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Neubeginn

von Harald Latus, Kontikinx1404

Kapitel 1

Die Rot - Alarmsirenen heulten auf dem ganzen Schiff. Jeri Parker, die zweite Sicherheitschefin eilte durch die Gänge der Tolstoy zur Brücke, wo sie die taktische Station übernehmen musste. Ihre Schritte waren entschlossen und schnell. Sie wusste, was eine solche Situation bedeutete. Das Schiff war in Gefahr und der Captain musste sich darauf verlassen können, dass jede Aufgabe zuverlässig erledigt wurde, dennoch machte sie sich große Sorgen um den Lieutenant Commander, der vorher diesen Platz innehatte.
Ihr Vorgesetzter war verletzt auf die Krankenstation gebracht worden nachdem sich seine Konsole überladen und ihn mit einer Explosion nach hinten geworfen hatte. Sein ganzes Gesicht und seine Hände waren rußgeschwärzt und blutüberströmt durch die vielen feinen Partikel die ihn beim Bersten der Oberflächenstruktur getroffen hatten.

Ein plötzlicher Ruck ging durchs Schiff und beinahe hätte sie ihr Gleichgewicht verloren, gerade als sie den Turbolift betreten wollte. Es war ohne Zweifel eine Situation die ihre Anwesenheit auf der Brücke dringend erforderte.
Die Fahrt im Lift schien ewig zu dauern. Endlich hielt der Lift an und sie wartete ungeduldig, dass sich die Türen öffneten. In diesem Moment schienen sich die Sekunden ewig hinzuziehen. Doch als sie die Brücke endlich betrat, erkannte sie diese kaum wieder.
Es herrschte dämmriges Licht, fast die gesamten Konsolen flackerten und es roch nach verbrannten Schaltkreisen. Feine Rauchschwaden zogen über die Brücke, die Atmosphäre war angespannt und jeder konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Mit einem kurzen Seitenblick nahm Captain Parsons ihre Anwesenheit zur Kenntnis. Während Jeri die taktische Station besetzte fiel ihr Blick kurz auf den großen Hauptschirm. Er zeigte den Feind, einen riesigen Borgkubus, der die Sternenflottenschiffe unter Beschuss nahm. Die Borg waren viel früher gekommen, als von der Sternenflotte erwartet. Nach allem was man bisher über sie wusste, lebten die Borg in einem Kollektivbewusstsein, ähnlich wie Bienen. Sie übernahmen neue Technologien oder zerstörten alles, was ihnen in den Weg kam. Vorzugsweise assimilierten sie ihre Opfer und integrierten sie als Drohnen in ihr Kollektiv. Sollte das Opfer zu starken Widerstand leisten zögerten sie allerdings auch nicht, es zu zerstören.
Dieser bösartige und brutale Feind assimilierte ganze Welten, machte die Bevölkerung zu Drohnen und nahm ihnen den Sinn für jegliche Individualität.Ein Verhalten, dass mit den Werten der Föderation auf gar keinen Fall zu tolerieren war, hatte sich diese Gemeinschaft doch darauf geeinigt, dass jedes Individuum einzigartige und unveräußerliche Rechte auf Freiheit und freie Entfaltung seiner Persönlichkeit hatte. Es war schon schwer genug gegen das Orion Syndikat mit ihren Sklavenmärkten vorzugehen, aber dort hatte die Föderation wenigstens noch eine Handhabe. Doch hier waren alle Versuche einer Kontaktaufnahme gescheitert, keines der Argumente war bei den Borg auf Verständnis gestoßen. Sie kannten nur ihren Auftrag, der durch das Hive Bewusstsein in jede Drohne impliziert wurde.

Ein Blick auf die Anzeigen vor sich, verriet Jeri das es nicht besonders gut um die Tolstoy stand. Die Schilde waren auf zwanzig Prozent gesunken und eine Phaserbank war ausgefallen. Zusätzlich stand die Tolstoy unter schwerem Beschuss durch die Borg.
Es war schon bemerkenswert wie Jeri feststellen musste, dass der Borgwürfel sich mit multiplen Zielen auseinandersetzen konnte und dennoch einen Treffer nach dem Anderen erzielte. Letztendlich waren sie nicht alleine, denn über vierzig Schiffe der Flotte bemühten sich gerade diesen einzelnen Gegner zu stoppen.

Der Pilot versuchte auszuweichen, was ihm aber nicht immer gelang. Jeri wusste wie schwierig dies war, hatte sie doch vor ein paar Jahren noch selbst dieses Raumschiff geflogen.
Captain Parsons gab Kommandos an die Flugkontrolle und an sie. Die Tolstoy flog in engem Bogen am Kubus vorbei und feuerte dabei eine Salve Photonentorpedos auf ihn ab. Es war schwer auszumachen, wo sich in dem riesigen Kubus Systeme befanden, die man ausschalten musste, Waffen, Antrieb, Sensoren, der Captain hätte alles genommen, doch weder sein Wissenschaftsoffizier, noch Jeri an der taktischen Station erhielten klare Anzeigen, wo sich diese sensiblen Systeme im Borgwürfel befanden.

