TrekNation

Das ultimative Archiv deutscher Star Trek Fanfiction!

Der Preis der Innovation

von Harald Latus, Kontikinx1404

Kapitel 1

Lieutenant Commander Jacqueline Jones eilte durch die Gänge der Shuttlewerft von Utopia Planitia. Ihre schulterlangen braunen Haare trug sie meist offen, was ihr einen leicht wilden Charakter verlieh. Sie hatte bei ihrem Vorgesetzten einen Termin um 8.00 Uhr und wollte auf keinen Fall zu spät kommen. Unterwegs hatte sie ein Kollege noch in ein Gespräch verwickelt und nur mit Mühe konnte sie sich höflich davon losreißen.
Jetzt fehlte ihr die Zeit, und sie musste zusehen, dass sie pünktlich war. Die Wege hier waren lang und nicht zu unterschätzen.

Anders als die großen Schiffswerften für Raumschiffe, die sich im Orbit um den Mars befanden, war die Shuttlewerft ein Gebäudekomplex auf der Oberfläche des Planeten. Hier wurden Shuttles, Fighter und kleine Raumschiffe entwickelt, gebaut und getestet.
Heute übernahm Jacqueline, von ihren Freunden auch Jackie genannt, für einen guten Arbeitskollegen und Freund den Testflug eines neuen Prototypshuttles. Da dieser wegen eines Trauerfalls in der Familie sie darum gebeten hatte.
Da sie selbst Testpilotin war, war es selbstverständlich, dass sie hier einspringen würde. Das nächste Mal würde er für sie einen Einsatz übernehmen. Die meisten Testpiloten von Utopia Planitia kannten sich untereinander und es war wie eine große Familie, in der man sich gegenseitig half.
Die familiäre Atmosphäre machte sich auch im Umgang der Kollegen miteinander bemerkbar. Es herrschte ein lockerer, aber respektvoller Umgangston und Jackie war sogar mit einigen wenigen Kollegen per Du. Dieses Zugeständnis machte sie aber nur selten, wenn sich derjenige wirklich als guter Freund oder als zuverlässig erwiesen hatte.
Inzwischen hatte sie fast das Büro des leitenden Ingenieurs und gleichzeitigen Abteilungsleiters der Shuttlewerft, Captain Benjamin Hilo, auf Utopia Planitia auch liebevoll ‚Der alte Ben’ genannt, erreicht.
Ben Hilo war ein Mann Mitte Sechzig mit schneeweißem, kurzem Haar, und einer Figur, mit der er in keinen Fighter mehr passen würde. Er arbeitete schon ewig auf Utopia Planitia und gehörte quasi zum Inventar. In jungen Jahren war auch er Testpilot gewesen, hatte aber sehr früh in den Schiffsbau gewechselt. Er war meist gut aufgelegt und hatte zu seinen Untergebenen ein väterliches Verhältnis, ebenso zu Jackie, die er für ihren Mut und ihre optimistische Einstellung schon immer bewunderte. Ihr war keine Aufgabe zu schwer und selbst komplexe und verschachtelte Theorien durchschaute sie nach kurzer Zeit.

In der Hand hielt Jackie noch immer das Padd auf dem die technischen Spezifikationen des neuen Shuttles und der Testablauf gespeichert waren. Sie hatte sich am vergangenen Abend noch damit vertraut gemacht, obwohl sie lieber mit ihrer Nachbarin noch einen Bummel gemacht hätte. Schließlich erreichte sie Bens Büro und betätigte den Türmelder. Wenige Sekunden später öffnete sich die Tür und Jackie trat in das geräumige Büro.
Ein schneller Blick auf das Chronometer sagte ihr, dass es genau 8.00 Uhr war. Sie war gerade noch pünktlich. Sofort erhob sich Ben hinter seinem Schreibtisch und ging auf Jackie zu.
„Hallo Jackie, schön dich zu sehen. Wie geht es dir?“ Beide umarmten sich freundschaftlich.
„Freut mich auch dich zu sehen. Ganz gut denke ich“, erwiderte sie die Begrüßung.

Bens Büro glich eher einer Mischung aus Museum und Bildergalerie. An den Wänden hingen die Bilder der letzten zwanzig Jahre. Sie zeigten Personen und Raumfahrzeuge, die zum Teil nie über den Prototypstatus hinaus gekommen waren.
An vielen dieser Projekte war Ben selbst beteiligt. Auch konnte er zu jedem Foto eine kleine Geschichte erzählen über die Projekte und die Personen, die dort abgebildet waren, die inzwischen teilweise schon den Ruhestand genossen. Unter seinen Mitarbeitern wurden die Bilder scherzhaft auch als die ‚Ahnengalerie’ bezeichnet. Jackie fand diesen Begriff irgendwie amüsant, aber zutreffend. Wann immer sich die Gelegenheit ergab, war Ben mit der Holokamera auf dem Werftgelände unterwegs und fotografierte die Leute bei der Arbeit.
Welche Bilder in die ‚Ahnengalerie’ kamen entschied aber allein er.

Nachdem die Begrüßung beendet war, schritt Jackie zusammen mit Ben an den Bildern vorbei zu seinem Schreibtisch. Das Büro war tatsächlich länger als breit, und der Schreibtisch beanspruchte bereits einen Großteil der Breite ein. Ben nahm am Schreibtisch Platz, mit dem Rücken zum Fenster. Jackie hatte nur die Wahl ihm gegenüber, an der anderen Seite des Schreibtisches in einem der beiden Besucherstühle platz zu nehmen. Erst als sie näher kam, bemerkte sie, dass in einem der beiden Stühle ein junger Mann in einer gelben Sternenflottenuniform saß, der die Rangabzeichen eines Lieutenant junior grade trug und sie neugierig ansah.

„Das ist Lieutenant Harry Collins“, wandte sich Ben an Jackie und wies mit einer Hand auf den jungen Mann. An ihn gewandt sagte er: „Darf ich Ihnen Lt. Commander Jones, unsere Testpilotin vorstellen.“ Sofort stand Collins auf und streckte Jackie seine Hand hin, mit den freundlichen Worten: „Freut mich Sie kennen zu lernen, man hat mir schon viel über Sie erzählt.“
Jackie stutzte und war etwas irritiert. Sollte sie den jungen Mann kennen. Wer hatte ihm denn so viel über sie erzählt, hoffentlich nicht Ben, sonst müsste sie wohl doch einmal ein ernstes Wort mit ihm reden.
„Freut mich ebenso“, sagte sie und reichte ihm die Hand. Beide nahmen nun in den Besucherstühlen Platz, jedoch warf Jackie Ben einen fragenden Blick zu, den dieser registrierte. Aber er blickte sie an, als wolle er sagen: ‚Warte noch einen Moment’

Bens Aufmerksamkeit richtete sich an seine beiden Besucher als er in neutralem sachlichem Ton begann:
“Wie Sie beide vielleicht wissen, soll heute ein erster Testflug des Prototyps eines neuen Shuttlestyps stattfinden.“
Jackie nickte zur Bestätigung, schließlich hatte sie den Flugplan auf ihrem Padd schon durchgearbeitet.
„Was du jedoch noch nicht weißt“, mit diesen Worten wandte sich Ben an Jackie, „ist, dass Lieutenant Collins dich auf diesem Testflug begleiten wird.“ Jetzt war es an Jackie ein verwundertes Gesicht zu machen. Bevor sie jedoch eine Frage stellen konnte, fuhr Ben fort:
„Lieutenant Collins hat eine neue Art von Rettungskapsel konstruiert. Er wartet schon lange auf die Gelegenheit sie bei einem Shuttle testen zu können. Aber bislang waren die Shuttles immer so klein oder nicht für ein solches System ausgelegt. Auf unserem neuen Prototyp ist dies jedoch möglich. Lieutenant, die weiteren
Details überlasse ich Ihnen.“

