Kapitel 1


Gleichungen über Gleichungen waren es, die Captain Jacqueline Jones immer noch durch den Kopf gingen, als sie erschöpft ihr Quartier betrat. Ein ereignisreicher und langer Tag lag hinter ihr. Das waren die Nachteile, wenn man an der Konstruktion eines experimentellen Schiffes mitgewirkt hatte und dessen Captain geworden war. Nach ihrer üblichen Schicht auf der Brücke hatte sie noch dem Chefingenieur Mr. Sesol im Maschinenraum geholfen, obwohl das überhaupt nicht mehr zu ihren Aufgaben gehörte. Doch sie wollte beweisen, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, dieses Schiff mit diesem Antrieb zu bauen und sie als Captain dafür einzusetzen. Zusammen mit dem Betazoid waren sie die Betriebsparameter des Transwarpantriebes durch gegangen. Die Sternenflotte verlangte zum wiederholten Male einen erneuten Test mit einigen recht neuen und ungewöhnlichen Modifizierungen am Antrieb.

Da die U.S.S. Alphaone das einzige Raumschiff mit einem experimentellen Transwarpantrieb, und Captain Jones für die Konstruktion des Schiffes verantwortlich war, hatte sie nun jede Menge Arbeit. Bei Mr. Sesol taten bei der Erstellung der neuen Betriebsparameter für die Modifikationen einige Fragen auf, daher hatte er sie um Hilfe gebeten.
Anscheinend war den Ingenieuren in der Werft entgangen, dass das Schiff längst im Einsatz war und man die Test- und Versuchsphase damit abgeschlossen hatte. Die meist nur aus ellenlangen Berechnungen bestehende und nur hypothetisch funktionierende Leistungsausbeute sollte sie jetzt einfach mal ein ganzes Stück heraufsetzen und gegen Störungen deutlich besser absichern.
Natürlich hatte man dabei auf das Schiff gar keine Rücksicht genommen, sie als Captain wusste aber, dass die Form des Schiffes, ebenso wie beim Warpantrieb, eine entscheidende Rolle spielte. Die Transwarpblase, die erzeugt werden musste um diesen Antrieb zu nutzen, war um ein Vielfaches komplexer und fragiler, wurde von viel mehr Parametern beeinflusst als ein normales Warpfeld. Also musste sie die ganzen Berechnungen neu erstellen, damit sie sichergehen konnte, dass bei der kommenden Aktivierung alles glatt laufen würde.
Captain Jones, von ihren Freunden auch Jackie genannt, konnte bei der Lösung eines technischen Problems einfach nicht nein sagen und sicherte sofort ihre Unterstützung zu, mit dem Ergebnis dass sie bis spät in die Nacht mit Mr. Sesol an einer Aktualisierung arbeiteten. Als beiden schon die Köpfe rauchten, fanden sie schließlich eine Lösung. Somit konnte der Antriebstest planmäßig am nächsten Morgen durchgeführt werden.

Kaum hatten sich die Türen ihres Quartiers hinter ihr geschlossen, atmete sie erst einmal richtig tief durch und streifte ihre Schuhe von den Füßen. Endlich konnte sie sich entspannen, sie stand nicht mehr im Fokus der allgemeinen Aufmerksamkeit der Besatzung, nur weil sie der Captain war. In ihrem Quartier konnte Jackie sie selbst sein. Ein müder Blick auf das Chronometer verriet ihr, dass sie in 5 Stunden bereits wieder auf der Brücke sein musste.