Unbeeindruckt feuerten die Borg zurück und trafen die Tolstoy am Heck, was sie fast ins Trudeln gebracht hätte. Durch den dauerhaften Beschuss gaben die ohnehin geschwächten Schilde schließlich ihren Geist auf und machten die Tolstoy zu einem wehrlosen Opfer für die Borg. An der Wissenschaftsstation gab es eine weitere Energieentladung und Funken sprühten daraus hervor. Glücklicherweise wurde niemand ernsthaft verletzt.
Durch den Treffer der Borg wurde das Schiff allerdings fast aus der Flugbahn geworfen und jeder musste sich festhalten um an seinem Platz zu bleiben. Auch Jeri hielt sich an ihrer Konsole fest um nicht zu stürzen. In dem Moment, in dem sich das Schiff wieder stabilisiert hatte gab es einen dumpfen Schlag, der im ganzen Schiff zu hören war. Irgend etwas war explodiert, schoss es Jeri durch den Kopf. Die Nachricht ließ nicht lange auf sich warten, der Maschinenraum meldete sich: „Captain wir haben die Backbord Plasmaleitung verloren. Schilde, Waffen und Antrieb sind ausgefallen.“ Jeder auf der Brücke wusste was dies bedeutete, der Beschuss der Borg traf nun die ungeschützte Außenhülle. Die Tolstoy war verloren.

Dieser Schaden konnte nicht innerhalb weniger Minuten repariert werden, und schon gar nicht während eines Angriffs. Die anderen Raumschiffe waren alle noch in das Gefecht mit den Borg verwickelt und konnten keine Hilfe leisten. Ein betretenes Schweigen machte sich auf der Brücke breit.
Ein weiterer Treffer ließ das Schiff nochmals heftig erzittern. Jeri schaute auf ihre Konsole und stellte fest das ein weiteres Raumschiff in der Nähe explodiert war.
Genau dieses Schicksal würde auch ihr Schiff ereilen, wenn nicht noch ein Wunder geschehen würde. Doch die Chancen standen schlecht wie Jeri feststellen musste und auch wenn die Tolstoy für den Borgwürfel nun keine Gefahr mehr darstellte, so waren sie immer noch im Wirkungsradius ihrer Waffen und deren Transporter. Ohne Schilde und ohne Waffen waren sie nur noch ein willkommenes Präsent um die Mannschaft in weitere Drohnen zu verwandeln.
Als die Druckwelle die Tolstoy erreichte gab die Hüllenstruktur in den beschädigten Bereichen nach und das Schiff wurde nochmals heftig durchgeschüttelt.
„Captain, durch die Druckwelle haben wir einen Hüllenbruch auf den Decks zwei, drei und vier. Die Notkraftfelder funktionieren nur teilweise“, meldete sie dem Captain niedergeschlagen. Ein paar Sekunden herrschte gespenstige Stille auf der Brücke.
Jeder wartete auf die Befehle des Captains, obwohl jeder auf der Brücke sie erahnen konnte. Schließlich erhob sich Captain Parsons aus ihrem Stuhl und sagte mit vibrierender Stimme: „Es war mir eine Ehre mit Ihnen allen zu dienen. Doch wir müssen das Schiff aufgeben wenn wir überleben wollen. Sehen sie zu, dass sie die Rettungskapseln erreichen. Ich wünsche Ihnen viel Glück!“
Ein weiterer Treffer der Borg ließ das angeschlagene Schiff nochmals erzittern, als Zeichen, dass es Zeit war, sich in Sicherheit zu bringen.
Gleich darauf ertönte der Evakuierungsalarm. Die Brückenoffiziere verließen nach kurzem zögern ihre Stationen und begaben sich zu den Rettungskapseln, in dem Bewusstsein, die Schlacht und das Schiff verloren zu haben. Auch Jeri musste sich widerwillig eingestehen, das dieser Gegner so wie es momentan aussah nicht besiegt werden konnte, als Sie eine vertraute Stimme aus dem Interkom hörte:
„Lieutenant Green an Lieutenant Parker, bitte melde Dich.“
Lieutenant Jeremy Green war Jeri´s Verlobter. Als sie seine Stimme hörte, war sie froh das es ihm noch gut ging. Sie tippte mit der Hand kurz auf ihren Insignienkommunikator um eine Komverbindung zu ihm herzustellen. Gott sei Dank war die Interne Kommunikation noch nicht ausgefallen und sie brauchte einen Moment um sich bewusst zu werden, dass es jetzt nur noch um ihr eigenes Leben und das Ihres Verlobten ging.
„Jeremy, bin ich froh Deine Stimme zu hören, ich hoffe du bist in einer Rettungskapsel?“, fragte sie besorgt.
„Nein, ich bin auf Deck 4 und warte auf Dich, wo bist Du?“
Jeri ärgerte sich über ihren Verlobten. Er handelte nicht vernünftig, statt sich sofort in Sicherheit zu bringen, vertrödelte er nicht nur wertvolle Zeit sondern befand sich auch noch in unmittelbarer Gefahr.
Sollten die Notkraftfelder komplett ausfallen, was früher oder später passierte, war das ganze Deck 4 dem Vakuum des Weltalls ausgesetzt.
Jeri atmete tief durch und zwang sich selbst ruhig zu bleiben.
„Jeremy, hör mir zu“, erwiderte sie so ruhig wie möglich während sie zum Turbolift eilte, „Du gehst jetzt zum Turbolift, ich hole dich dort ab und dann verschwinden wir zusammen, OK?“
„OK, so machen wir es, bis gleich“, antwortete er nach kurzem Zögern. Jeri betrat den Turbolift und wies ihn an, nach Deck 4 zu fahren. Sie hatte Jeremy absichtlich verschwiegen in welcher Gefahr er sich befand. So wie sie ihn kannte hätte dies seine Unvernunft und Panik nur noch um ein vielfaches gesteigert. Vielleicht hätte er etwas unternommen und dadurch seine Lage nur noch verschlimmert. Es war ja ohnehin schon schlimm genug was ihnen nun bevorstand. Er hatte einfach zu schwache Nerven um in Notsituationen klar denken zu können. Jeri stand im Lift und überlegte wie sie zusammen am schnellsten eine Rettungskapsel erreichen konnten, nachdem Jeremy endlich bei ihr sein würde.

