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Aufgeweckt

von Linnea

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Ihr Kopf hatte sich an die Sessellehne gelegt, ihr Brustkorb bewegte sich langsam auf und ab. Auf der Brücke war es so leise, man hätte eine Feder zu Boden fallen hören können. Paris suchte beinahe verzweifelt nach einem Fussel, den er sich noch von der Uniform picken konnte. Er war glorreich und fand einen. Chakotay lümmelte fast auf seinen Sessel, es hätte ihm bestimmt einen bösen Blick vom Captain eingebracht, wäre dieser wach gewesen. Zum Glück schlief sie. Neben ihm. Na ja, auf der Brücke, aber immerhin. Gut, eigentlich wäre es einer dieser berüchtigten Offizierspflichten gewesen, den Captain aufzuwecken, falls dieser auf der Brücke wegtritt, aber sie sah so... niedlich aus.

Niedlich? Schlechtes Wort, um ihr Aussehen zu beschreiben. Hört sich fast an, als würde jemand über ein Meerschweinchen sprechen 'Ach diese Öhrchen!' 'Schau dir mal die kleinen Füßchen an!' Nein. Der Captain war gewiss kein Meerschweinchen. Seine Lippen wanderten leicht in die Höhe.

Schön. Schon eher. Besonders wenn sie schläft.

Er sah sich um. Kim strich mit seinen Fingern über die Schaltflächen und sah fast schon beschäftigt aus. Vielleicht spielte er ja irgendetwas. Flipper zum Beispiel. Tom hatte letztens einen Flippertisch bei Sandrine's einprogrammiert und als er erwähnt hat, dass sich das auch als Pausenspiel an jede Konsole holen ließ, bemerkte man schon Interesse.

Er würde sich jetzt gerne irgendwo hinlegen, doch wo? Immerhin war schon der Captain eingepennt, wenn jetzt noch der Erste Offizier einnickte, gäbe das ein schlechtes Bild ab. Wieder musste er grinsen.

Sein Blick wanderte zu der Tür an seiner Linken. Was für eine Idee! Was der Captain kann, kann ich schon lange!

"Tuvok, Sie haben die Brücke. Ich bin im Bereitschaftsraum. Lassen Sie Janeway schlafen, Sie hat ein wenig Ruhe verdient." Tuvok nickte nur stumm, jedoch nicht ohne eine Augenbraue zu heben.

Der Bereitschaftsraum - ihr Bereitschaftsraum - war aufgeräumt, wie immer, wenn man über einen Stapel PADD's hinwegsah, die sich auf ihrem Schreibtisch neben der Konsole befanden. Nein, zum arbeiten war er ja eigentlich nicht hier. Dennoch nahm er sich die beiden obersten vom Stapel, bevor er sich auf der einladenden Couch niederließ. Was für ein Leben!

Kaum hatte er die Füße auf das eine, und seinen Kopf auf das andere Ende gelegt, fühlte er schon, wie sich die Müdigkeit in seinen Körper schlich. Er legte die PADD's beiseite und war sofort eingeschlafen.

"Mmnn?" Sie musste wohl eingenickt sein. Sämtliche Brückenoffiziere hatte grinsend in ihre Richtung gesehen, als sie aufgewacht war. Warum hatte sie auch so ein doofes Geräusch machen müssen?

"Fähnrich Kim: Status?"

"Alles läuft wie geschmiert, Captain."

"Gut, weitermachen."

Na toll. Gut, irgendetwas hatte sie ja sagen müssen, nachdem sie sich ja so laut bemerkbar gemacht hatte. Die letzten Tage auf dem Schiff waren wirklich langweilig gewesen, keine Anomalien, keine eigentümlichen Nebel oder Erstkontakte. Jeder hatte versucht, sich mit irgendetwas zu beschäftigen. Sie persönlich hatte es auf das Holodeck gezogen. Heute Nacht zum Beispiel hatte sie ein sehr inspirierendes Gespräch mit Elok, einem vulkanischen Philosophen geführt. Hätte sie den Schichtplan im Kopf gehabt, hätte sie gewusst, dass ihr am nächsten Morgen die Alphaschicht zugeteilt war. Zu dumm, noch dazu hatte sie doch selbst die Pläne eingeteilt.