Die Sirenen der Alarmstufe Rot rissen Captain Jones unsanft aus ihrem Schlaf. Sie tastete auf dem Nachttisch nach der Sensorfläche für das Licht, fand sie jedoch nicht sofort und warf versehentlich ihren Ehering zu Boden. Schließlich fand sie die Sensorfläche doch noch und im Raum wurde es hell. Geblendet von der Helligkeit blinzelte sie erst einmal, bis sich ihre Augen daran gewöhnt hatten. In den nächsten Sekunden fing ihr Verstand an zu arbeiten und sie warf einen Blick auf das Chronometer. Sie hatte gerade mal 2 Stunden geschlafen. Doch die Sirenen kannten kein Erbarmen und heulten weiter. Ihr wurde klar, dass es einen Notfall geben musste und sie auf der Brücke gebraucht wurde. Hoffentlich kein Angriff, überlegte sie. Dieser Raumsektor war zwar nicht bekannt für Überfälle oder Anomalien, aber man konnte ja nie wissen. Sie hob ihren Ehering vom Boden auf und schob ihn sich über den Ringfinger. Schnell schlüpfte sie in ihre Uniform, richtete kurz ihre braunen, schulterlangen Haare und eilte hinaus in den nur von der Alarmbeleuchtung erhellten Korridor. Die Zeit im Turbolift nutzte sie um ihren Verstand auf Touren zu bringen. Ein heißer, starker Kaffee wäre jetzt genau das richtige, aber dafür war keine Zeit, also musste es ohne gehen. Jackie bemühte sich einen wachen und agilen Eindruck zu machen als sich die Turbolifttüren öffneten.
Der beißende Geruch von verschmorten Schaltkreisen stieg ihr in die Nase, als sie die Brücke betrat. Nebelschwaden zogen durch den gesamten Raum und ein Besatzungsmitglied war gerade dabei mit einem Feuerlöscher die Flammen zu löschen, die aus der technischen Station schlugen. Die Leitzentrale war nur von der Notbeleuchtung und den roten Alarmlichtern erhellt. Captain Jones warf schnell einen Blick über die Brücke, alle Stationen waren besetzt und außer der technischen Station war auch nichts kaputt. Eine einzelne Gestalt stand in der Mitte der Brücke und sah auf den großen Bildschirm. Zweifellos handelte es sich um ihren Ersten Offizier, Mr. Larsen. „Bericht, Commander“, rief sie und ging mit großen Schritten auf ihn zu. Eine Erschütterung des Schiffes ließ sie taumeln, als sie den Commander erreichte, jedoch konnte sie sich rechtzeitig am Kommandostuhl abfangen. Commander Larsen drehte sich zu ihr herum, der Schreck schien ihm noch in den Knochen zu stecken als er antwortete: „Es ist eine Fehlfunktion im Transwarpantrieb aufgetreten, er lässt sich nicht mehr abschalten und verursacht eine Überlastung der Energiesysteme.“
„Wieso haben sie den Transwarpantrieb überhaupt aktiviert? Ein Test mit den neuen Betriebsparametern war doch erst für morgen geplant“, erkundigte sich Jackie.
„Ich dachte mir es wäre klug einen Vortest durchzuführen um Ihnen morgen die Arbeit etwas zu erleichtern, Captain“, gab ihr Mr. Larsen zur Antwort.
„Was!!“, entfuhr es Jackie, die ihrem ersten Offizier am liebsten einen Tritt in den Hintern gegeben hätte. So ein Verhalten kannte sie gar nicht von ihm.

„Maschinenraum an Brücke“, erklang Mr. Sesols Stimme aus dem Interkom, sie schien von einer gewissen Müdigkeit, aber auch von einer gehörigen Portion Ärger durchdrungen.
„Ich habe die Notabschaltung des Transwarpantriebes eingeleitet. In wenigen Sekunden sollten wir in den normalen Raum zurück kehren.“
„Darüber reden wir noch Commander, ich übernehme jetzt“, sagte Jackie sichtlich sauer zu Mr. Larsen. Dieser nahm im Stuhl des Ersten Offiziers Platz, setzte eine Schmollmiene auf und sagte kleinlaut: „Ich habe es ja nur gut gemeint.“