Eine heftige Erschütterung riss sie aus ihren Gedanken. Ein weiterer Treffer der Borg traf die Tolstoy und fraß sich in die ungeschützte Hülle des Schiffes.
Wenig später hielt der Turbolift an und die Türen öffneten sich. Auf den ersten Blick erkannte Jeri, dass dies nicht Deck 4 war. Der lange Gang vor ihr wurde nur durch die Notbeleuchtung spärlich erhellt. Die Aufschrift an einem in die Wand eingelassenen Computerterminal wies darauf hin, dass sie auf Deck 5, in der Nähe des Shutlehangars war. Sie hatte eine Vermutung warum der Turbolift nicht auf Deck 4 angehalten hatte und bei dem Gedanken an die logischen Folgen dieses Umstands drehte sich ihr der Magen um. Sollte sich ihre Vermutung bestätigen, wäre Jeremy nicht mehr am Leben. Jeri trat an das Computerterminal heran um Ihre Vermutung zu überprüfen. Nach kurzem Drücken der Tasten hatte sie die bittere Gewissheit. Der Turbolift fuhr weiter zu Deck 5 weil die Sensoren einen spontanen Druckabfall auf Deck 4 festgestellt hatten. Dies war eine Sicherheitsvorrichtung, die verhindern sollte, dass jemand zu Schaden kommen würde falls er in einer Sektion aussteigen wollte, die nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt war.
Jeri stand einen Moment völlig regungslos da, den Kopf an die Wand gelehnt, mit Tränen in den Augen, vor dem Computerterminal, als sich ihre Vermutung bestätigte. Eine kleine Ewigkeit schien vergangen zu sein als eine weitere starke Erschütterung Jeri bewusst machte, dass sie Jeremy für immer verloren hatte. Ihr wurde klar das sie sich noch immer auf der Tolstoy befand, die sich immer mehr in ein Wrack verwandelte und sie mit ins Verderben zu reißen drohte.
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen, jetzt war nicht die Zeit zum Trauern, denn noch befand sie sich selbst in unmittelbarer Lebensgefahr und es gab keine Garantie ob sich das ändern würde, wenn sie in einer Fluchtkapsel oder einem Shuttle sitzen würde. Sie atmete tief durch und rannte in Richtung Shuttlehangar, der einzige Fluchtweg der ihr jetzt noch blieb, in der Hoffnung, dass es dort noch ein Shuttle gab.
Jeri lief gerade um eine Biegung die der Gang hier machte, als sie sah, dass ihr ein Plasmafeuer den Weg versperrte. Das Plasmafeuer ging von einer geborstenen Leitung in der Wand aus und reichte fast bis zur gegenüberliegenden Wand. Jeri wusste das ein Plasmafeuer nur erlöschen würde, wenn es nicht mehr mit Sauerstoff versorgt wurde, oder die Leitung aus der es kam verschlossen wurde. Eine Ironie des Schicksals, dass die Leitung auf diesem Deck geborsten war.
Dadurch waren ihre Optionen eingeschränkt, sie sah auch nirgends einen Feuerlöscher und die Leitung abschalten, konnte sie von hier aus auch nicht. Ihr blieb nur die Möglichkeit sich an der Wand entlang, an dem Feuer vorbei zu schieben.

Eine riskante Sache, denn mit Plasmaverbrennungen war nicht zu scherzen. Würde sie auch nur den geringsten Schaden erhalten, dann könnte nur eine sofortige Behandlung auf der Krankenstation sie dauerhaft retten. Das war ihr klar. Jeri nahm all ihren Mut zusammen und drückte sich mit dem Gesicht zur Wand an dem Feuer vorbei. Sie konnte die enorme Hitze spüren und merkte wie ihr das Atmen schwerer fiel. Ihr Rücken brannte wie Feuer und sie hatte das Gefühl ihre Uniform würde sich in ihre Haut einbrennen. ‚Nur die Ruhe bewahren und weiter, gleich hast Du es geschafft!’ sagte sie sich und setzte seitlich einen Fuß nach dem anderen nebeneinander.
Wenig später hatte sie die Engstelle hinter sich gelassen und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Nachdem sie prüfend an sich herunter sah stellte sie fest, dass ihre Uniform leicht angesengt war, sich aber nicht in ihrer Haut eingebrannt hatte.
Froh darüber, beeilte sie sich zum Shuttlehangar zu kommen als sie eine plötzliche Erschütterung gegen die Wand taumeln ließ.
Die Borg wollten wohl sichergehen, dass von diesem Schiff keine Gefahr mehr ausgehen würde, dabei war es ohnehin nur noch ein Wrack.
Gleich darauf erfolgte auch noch eine Explosion hinter Jeri. Sie warf einen Blick in den Gang hinter sich und sah wie das Plasamfeuer nun den gesamten Gang versperrte. Der Beschuss hatte der Leitung den Rest gegeben und sie war vollständig explodiert. Jeri war dankbar für so viel Glück, sie wusste, dass es nur eine Sache von Sekunden war und sie hätte genauso gut gerade in diesem Moment dort stehen können, hätte sie nur ein wenig länger gezögert ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen.
Schnell machte sie sich auf um den Shuttlehangar zu erreichen. Kaum war sie in der Nähe der nur halb offen stehenden Türe, spürte sie immer wieder einen kurzen starken Luftzug. Dies kannte sie so nicht, daher tastete sie sich vorsichtig heran und sah durch die halb geöffnete Tür.
Das Tor zum Weltraum stand offen und das Kraftfeld, welches das Vakuum des Alls zum Schiff absperrte fluktuierte stark. Jeri zögerte keinen Moment und lief zum einzigen Shuttle das noch im Hangar stand. Offenbar hatten andere Besatzungsmitglieder die fehlenden Shuttles bereits als Rettungskapsel benutzt. Es war ein Typ 6 Shuttle das wohl gerade repariert wurde als die Borg angriffen. Es standen jede Menge Diagnosegeräte um das Shuttle herum, die teilweise noch mit dem Shuttle verbunden waren. Jeri kümmerte sich nicht darum, schließlich konnte jeden Moment das Kraftfeld zum Weltraum zusammenbrechen. Dann würde sie im Vakuum des Alls sterben.
Sie betrat das Shuttle und schloss sofort die Tür.