Auch Chakotay saß nicht mehr neben ihr auf seinem Sessel. Sie konnte es ihm nicht verübeln, war es doch auf der Brücke extrem ruhig. Bestimmt war er im Maschinenraum bei B'Elanna, die schon wieder irgendwelche langwierigen Modifikationen an den Langstreckensenoren vornahm. Sie meinte, sie könne deren Effizienz noch um 2% steigern. Warum auch nicht?

Ihr Kopf nickte gefährlich zur Seite, hoffentlich bemerkte es keiner. Sie war schon wieder so müde, aber als Captain gab es da natürlich einen Ausweg...

"Tuvok, Sie haben die Brücke, ich bin in meinem Bereitschaftsraum."

Gerade als Tuvok seinen Mund aufmachen wollte, schloss sich die Türe hinter ihr. 'Sie wird sich schon um den Commander kümmern', dachte er sich und nahm auf dem Kommandosessel platz.

"Chakotay!" Ein lauter Schrei hallte von den grauen Wänden ihres Bereitschaftsraums wieder. "Was zur Hölle machen Sie denn hier?!"

Mit einem Ruck setzte sich der Besagte auf, sank aber sofort zurück als er den Einfluss seiner hastigen Bewegung durch zu rasche Blutzufuhr im Kopf zu spüren bekam.

"Ich... ich... ähm... tja...?" Na gut! Lügen nützte ja sowieso nichts, also sagte er lieber nichts. Da grinste er lieber breit. Sie sah so zerzaust aus... niedlich... nein, hübsch. Außerdem sagte sie gar nichts mehr. Sie war wohl zu überrascht. Immerhin war sie ja in diesem Falle nicht die Einzige, die einen Narren aus sich gemacht hatte.

Plötzlich grinste sie. "Chakotay, Sie sehen bescheuert aus!", stellte sie fest. Na dankeschön! Aus ihrem Mund hörte sich das fast schon nett an. "Ihre... Uniform...", sagte sie, immer noch mit einem verschmitztem Grinsen auf ihren Lippen. Er schaute an sich herab. ‚Mein Gott, die Falten stehen mir aber gar nicht gut!’ Schnell zog er sie glatt.

"Ich... das ist mir so peinlich... ich war so müde und... und...", wieder grinste er verlegen.

‚Einen Ausweg! Schnell einen Ausweg!’ "Es...tut mir leid. Wird nicht wieder vorkommen. Ich werde jetzt wohl besser gehen." Chakotay drehte sich um und schritt durch die sich öffnende Tür.

Was war das denn? Chakotay schlafend in ihrem Bereitschaftsraum? Was für ein Bild! Für die Götter! Hätte sie ihn doch bloß nicht verjagt... Aber es gab da ja noch ein anderes Privileg, das nicht nur ihr vorbehalten war...

"Janeway an Chakotay."

"Chakotay hier."

"Haben Sie noch mal einen Moment Zeit für mich?"

"Immer. Sind Sie noch in Ihrem Bereitschaftsraum?" Sie konnte ganz klar ein Lächeln in seiner Stimme hören.

"Sicher. Immer der Nase nach!"

"Bin gleich da. Chakotay Ende."

Ob sie gewusst hatte, dass er noch auf der Brücke war? Chakotay spürte ganz klar, wie die neugierigen Blicke in seinen Rücken stachen. Soviel also zu den Gerüchten... Da hatten Tom und Harry nachher bestimmt wieder einige nette Gespräche darüber.

Eine lächelnde Janeway stand in der hinteren Ecke des Raumes, der von der Brücke aus nicht einsehbar war, als er durch den Türrahmen trat.

"Captain?" Noch immer ahnte er nicht, was Kathryn mit ihm vorhatte, wie konnte er auch? Er ging ein paar Schritte in den Raum hinein, setzte sich auf das Sofa und sah sie fragend an.

"Sie scheinen es hier ja sehr zu mögen?", fragte sie, ihr Grinsen schien in ihr Gesicht eingebrannt zu sein.

"Na ja, Sie haben mich diesmal ja auch gerufen. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?"

"Ja", sagte sie, ohne den Mund zu verziehen, "ich wollte Sie schon immer in meinem Bereitschaftsraum schlafen sehen..."