Captain Jones setzte sich und warf einen Blick auf den großen
Bildschirm. Dieser zeigte noch immer einen Transwarptunnel voll mit instabilen Wirbeln, aber da war noch etwas Anderes, etwas Unerklärliches, das sie mit Worten nicht beschreiben konnte, es war auf jeden Fall nicht das typische Bild eines Transwarptunnels, den sie in den Erprobungsphasen schon oft gesehen hatte.
Jeden Moment sollte dieser Anblick verschwinden und die Alphaone sollte wieder in den Normalraum zurückkehren, zumindest war das die Ansicht des Chefingenieurs und diesem vertraute sie bedingungslos. Sie war sicher, dass er sie nicht enttäuschen würde, oder waren jetzt alle auf diesem Schiff nicht mehr Herr der Lage? Sie tippte auf ihr Statusdisplay, links neben dem Kommandostuhl, um zu sehen, wie lange es noch dauern würde. Eine weitere heftige Erschütterung ging durch das Schiff und der Transwarptunnel auf dem Bildschirm war verschwunden.
„Commander Larsen, beenden sie den Roten Alarm. In einer halben Stunde liefern Sie einen kompletten Schadensbericht bei mir ab“, wies ihn Jackie an. Die roten Blinklichter auf der Brücke erloschen, die Notbeleuchtung blieb jedoch weiterhin in Betrieb, scheinbar war die Standardbeleuchtung ebenfalls ausgefallen, so dass es doch recht düster blieb.
Captain Jones glaubte ihren Augen nicht zu trauen, als sie nach vorne auf den großen Bildschirm sah. Der Transwarptunnel war zwar verschwunden, aber die Sterne des Weltalls waren auch nirgends zu sehen. Stattdessen erkannte sie mit Mühe dunkle, wabernde Nebelschleier, wenn sie genau hinsah.
Eigentlich war Jackie eine Realistin, sie glaubte nur das, was sie ohne Zweifel sehen oder anfassen konnte. Das Übersinnliche entpuppte sich meist als nicht existent und war aus technischer Sicht oft einfach zu erklären. In dieser Situation blieb ihr aber der Mund offen stehen. Für ein paar Sekunden starrte sie auf das, was auf dem Schirm zu sehen war. Ihr war klar, dass auch im All ungeahnte Phänomene entstehen konnten. Das hatte sie schon gehört und in Berichten gelesen, Aber noch nie war sie einem solchen begegnet.
„Mr. Tivil, wie ist unsere Position“, wandte sie sich an den bajoranischen Steuermann. Dieser überprüfte die Daten seiner Konsole, bevor er antwortete: „Unbekannt Captain. Der Computer kann keine Position errechnen.“ Jackie lief in diesem Moment ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Noch nie in ihrer ganzen Karriere in der Sternenflotte war es zu einer Situation gekommen, in der man die Position nicht wenigstens ungefähr bestimmen konnte. Für einen kleinen Moment packte sie die Angst wie ein kleines Mädchen. Nicht zu wissen, wo man war, konnte einem schon den Atem rauben. Aber ihr war klar, dass sie als Captain Sicherheit ausstrahlen musste, also riss sie sich zusammen.

Das konnte schließlich nicht sein. Jackie erhob sich ungläubig aus dem Kommandostuhl und ging hinüber zu Mr. Sokar, dem vulkanischen Wissenschaftsoffizier, an die Wissenschaftsstation.
„Was sagen die Sensoren, Mr. Sokar? Wo sind wir?“
Der Vulkanier gab einige Befehle in die Wissenschaftskonsole ein, wie immer mit einer professionellen Mine. Keiner seiner Gesichtszüge verriet auch nur eine Kleinigkeit darüber, was er für Ergebnisse erhielt. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab er schließlich Auskunft: „Die Sensoren arbeiten nur eingeschränkt, ich kann jedoch mit Gewissheit sagen, dass wir uns nicht im Weltraum und auch nicht im Subraum befinden.“
Im ersten Moment schaute Jackie etwas erstaunt, mit so etwas hatte sie nicht gerechnet, auch wenn sie das einige Sekunden zuvor geradezu befürchtet hatte.
„Sind Sie sicher?“, hakte sie noch einmal nach.
„Sonst käme ich nicht zu dieser Feststellung“, antwortete Mr. Sokar. Sie ging in Gedanken noch einmal die Funktionsweise des Transwarpantriebs durch. Nicht einmal mit den beschlossenen Einstellungen für den anberaumten Test war es möglich ein solches Ergebnis zu erhalten. Was konnte da nur schiefgelaufen sein?
Soweit sie es beurteilen konnte, war es nicht möglich versehentlich im Subraum oder sonst wohin zu verschwinden. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass sie sich tatsächlich hier befanden, wurde sie eines Besseren belehrt. Jetzt musste ihre Priorität darin liegen wieder in den normalen Weltraum zurück zu kehren.
„Mr. Sokar“, wandte sie sich an den Vulkanier, „sehen Sie sich die Sensoraufzeichnungen der letzten halben Stunde an, und versuchen sie einen Weg zurück zu finden. Suchen Sie die Stelle, an der wir den Normalraum verlassen haben.“ Der Wissenschaftler hob lediglich eine Braue und beugte sich mit einem „Ja, Captain.“, über seine Konsole um die Sensorwerte zu analysieren.