Danach nahm sie im Pilotensitz platz und ließ den Computer eine Diagnose des Shuttles durchführen. Als nach scheinbar endlosen Sekunden das Ergebnis auf dem Display erschien, wusste Jeri das es nicht einfach sein würde. Der Warpantrieb, ebenso die Schutzschilde waren nicht einsatzfähig. Jeri konnte sich nicht wie geplant mit dem Shuttle schnell in Sicherheit bringen, ebenso wenig konnte sie kämpfen. Ein einziger Treffer der Borg würde es zerstören. Abgesehen davon könnte kein Shuttle, und sei es in bestem Zustand, es mit einem Borgkubus aufnehmen.
Eine sicherlich durchführbare Möglichkeit wäre es aber, sich für die Sensoren der Borg unsichtbar zu machen, aber dann wäre sie auch für alle anderen Raumschiffe unsichtbar. Eigentlich widerstrebte es Jeri, sich feige zu verstecken, aber in dieser Situation blieb ihr wohl keine andere Wahl, wenn sie nicht als Drohne im Borg Kollektiv enden wollte. Während sie sich Gedanken darüber machte, wie sie dies umsetzen könnte, wurde die Tolstoy von mehreren Explosionen erschüttert die sich an Bord ereigneten und durch beschädigte Schiffssysteme verursacht wurden. Jeri ahnte, dass dies das Ende der Tolstoy war und sie sich in Sicherheit bringen musste, wollte sie nicht sterben. Sofort startete Sie die Triebwerke des Shuttles und flog hinaus auf das Schlachtfeld, auf dem die Borg wüteten.

Als sie einen Blick zurück warf sah sie nur noch ein Wrack das, einmal ihre Heimat gewesen war. Schnell führte sie einen Sensorscan durch, um die Lage um sich herum beurteilen zu können. Sie hatte Glück das Kampfgeschehen hatte sich inzwischen von der Tolstoy weg bewegt, so das sie kaum beachtet wurde. Es waren nur noch wenige Föderationsschiffe kampfbereit, aber denen wurde von den Borg schwer zugesetzt.
Um sich herum fand Jeri nur große Trümmer und Schiffswracks ohne Lebenszeichen. Dies wäre bei aller Gefahr ein Idealer Platz sich zu verbergen, dachte Sie und steuerte das Shuttle zwischen die Trümmer, auch wenn dies ein ungutes Gefühl in ihr verursachte, waren doch viele Kameraden durch die Borg umgekommen und dies vor wenigen Stunden noch Besatzungen der Föderationsraumschiffe.
Tränen rannen ihr ungewollt über das Gesicht als ihr das Ausmaß dieser Katastrophe vollends bewusst wurde. So viele Schiffe, so viele Personen, alle aufgerieben in wenigen Minuten durch einen bis dahin unbekannten Feind mit einem erschreckenden Vernichtungspotential, welches selbst die Sternenflotte so deutlich unterschätzt hatte.

Sie deaktivierte die Triebwerke und ließ das Shuttle treiben. Dies bedeutete natürlich ein Risiko, falls das Shuttle mit einem Trümmerstück kollidierte. Jeri aktivierte ein Sensorenecho, das sie für andere Raumschiffe wie ein Trümmerstück aussehen ließ und fuhr alle Energie des Shuttles auf ein Minimum zurück. Nun hieß es warten bis die Borg verschwanden.
Jeri musste mit ansehen wie ihre Kameraden ums Leben kamen ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Sie nahm sich jedoch fest vor, nach Überlebenden zu suchen sobald die Borg verschwanden.
Bereits nach kurzer Zeit drohte Jeri von ihren düsteren Gedanken übermannt zu werden, denn das Sterben nahm kein Ende. Ganze Schiffe wurden von den Borgwaffen auseinander geschnitten wie Papierflieger und Jeri wusste genau, was dort drüben an Bord passieren musste. Menschen und andere Spezies kämpften verzweifelt um ihr nacktes Leben und versuchten alles um sich oder ihre Kameraden in Sicherheit zu bringen, doch die Borg vereitelten jeden Versuch zu entkommen. Rettungskapseln wurden mit Traktorstrahlen abgefangen und zum Borgkubus gezogen, wer ein funktionsfähiges Shuttle starten konnte, wurde pulverisiert, noch bevor er einen Warpsprung einleiten konnte und angesichts dieser Tragödie fragte sich Jeri, warum es gerade ihr gelungen war mit dem Shuttle zu entkommen.
Die einzige Erklärung die sie sich geben konnte war, dass die Borg sich auf einen anderen Angreifer, auf andere Schiffe konzentriert hatten, so dass es ihr möglich war, die Tolstoy zu verlassen und sie tat gut daran, ihre Lebenszeichen zu dämpfen.