Das war Mal was Neues und Jackie war gespannt um was es sich genau handelte. Lieutenant Collins reichte je ein Padd an Jackie und an Ben, bevor er begann: „Sie sehen die schematische Darstellung einer Ein-Personen Rettungskapsel auf dem Display, wie sie normalerweise in kleinen Raumschiffen oder Shuttles eingesetzt wird. Die Besonderheit ist jedoch, dass der Prototyp, den wir heute testen, einen kleinen Warpantrieb hat.“
Ben hob verwundert eine Braue und Jackie war neugierig wie das alles in einer kleinen Rettungskapsel untergebracht werden sollte.
„Jetzt fragen sie sich sicher was soll das? Einen Warpantrieb in einer Rettungskapsel? der spinnt doch“, fragte er. Ben konnte sich gerade noch ein Kopfnicken verkneifen. Jackie, die das bemerkte, musste unwillkürlich grinsen.
„Bei der Evakuierung eines Raumschiffes, wenn zum Beispiel ein Warpkernbruch nicht mehr zu vermeiden ist, könnte die Zahl der Überlebenden wesentlich höher sein. Die meisten Leute erreichen die Rettungskapseln, jedoch hatten die Letzten oft das Nachsehen.
Sie konnten sich nicht schnell genug vom explodierenden Raumschiff entfernen, so dass sie von der folgenden Explosion eingeholt und im schlimmsten Fall vernichtet wurden.“ Collins legte eine kleine Pause ein um seine Worte wirken zu lassen. Jackie musste ihm zustimmen. Das Problem war tatsächlich bekannt, aber eine umsetzbare Lösung war bisher nicht in Sicht.
„Mit meiner Rettungskapsel können sie einen kurzen Warpsprung durchführen, der sie aus dem unmittelbaren Gefahrenbereich bringt,“ verkündete Collins stolz und wartete auf die Reaktionen von Ben und Jackie.
„Die Rettungskapsel hat Antimaterie an Bord?“, erkundigte sich Ben.
„Ja, das ist für den Warpantrieb leider nötig“, antwortete Collins.
„Sehen Sie darin eigentlich keine zusätzliche Gefahr für das Raumschiff, wenn es solche Kapseln an Bord hat. Ein Glückstreffer im Kampf und das halbe Deck ist weg“, fragte Ben kritisch nach.
„Natürlich wird die Rettungskapsel mit einer zusätzlichen Panzerung und Sicherungssystemen versehen um dies zu verhindern, außerdem soll sie im Rumpf eingebaut sein, ist also nicht so exponiert“, gab Collins zur Antwort.
„Wie lange reicht der Antimaterievorrat, wenn die Kapsel gestartet wurde“, fragte Jackie, die Bens Einwand ebenfalls teilte.
„Nun, der Antimaterievorrat sollte für einen Warpsprung von ca. 10-15 Sekunden Dauer reichen, dann ist er aufgebraucht“, antwortete Collins.
„Besteht die Möglichkeit die Antimaterie auch für die Lebenserhaltungssysteme zu verwenden?“, fragte Jackie.
„Natürlich können Sie damit notfalls auch die Lebenserhaltungssysteme betreiben, dann verzichten sie aber auf den Warpantrieb“, erklärte Collins, „aber am besten kann ich Ihnen das am Prototyp selbst zeigen. Draußen im Hangar steht ein Exemplar.“ Jackie war sehr daran interessiert und wäre am liebsten sofort hinaus geeilt. Sie wollte schon aufstehen und den Raum verlassen, doch Ben hielt sie mit einer Handgeste davon ab.
„Vielleicht sollten wir noch den Testflug zu Ende besprechen, bevor wir hinaus in den Hangar gehen“, schlug Ben vor.
Ben schätzte Jackie als Testpilotin sehr, jedoch war sie leicht für etwas zu begeistern und dann nur schwer zu bremsen oder davon abzubringen. Dieses Verhalten hatte bei Ben schon öfters mittelstarke Kopfschmerzen verursacht.


Wenig später gingen die Drei durch die Korridore zum Shuttlehangar. Die meisten Hangars waren in der Nähe des Büros und zu Fuß schnell zu erreichen. Aus irgendwelchen Gründen, die keiner nachvollziehen konnte, stand das Prototypshuttle allerdings in einem weit entfernten Shuttlehangar. Dies gab jedoch Jackie die Gelegenheit mit Ben noch ein paar Worte zu wechseln. Sie verlangsamte ein wenig ihr Tempo um etwas Abstand zu Lieutenant Collins zu bekommen. Da dieser euphorisch voraus schritt, bemerkte er zunächst nichts. Ben, der neben Jackie ging, sah aber, dass sie ihren Gang verlangsamte. Er kannte sie gut genug um zu wissen, dass sie etwas mit ihm besprechen wollte, daher glich er sein Tempo an ihres an.
„Sag mal Ben, hast du ihm was über mich erzählt?“, fragte Jackie ihren Vorgesetzten.
„Außer den üblichen Gruselgeschichten, nichts“, antwortete Ben mit einem scherzhaften Grinsen. Jackie wusste, dass sich Ben gerne mal kleine Scherze, auch mit anderen Leuten, erlaubte, aber normalerweise keine persönlichen Dinge seiner Mitarbeiter an Fremde ausplauderte.
„Mich hatte vorhin der Satz ‚Man hat mir schon viel über Sie erzählt.’ irritiert, den Collins bei der Begrüßung sagte. Ob der mich von irgendwo her kannte?“, fragte Jackie. Ben zuckte nur kurz mit den Schultern.
„Ich würde an deiner Stelle nicht all zu viel auf dieses Geschwätz geben. Jeder hier auf Utopia Planitia ist auf seinem Gebiet ein wenig bekannt. Manche mehr, Andere weniger. Vielleicht hat er ja auf Umwegen schon mal was von dir gehört. Wie sagt man so schön; Die Welt ist ein Dorf. Hier in der Flottenwerft ist das nicht anders“, versuchte Ben sie zu beruhigen.
Jackie war nicht so richtig überzeugt. Da aber gleich der Eingang zum Hangar kam konnte Sie nichts weiter sagen, ohne dass Lieutenant Collins etwas davon mit bekommen hätte.

Lieutenant Collins hatte den Eingang ein wenig früher erreicht als Jackie und Ben. Er hatte gar nicht bemerkt, dass die beiden den Abstand auf dem Weg hier her zu ihm vergrößert hatten. Die Höflichkeit gebot ihm aber, dass er auf die beiden wartete, bevor er den Hangar betrat.

Die Tür öffnete sich mit einem metallisch schabenden Geräusch und gab den Blick in den Hangar frei. Ein Trupp Techniker packte gerade seine Ausrüstung zusammen. Offenbar hatten sie letzte Checkups am Shuttle vorgenommen. Jackie betrat zusammen mit den beiden Männern den großen Shuttlehangar.
Das, was sie sah, entsprach absolut nicht ihren Vorstellungen eines Shuttles. Sie machte große Augen. In der Mitte des Hangars stand ein viel zu großes stromlinienförmiges Etwas, mit nach oben gebogenen Warpgondeln.

Die Form des Shuttles war vorne schmal, verbreiterte sich jedoch schnell zu einem Cockpit, dem sich eine Passagierkabine mit viel Platz für Erweiterungen anschloss. Die Pylonen, an denen die Warpgondeln befestigt waren, ragten unten aus dem Rumpf heraus und verliefen in einem engen Bogen nach oben. Die Warpgondeln darauf erinnerten von der Form her an die einer Ambassador Klasse.

„Du willst mir doch nicht erzählen, dass dies noch ein Shuttle ist, bei der Größe?“, wandte sich Jackie an Ben.
„Eigentlich schon“, begann Ben „Es wurde allerdings nicht nur für den reinen Personentransport konzipiert sondern auch für längere Flüge im All. Dabei hatte man
ein Schiff im Sinn das kleine Erkundungsmissionen selbstständig ausführen kann oder als Basis für planetare Erkundungen genutzt werden kann.“
„Eine Art Multimissionsshuttle? Das könnte in der Flotte sicher gut verwendet werden“, bemerkte Lieutenant Collins.