Captain Jones verließ die Wissenschaftskonsole um sich in den Bereitschaftsraum zu begeben, schließlich hatte sie ja mit Mr. Larson auch noch ein Gespräch zu führen. Sie wollte ihn gerade ansprechen, als die Stimme des Chefingenieurs aus dem Kommsystem klang:
„Maschinenraum an Brücke, wir haben hier unten größere Probleme als gedacht. Captain Jones, könnten Sie bitte in den Masch.....“
Mit einem Rauschen und Knistern aus den Lautsprechern brach die Verbindung ab und verstummte schließlich ganz.
„Captain, soeben ist die interne Kommunikation ausgefallen“, meldete der OPS Offizier in der Statuszeile auf dem Tischcomputer Ihres Schreibtisches. Das hatte gerade noch gefehlt, die interne Kommunikation war eines der wichtigsten Systeme an Bord und mehrfach gegen Ausfall geschützt. Es musste schon einiges passieren, damit dies ausfiel.
Langsam reifte in ihr der Gedanke, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Erst der eigenmächtige Test ihres ersten Offiziers, dann die Tatsache, dass sie irgendwo im Raum schwebten, ohne genau zu wissen, wo, scheinbar in irgendeiner Zwischenschicht zwischen realem Raum und Subraum, wenn es denn eine solche gab.
Die Frage, wie sie hier wieder wegkommen würden, war nicht einmal annähernd zu beantworten, ohne zu wissen, wo sie denn nun überhaupt waren.
Der Ausfall so vieler Systeme, die eigentlich mehrfach abgesichert waren, wie die Beleuchtung und die Kommunikation, die enormen Probleme im Maschinenraum, mit denen Mr. Sesol zu kämpfen hatte. All das Wissen der Sternenflotte, welches sie seit vielen Jahren besaß, half ihr hier nicht weiter.

Jackie hatte den Ernst der Lage natürlich erkannt, und wäre am liebsten sofort in den Maschinenraum geeilt. Doch zuvor musste Sie das Kommando auf der Brücke, während ihrer Abwesenheit an jemand übergeben, oder einen Anderen entsenden. Nach seinem kürzlichen Verhalten hätte sie dem Ersten Offizier am liebsten nicht die Brücke anvertraut. In den Maschinenraum würde sie aber lieber selbst gehen um sich von dem Problem einen genaueren Eindruck zu verschaffen. Larsen zu übergehen wäre aber ein Verstoß gegen das Protokoll. Sie übergab daher das Kommando über die Brücke schweren Herzens an Mr. Larsen, wenn auch mit einem ungutem Gefühl, und fuhr mit dem Turbolift nach unten um im Maschinenraum nach dem Rechten zu sehen.