Um sich abzulenken ging sie in den hinteren Teil des Shuttles um nachzusehen was ihr an Ausrüstung zur Verfügung stand. Sie klappte die Sitzfläche von einer der beiden Bänke hoch um in den darunter liegenden Stauraum zu schauen. Sie fand einen Erste Hilfe Koffer, einen Raumanzug und Überlebenspakete mit Notrationen. Sie wollte sich gerade der anderen Sitzfläche zuwenden als der Annäherungsalarm hektisch piepte. Jeri erschrak, schlagartig wurde ihr bewusst das sie auch die Energie für die passiven Sensoren auf ein Minimum reduziert hatte, was bedeutete, das sich nähernde Objekte erst recht spät entdeckt wurden. Als sie aufstand um zum Pilotensitz zu gehen wurde das Shuttle von einem größeren Trümmerteil getroffen. Da das Trägheitsdämpfungsfeld außer Funktion war, war der Aufprall für Jeri um so heftiger. Sie wurde regelrecht durch das Shuttle geschleudert. Alles was sie noch bewusst wahrnahm, war nur noch wie sie mit dem Kopf heftig an irgendetwas anstieß. Der Rest verlor sich für Jeri in tiefer Bewusstlosigkeit.
Sie bekam nicht mit wie die Borg wenig später das Sonnensystem verließen um zur Erde zu fliegen. Sie erfuhr auch nicht das die Enterprise die Borg gerade noch rechtzeitig abgefangen und zerstört hatte.


Als die Bergungsschiffe eintrafen erfuhr Jeri das sie die einzige Überlebende der Tolstoy war. Sie hatte sich bei dem Aufprall mit dem Trümmerteil eine schwere Kopfverletzung zugezogen, würde aber wieder vollständig genesen. Sie wurde zusammen mit den wenigen anderen Überlebenden zur Erde gebracht.
Jeri bemühte sich sofort um eine Stelle auf einem anderen Raumschiff, aber die Counselor, die die Überlebenden betreuten stellten sie dennoch für mehrere Wochen vom Dienst frei. Die Sternenflotte wusste, dass Personen, die einer solchen Katastrophe gegenüber gestanden hatten einen tiefen seelischen Schaden genommen hatten. Auch wenn sie es sich selbst nicht eingestehen wollten. Es war weniger das Trauma, das erlebte zu verarbeiten, als vielmehr das hilflose mit Ansehen müssen, wie viele Andere regelrecht zugrunde gegangen waren, mit ihrem Schiff, oder beim Versuch dieses zu verlassen. All das hinterließ traumatische Spuren in jedem intelligenten Geist. Auch wenn dies ein Szenario war, welches die Sternenflotte bisher noch nie in diesem Ausmaß erlebt hatte.

Jeri nutzte die Zeit um ihre Familie in Sydney zu besuchen. Sie bezog im Haus ihrer Eltern vorübergehend das Gästezimmer und verbrachte viel Zeit mit nachdenken. Ab und zu half sie im Restaurant ihrer Eltern aus, wenn mal wieder einer der Kellner krank war. Der Verlust ihres Verlobten bei Wolf 359 und ihrer Kollegen, ihr eigenes Verhalten während dieser Krise und die Folgen.
Wie würde ihr Leben in Zukunft aussehen?
War die Sternenflotte noch das Richtige für sie?

All dies bereitete ihr große Sorgen. Zweimal wöchentlich musste sie einen Termin bei einem Counselor wahrnehmen, der ihr helfen sollte das Erlebte zu verarbeiten.
Jeri redete normalerweise nicht gern mit Fremden über ihre Gefühle und Gedanken, daher ging sie anfangs nur widerwillig zu diesen Terminen, die sie zunächst als lästige Pflicht ansah. Nach einer Weile musste sie jedoch zugeben, das es ihr half über ihre Sorgen zu sprechen. Schließlich kam sie zu der Erkenntnis das es ihr nichts brachte wenn sie sich weiter Gedanken um die Vergangenheit machte. Ihr Verlobter und ihre Kollegen waren tot, so tragisch das auch war, schuld daran hatten die Borg, sonst niemand.
Ihre eigene Zukunft lag vor ihr und Jeri hatte nicht vor, sie warten zu lassen.

Nach mehreren Wochen, nachdem der Councelor sie wieder für dienstfähig erklärt hatte, reichte sie ein Gesuch nach einem neuen Kommando bei der Sternenflotte ein und nur wenig später erhielt sie die Zusage mit einer neuen Dienststelle.
Die Sternenflotte war dankbar für jeden Offizier, der seine Fähigkeiten in der Flotte einsetzen wollte, denn der Angriff bei Wolf 359 hatte zu einem tiefen Verlust in den Mannschaftslisten gesorgt, den es nun aufzufüllen galt. Dabei konnte man sich nicht nur auf junge Abgänger von der Sternenflotte verlassen, auch erfahrene Offiziere waren gefragt, die nun leitende Aufgaben übernehmen mussten.