„Ausgelegt ist das Shuttle für eine Höchstgeschwindigkeit von Warp 6, aber so wie ich die Techniker kenne, holen die bestimmt noch mehr heraus“, sagte Ben.
Die Angaben für die Prototypen waren oft visionär. Die nachher in der reinen Serienfertigung abrufbaren Leistungen waren meist um Sicherheitsreserven und aus Energieverbrauchsgründen gekürzt. Das wusste auch Ben Hilo.
Jackie fand zwar die Form des neuen Shuttles nicht gerade ansprechend, aber die technischen Details waren schon sehr interessant. Daher beschloss sie sich dieses Gefährt zunächst einmal von innen an zu sehen. Sie wollte gerade zum Einstieg gehen, da wurde sie von Collins mit freundlichen Worten aufgehalten:

„Bevor Sie jetzt davon laufen, möchte ich Ihnen gerne meine Rettungskapsel zeigen. Ein zweites Exemplar steht hier im Hangar.“
Richtig, die Rettungskapsel. Beinahe hätte Jackie dies außer Acht gelassen. Am anderen Ende des Hangars befand sich ein längliches Gebilde, das tatsächlich Ähnlichkeit mit einer Rettungskapsel hatte.
„Oh, ja natürlich“, entgegnete Jackie und folgte Collins zu der Rettungskapsel, die ein wenig entfernt von dem Shuttle in einer Ecke stand. Ben ging währenddessen zum Shuttle um sich die Arbeit der Techniker anzusehen.
Beim Näherkommen erkannte Jackie deutlich die Unterschiede zu einer herkömmlichen Ein-Personen Rettungskapsel. Das neue System war rechteckig und ca. 3 Meter lang. Am Bug befand sich ein kleiner Deflektor, der für den Warpflug notwendig war. Auf der Hülle befand sich noch ein Anbau, in dem der Warpkern und der Antimaterievorrat untergebracht waren. Das Ganze wurde umgeben von einer einzelnen ringförmigen Warpspule.

„Interessante Konstruktion“, bemerkte Jackie, während sie um die Rettungskapsel herum ging und sich alles genau anschaute, „liegt die Person in Flugrichtung?“
Lieutenant Collins öffnete darauf hin die Einstiegsluke, die nach oben hin weg schwenkte, um Jackie den Innenraum zu zeigen. Sofort leuchtete die Innenraumbeleuchtung der Rettungskapsel auf.
„Wie Sie sehen können liegt die Person mit den Füßen zum Bug“, sagte Collins und deutete mit der Hand ins Kapselinnere. Jackie warf einen Blick hinein. Der Boden und die Wände waren gepolstert, damit man sich bei der Landung auf einem Planeten nicht verletzte. Es gab jede Menge Staufächer in denen sich Überlebensausrüstung, Notrationen und ein Medikit befanden. Über dem Kopfteil befand sich ein Monitor, den man im Liegen bedienen konnte. Mit ihm wurden alle Funktionen der Rettungskapsel gesteuert. Es sah alles sehr innovativ aus, ein deutlicher Unterschied zu den im Einsatz befindlichen Systemen.
„Möchten Sie sich einmal hinein legen?“, fragte Collins, der Jackies kritischen Blick bemerkte. Bei Jackie rief der Gedanke, unter Umständen Wochen in so einer Kapsel zu verbringen, leichtes Unbehagen hervor. Nur in einem wirklichen Notfall würde sie sich freiwillig da hinein zwängen.
„Nein Danke“, lehnte Jackie ab, „wir sollten langsam zum Shuttle gehen, ich muss noch eine lange Checkliste abarbeiten.“

Kurz darauf saß Jackie im Cockpit des neuen Shuttles und hatte gerade die Prüfung aller Systeme beendet. Beruhigt konnte sie alle Punkte als OK abhaken. Die Techniker hatten gute Arbeit geleistet. Ben hatte ihr noch einmal ein Padd mit dem genauen Flugplan übergeben, sich ein wenig umgeschaut und war dann wieder in sein Büro gegangen. Lieutenant Collins war noch im hinteren Teil des Shuttles mit dem Überprüfen seiner neuen Rettungskapsel beschäftigt. Er hatte befürchtet sie sei falsch eingebaut worden und wollte sich alles noch einmal genau ansehen.
Auch Jackie hatte sich das Shuttle von innen angesehen. Es befanden sich nur leere Räume im hinteren Teil. Die entsprechende Ausrüstung war noch nicht eingebaut. Außer einem kleinen Replikator bot der hintere Teil nichts Iinteressantes. Deshalb hatte Jackie sich schnell im Cockpit ihrer Arbeit gewidmet. Beim Eingeben des Flugplans fiel ihr auf, dass das Shuttle keinen Namen hatte, sondern nur die Bezeichnung X404 als Name angegeben war.

Gleich darauf kam Lieutenant Collins ins Cockpit, nahm im Copilotensitz Platz und sagte erst mal nichts. Jackie, die noch den Flugplan eingab, sah ihn von der Seite an:
„Sie machen ja keinen glücklichen Eindruck. Stimmt irgendetwas nicht, Lieutenant?“ Leicht verärgert gab Collins Antwort:
„Man hat die zwei Rettungskapseln dieses Shuttles ausgebaut um meine einbauen zu können.“ Jackie rollte genervt mit den Augen.
„Was haben Sie denn erwartet, Ihre Rettungskapsel ist größer als die bisherigen. Seien Sie froh, dass sie überhaupt in den vorgesehenen Freiraum passt.“
„Sie verstehen nicht, falls etwas passiert, kann nur einer von uns das Shuttle verlassen“, gab er zu bedenken. Jackie verstand sehr wohl, was er wollte, jedoch machte er sich ihrer Meinung nach unnötig Sorgen.
„Das ist eben der Preis für die Innovation. Man kann nicht alles haben. Wir verfügen ja noch über den Notfalltransporter“, versuchte sie ihn zu beruhigen, während sie den Befehl zum Öffnen der Hangartore in ihre Konsole eingab.
„Aber außerhalb des Sonnensystems bringt der uns nichts“, erwiderte Collins mit unsicherer Stimme.
Zugegeben, da hatte er Recht, dafür war die Reichweite zu gering.
Jackie hätte am liebsten zu ihm gesagt:
„Dann müssen Sie eben an Bord bleiben“, verkniff sich dies aber um ihn nicht noch mehr zu beunruhigen. Dies würde ein Testflug wie alle anderen werden. Alles würde glatt laufen, wie bei den letzten Flügen auch. Stattdessen fuhr sie die Maschinen hoch und stellte eine Funkverbindung zur Flugleitstelle von Utopia Planitia her. „Hier Prototypshuttle X404, wir erbitten Starterlaubnis.“
„Geht es etwa schon los?“, fragte Collins überflüssigerweise.
Auf Jackies Kopfnicken erwiderte er nur:
„Sie verschwenden keine Zeit, was?“ Sie ließ dies unkommentiert.

Auf ihrer Konsole wurde gerade die Flugroute von der Flugleitstelle bestätigt. „Prototypshuttle X404, Sie haben Starterlaubnis, ihr Austrittsvektor wurde vom Flugverkehr frei gehalten“, klang die Stimme der Flugleitstelle aus dem Lautsprecher.
„Bestätigt, vielen Dank“, erwiderte Jackie. Sie ließ das Shuttle mit Hilfe der Antigrav Triebwerke wenige Zentimeter vom Boden abheben, bevor sie es durch die offenen Hangartore hinaus in die rote Staubwüste des Mars steuerte. Bereits nach wenigen Metern aktivierte sie die Atmosphärentriebwerke und flog das Shuttle in einem Steigflug dem Weltall entgegen.