Die Gänge auf Deck 11 waren ebenfalls nur sehr spärlich beleuchtet, als Jackie wenig später den Lift verließ um den Maschinenraum aufzusuchen. Manche Lampen der Notbeleuchtung waren dunkel, so dass viele Meter des Korridors nicht beleuchtet waren, andere flackerten, als wenn sie keine ausreichende Versorgung hätten.
Einen Moment lang war sie am Überlegen, ob sie sich eine dieser Armlampen aus dem Ausrüstungsdepot holen sollte um die gespenstige Dunkelheit zu vertreiben. Sie entschied sich dafür, auch wenn der Weg zum Ausrüstungsdepot fast genau so lang und dunkel war, wie der Weg in den Maschinenraum. So konnte sie dann wenigstens genauer sehen, wohin sie lief.
Auch wenn Jackie das Schiff mit konstruiert hatte und ihr alles vertraut war, war sie bisher stets auf gut ausgeleuchteten Korridoren unterwegs gewesen. Jetzt, wo nur alle paar Meter eine schwache Lampe den Gang zu erhellen versuchte, wirkte das ganze Schiff fremd und unheimlich. Niemand war auf den Fluren unterwegs, auch eine merkwürdige Situation, denn im normalen Betrieb des Schiffes waren immer Leute auf dem Weg zum Maschinenraum, besonders, wenn es Probleme gab und zusätzliche Helfer gebraucht wurden. Ein merkwürdiges zischendes Geräusch drang von fern an ihre Ohren und löste ein beklemmendes Gefühl bei Jackie aus. Etwas Ähnliches hatte sie schon einmal gehört, als sie in einer Rettungskapsel ohne Antrieb durch den Raum geglitten war und eine Undichtigkeit die Sauerstoffreserven ständig reduziert hatte. Eine Situation, in der sie tatsächlich so etwas wie Todesangst verspürt hatte, auch wenn sie sich immer wieder zur Ordnung gerufen hatte. Doch dieses Geräusch war anders. Es klang auf eine merkwürdige Weise vertraut, auch wenn es durch den leeren Flur verzerrt an ihren Ohren ankam.
Angespannt folgte sie dem Geräusch, das sich ständig wiederholte, den Korridor entlang. Sie begann zu spekulieren, was das wohl sein könnte, aber sie kam nicht dahinter. Gleich darauf hatte sie die Quelle des Geräusches erreicht und sah, wodurch es verursacht wurde. Jemand hatte einen Werkzeugkoffer zwischen eine automatische Schiebetür gestellt. Die Türhälften wollten sich schließen, stießen dabei gegen den Koffer und öffneten sich wieder. Nach einer Weile versuchten sich die Türhälften wieder zu schließen und das Spiel ging von vorne los.
Jackie sah sich um, ob jemand in der Nähe war, konnte jedoch aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse niemanden sehen.
„Hallo ist hier jemand“, sagte sie laut und deutlich, wobei sie sich um eine feste Stimme bemühte. Niemand antwortete ihr. Es war schon seltsam: Wer stellte denn absichtlich seinen Werkzugkoffer hier mitten in die Türe und verschwand dann einfach? Jackie beugte sich nach vorne um den Koffer weg zu nehmen. Dabei fiel ihr Blick in den Raum hinter der Tür. Für einen Augenblick glaubte sie zwei große rote Augen zu sehen, die sie anstarrten. Im nächsten Moment schlossen sich die beiden Türhälften. Verwirrt stellte sie den Koffer an die Seite des Ganges. Es war also doch jemand in dem Raum, oder besser gesagt, etwas. Ein leichter Anflug von Panik erfasste den Captain. Das musste sie genauer wissen, sollte sich tatsächlich jemand in diesem Raum befinden, dann war es ein Fall für die Sicherheit. Sie ertappte sich dabei auf ihren Kommunikator zu tippen, der jedoch nur ein unwilliges Zirpen von sich gab. Natürlich, das Kommsystem war ja ausgefallen. Es blieb ihr also nichts anderes übrig als selbst aktiv zu werden. Jackie wollte nachsehen und drückte auf den Türöffner. Die beiden Türhälften fuhren auseinander und vollkommene Dunkelheit lag in dem Raum. Von den roten Augen war nichts zu sehen. Dennoch spürte sie, wie sich ihr Herzschlag steigerte und eine innere Unruhe in ihr entstand. Keine guten Voraussetzungen für den vor ihr liegenden Weg. „Hallo?“, rief sie, bekam jedoch keine Antwort. Sie hörte nur ein hektisches metallisches Klappern, das sich schnell entfernte. Als sie auf den Lichtschalter drückte blieb es dunkel in dem Raum.