Chakotays Unterkiefer klappte nach unten.

Ihr Grinsen spiegelte sich auch in ihrem Inneren wider. Strafe muss sein. Wenn auch nur zu ihrem Vergnügen. Und einen verwirrten Chakotay auch noch völlig aus der Bahn zu werfen, machte gleich doppelt soviel Spaß...

...hätte sie doch bedacht, wie anpassungsfähig ihr Erster Offizier ist! Er klopfte auf den Platz neben sich und machte eine einladende Handbewegung.

"Setzen Sie sich doch. Sie sehen so müde aus." Jetzt war er es, der sie überraschte. Gut, sie hatte dieses Spiel angefangen, sie musste es auch zu Ende bringen. Sie setzte sich.

"Schlafen Sie." Chakotay sah sie erwartungsvoll an.

‚Mein Gott. Was macht dieser Kerl mit mir? Ich dachte, ich könnte mir einen Scherz erlauben und nun springt er auch noch darauf an...’

Ihr Kopf lehnte sich an seine Schulter. Noch einmal sah sie ihn skeptisch an, bevor er ihr noch einmal zuflüsterte: "Schlaf...".

Sie schloss die Augen, wartete auf das, was als nächstes passieren würde. Zuerst passierte nichts. Es war still. Sie spürte, wie er einen Arm um sie legte. So wenig sie auch erwartet hatte, dass sie wirklich schlafen würde, überkam sie doch wieder eine Welle der Müdigkeit und sie wurde von ihr mitgerissen.

Sie schien tatsächlich eingeschlafen zu sein. In seinen Armen. Heiliger! Natürlich konnte er nicht schlafen. Wie denn auch! Er hätte ja auch nie gedacht, dass sie wirklich einmal in seinen Armen schlafen würde. Zwar nur in ihrem Bereitschaftsraum, aber immerhin! Wie schön sie doch war! Er konnte nicht anders, streckte seine Hand aus und zeichnete die Konturen ihres Gesichtes nach. So, so schön...

Ein seltsames Frösteln überkam sie. Fast wie ein Windhauch, der über ihr Gesicht glitt. Sie öffnete ihre Augen nur widerwillig und blinzelte in das helle, gleißende Licht. Da besann sie sich, wo sie war. Chakotay... Sie spürte seinen Arm nicht mehr um sich.

"Chakotay?", flüsterte sie beinahe unhörbar, als sie ihre Augen öffnete. Seine Hand strich über ihre Wange.

Er zog sie ruckartig zurück.

"Entschuldigung...", murmelte er, der vor ihr saß.

"Macht nichts", flüsterte sie und grinste. Seine Hände hatten bei ihr ein angenehmes Gefühl hinterlassen. Dieses Schaudern...

Er hatte sich vor sie gesetzt und sah in ihre Augen.

Er wollte gerade wieder aufstehen, als sie ihn plötzlich wieder zu ihr zurück auf das Sofa zog.

"Nein... nein, bitte geh' nicht. Nicht jetzt..."

Sie sah etwas in seinen Augen aufblitzen. Es verursachte eine Wärme in ihr, die sie schon lange nicht mehr in sich gefühlt hatte. Sie wollte es ihm sagen. Sie hatte es so lange unterdrückt, bis sie es fast vergessen hatte. Jetzt schlug dieses tief verdrängte Gefühl zurück.

"Wenn du jetzt gehst, dann habe ich dich für immer verloren..."

Seine Finger legten sich auf ihre Lippen. Verschlossen sie.

"Schhh. Ich werde nicht gehen, Kathryn."

Sie zog ihn an sich.

Ihren Atem auf seinen Lippen zu spüren brachte ihn total durcheinander. Als ihre Lippen die seinigen berührten, fühlte er, wie sie zu schweben begannen...

Nach dem Ende der Alphaschicht saß eine sich rege unterhaltende Gruppe, bestehend aus Tom, B'Elanna, Harry, Neelix und dem Doktor an einem Tisch des Casinos und gestikulierten wild über fiktive Geschehnisse zwischen zwei übermüdeten Führungsoffizieren im Bereitschaftsraum.

Wenn sie doch nur wüssten...

Ende
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