Ein Blick in den Copilotensitz zeigte ihr einen angespannten und mit einem Mal sehr stillen Lieutenant Collins, der mit geschlossenen Augen da saß.
„Entspannen sie sich, es läuft alles bestens“, sagte Jackie mit einem Lächeln.
„Haben Sie Ihr Flugmanöver denn schon abgeschlossen?“, fragte Collins angespannt.
„Welches Flugmanöver?“
„Ich weiß nicht, eine Rolle seitwärts, einen Looping oder so was Ähnliches. Ihr Testpiloten macht doch immer so komische Dinge um euch zu beweisen.“ Jackie stutzte einen Moment.
Innerlich musste sie laut lachen, ließ sich aber nichts anmerken. Wie kann man nur solche Vorurteile haben, fragte sie sich. Natürlich waren viele Ihrer Kollegen geneigt derartige Dinge, wie Loopings mit einem neuen Schiff auszuprobieren. Mitunter nahm nicht jeder Rücksicht auf seinen Copiloten, was dazu beitrug dieses Klischee, alle Piloten würden solche Manöver fliegen, zu verbreiten. Jackie selbst hatte diese Manöver ausprobiert und beherrschte sie mühelos. Doch mit der Zeit hatten sie ihren Reiz verloren, so dass sie sie nur noch gelegentlich flog.

„Keine Angst, Sie können die Augen wieder öffnen“, beruhigte ihn Jackie. „ Bei diesem Test sind keine solchen Manöver geplant.“
Lieutenant Collins öffnete vorsichtig die Augen. Als er dann feststellte, dass der Weltraum am oberen Rand und der Marsboden am unteren Rand des Fensters waren, konnte er sich ein wenig entspannen.

„Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass alle Testpiloten gewagte Manöver fliegen um sich zu beweisen“, fragte Jackie die nun wissen wollte, woher die Vorurteile kamen, die Collins hatte. Dieser machte eine wegwerfende Handbewegung bevor er antwortete:
„Ach, Sie kennen bestimmt die Gruselgeschichten und Gerüchte, die man sich über die verschiedenen Testpiloten erzählt. Einiges davon hatte sicher einen wahren Kern. Und der Flugstil einiger Kollegen war schon gewöhnungsbedürftig.“
Das war ja interessant, jetzt wusste Jackie, was er meinte, als er bei der Begrüßung sagte: „Man hat mir schon viel über sie erzählt“.
Sie wollte gar nicht wissen mit wem er zuvor geflogen war. Jedoch fand sie es schade, dass er dadurch solche Vorurteile hatte. Ihr war nur wichtig, dass alles einigermaßen reibungslos funktionierte.
„Sie können ganz entspannt bleiben, es wird alles planmäßig laufen“, sagte Jackie ganz ruhig, „und vielleicht können Sie hinterher Ihre Meinung über uns Testpiloten, sagen wir, ein wenig anpassen.“
„Wie Sie meinen, Sir“, sagte Collins ein wenig unsicher.
„Schauen Sie lieber nach vorne. Wir fliegen auf der so genannten Panorama Route. Und lassen Sie das Sir weg“, erwiderte Jackie.
Die Panorama Route wurde von vielen Piloten so genannt, weil es dort immer was Interessantes zu sehen gab. Vor allem wenn man im Schiffsbau oder als Pilot tätig war.

Inzwischen hatte das Shuttle den Orbit des Mars erreicht und flog auf dieser Route. Die Sonne strahlte die Schiffswerften an. Ihr Licht wurde teilweise von den Außenhüllen der darin liegenden Raumschiffe reflektiert und verlieh dem Ganzen einen besonderen Anblick. Diese Route führte zwischen den zahlreichen Raumschiffswerften, die sich in der Umlaufbahn des roten Planeten befanden, mitten hindurch. Jackie verlangsamte das Shuttle ein wenig um sich die Werften und die darin liegenden Raumschiffe ein wenig genauer anzusehen.
Dort oben sah sie eine Ambassador Klasse die von Work Bees umschwärmt wurde. Ein sicheres Zeichen dafür, dass eine Umrüstung im Gange war. In der Werft nebenan lag das Rumpfgerüst, das der Form nach wohl zur Nebula Klasse gehörte. In drei Jahren würde daraus ein fertiges Raumschiff werden.
Jackie war schon länger nicht mehr diese Route geflogen und genoss daher den Anblick, der sich ihr bot.

Sie träumte insgeheim von dem Tag, an dem sie selbst das Kommando über ein solches Raumschiff haben würde. Und sei es nur um die Testflüge zu absolvieren. Es lag durchaus im Bereich des Möglichen, dass ihre Karriere einmal diesen Verlauf nehmen würde. Sie war offen für alles und war sich sicher, dass sie nicht wie Ben in einem Büro versauern wollte. Aber bis dahin war es noch ein Stück de Weges, nun musste sie erst einmal diesen Auftrag hinter sich bringen.
Auch ihr Begleiter schien ähnlich fasziniert zu sein wie sie. Er sah mit erstauntem Blick die großen Raumschiffe an und es schien offensichtlich, dass auch er davon träumte auf einem der großen Raumschiffe den Weltraum zu erkunden. Abgesehen davon flog er das erste Mal diese besondere Route und war entsprechend beeindruckt.

Bald erreichten sie den offenen Weltraum.
Wenn es nach Jackie gegangen wäre, hätte sie sich gerne noch ein paar Raumschiffswerften angesehen. Auch Lieutenant Collins hätte sicher nichts dagegen gehabt. Aber dies hätte eine Abweichung vom Flugplan bedeutet, verbunden mit einem höheren Zeitaufwand und das konnte sie sich bei dem straffen Programm, das ihr die Ingenieure vorgegeben hatten, nicht leisten. Jackie nahm schließlich Kurs auf das Testgebiet, das zwischen Vulkan und der Erde lag und beschleunigte auf Warp 2.

Auf diesem Testflug war es vorgesehen hauptsächlich den Warpantrieb zu testen. Der Testablauf sah vor, verschiedene Warpfeldkonfigurationen, die zuvor erfolgreich am Computer simuliert worden waren, in der Praxis zu erproben. Dabei sollte unter anderem ein Flug mit Warp 6, eine für Shuttles sehr hohe Geschwindigkeit, erfolgen. Erst gegen Ende des Testfluges sollte dann auch noch die Rettungskapsel in einem statischen Versuch ohne ausklinken getestet werden.

Jackie hatte das Shuttle gestoppt, um eine neue
Warpfeldkonfiguration in den Computer einzugeben, so wie bereits einige Male zuvor. Bisher waren schon mehrere Stunden vergangen, ohne dass es einen durchschlagenden Erfolg zu vermelden gab. Die bisher getesteten Warpfeldkonfigurationen hatte sie im Bordcomputer gespeichert. Die Festgestellten und mit geloggten Ergebnissen reichten von ‚brauchbar’ bis ‚katastrophal’.

Bei den meisten Versuchen setzte ab einer Geschwindigkeit von Warp 2,8 ein unruhiger Flug ein. Das Ganze auch noch gepaart mit zu hohem Energieverbrauch und einer übermäßigen Belastung des Warpantriebs. Jackie schüttelte nur den Kopf. Da hatten die Ingenieure noch einiges an Arbeit vor sich um diesem Shuttle einen ruhigen Flug bei zu bringen. Ob dies an der Warpfeldgeometrie oder dem Aufbau des Antriebs lag, konnte sie so ganz ohne Detailangaben nicht bestimmen. Aber sie sah alleine schon in der Konfiguration einige Fehler, die sie leicht würde ändern können. Eigentlich zählte das nicht zu ihren Aufgaben, aber wenn es funktionieren würde, wären die Ingenieure bestimmt dankbar.