Die Energie ausgefallen, erinnerte sie sich. Jackie schloss die Tür, sie war eigentlich auf den Weg in den Maschinenraum und wollte sich eine Lichtquelle holen. Sie beschloss sich erst um eine Armlampe zu kümmern und dann zum Maschinenraum zu gehen. In diesen Raum könnte sie dann auch jemanden von der Sicherheit schicken um nach dem Rechten zu sehen.
Mit gemischten Gefühlen machte sie sich auf den Weg zum Ausrüstungsschrank, wobei sie das Gefühl nicht los wurde, verfolgt zu werden. Sie versuchte ihren rationalen Verstand in den Vordergrund zu stellen und dennoch war da dieses unbestimmte Gefühl, dass sie nicht alleine war. Sie hörte keine Schritte, sie sah auch nichts, was ihr diesen Eindruck vermitteln würde, aber dennoch blieb das unbestimmte Gefühl, in diesem Korridor nicht allein zu sein. Doch jedes Mal, wenn sie sich umsah, konnte sie niemanden hinter sich erkennen. Unbewusst beschleunigte Jackie ihre Schritte, bis sie schließlich im Laufschritt das Ausrüstungsdepot erreichte. Sie gab ihren Autorisierungscode ein und öffnete das Wandfach. Gerade, als sie eine der Armlampen heraus nehmen wollte, bemerkte sie, wie sich, Finger für Finger, eine Hand auf ihre rechte Schulter legte. Ein eiskalter Schauer jagte über ihren Rücken. Erschrocken fuhr Jackie herum und konnte gerade noch einen Schreckensschrei unterdrücken. Sie sah in das ernste Gesicht von Commander Larsen, ihrem Ersten Offizier, wie er gerade seine Hand von ihrer Schulter nahm.
„Sind Sie völlig verrückt geworden, mich so zu erschrecken“, fuhr sie ihn an, „Sie haben vielleicht Nerven, was schleichen Sie hier durchs Schiff. Ich habe Sie gar nicht kommen hören, was gibt es denn?“
Jackies Herzschlag beruhigte sich wieder und sie nahm sich eine der Armleuchten aus dem Fach und befestigte sie im Halbdunkel an ihrem rechten Unterarm und schaltete sie ein.
„Ich habe hier den Schadensbericht für Sie“, informierte er sie mit einem seltsam monotonen Klang in seiner Stimme und hielt ihr ein PADD hin. „Danke, sind Sie deswegen eben hinter mir her gelaufen?“, fragte Jackie überrascht. Sie war fest davon überzeugt, dass sie vom Commander verfolgt worden war.
„Nein, das waren Die“, antwortete er und hielt ihr nochmals das PADD hin, „hier der Schadensbericht, der Ihnen so wichtig war.“
Jackie nahm ihm das PADD aus der Hand, damit er endlich Ruhe gab. Sie hatte jetzt andere Sorgen. Aber sein letzter Satz klang ihr noch in den Ohren und beunruhigte sie aufs Neue.
„Wen meinen Sie mit Die?“, fragte Jackie besorgt, die schon befürchtete, Fremde wären an Bord gekommen.
„Na, Die!“, sagte der Commander tonlos und zeigte mit der Hand in den spärlich beleuchteten Korridor. Jackie folgte seinem Blick. Sie konnte mehr schlecht als recht die Umrisse einer menschlichen Gestalt erkennen, die sie offensichtlich beobachtete. Um besser sehen zu können leuchtete sie mit ihrer Lampehinüber. Im selben Moment huschte die Person lautlos in der Dunkelheit davon. Das Gefühl von
Unbekannten beobachtet zu werden, verursachte großes Unbehagen in ihr.
„Haben Sie das auch gesehen, Commander?“, fragte sie und drehte ihren Kopf zu Commander Larsen. Doch ihr Erster Offizier war verschwunden. Verwirrt blinzelte Jackie in die Dunkelheit.
„Mr. Larsen, wo sind Sie?“, fragte sie in die Stille. Doch es kam keine Antwort. Das war mal wieder typisch, liefert hier einen Schadensbericht ab, verbreitete Panik und verkrümelte sich so still und leise wie er gekommen war. Jackie nahm das PADD um sich den Schadensbericht anzusehen. Auf dem Display leuchtete jedoch nur eine Schaltfläche mit der Aufschrift „Sieh mich an“.
Was für eine ungewöhnliche Art einen Schadensbericht zu verfassen, dachte sie und tippte mit dem Finger darauf. Eine Videosequenz wurde nun auf dem kleinen Display abgespielt.
Zuerst wurde der deaktivierte Warpkern der Alphaone gezeigt. Dann schwenkte das Bild herum, zu einer Person, die an einer Konsole stand und etwas eingab. Die Person trug eine rote Uniform der Kommandoabteilung und war nur von hinten zu sehen. Auf einmal wurde es unruhig, das Bild wackelte, es liefen mehrere Leute durchs Bild und hektische Rufe vermittelten den Eindruck eines bevorstehenden Chaos.
Mehrere Personen traten zu der Person an der Konsole und versuchten sie scheinbar daran zu hindern ihre Eingaben fertig zu stellen, doch sie wehrte sich mit Händen und Füßen, während zwei Männer versuchten sie von der Konsole wegzuzerren. Doch sie blieb standhaft und ließ nicht nach in ihren Versuchen die Eingabe zu beenden.
Nachdem das Fauchen eines Phasers zu hören war, wurde die Person an der Konsole plötzlich von zwei Strahlen getroffen die aus verschiedenen Richtungen kamen. Sie sackte zusammen und blieb auf dem Boden, mit dem Gesicht nach unten liegen. Der Träger der Kamera näherte sich der am Boden liegenden Person.