Neuen Mutes ging sie auf die Renegade wo ein erfahrener Taktischer Offizier gesucht wurde. Für Jeri war es ein großes Glück, denn sie lebte sich dort schnell ein. Jedem steckte die Erfahrung mit den Borg in den Knochen, fast jeder hatte Verwandte, Bekannte oder Freunde verloren und so kam sie mit ihren Kollegen und Vorgesetzten sehr gut aus.

Captain Edwards war ein umgänglicher und bei der Crew beliebter Mann. Er pflegte ein gutes freundschaftliches Verhältnis zu seinen Untergebenen, nicht nur zu den Führungsoffizieren. Es war normal dass man ihn außerhalb der Dienstzeit oft im Gesellschaftsraum des Schiffes sah, wie er sich mit Besatzungsmitgliedern unterhielt, scherzte und lachte. Auch hatte er immer ein offenes Ohr für die Sorgen und Nöte seiner „Familie“, wie er seine Besatzung nannte.
Sicherlich fiel ihm das auch schwer, denn auch ihn verband ein tragisches Schicksal mit den Borg, wie Jeri wusste und gerade deshalb bewunderte sie ihn, wie er seiner Crew ein Beispiel an Stärke und Führung gab. Das blieb für die nächste Zeit so und Jeri glaubte hier ein neues Zuhause gefunden zu haben.
Sie fühlte sich wohl, bis zu jenem verhängnisvollen Tag, an dem Captain Edwards die Führungsoffiziere aufforderte in den Besprechungsraum zu kommen, um etwas wichtiges mitzuteilen. Jeri wusste sofort, dass es etwas unangenehmes sein würde, denn seine Stimme klang nicht so wie sonst, sie war auf eine merkwürdige Weise von einer traurigen Schwingung überlagert.

Captain Edwards stand am Kopfende des Tisches im Besprechungsraum und bedeutete den Offizieren sich einen Sitzplatz zu wählen, er selbst blieb entgegen seiner Gewohnheit stehen, was für Jeri ein weiteres Indiz dafür war, dass etwas nicht stimmte. Schnell ließ sie in ihrem Kopf die aktuelle Situation Revue passieren, aber es fiel ihr nichts ein, das ein so besonderes Zusammentreffen rechtfertigte, außer einem privaten oder besonderem dienstlichen Grund, der direkt seine Person betraf.

Seine Hände auf die Stuhllehne legend, blickte er seine Führungsoffiziere an und begann dann mit fester Stimme eine Erklärung abzugeben.
„Sie alle haben in den vergangenen Jahren einen einzigartigen Einsatz gezeigt und meiner Meinung nach verdienen sie es, dass ich sie darüber informiere, dass ich meinen Ruhestand einreichen werde. Ich habe lange mit dieser Entscheidung gehadert, aber als Captain muss man täglich viele Entscheidungen treffen, die dem Wohl des Schiffes, dem Wohl der Sternenflotte und allem voran dem Wohl der Crew dienen. Ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich dauerhaft diese Aufgabe zu meiner Zufriedenheit erfüllen kann und deshalb habe ich mich schweren Herzens entschieden diesen Schritt zu gehen.“

Für viele Besatzungsmitglieder war dies ein Schock, denn der Captain betrachtete sie als seine Familie und keiner würde ihm seinen Platz als Familienoberhaupt absprechen, nicht mal aus Altersgründen. Doch es blieb wohl keine andere Option, als die Entscheidung des Captains zu akzeptieren, so schwer sie auch jedem fallen mochte, der sich unter seinem Kommando wohl gefühlt hatte.

Bereits wenige Tage später flog die Renegade Raumbasis zwölf an, um den neuen Captain an Bord zu nehmen, sein Name war Merrick.
Die Besatzung der Renegade organisierte eine große Abschiedsfeier für Captain Edwards noch vor der Kommandoübergabe, bei der man die alten Zeiten aufleben ließ und ihm noch einmal den Dank der Crew vermittelte, kleine Geschenke übergab und ihn mit den Besten Wünschen in sein hoffentlich noch langes und ereignisreiches Leben zu entlassen.
Als letzte Amtshandlung stellte Captain Edwards dem neuen Captain seine Führungsoffiziere vor, wobei er für jeden Offizier die richtigen Worte fand und sicher gab er ihm auch den ein oder anderen guten Ratschlag mit auf den Weg.
Auf Jeri wirkte Captain Merrick mit seinem schmalen, kantigen Gesicht und der großen Nase, eher wie ein Buchhalter, als wie ein Captain der Sternenflotte.
Sein Blick war eiskalt als Captain Edwards sie dem neuen Captain vorstellte. Jeri versuchte unvoreingenommen zu bleiben, auch wenn sie ein ungutes Gefühl hatte.
„Das kann ja heiter werden“, dachte Jeri in dem Moment ironisch. Und leider sollte sie Recht behalten, wie sich schon kurz darauf zeigte.
Die nächsten paar Wochen waren eine harte Umgewöhnungszeit für die Besatzung. Captain Merrick bestand auf die strikte Befolgung der Vorschriften und des Protokolls und griff in Zweifelsfällen auch darauf zurück. Wenn er Untergebenen Aufgaben übertrug, erwartete er, dass sie ohne „wenn und aber“ ausgeführt wurden. Er führte auf dem Schiff eine Vierschichtrotation bei den Dienstzeiten ein, was bei vielen Besatzungsmitgliedern deutlichen Unmut hervor rief.