Lieutenant Collins hatte ihr angeboten bei der Eingabe der Daten zu helfen. Ein Angebot, das sie dankend annahm, konnten sie so doch wertvolle Zeit sparen. Und wer weiß vielleicht hatten sie, bevor sie zurück flogen, noch Zeit eine weitere Warpfeldkonfiguration zu testen, die Jackie inzwischen auf die Schnelle nach Ihrer Intuition erstellt hatte. Wie auch immer, sie hatte nur noch zwei Konfigurationen zu testen bevor sie sich mit der Rettungskapsel beschäftigen konnten.
Sie warf einen Blick auf die Maschinenkontrollen um nach dem Zustand des Warpantriebs zu sehen. Die Belastung während der letzten Tests war für die Maschinen besonders stark, jedoch war keine Komponente in bedenklichem Zustand.

Beruhigt warf sie einen Blick zu Collins der neben ihr im Copilotensessel saß und gerade die letzten Daten eingab.
„Bereit?“, fragte sie.
„Ja, die neue Warpfeldkonfiguration ist geladen und bereit“, antwortete er wenige Augenblicke später und beendete die Eingabe.
„OK, dann gehe ich jetzt auf Warp 1“, sagte Jackie und aktivierte den Warpantrieb. Das Shuttle verschwand in einem gleißenden Lichtblitz und gleich darauf zogen die Sterne in langen Streifen am Fenster des Shuttles vorbei. Ein Zeichen dafür, dass sie erfolgreich mit Warpgeschwindigkeit unterwegs waren. Collins warf einen Blick auf seine Anzeigen.
„Das Warpfeld ist stabil, Sie können die Geschwindigkeit langsam erhöhen.“
Jackie begann langsam und gleichmäßig die Geschwindigkeit zu erhöhen, ein Vorgang, den sie schon unzählige Male zuvor gemacht hatte. Das Shuttle flog weiterhin sanft und stabil dahin, auch als die Geschwindigkeit Warp 2,8 überschritt.
„Das Warpfeld ist stabil“, berichtete Collins. Das sah auch Jackie auf ihren Anzeigen, aber auch hier war der Energieverbrauch für ihren Geschmack immer noch zu hoch. Die Belastung des Antriebs war um einiges höher als in der Spezifikation vorhergesagt und inzwischen kurz vor dem roten Bereich.

Die Geschwindigkeitsanzeige war nun bei Warp 4,2 und stieg langsam weiter. „Die Maschinen sind kurz vor dem roten Bereich, ich denke mehr als Warp 4,2 können wir mit der Konfiguration nicht erreichen“, sagte Jackie zu Collins. Wieder eine Konfiguration die nichts taugte, obwohl es vielversprechend angefangen hatte.
„Schade, denn der Flug ist immer noch ruhig“, entgegnete Collins. „Es gibt nicht mehr viele Konfigurationen die wir probieren können.“
„Ja“, sagte Jackie bedauernd., „Ich reduziere jetzt die Geschwindigkeit.“
Sie war mit den bisherigen Ergebnissen nicht zufrieden, das sah man ihr deutlich an. Meist gelang es ihr recht schnell ein ganz passables Ergebnis zu erreichen, aber mit diesem Shuttle schien es wie verhext. Nichts wollte richtig funktionieren.
Ein rotes Blinklicht auf der Anzeige vor sich verlangte nach Aufmerksamkeit. Es zeigte an, dass die Geschwindigkeit auf Warp 4,5 gestiegen war. Dabei hatte sie den Befehl zum Reduzieren der Geschwindigkeit bereits eingegeben. Sie gab den Befehl erneut ein, aber der Computer reagierte nicht.

„Lt. Collins, geben Sie von Ihrer Station bitte den Befehl zum Reduzieren der Geschwindigkeit ein. Der Computer reagiert nicht auf meine Eingabe.“
Collins sah sie überrascht an, tat aber was Jackie ihm befahl.
„Bei mir funktioniert der Befehl auch nicht und die Geschwindigkeit steigt weiter“, sagte er leicht aufgeregt.
Das hatte Jackie gerade noch gefehlt, der Warpantrieb bei steigender Geschwindigkeit außer Kontrolle, wenn das mal gut gehen würde.
„Bleiben Sie ruhig“, sagte sie in entspanntem Ton zu Collins „Es gibt keinen Grund zur Panik. Behalten Sie die Anzeigen im Auge und geben Sie mir ständig die Geschwindigkeit durch.“ Damit hatte er etwas zu tun und sie konnte sich darauf konzentrieren zu versuchen mit dem Computer die Kontrolle über den Warpantrieb wieder her zu stellen. Jackie versuchte verschiedene Befehle, aber keiner zeigte Wirkung. Nicht einmal die Notabschaltung reagierte, was wirklich besorgniserregend war.
Es war als sei der Computer abgestürzt, was aber nicht sein konnte, Befehle die nicht den Warpantrieb betrafen, führte er aus. Wahrscheinlich hatte er in einem Programmteil der Steuerung einen Fehleintrag oder die Beimengung der Materie/Antimaterie war gestört, denn ohne mehr von diesen beiden Komponenten, konnte die Energieausbeute nicht gesteigert werden.

„Die Geschwindigkeit ist auf Warp 4,8 gestiegen und die Anzeigen des Warpkerns sind gerade weit in den roten Bereich gesprungen“, sagte Collins leicht panisch. Jetzt wurde es langsam eng, das wusste Jackie, sie rief sich aber zur inneren Ruhe, denn Panik brachte ihr jetzt auch nichts. Sie verließ ihren Pilotensitz, und ging an einen Verteilerkasten an der Wand dahinter, in dem sich die isolinearen Chips zur Steuerung des Warpkerns befanden. Sie wollte den Richtigen heraus ziehen und damit den Warpantrieb zum Stillstand bringen. Vorsichtig nahm sie die Verkleidung ab um Zugang zu den einzelnen Speicherchips zu bekommen. Gerade in diesem Moment ging ein heftiger Ruck durchs Schiff, so dass ihr die Verkleidung aus den Händen glitt und auf den Boden fiel.

„Was haben Sie gemacht? Wir sind bei Warp 5,5 “, hörte sie die anklagende Stimme von Collins hinter sich. Sie wollte gerade etwas entgegnen als die Computerstimme sie unterbrach:
„Warnung, strukturelle Integrität bei 70 Prozent, Tendenz fallend.“
Verdammt das hatte ihr gerade noch gefehlt, jetzt lief ihr die Zeit davon. „Leiten Sie zusätzliche Energie ins strukturelle Integritätsfeld“, rief sie Collins zu, der dies sofort ausführte. Das ganze Shuttle begann zu vibrieren, erst leicht dann immer stärker.

‚Was macht der eigentlich?’, dachte Jackie und ging hinüber zu Collins um einen Blick auf seine Anzeigen zu werfen.
„Das bringt nichts“, sagte Collins. „Die strukturelle Integrität fällt weiter, sie liegt jetzt bei 57 Prozent.“ Jackie brauchte nur einen Blick auf seine Anzeigen zu richten und hatte sofort erkannt, was die Stunde geschlagen hatte. Er hatte Recht, die Anzeige des Warpkerns war am oberen Bereich der Skala angelangt. Lange würde das Shuttle die Belastung nicht mehr mitmachen. Sie überlegte kurz, was sie in der Kürze der Zeit noch für Optionen hatte. Wenn sie ehrlich zu sich war, waren das gar keine. Sie hatten nur noch die Möglichkeit das Shuttle zu verlassen. „Sieht so aus, als müssten wir Ihre Rettungskapsel etwas früher als geplant testen“, sagte Jackie. Collins sah sie völlig geschockt an. offenbar realisierte er erst jetzt, dass dies ein Notfall war. „Ein Realtest war nicht vorgesehen. Sie meinen wir müssen das Shuttle tatsächlich verlassen.“
„Ja genau, und zwar so schnell wie möglich.“
Das brauchte sie Collins nicht zweimal zu sagen, er verschwand sofort im hinteren Bereich des Shuttles. Jackie wusste aber genau was sie auf jeden Fall mitnehmen wollte. Ohne die Ergebnisse des Tests würde sie nicht gehen. Sie überspielte noch schnell alle Daten in die Logbuchboje und startete sie. Sie wollte noch mit den Scannern nach einem Planeten Ausschau halten, wurde aber von der Computerstimme unterbrochen.
„Strukturelle Integrität bei 35 Prozent, Tendenz fallend.“ Ihr blieb einfach keine Zeit um noch irgendetwas zu machen. Schnell eilte sie in den hinteren Teil des Shuttles, wo sich die Rettungskapsel befand. In dem Moment in dem sie das Gefährt erreichte, hatte Collins schon die Luke in der Hand und wollte sie schließen.
„Halt!“, rief Jackie und riss die Luke wieder auf.
„Ich dachte Sie kommen nicht mehr“, rief der überraschte Collins.
Dieser Idiot wäre doch beinahe ohne sie gestartet und jetzt noch diese dämliche Ausrede. Jackie sah, dass wirklich nicht viel mehr Raum in der Rettungskapsel war. Sie war ja eigentlich auch nur für eine Person ausgelegt. Der vorhandene Platz musste eben diesmal auch für zwei reichen. Der Gedanke sich da hinein zu quetschen und die nächsten Stunden, wenn nicht sogar Tage, darin zu verbringen, verursachte bei ihr großes Unbehagen.