Eine zweite Person, von der man nur die Hände sah, drehte den am Boden liegenden Körper um, so dass man das Gesicht sehen konnte. Die Augen blickten starr und leer ins nirgendwo. „ Ist sie …?“, hörte man eine Stimme fragen und eine andere Stimme sagte:
„Ja, sie ist tot.“
Einen Moment noch sah man das Gesicht der leblosen Person, dann war die Aufnahme zuende. Starr vor Schreck stand Captain Jones im Flur und hielt noch immer das PADD in ihrer Hand. Die Person die in der Videosequenz erschossen wurde, war sie selbst. Jackie hatte ihren eigenen Tod gesehen. Das Video war wohl der schlimmste Schadensbericht aller Zeiten.

Plötzlich ruckte das ganze Schiff und Jackie hatte Mühe sich in aufrechter Position auf dem Boden zu halten, was ihr aber nicht gelingen wollte. Sie erkannte noch, dass sie das Gleichgewicht verlieren würde, schloss die Augen und wie in Zeitlupe stürzte sie zu Boden. Der Aufschlag war hart, aber etwas Weiches hatte ihren Sturz einigermaßen abgemildert. Jackie öffnete die Augen und sah, dass Sie neben dem Bett lag, aus dem sie scheinbar eben gerade beim Umdrehen herausgefallen war. Durch den weichen Teppich und die geringe Höhe war nichts weiter passiert.
Ein beunruhigendes lauter werdendes Piepen versetzte sie für einige Sekunden erneut in Panik, bis sie begriff, dass es nur das Wecksignal war. Das war einer der schlimmsten Albträume, den sie je erlebt hatte.

Sie war wieder in der Realität angekommen. Das hoffte sie jedenfalls.

ENDE
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