Captain Merrick war das genaue Gegenteil von Captain Edwards. Suchte Captain Edwards wann immer er konnte den Kontakt zur Mannschaft selbst um über private Dinge zu reden, so mied Captain Merrick den Kontakt zur Mannschaft außerhalb seines Dienstes und ließ persönliche Fragen gar nicht erst zu.
War Captain Edwards stets bemüht bei Meinungsverschiedenheiten einen Kompromiss
zu finden, so beharrte Captain Merrick auf seinem Standpunkt und berief sich auf seinen Rang oder die Dienstvorschrift.
Auch sonst gab sich der Captain eher geheimnisvoll. Niemand wusste wo er vorher gedient hatte, ob er verheiratet war. Man wusste lediglich das er sich bei seinen Vorgesetzten als guter Stratege und Kommandant einen Namen gemacht hatte.
Bei Nachforschungen stieß Jeri jedoch schnell auf gesperrte Informationen in seiner Personalakte. Sie vermutete das er irgend etwas mit dem Geheimdienst zu tun hatte. Die Leute vom Geheimdienst waren ihr schon immer ein wenig suspekt, vermutlich war er zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dies erklärte jedoch nicht, warum er zu seinen Untergebenen derart eiskalt war, besonders zu ihr.


Im Laufe der Zeit erkannte Jeri das sie auf Dauer nicht mit ihm klar kommen würde, knisterte doch jedes mal die Luft wenn sie zusammen in einem Raum waren.
Eines Morgens kurz vor Dienstbeginn fuhr Jeri mit dem Lift zur Brücke.
Sie hatte am Tag zuvor zusammen mit der technischen Abteilung die Phaserbänke nach einer Routinewartung neu kalibriert. Dies war eine sehr diffizile und zeitaufwendige Arbeit, die sie so genau wie möglich ausgeführt hatte. Unterwegs betrat Captain Merrick den gleichen Turbolift mit einem PADD in der Hand. Er hielt sich nicht mit Höflichkeiten auf und schien verärgert zu sein. Daher kam er gleich zur Sache: „Lieutenant Parker, Ihre gestrige Kalibrierung der Phaserbänke und der dazugehörige Bericht sind unzureichend.“
Jeri war alles andere als ein Morgenmuffel, aber diese Anrede ging ihr schon auf die Nerven. Es war einfach unhöflich, auch wenn sie bereits im Dienst war und dienstliche Gespräche meist einem strengeren Kodex folgten. Jeri konnte sich nicht vorstellen, was an ihrem Bericht nicht stimmen sollte, sie hatte alle wichtigen Informationen in einem gut übersichtlichen Absatz am Anfang des Berichtes verfasst und die wichtigen Daten und Grafiken angehängt. Sie wollte sich daher nicht aus der Ruhe bringen lassen und erwiderte in normalem Ton: „Sir, wären Sie so freundlich mir zu erklären was Sie meinen.“ Captain Merrick reichte ihr mit einem kühlen Blick das PADD. Jeris Blick fiel auf eine minimale Abweichung, die bei der Kalibrierung der Phaserbänke entstanden war. Ihr war diese Abweichung früher schon aufgefallen und sie hatte darauf hingewiesen. Es hatte sich später herausgestellt das sich niemand erklären konnte wie es zu dieser minimalen Abweichung kam, die aber in der Praxis keine Auswirkung auf die Genauigkeit der Phaserbänke hatte. Jeri hatte in ihrem Bericht, den ihr der Captain jetzt vor hielt, extra darauf hingewiesen und diesen Umstand erklärt.
„Captain, einen Hinweis zu dieser minimalen Abweichung werden sie in den vorherigen Berichten ebenfalls finden. Sie wurden von mir und meinem Vorgänger geschrieben. Glauben Sie mir, in der Praxis hat dies keine Auswirkungen auf die Zielgenauigkeit der Phaserbänke.“
Captain Merrick sah Jeri eiskalt an und sagte bestimmend:
„Dann beheben Sie diese Abweichung selbst und zwar schleunigst. Ich erwarte voll funktionsfähige Schiffssysteme.“ Jeri, die sich vorkam wie ein Kadett im ersten Jahr, und sich maßlos über den Ton des Captain ärgerte, erwiderte schnippisch: „Dann wenden Sie sich gefälligst an die Technische Abteilung – Sir, ich bin für Sicherheits- und Taktische Fragen zuständig und kein Ingenieur.“
Mit diesen Worten gab sie ihm das PADD zurück und warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Der Turbolift hatte inzwischen die Brücke erreicht und nur die sich öffnende Tür bewahrte Jeri vor einem Wutausbruch des Captains.
Sie wusste selbst das sie möglicherweise eine Spur zu weit gegangen war, als sie ihm sagte er solle sich an die technische Abteilung wenden, aber der Captain behandelte sie seit Beginn wie einen Kadetten, sie war sich nicht sicher, ob es nur daran lag, dass ihr als Frau die taktischen Systeme unterstanden. Aber es war nicht nur sie, sondern die Meisten mit denen er zu tun hatte behandelte er ebenso herabwürdigend.
In solchen Momenten wünschte sie sich, Captain Edwards wäre nicht in den Ruhestand gegangen. Captain Merrick blickte Jeri wütend an. Als er den Lift verließ zischte er im vorbeigehen: „In meinen Raum, sofort!“ Sie folgte ihm, machte sich innerlich aber schon auf einen verbalen Kampf gefasst.
Kaum hatten sich die Türen vom Bereitschaftsraum geschlossen, baute sich der Captain vor Ihr auf.
„Was bilden Sie sich eigentlich ein, Lieutenant “, begann er lautstark, „wenn ich Ihnen einen Befehl gebe, dann haben Sie den auszuführen, verstanden?“
Jeri atmete tief durch bevor Sie antwortete: „Bei allem Respekt Sir, ich bin Taktischer Offizier und kein Techniker. Wenn Sie vernünftige Befehle geben, meinen Verantwortungsbereich betreffend,führe ich die auch aus. Aber Sie sollten endlich etwas an ihrem Benehmen gegenüber ihren Untergebenen ändern.“
Das war neben ihrer Bemerkung im Lift noch eine Steigerung, aber es war ihr einfach so herausgerutscht, weil sie sich massiv ungerecht behandelt fühlte. Das Engelchen auf der rechten Schulter ließ sie es sofort bereuen, aber das Teufelchen auf der linken Schulter flüsterte ihr ins Ohr: „Jawohl, gib’s ihm richtig!“