„Was soll denn das heißen, Sie dachten ich komme nicht mehr. Meinen Sie etwa ich gehe mit dem Schiff unter“, sagte Jackie aufgebracht. Auf ein Kopfnicken von Collins blaffte sie nur:
„Rücken Sie gefälligst rüber. Und bloß keinen blöden Kommentar sonst knallt es.“
Sie zwängte sich mit den Füßen voran an Collins vorbei in die enge Röhre, welche die Rettungskapsel jetzt zu sein schien. Collins schloss sofort die Luke als sie beide auf Augenhöhe zueinander waren.
Jackie drückte unmittelbar auf den Auslöser und mit einem metallischen Geräusch löste sich die Rettungskapsel aus dem Shuttle. Da das Shuttle noch immer mit Warpgeschwindigkeit flog, wurde die Rettungskapsel ziemlich durchgeschüttelt, als sie das Warpfeld durchbrach und schließlich im All schwebte.
Zunächst dachte Jackie das wäre es gewesen aber als Collins sagte: „Ich aktiviere den Warpsprung um genug Abstand zwischen uns und das Shuttle zu bringen.“, da wusste sie, dass noch etwas kommen würde. Collins hatte es geschafft seine Hand irgendwie an das Bediendisplay zu bringen und den Warpsprung zu aktivieren. Die beiden Insassen bemerkten lediglich ein leichtes Beschleunigen. Die einzelne Warpspule, welche die Rettungskapsel umgab, begann bläulich zu leuchten und beschleunigte das Gefährt auf Warp 1.
Zirka 15 Sekunden später erlosch das blaue Leuchten und die Rettungskapsel fiel etwas holprig zurück auf Impulsgeschwindigkeit. Von der Druckwelle des sicherlich explodierten Shuttles bemerkten sie nichts.

Man sollte meinen, dass sich aufgrund der Enge, die in der Rettungskapsel herrschte, niemand großartig verletzen konnte. Doch durch die letzte Erschütterung stießen sich beide gegenseitig den Kopf aneinander. Das würde eine feine Beule geben.
Die Position, in der Jackie in der Rettungskapsel lag, war alles andere als bequem. Sie lag auf der Seite, wobei sie sich mit dem Rücken zur Außenwand befand. Ihr Begleiter lag ihr gegenüber in der gleichen Position. Ihre Gesichter waren nur wenige Zentimeter von einander entfernt und sie konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren. Über ihren Köpfen befand sich die Bedienkonsole mit der sämtliche Funktionen der Rettungskapsel gesteuert wurden.
Jackie versuchte etwas vor zu rutschen um besser auf das Display der Bedienkonsole zu schauen. Sie vergewisserte sich, dass der Notsignalsender in Betrieb war. Mit ein paar Tastendrücken war sie im Navigationsmenü um sich anzusehen wohin sie flogen. Sie musste feststellen, dass die Rettungskapsel automatisch Kurs zurück zur Erde gesetzt hatte und mit voller Impulskraft flog, dabei kämen sie auch in die Nähe einer Schiffsroute. In Gedanken überschlug sie Zeit, die sie mit dem Shuttle gebraucht hatten um hier her zu kommen.
Sie waren Stunden mit Warp 2 geflogen, was eigentlich nicht besonders schnell war. Mit Impulskraft würden sie Wochen wenn nicht sogar Monate brauchen um zurück zu kommen. Hoffentlich wurden sie bald von jemandem aufgelesen, denn Jackie verspürte keine Lust in dieser Konservendose Wochen zu verbringen.

„Wenn Sie schon alles überprüfen, schauen Sie lieber auch nach dem Energieverbrauch“, sagte Lieutenant Collins. Jackie sah ihn kurz an, folgte aber seinem Vorschlag und rief das Energieverbrauchsmenü auf. Sie glaubte ihren Augen nicht zu trauen, die Energiemenge war schon nahezu aufgebraucht. Wahrscheinlich war die Kapsel für den kurzen Test nicht mit einer vollen Versorgung versehen worden, es war ja auch nur ein statischer Test vorgesehen. Collins musste ihren Blick gesehen haben, denn der fragte etwas niedergeschlagen.
„Wie lange haben wir noch Energie?“
Jackie verschwieg die Zahl die der Computer anzeigte, so etwas wirkte oft niederschmetternd und sie kannte Collins nicht gut genug um seine Reaktion abzuschätzen daher sagte sie lediglich: „Nicht so viel wie ich gerne hätte.“

„Ja, natürlich war schon klar, dass der Energieverbrauch höher war. Es sind ja auch zwei Personen in einer Einpersonen Rettungskapsel“, sagte Collins mehr zu sich selbst, „da bleibt nur noch halb so viel Energie übrig.“ Jackie nickte nur.
„So in etwa, Sie haben Recht“, antwortete sie, obwohl ihr klar war, dass man hier einfach viel zu wenig Energie aufgefüllt hatte. Mit den Resten ließ sich nicht mehr viel anfangen, aber sie versuchte wenigstens diese so gut es ging zu nutzen um in die Nähe anderer Verkehrswege zu gelangen. Sie ging noch die vielen Untermenüs durch, die auf dem Display angezeigt wurden. Inzwischen war es ziemlich warm geworden, obwohl sie die Heizung bereits auf ein Minimum reduziert hatte. Aber zwei Menschen heizten den kleinen Raum allein schon durch ihre Körperwärme stark auf. Die Wärmeisolierung der Rettungskapsel trug ebenso dazu bei, dass kein
bisschen Wärme verloren ging. Mit einem Mal spürte sie eine ungewohnte Bewegung in ihrem Rücken.

„Wo haben Sie ihre Hände?“, fragte sie in schärferem Ton als eigentlich beabsichtigt.
„Keine Panik“, erwiderte Collins in ruhigem Ton, „ich habe nur Hunger und möchte mir nur eine Notration in dem Staufach hinter Ihnen holen.“ Jackie spürte wie seine Hände an ihrem Rücken entlang fuhren und nach etwas suchten, das sich wie der Verschluss des Staufaches anfühlte. Nach einer kleinen Ewigkeit, in der er nichts fand, fragte Jackie genervt: „Haben Sie es bald gefunden?“
„Nein, ich finde die Öse nicht. Sie könnten ruhig ein wenig Platz machen“, sagte Collins der inzwischen auch leicht genervt war. Jackie warf ihm einen warnenden Blick zu. Sie hätte selbst gerne mehr Platz gehabt. Aber wo sollte sie denn hin, sie konnte sich ohnehin kaum bewegen.
„Rücken Sie ein wenig nach unten, zum Fußende“, forderte Collins.
Jackie robbte nach unten bis sie mit den Füßen an der Wand anstieß. Das Staufach war anscheinend genau hinter ihrem Kopf denn im nächsten Moment spürte sie schmerzhaft wie eine Klappe gegen ihren Hinterkopf geschlagen wurde.
„Passen sie doch auf!“, sagte sie in warnendem Ton zu Collins.
„Ich bekomme es immer noch nicht richtig auf. Rücken sie noch ein wenig weiter.“
„ Es geht nicht, ich stoße unten schon mit den Füßen gegen die Wand. Soll ich vielleicht aussteigen damit Sie mehr Platz haben?“, fragte sie ein wenig sauer. Collins sah zu ihr hinüber.
„Das wäre natürlich optimal, aber ich glaube es reicht schon wenn Sie die Knie ein wenig anziehen.“
Da im Beinbereich ein wenig mehr Platz war, konnte dies gehen. Jackie zog die Knie an und rutschte noch ein wenig weiter nach unten.
Collins begann das Staufach, das voll war mit Notrationen, auszuräumen. Jackie befürchtete in dieser Position einen Krampf in den Beinen zu bekommen. Daher versuchte sie sich soweit möglich wieder ein wenig in eine bequemere Lage zu bringen, indem sie versuchte ihr linkes Bein ein wenig auszustrecken. Aufgrund der Enge klappte das nicht so, wie sie wollte, und sie stieß mit dem Knie in irgendetwas undefinierbares Weiches. In dem Moment kam von Lieutenant Collins ein unterdrückter Schmerzensschrei. Und wäre genug Platz gewesen hätte er sich sicherlich die Hände auf sein bestes Stück gehalten.
So aber lag er da, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Im ersten Moment wusste Jackie nicht, was passiert war. Dann versuchte sie einen Blick auf ihr Knie zu erhaschen. Sie stellte fest, dass sie damit versehentlich in Collins Genitalien gelandet war. Kein Wunder, dass er Schmerzen hatte, war das doch die empfindliche Stelle eines jeden Mannes.
Schnell wechselte sie die Position, so dass sie wieder einigermaßen ausgestreckt da lag.
„Oh, entschuldigen Sie bitte, das war nicht meine Absicht“, sagte sie mit ehrlichem Bedauern, musste aber innerlich grinsen „Geht’s wieder?“ Von Collins kam nur ein Brummen. Wahrscheinlich war er sauer. Jackie begann sich die Notrationen anzusehen, die Collins aus dem Staufach geräumt hatte. Es waren genug vorhanden, wenn sie sparsam waren, würden die vielleicht wochenlang reichen. Hunger hatte sie keinen, jedoch könnte sie etwas Wasser vertragen. Die Temperatur hier drinnen war nach wie vor unverändert hoch. Collins hatte sich inzwischen von seinen Schmerzen erholt und warf ihr einen
bösen Blick zu.
„Sie wollten doch unbedingt das ich noch weiter rücke“, sagte sie in gespielt unschuldigem Ton.
„Aber doch nicht so“, erwiderte er missmutig.
„Nun, Ich kann doch nichts dafür, dass hier alles so eng ist. Das war ein Versehen, tut mir Leid“, entgegnete sie.
Jackie suchte sich unter den Notrationen einen Wasserbeutel aus, öffnete ihn und trank ein wenig davon, schließlich wusste sie nicht, wie lange sie hier noch ausharren musste.

„Sie hätten ja nicht reinkommen müssen, dann wäre genug Platz für eine Person und niemand hätte mir in die Genitalien getreten“, sagte Collins. Nun war Jackie aber richtig sauer, hätte sie etwa in dem Shuttle bleiben sollen, bis es explodierte? Sie wollte gerade zu einer scharfen Gegenantwort ansetzen, als ein Piepen sie unterbrach. Sie kroch etwas hoch um besser auf das Display sehen zu können. Die Energie der Rettungskapsel war inzwischen weiter abgesunken und der Sauerstoffvorrat auch.
Sie schluckte herunter was sie gerade sagen wollte und wandte sich an Collins.

„Hören Sie zu, wir verbrauchen viel zu viel Sauerstoff. Ich schlage vor wir legen uns hin und versuchen möglichst wenig Energie zu verbrauchen. Ich reduziere die Lebenserhaltungssysteme auf ein Minimum. Der Antrieb läuft auch nur noch mit halber Kraft.“
„Ja, das wird wohl das Beste sein“, knurrte Collins nach einer Weile und versuchte sich in eine halbwegs bequeme Lage zu bringen.
Wenigstens sah er ein, dass sie ein Streit nicht weiter bringen und nur unnötig Energie und Sauerstoff kosten würde, die sie noch dringend benötigten. Auch Jackie legte sich hin und versuchte ruhig zu atmen. Jetzt kam die Zeit des Wartens, etwas, das ihr nicht besonders lag. Aber in dieser Situation hatte sie keine andere Wahl. In Gedanken ging sie noch einmal die Ereignisse auf dem Shuttle durch. Hatte sie irgendetwas übersehen, hätte sie noch eine Möglichkeit gehabt den Warpantrieb abzuschalten? Warum reagierte der Computer nicht auf die Befehle?
Das waren Gedanken und Hypothesen die einem Techniker immer durch den Kopf gingen, wenn etwas nicht funktioniert hatte.

So vergingen die Stunden, ohne dass irgendetwas Besonderes passierte. Lieutenant Collins war inzwischen eingeschlafen. Auch Jackie fühlte sich müde, zwang sich aber wach zu bleiben. Sollte sie einschlafen, würde sie womöglich nie wieder erwachen, wenn der Sauerstoff zur Neige gehen würde. Die Energie der Rettungskapsel war inzwischen so weit abgesunken, dass für den Antrieb nichts mehr da war. Allein der restliche Schwung trug sie noch vorwärts.
Jackie war am Überlegen, ob sie auch den Notsender abschalten sollte um noch mehr Energie zu sparen, konnte sich aber bis jetzt nicht richtig dazu durchringen. Dann würde man sie überhaupt nicht mehr finden. Ein wenig resigniert legte sie sich auf den Rücken und starrte die Energieanzeige an, die immer weiter absank. Nur noch ein paar Stunden..., dachte sie.

Die U.S.S. Calypso hatte ihren Auftrag abgeschlossen und die Kartografie des Delium Sektors fertig gestellt. Zwei harte Jahre des Datensammelns und der Entbehrung waren endlich vorbei und die Crew freute sich nur noch auf den heimischen Hafen, in dem sie endlich die Gelegenheit hatte, wieder andere Gesichter zu sehen.
Nicht, dass es auf einem Schiff der Miranda Klasse nicht genug Abwechslung gab, aber eine solche Aufgabe, die mit dem Erfassen des Raumes, Eintragungen ins Sternenregister und Vermeidung von Erstkontakten einherging, bot kein abwechslungsreiches Leben, auch wenn die Arbeit wichtig war, die man damit für die Flotte erbrachte. Bald könnten Schiffe aufgrund dieser Daten diese weitaus kürzere und sichere Passage auf Ihren Routen durch diesen Sektor des Alls zu den fernen Außenposten nutzen.
Der erste Offizier der Calypso, Commander Jan Erik Wikland, ein hoch gewachsener Mann mit unverkennbar skandinavischem Einschlag, fuhr sich durch das blonde dicht gelockte Haar.
Es lagen nur noch maximal zwei Tage vor Ihnen, bevor sie die Heimatbasis erreichen würden, obwohl man auf einer leicht abgewandelten Route, die er berechnet hatte, sicherlich schon fast drei Tage eingespart hatte.
Er war schon immer ein gradliniger Mann gewesen und hatte eher einen direkten Weg gewählt, als auf Umwegen bequemer ans Ziel zu kommen. Für Captain Itohr, einen Bolianer, war er ein wenig zu sorgfältig. Ganz im Gegenteil zu anderen Mannschaftsmitgliedern hatte er ihn in den letzten zwei Jahren, in denen er auf seinem Schiff war, noch nicht einmal in einer Situation erlebt, die Fragen an seiner Loyalität, seiner Gesinnung, seiner Arbeit oder im Umgang mit den Kameraden aufkommen ließ. Das fand der Bolianer sehr suspekt.
Itohr musste allerdings auch zugeben, dass er den Commander auch nach dieser langen Zeit noch nicht richtig kannte. Wikland war ein verschlossener Mann. Sein Schicksal musste ihm schwer mitgespielt haben, soviel erkannte der Captain auch ohne weitere Hilfe, aber der Commander sprach niemals darüber, selbst nicht in den Stunden, in denen sie mit Aufgaben der Schiffsführung allein unter sich waren.