„Was haben Sie gerade gesagt?“, fragte Captain Merrick drohend, während er sich leicht vorbeugte. Jeri wusste genau das sie der Captain ganz genau verstanden hatte und nutzte die Gelegenheit ihm zu sagen was ihrer Meinung nach falsch lief.
Ihr lag nichts daran die Stimmung unnötig aufzuheizen deshalb antwortete Sie so ruhig wie es ihr möglich war, jedoch ohne die Erlaubnis frei sprechen zu dürfen: „Sie sind unhöflich gegenüber anderen Personen, Sie sagen nicht einmal Guten Morgen. Sie krempeln das ganze Schiff um, geben aber den Leuten keine Zeit sich auf die Veränderungen einzustellen. Sie verbreiten ein schlechtes Arbeitsklima und merken es nicht einmal.
Sie erwarten Respekt von ihren Untergebenen? Wirklichen Respekt muss man sich verdienen, er wird einem nicht geschenkt, auch nicht einem Captain.“
Jeri hatte ihrem Ärger Luft gemacht und hatte genau das gesagt, was ihr schon seit langer Zeit auf dem Herzen lag. Ob ihm das nun passte oder nicht, es war ihr egal. Ein ehrliches Wort musste jeder vertragen können, auch jemand der an der Spitze stand, selbst wenn er gelegentlich nicht mehr den Boden sah auf dem er stand.

„Sind sie endlich fertig, Lieutenant?“,knurrte Merrick.
„Fertig? Ich habe gerade erst angefangen, Sir.“

„Wenn Ihnen das Arbeitsklima und mein Führungsstil auf diesem Schiff nicht passt, Lieutenant, dann schlage ich vor, Sie lassen sich versetzten.“
Für einen Moment herrschte Stille im Raum, als Jeri nicht wusste was sie sagen sollte. Ihr wurde bewusst das ihre kleine Ansprache vom Captain einfach ignoriert wurde und sich nichts an den Zuständen ändern würde. War es wirklich zu viel verlangt von seinem Vorgesetzten zu erwarten, die einfachsten Umgangsformen zu befolgen, fragte sie sich. Mehr wollte Sie ja gar nicht erreichen.
Allerdings wurde ihr zunehmend klar, dass sie sich und ihren Kollegen damit keinen Gefallen getan hatte, wahrscheinlich würde er noch härter durchgreifen und das Schiff würde womöglich unter ihm einer Diktatur verfallen.


Mit einem „Wegtreten, Lieutenant“ wurde sie vom Captain aus dem Bereitschaftsraum geschickt. Während sie ihre Station aufsuchte, sah sie ein das es wohl am besten wäre wenn sie sich auf ein anderes Raumschiff versetzen ließ, anstatt sich hier auf Dauer ihre Nerven kaputt zu machen. Aus diesem Grund legte sie am Ende ihrer Schicht dem Captain kommentarlos ihren Versetzungsantrag auf den Schreibtisch.
Jeri bewarb sich auf die nächste freie Stelle als Taktischer Offizier. Ihr war egal auf welchem Raumschiff oder in welchem Sektor sie künftig eingesetzt werden würde, Hauptsache weit weg von Captain Merrick.

Wenig später wurde ihre Versetzung genehmigt.
Sie wurde auf die U.S.S. Recovery NCC 73401 als leitender Taktischer Offizier versetzt. Ein neues Schiff mit ungewöhnlichem Design, welches in den Flottenwerften auf dem Mars vom Stapel gelaufen war. Jeri stieg aus der Untergrundbahn, die sie vom Raumhafen zur der neuen Aufgabe gebracht hatte. Ein wenig konnte sie am Vorabend schon über die Recovery in Erfahrung bringen. Nun war sie hier auf der Utopia Planitia Werft, unterwegs zu ihrem neuen Schiff. Sie hatte die Zeit unter Captain Merrick endlich hinter sich gelassen, daher freute sich Jeri auf eine neue Crew, ein neues Schiff und eine neue Herausforderung. Jetzt konnte alles nur noch besser werden.

ENDE
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