Captain Itohr nahm das Padd entgegen, welches ihm Wikland gereicht hatte, warf einen kurzen Blick darauf und nickte dem Commander zu, dann konzentrierte er sich wieder auf den Hauptschirm der schon seit Tagen das gewohnte Bild vorbeiziehender Sterne zeigte.

„Commander, übernehmen Sie die Brücke, ich bin in meinem Raum!“, sagte der Bolianer plötzlich und ohne ersichtlichen Grund. Er stand auf und mit einem prüfenden Blick auf die Männer und Frauen an den Konsolen ging er nach hinten, wo sich die Tür zum Bereitschaftsraum befand. Wenigstens diesen Luxus hatte man durch ein neues Brückenmodul in die älteren Schiffe der Miranda Klasse integrieren können, während so innovative Annehmlichkeiten wie Holodecks auf diesen Schiffsklassen noch gänzlich fehlten.
Jan Erik Wikland ließ sich in den Sessel des Kommandanten sinken und nahm das Padd zur Hand, welches der Captain in ein Fach seitlich am Stuhl des Captains gesteckt hatte. Er aktivierte es und legte sich die aktuellen Anzeigen auf das kleine Display.
Fähnrich Antagos, der Benzite, hatte alles fest im Griff. Kurs und Geschwindigkeit waren in Ordnung, der Maschinenraum arbeitete gerade an einer Überholung der Kaskadensteuerung, die dafür Sorge tragen sollte, dass der Impulsantrieb seine feine Regelcharakteristik beibehielt. Dessen Einstellung und Kalibrierung waren inzwischen zur gewohnten Maßnahme geworden, obwohl sie nur alle paar Jahre notwendig sein sollten. Auf der U.S.S. Calypso war es aufgrund des Alters zur monatlichen Aufgabe geworden.

Die Kommunikation war jetzt, wo man dem Erdsektor näher kam, bereits deutlich umfangreicher geworden. Das bekam Lieutenant Mandy Keyser deutlich zu spüren. Die Protokolle der Subraumverbindungen füllten ganze Seiten und Wikland wurde einmal mehr klar, das man die Ruhe und Abgeschiedenheit des fernen Sektors hinter sich gelassen hatte.
In den Zuständigkeitsbereich von Lieutenant Commander Sentak, einem Vulkanier, fiel die Sensorik und die allgemeine wissenschaftliche Arbeit. Wikland wollte schon die Ergebnisse weiterschalten, als er stutzte.
Den Werten zufolge gab es eine Ansammlung von Biomasse, so weit hier draußen und abseits der bekannten Routen sehr ungewöhnlich, es sei denn, jemand wäre aus der Luftschleuse gestoßen worden. Es waren jedoch nur rudimentäre Werte, nichts das einen glauben ließe, ein humanoides Wesen oder ein, wie auch immer geartetes, pflanzliches Exemplar würde sich dahinter verbergen. Die Werte stammten von einem Gebiet weit voraus, das gerade eben in Scannerreichweite gekommen war, und waren dementsprechend ungenau. Wikland vertiefte sich noch einmal in die Werte und sprach dann den Wissenschaftsoffizier an:
„Mister Sentak, was sind das für Biowerte im angrenzenden Sektor? Wurde das bereits untersucht? Eine bessere Auflösung könnte hier nicht schaden.“
Wie scheinbar bei allen Vulkaniern war die Antwort unter Abwägung der Logik eine kalte abweisende Feststellung.
„Ich werte dies aufgrund der angezeigten Parameter als eine Fehlinterpretation, Commander. Unsere Sensoren neigen oft zu Fehlmeldungen und an dieser Position existiert keine Flugroute. Nichts und niemand könnte so weit vom Kurs abgekommen sein. Es existieren auch keine Energiespuren von Antrieb oder Strahlung!“, gab der Vulkanier eisig zurück.
Doch Wikland ließ nicht locker.
„Auch wenn es Ihrer vulkanischen Logik widerspricht, ist eine solche Ansammlung von Biomaterie im freien Raum so konzentriert eher unwahrscheinlich. Tasten Sie das Gebiet neu ab, mit allen zur Verfügung stehenden Ressourcen.“

Vulkanier hatten noch immer ein gestörtes Verhältnis dazu, was wichtig sein konnte. Viel zu oft ignorierten sie vor lauter Logik und Selbstüberschätzung, dass das Leben nicht gradlinig verlief.
Nur so konnte Sentak übersehen, dass es sich hier um etwas Anderes als ein natürliches Phänomen oder eine Täuschung handelte.

***

Jackie versuchte sich umzudrehen. Ein nahezu unmögliches Unterfangen mit zwei Personen in einem Solo Rettungsboot. Sie musste unbedingt an die Konsole der Technik gelangen, die neben dem Hauptdisplay noch andere Funktionen bereitstellte.
Mit viel Mühe hatte sie es nach ein paar Minuten erreicht. Es war heiß In der kleinen Hülle und es war viel zu eng für zwei Personen, die Luft war schlecht geworden und der Sauerstoffanzeiger sank immer weiter ab. Die Energie für die Systeme war inzwischen komplett aufgebraucht. Nicht nur, dass sie den Antrieb weit stärker und länger in Betrieb gelassen hatte, um näher an die üblichen Flugrouten zu gelangen. Selbst die Notenergie für die Lebenserhaltung war inzwischen auf ein bedrohliches Maß gesunken. Das Rettungsboot bewegte sich nur noch durch Massenträgheit.
Sogar den Sender für das Notsignal hatte sie inzwischen abgeschaltet um jedes Quäntchen Energie in die Lebenserhaltung zu stecken.
Es war ein Pokerspiel gewesen, so weit wie möglich in die Nähe der üblichen Transferrouten zu gelangen. Denn bei ihrem Testflug war sie mit Absicht weitab der üblichen Routen geblieben.
Die Logbuchboje hatte sie mit entgegen gesetztem Kurs und Richtung für das Rettungsboot gefüttert und erfolgreich starten können, bevor sie ausgestiegen waren. Dass hieße, wer immer die Boje finden würde, müsste auch sie finden. Ihr war heiß, sie war verschwitzt und wischte sich einige Strähnen ihrer braunen Haare aus dem Gesicht, während sie die Anzeigen erneut überprüfte. Ihr Kollege schlief, oder war er aufgrund der Sauerstoffknappheit schon weggedämmert? Sie hoffte nicht. Was blieb ihr noch zu tun übrig, es gab kaum noch Hoffnung, sie trieben hier seit Stunden, doch dieses Gefährt war nicht auf zwei Personen ausgelegt, das hatten beide sofort zu spüren bekommen. Doch nicht nur das, die Energieeinrichtung war nicht auf einen wirklichen Feldtest ausgelegt, von der wochen- bis monatelangen Lebenserhaltung waren schon beim Start nur wenige Stunden geblieben. Einer inneren Eingebung folgend, trennte sie den leeren Tank für Materie und Antimaterie von der Rettungskapsel. Zwei kleine tischtennisgroße Kugeln die auf einem schuhkartongrossen Paket mit Elektronik saßen. Sie waren die Energieversorgung für den Notwarpsprung, der sie bei der vermutlich erfolgten Explosion des Shuttles außer Gefahr gebracht hatte.
Die Kondensatoren würden die Eindämmung noch für einige Minuten erhalten, aber dann würde sie zusammenbrechen und was dann geschah, wusste jeder Ingenieur im ersten Jahr.
Rezensionen